Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Hervorzuhebende Urteile in allen Sachgebieten
In den letzten 30 Tagen wurden folgende wichtige Entscheidungen im Volltext bei ibr-online eingestellt
Online seit heute
IBRRS 2022, 1456
OLG Karlsruhe, Urteil vom 20.04.2021 - 19 U 28/19
1. Ein kalkulatorisch unklares Leistungsverzeichnis hat der Bieter (und spätere Auftragnehmer) in der Angebotsbearbeitungsphase durch Rückfrage beim Auftraggeber aufzuklären.
2. Unterlässt der Bieter/Auftragnehmer die gebotene Aufklärung, trägt er das Risiko, über die von ihm kalkulierte Ausführung hinaus Mehrleistungen erbringen zu müssen, ohne hierfür eine zusätzliche Vergütung verlangen zu können.
3. Hat der Auftragnehmer nach dem Leistungsverzeichnis 285 Meter Bauzaun aufzustellen, vorzuhalten und zu räumen, ist die EP-Position "50 mWo Bauzaun vorhalten, über Vertragslaufzeit hinaus" dahingehend zu verstehen, dass der Einheitspreis nicht pro Meter Zaun, sondern für die gesamte Zaunlänge (285 Meter) gilt.

IBRRS 2022, 1493

LG Bremen, Urteil vom 25.02.2022 - 4 O 2013/20
Bei einem beurkundungspflichtigen Rechtsgeschäft hat ein beratender Rechtsanwalt den Mandanten nur über die grundsätzliche Formbedürftigkeit zu belehren. Die Einzelheiten, wie die Beurkundung zu erfolgen hat, fallen allein in den Pflichtenkreis des beurkundenden Notars.

Online seit 13. Mai
IBRRS 2022, 1450
AG Neustadt/Rübenberge, Urteil vom 16.06.2021 - 41 C 337/20
1. Die Nichtzahlung der Mietsicherheit berechtigt den Vermieter zur fristlosen Kündigung.
2. Umstellung des Klageantrags auf Klägerseite bei Veräußerung des Eigentums ist keine Klageänderung.
3. Interessenabwägung bei Festlegung einer angemessenen Räumungsfrist i.S.d. § 721 Abs. 1 ZPO.

Online seit 12. Mai
IBRRS 2022, 1373
OLG Frankfurt, Urteil vom 14.11.2019 - 15 U 85/19
1. Unabhängig von der Übernahme einer Baukostengarantie entspricht die Planungsleistung eines Architekten nicht der vereinbarten Beschaffenheit, wenn sie ein Bauwerk vorsieht, dessen Errichtung höhere Herstellungskosten erfordert, als sie von den Parteien des Architektenvertrags vereinbart sind.
2. Der Architekt ist verpflichtet, die Planungsvorgaben des Auftraggebers zu den Herstellungskosten des Bauwerks zu beachten. Dabei muss er nicht nur genau vereinbarte Baukostenobergrenzen einhalten. Vielmehr ist er auch verpflichtet, die ihm bekannten Kostenvorstellungen des Auftraggebers bei seiner Planung zu berücksichtigen.
3. Die Kostenvorstellungen muss er im Rahmen der Grundlagenermittlung erfragen. Der Architekt verletzt seine Vertragspflichten, wenn er ohne verlässliche Kenntnis von den wirtschaftlichen Möglichkeiten des privaten Auftraggebers die Planung eines Wohnhauses vornimmt. Er muss diese aufklären und darf nicht ohne Rücksicht auf die finanziellen Verhältnisse des privaten Auftraggebers planen.
4. Verletzt der Architekt seine Pflicht, die Planungsvorgaben des Auftraggebers zu den Herstellungskosten des Bauwerks bei der Erbringung der von ihm geschuldeten Leistungen zu beachten, haftet er dem Auftraggeber auf Schadenersatz wegen schuldhafter Überschreitung einer vereinbarten Bausumme.
5. Der Schaden bei Überschreitung einer mit dem Architekten vereinbarten Bausumme kann zwar in den überschießenden Baukosten bestehen. Dem Auftraggeber entsteht jedoch insoweit kein Nachteil, als der zu seinen Lasten gehende Mehraufwand zu einer Wertsteigerung des Objekts geführt hat.

IBRRS 2022, 1471

EuGH, Urteil vom 28.04.2021 - Rs. C-642/20
Art. 63 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der das bevollmächtigte Unternehmen einer Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern, die an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags beteiligt ist, mehrheitlich die in der Vergabebekanntmachung vorgesehenen Kriterien erfüllen und die Leistungen dieses Auftrags erbringen muss.*)

IBRRS 2022, 1437

AG Freiburg, Urteil vom 22.04.2022 - 4 C 260/21
Teilt der Vermieter seinem Mieter durch ein Versehen in einem Schreiben eine neue Aufschlüsselung der Mietstruktur mit, bei der die mietvertraglich vereinbarte Miete deutlich unterschritten wird und der mitgeteilte Betrag schlicht unerklärlich ist, so ist in diesem Fehler kein Angebot auf eine Vertragsänderung zu sehen, die der Mieter ausdrücklich oder stillschweigend annehmen könnte.

Online seit 11. Mai
IBRRS 2022, 1453
OLG Hamm, Beschluss vom 27.04.2021 - 24 U 173/20
1. Beschädigt der Auftragnehmer bei der Ausführung seiner Leistung das Eigentum des Auftraggebers, wird die Höhe des zu ersetzenden Schadens durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit der Vermögenslage ermittelt, die ohne dieses Ereignis bestehen würde. Ausgangspunkt jeder Schadensberechnung bildet die Differenzhypothese.
2. Erfüllt die geschädigte Sache (hier: ein Gülleerdbehälter) wegen struktureller Vorschädigungen die ihr zukommende Funktion objektiv nicht und kommt ihr deshalb kein Wert mehr zu, entsteht dem Auftraggeber durch das haftungsbegründende Ereignis kein Schaden. Das gilt auch dann, wenn der Auftraggeber die Sache trotz des Vorschadens genutzt hat. Es gibt keinen "funktionalen Schadensbegriff".

IBRRS 2022, 1469

VK Bund, Beschluss vom 10.03.2022 - VK 1-19/22
1. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt und getrennt nach Art oder Fachgebiet zu vergeben.
2. Welche Teilleistung als ein Fachlos angesehen werden kann, bestimmt sich zunächst nach gewerberechtlichen Vorschriften und der allgemeinen oder regional üblichen Abgrenzung. Dabei ist auch von Belang, ob sich für spezielle Arbeiten ein eigener Markt herausgebildet hat.
3. Das Drucken/Kuvertieren und der anschließende Postversand von Briefen sind Leistungen getrennter Märkte, die grundsätzlich in getrennten Fachlosen auszuschreiben sind.
4. Da die losweise Vergabe grundsätzlich vorrangig ist, hat sich der öffentliche Auftraggeber, wenn ihm eine Ausnahme von diesem Grundsatz aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen erforderlich erscheint, mit dem Gebot einer Fachlosvergabe und den dagegen sprechenden Gründen intensiv auseinanderzusetzen.
5. Der Auftraggeber hat eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange vorzunehmen, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden Gründe nicht nur anerkennenswert sein, sondern überwiegen müssen.
6. Im Rahmen dieser Abwägung sind der mit einer Fachlosvergabe allgemein verbundene typische Ausschreibungs-, Prüfungs- und Koordinierungsaufwand sowie ein höherer Aufwand bei Gewährleistungen nicht zu berücksichtigen. Dem Auftraggeber steht jedoch ein Beurteilungsspielraum zu.

IBRRS 2022, 1430

AG Neubrandenburg, Urteil vom 17.09.2021 - 103 C 432/21
1. Unabhängig davon, ob im Mietvertrag die Umlage von Gebäudereinigungskosten vereinbart wurden, sind diese nur dann von den Mietern zu zahlen, wenn diese dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen.
2. Es entspricht nicht dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, eine Firma mit der Gebäudereinigung zu beauftragen, wenn die Mieter diese in eigener Organisation und ohne Beanstandung durchführen.

IBRRS 2022, 1475

BGH, Beschluss vom 08.03.2022 - VI ZB 25/20
Zum Eingang eines über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereichten elektronischen Dokuments (hier: Berufungsbegründung) bei Gericht (§ 130a Abs. 5 ZPO).*)

Online seit 10. Mai
IBRRS 2022, 1458
OLG Hamburg, Urteil vom 31.05.2021 - 13 U 105/10
1. Eine Haftung des Architekten wegen einer Überschreitung der Baukosten setzt voraus, dass ein bestimmter Kostenrahmen bzw. eine Baukostenobergrenze vereinbart wurde. Die Vereinbarung kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen.
2. Die Darlegungs- und Beweislast für die Vereinbarung einer Baukostenobergrenze trägt der Auftraggeber.
3. Ein in einer "Kostenkontrolle" aufaddierter und dem Architekten bekannter Betrag belegt nicht, dass der Auftraggeber deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass dieser Betrag keinesfalls überschritten werden darf und der Architekt sich darauf verbindlich eingelassen hat.

IBRRS 2022, 1440

AG Hamburg, Urteil vom 04.05.2022 - 49 C 438/21
Eine Eigenbedarfskündigung ist hinreichend begründet, wenn sich aus dem Kündigungsschreiben ergibt, dass der Vermieter die Räume einer Bedarfsperson überlassen will und hierfür vernünftige Gründe vorliegen (vgl. BGHZ 103, 91, 96).

IBRRS 2022, 1429

LG Hanau, Urteil vom 22.07.2021 - 2 S 138/20
Auf eine Unterbringung in einem Alten- oder Pflegeheim muss sich der Mieter nicht verweisen lassen, wenn wegen der Erkrankungen und der Pflegebedürftigkeit des Mieters besondere Schwierigkeiten bei der Beschaffung von geeignetem Ersatzwohnraum vorliegen und die dringende Vermutung besteht, dass sich im Fall eines Auszugs die Notwendigkeit der Unterbringung in einem Pflegeheim kaum verhindern lassen dürfte.

Online seit 9. Mai
IBRRS 2022, 1355
OLG Rostock, Urteil vom 21.09.2021 - 4 U 121/18
1. Der Werklohnanspruch des Bauträgers wird erst fällig, wenn der/die Erwerber einer Eigentumswohnung die Leistung abgenommen hat/haben.
2. Auch bei Vereinbarung einer förmlichen Abnahme kann die Leistung durch schlüssiges Verhalten (konkludent) abgenommen werden.
3. Die schlüssige Abnahme setzt - ebenso wie die ausdrückliche Abnahme - ein vom Willen des Erwerbers getragenes Verhalten voraus. Sie ist danach gegeben, wenn der Erwerber durch sein Verhalten zum Ausdruck bringt, dass er das Bauwerk als im Wesentlichen vertragsgerecht ansieht.
4. Eine schlüssige Abnahme durch rügelose Ingebrauchnahme ist jedenfalls dann nicht durch das Vorhandensein einer Abnahmereife entgegenstehender Mängel ausgeschlossen, wenn diese während des erforderlichen Prüfungszeitraums noch nicht in Erscheinung getreten sind.
5. Ein Ehegatte ist nicht ohne Weiteres dazu bevollmächtigt, für den anderen Ehegatten die Abnahme einer gemeinsam erworbenen Eigentumswohnung zu erklären.

IBRRS 2022, 1408

VK Nordbayern, Beschluss vom 16.02.2022 - RMF-SG21-3194-7-1
1. Hat die Vergabestelle im Bieterinformationsschreiben eine zu kurze Frist gem. § 134 Abs. 2 GWB angegeben, hat die Wartefrist nicht zu laufen begonnen (vgl. OLG Düsseldorf, VPR 2019, 216).*)
2. Für den Rechtsverkehr ist entscheidend, dass die Identität des Vertragspartners erkennbar ist. Maßgeblich ist hierbei der objektive Empfängerhorizont aus Sicht eines mit den Umständen des Einzelfalls vertrauten Dritten in der Lage der Vergabestelle.*)
3. Hat ein Bieter weder in dem hierfür auf Seite 1 des Formblatts L 213 vorgesehenen Adressfeld noch an anderer Stelle im Angebotsschreiben seinen Namen und Anschrift benannt, hat er nicht deutlich und zweifelsfrei zu erkennen gegeben, ob das Angebot überhaupt von ihm stammt und von ihm rechtsverbindlich erklärt wird. Wurde in einem anderen Textfeld des Formblatts L 213 Telefon- und Faxnummer, Umsatzsteuer- und Handelsregisternummer sowie eine E-Mail-Adresse genannt, genügt dies allein nicht, um zweifelsfrei als Bieter identifiziert zu werden. Der Auftraggeber ist nicht dazu verpflichtet - auch bei geringem Aufwand - den Bieter erst anhand bestimmter Angaben selbst zu recherchieren, insbesondere wenn der Auftraggeber ausdrücklich die Erkennbarkeit des Bieters im Formblatt L 213 verlangt hat.*)
4. Ebenso wenig genügt es, dass ein Bieter noch weitere Unterlagen als Anlage mit seinem Angebot eingereicht hat, wenn zum einen die Vergabestelle die Erkennbarkeit des Bieters bereits im Angebotsschreiben verlangt hat und zum anderen der Zuschlagsprätendent auch aus den eingereichten Unterlagen nicht eindeutig als Bieter erkennbar ist, da dort teilweise auch andere Firmen benannt werden.*)

IBRRS 2022, 1451

OVG Niedersachsen, Beschluss vom 03.05.2022 - 1 ME 31/22
1. Die Bauaufsichtsbehörden in Niedersachsen können gegenüber dem (ehemaligen) Eigentümer eines Grundstücks auch dann Anordnungen treffen, wenn dieser sein Eigentum aufgegeben hat.*)
2. § 56 Satz 4 NBauO ist auch dann anwendbar, wenn die Eigentumsaufgabe vor Inkrafttreten der Norm am 01.01.2019 erfolgte.*)

IBRRS 2022, 1449

LG Hannover, Urteil vom 17.12.2021 - 17 S 33/20
Vermeidung von unnötigen Formalien im Hinblick auf die Gesamtkosten und die Einzelkosten bei der Abrechnung der Betriebskosten für ein Einfamilienhaus.

IBRRS 2022, 1259

LG Wiesbaden, Urteil vom 30.09.2021 - 3 S 50/21
Gibt der (private) Vermieter Daten des Mieters an eine Firma weiter, damit diese die Betriebskostenabrechnung erstellt, so ist die DSGVO einschlägig und der Mieter hat Anspruch darauf, dass der Vermieter ihm mitteilt, welche Daten er über den Mieter gespeichert hat und ob er diese auch noch an andere herausgegeben hat bzw. herausgeben will.

IBRRS 2022, 1411

OLG Rostock, Urteil vom 26.04.2022 - 14 U XV 7/21
Eine Pachtzinsanpassungsklausel, nach der jeder Vertragspartner "nach jeweils zwei Pachtjahren" eine Pachtzinsanpassung verlangen kann, ist unter Berücksichtigung einer vorrangigen Interessenlage der Parteien an einer (rechts-)wirksamen Vereinbarung in Übereinstimmung mit den in § 593 BGB normierten Anforderungen dahingehend auszulegen, dass "nach frühestens zwei Jahren" ein Anpassungsbegehren geltend gemacht werden kann.*)

Online seit 6. Mai
IBRRS 2022, 1370
OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.07.2019 - 22 U 179/18
1. Die VOB/B gilt nicht automatisch bei Abschluss eines Bauvertrags, sondern sie muss ausdrücklich vertraglich vereinbart werden. Unter branchenkundigen Vertragspartnern ist ein ausdrücklicher Hinweis sowie eine ausreichende Möglichkeit des anderen Teils zur Kenntnisnahme ausreichend, aber auch erforderlich.
2. Das Werk wird vom Auftraggeber konkludent bzw. stillschweigend abgenommen, wenn er ohne ausdrückliche Erklärung gegenüber dem Auftragnehmer zu erkennen gibt, dass er dessen Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß billigt.
3. Erforderlich ist ein tatsächliches Verhalten des Auftraggebers, das geeignet ist, seinen Abnahmewillen dem Auftragnehmer gegenüber eindeutig und schlüssig zum Ausdruck zu bringen. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls.
4. Die Abnahmereife ist keine zwingende Voraussetzung für die Annahme einer konkludenten Abnahme.

IBRRS 2022, 1412

AG Hamburg-Wandsbek, Urteil vom 15.11.2021 - 713 C 38/21
Die Ausschlussfrist des § 563 Abs. 4 BGB beginnt erst, nachdem der Vermieter Kenntnis von den Tatsachen erlangt hat, die Voraussetzung des Eintrittsrechts sind. Dazu zählen nicht allein der Tod des Mieters, sondern auch der Bestand der Ehe und die Führung des gemeinsamen Haushalts im Todeszeitpunkt des Mieters. Der Vermieter einer Wohnung innerhalb einer Servicewohnanlage für Senioren hat einen wichtigen Grund i.S.v. § 563 Abs. 4 BGB, Mietverträge mit deutlich jüngeren und nicht pflegebedürftigen Ehegatten verstorbener Nutzer nicht fortzusetzen.*)

IBRRS 2022, 1425

BGH, Urteil vom 30.03.2022 - VIII ZR 109/20
1. Ein taugliches Nacherfüllungsverlangen des Käufers setzt die Zurverfügungstellung der Kaufsache am Erfüllungsort der Nacherfüllung voraus (im Anschluss an Senatsurteile vom 13.04.2011 - VII ZR 220/10, Rz. 13 ff., IBR 2011, 731 = BGHZ 189, 196; vom 19.07.2017 - VIII ZR 278/16, Rz. 21, 27 = IBR 2017, 590; IBR 2017, 591 = NJW 2017, 2758; vom 30.10.2019 - VIII ZR 69/18, Rz. 37, IBRRS 2019, 3951 = NJW 2020, 389).*)
2. Erfordert die Nacherfüllung hiernach eine Verbringung der Kaufsache an einen entfernt liegenden Nacherfüllungsort und fallen beim Käufer hierfür Transportkosten an, kann er im Fall eines Verbrauchsgüterkaufs grundsätzlich schon vorab einen (abrechenbaren) Vorschuss zur Abdeckung dieser Kosten verlangen (jetzt: § 475 Abs. 4 BGB; im Anschluss an Senatsurteile vom 13.04.2011 - VIII ZR 220/10, Rz. 37, a.a.O.; vom 19.07.2017 - VIII ZR 278/16, Rz. 29, a.a.O.).*)
3. Ein solcher Anspruch auf Zahlung eines (abrechenbaren) Transportkostenvorschusses steht dem Verbraucher grundsätzlich nicht zu, wenn der Verkäufer zu einer für den Verbraucher unentgeltlichen Abholung der Kaufsache und deren Verbringung zum Erfüllungsort bereit ist.*)

IBRRS 2022, 1366

LG Freiburg, Beschluss vom 27.04.2022 - 3 T 45/22
1. Verpflichtet sich ein Vermieter, in einem gerichtlichen Vergleich eine sanierungsbedürftige Wohnung mit Notstrom zu versorgen, und kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so ist der Anspruch des Mieters mit einem Zwangsgeld durchsetzbar.
2. Eine rechtliche Zulässigkeit oder Zumutbarkeit der geschuldeten Handlung ist im Verfahren nach § 888 ZPO ohne Belang.
3. Einwendungen, die nicht im Erkenntnisverfahren vorgetragen wurden, sind im Verfahren gem. § 888 ZPO nicht zu berücksichtigen.

Online seit 5. Mai
IBRRS 2022, 1424
BGH, Urteil vom 25.03.2022 - V ZR 92/21
Ein Wohnungseigentümer, der Verbindlichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer getilgt hat, kann von den anderen Eigentümern auch dann keine unmittelbare (anteilige) Erstattung seiner Aufwendungen verlangen, wenn er später aus der Gemeinschaft ausgeschieden ist; das gilt auch bei einer zerstrittenen Zweiergemeinschaft (Fortführung von Senat, IMR 2021, 75).*)

IBRRS 2022, 1393

KG, Urteil vom 26.04.2022 - 21 U 1030/20
1. Insbesondere bei einem Werk- oder Architektenvertrag können die Parteien die gesonderte Fälligkeit von Teilleistungen vereinbaren, die nicht am Ende der Vertragsdurchführung stehen, sondern einen Zwischenerfolg darstellen.*)
2. Eine solche Vereinbarung kann auch konkludent getroffen werden und setzt nicht voraus, dass die Parteien kalendermäßig eine Frist oder einen Termin bestimmt haben. Der Fälligkeitszeitpunkt der Teilleistung ist gegebenenfalls durch Auslegung, notfalls mit Hilfe der Vermutung des § 271 Abs. 1 BGB zu bestimmen.*)
3. Erbringt der Werkunternehmer eine Teilleistung zum Fälligkeitszeitpunkt nicht, kann der Besteller unter den Voraussetzungen von § 323 Abs. 1 BGB vom Vertrag zurücktreten bzw. ihn aus wichtigem Grund kündigen; auf § 323 Abs. 4 BGB kommt es nicht an.*)
4. Ein Zivilgericht kann den Streit zwischen zwei Prozessparteien über den von einem Architekten erreichten Leistungsstand und die Höhe des sich daraus ergebenden Honorars in geeigneten Fällen ohne Hinzuziehung eines Honorarsachverständigen nach freier Überzeugung entscheiden (§ 287 Abs. 2 ZPO).*)

IBRRS 2022, 1394

OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.03.2022 - 11 Verg 10/21
1. Auch von einem fachkundigen und erfahrenen Bieter darf nicht ohne Weiteres erwartet werden, dass er i.S.v. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB weiß, dass eine bestimmte Vorgabe im Leistungsverzeichnis, die für das Hauptangebot gilt, als konkludent aufgestellte Mindestanforderung für Nebenangebote auszulegen ist.*)
2. Eine bestimmte Vorgabe im Leistungsverzeichnis, die für das Hauptangebot gilt, ist nicht ohne Weiteres als Mindestanforderung für Nebenangebote auszulegen. Gegen eine Auslegung der Vorgabe als Mindestanforderung für Nebenangebote kann sprechen, dass eine Mehrzahl von Bietern, die sich am Vergabeverfahren beteiligten, Nebenangebote abgaben, die diesen Vorgaben nicht entsprachen.*)
3. Lässt der öffentliche Auftraggeber nach § 8 EU Abs. 2 Nr. 3 VOB/A Nebenangebote zu, hat er nach § 8 EU Abs. 2 Nr. 3 b VOB/A Mindestanforderungen festzulegen, denen die Nebenangebote genügen müssen. Diese Bestimmung schützt die Bieter, die Nebenangebote abgeben möchten, davor, dass ihre Nebenangebote mit der Begründung zurückgewiesen werden, sie seien gegenüber dem Hauptangebot minderwertig und wichen davon unannehmbar ab. Für eine unbenannte, nicht näher determinierte und damit intransparente Gleichwertigkeitsprüfung zwischen Haupt- und Nebenangeboten lässt § 8 EU Abs. 2 Nr. 3 b VOB/A zum Schutz der Bieter keinen Raum.*)

IBRRS 2022, 1359

AG Lübeck, Urteil vom 11.02.2022 - 35 C 39/21 WEG
1. Die Kosten einer privilegierten baulichen Veränderung haben grundsätzlich die Wohnungseigentümer zu tragen, die diese verlangen.
2. Bei mehreren Eigentümern, die die Gestattung erhalten haben, ist für die Verteilung der Kosten und Nutzungen das Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile maßgeblich.
3. Wenn vom gesetzlichen Maßstab nach § 21 Abs. 5 WEG abgewichen werden soll, muss aus Gründen der Rechtssicherheit auch für den Rechtsnachfolger die abweichende Verteilung der Kosten ausdrücklich beschlossen werden.

IBRRS 2022, 1286

AG Emmendingen, Beschluss vom 21.03.2022 - 16 M 144/22
1. Ein durch einen Rechtsanwalt per bea eingereichter Vollstreckungsschutzantrag, der weder eine qualifizierte elektronische Signatur noch eine einfache Signatur enthält, ist unzulässig.
2. Ein lediglich durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und ein Hausarztattest nachgewiesenes Rückenleiden stellt keine Härte dar, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren wäre.

IBRRS 2022, 1407

LG Münster, Urteil vom 21.01.2022 - 22 O 53/21
Die Werbung mit Brandschutzkonzepten nach der BauO-NW durch einen Anbieter, dessen Inhaber bzw. Geschäftsführer nicht staatlich anerkannter Sachverständiger für die Prüfung des Brandschutzes ist und dessen Mitarbeiter nicht öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für den vorbeugenden Brandschutz sind, ist irreführend und wettbewerbsrechtlich unzulässig, wenn nicht gleichzeitig darauf hingewiesen wird, dass Personen, die nicht über diese Qualifikationen verfügen, in Nordrhein-Westfalen Brandschutzkonzepte für genehmigungsbedürftige bauliche Anlagen nur aufstellen dürfen, wenn dies im Einzelfall durch die Bauaufsichtsbehörde akzeptiert wird.

IBRRS 2022, 1287

LG Offenburg, Urteil vom 20.01.2022 - 4 OH 15/21
Erfolgt die Übertragung von Miteigentumsanteilen "uno actu" mit der Begründung von Wohnungs- und Teileigentum gem. § 3 WEG, so handelt es sich um denselben Beurkundungsgegenstand i.S.v. § 109 Abs. 1 GNotKG und es werden hierdurch keine zusätzlichen Notargebühren ausgelöst.

IBRRS 2022, 1402

BGH, Urteil vom 06.04.2022 - VIII ZR 262/20
Zu den Anforderungen an die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers in der Klageschrift (hier: c/o-Adresse einer rechtsfähigen Stiftung bürgerlichen Rechts).*)

Online seit 4. Mai
IBRRS 2022, 1196
OLG Nürnberg, Urteil vom 23.11.2021 - 6 U 4362/19
1. Wenn die Ausführungsplanung durch Generalunternehmervertrag in den Verantwortungsbereich des Auftraggebers gestellt wird, ist diese unverzichtbare, den Auftraggeber verpflichtende Mitwirkungshandlung für die Nachbesserung.
2. Solange - bei auftraggeberseitiger Ausführungsplanung - eine vollständige, mangelfreie Ausführungsplanung nicht vorliegt, ist der Anspruch auf Nachbesserung nicht fällig und eine Klage auf Mängelbeseitigung als derzeit unbegründet abzuweisen.

IBRRS 2022, 1210

AG Kreuzberg, Urteil vom 03.02.2022 - 23 C 196/21
Die Absicht des Vermieters, die vermietete Wohnung als Schlafstatt für zukünftig zu beschäftigende Au-Pairs zu nutzen, reicht nicht zur Beendigung des Mietverhältnisses aus. Jedenfalls ist die Kündigung zum Zwecke der Beherbergung eines Au-Pair dann nicht eröffnet, wenn die konkrete Person, für die der Bedarf geltend gemacht wird, noch nicht konkretisiert ist oder nicht mehr von den Vermietern beschäftigt wird.

Online seit 3. Mai
IBRRS 2022, 1269
BGH, Beschluss vom 15.03.2022 - VIII ZR 81/20
1. Das Alter des Mieters und die lange Mietdauer mit einer damit einhergehenden langjährigen Verwurzelung rechtfertigen für sich genommen noch nicht die Annahme einer Härte, sondern im Rahmen einer Gesamtwürdigung sind die sich daraus ergebenden Folgen im Falle eines erzwungenen Wohnungswechsels zu berücksichtigen.
2. Erkrankungen des Mieters in Verbindung mit weiteren Umständen - und in bestimmten Fällen auch allein die im Fall eines Wohnungswechsels bestehende ernsthafte Gefahr einer erheblichen Verschlechterung der gesundheitlichen Situation des (schwer) erkrankten Mieters - können einen Härtegrund darstellen.
3. Eine Härte kann auch vorliegen, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann.
4. Den Mieter trifft jedoch eine Obliegenheit, sich um angemessenen Ersatzwohnraum zu bemühen. Selbst bei einer festgestellten und/oder in Verordnungen zu Grunde gelegten angespannten Wohnungslage für das betroffene Gebiet stellte dies allenfalls ein gewisses Indiz für das Vorliegen eines Härtegrunds dar, das jedoch erst in Verbindung mit substanziiertem (unstreitigem oder nachgewiesenem) Parteivortrag des Mieters zu konkret ergriffenen Maßnahmen zum Auffinden von geeignetem und bezahlbarem Wohnraum zu der tatrichterlichen Überzeugung führen kann, dass angemessener Wohnraum zu zumutbaren Bedingungen für den Mieter (und seine Familien- oder Haushaltsangehörigen) nicht zu erlangen ist.
5. Hat das Berufungsgericht die Revision wegen einer Rechtsfrage zugelassen, die nur für einen eindeutig abgrenzbaren Teil des Streitstoffs von Bedeutung ist, kann die gebotene Auslegung der Entscheidungsgründe ergeben, dass die Zulassung der Revision auf diesen Teil des Streitstoffs beschränkt ist.
6. Selbst im Fall einer notwendigen Streitgenossenschaft (§ 62 ZPO) entfaltet ein verfahrensfehlerhaft nicht alle notwendigen Streitgenossen erfassendes Urteil keine Bindungswirkung gegenüber den nicht am Rechtsstreit beteiligten Streitgenossen.

IBRRS 2022, 1389

AG Frankfurt/Main, Urteil vom 17.03.2022 - 33 C 2294/21
Eine in der Türkei unterhaltene Meldeadresse schließt nicht schlechthin die Annahme eines gemeinsamen Haushalts in der ehelichen Wohnung aus, wenn es hierfür nachvollziehbare Gründe gibt.

IBRRS 2022, 1386

KG, Beschluss vom 25.02.2022 - 6 U 218/21
1. Eine Ausnahme von der seit dem 01.01.2022 bestehenden Verpflichtung der Rechtsanwälte, vorbereitende Schriftsätze nur noch als elektronisches Dokument bei Gericht einzureichen (§§ 130a, 130d ZPO), besteht gem. § 130d Satz 2 ZPO nur dann, wenn dies aus technischen Gründen nicht möglich ist, weil entweder das Gericht auf diesem Wege nicht erreichbar ist oder bei dem Rechtsanwalt ein vorübergehendes technisches Problem aufgetreten ist.*)
2. Sieht sich der Rechtsanwalt aus gesundheitlichen Gründen (hier: ausstehendes Ergebnis eines PCR-Testes zum Ausschluss eines Coronaleidens) nicht in der Lage, seine Kanzleiräume aufzusuchen und den Schriftsatz dort elektronisch zu übermitteln, stellt dies keine vorübergehende Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung aus technischen Gründen dar.*)
3. Die technische Störung ist gem. § 130d Satz 3 ZPO unmittelbar bei der Ersatzeinreichung auf herkömmlichem Wege oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; die Mitteilung von Gründen erst 20 Tage nach Einreichung des Originalschriftsatzes genügt diesen Anforderungen nicht.*)
4. Ein Grund für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 Satz 1 ZPO wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist (§ 520 Abs. 2 ZPO) liegt nicht vor, wenn der Rechtsanwalt vor dem Fristablauf nicht alle ihm noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, wie etwa die Suche nach einem vertretungsbereiten Kollegen zur formwirksamen Einreichung der fertigen Berufungsbegründungsschrift.*)

Online seit 2. Mai
IBRRS 2022, 1361
OLG Köln, Urteil vom 02.03.2022 - 11 U 44/21
1. Eine Abdichtung der Außenwände eines Hauses gegen Bodenfeuchte und nicht-stauendes Sickerwasser ist mangelhaft, wenn aufgrund der gegebenen Bodenverhältnisse mit drückendem Wasser gerechnet werden muss. Das gilt auch dann, wenn nach der von einem Fertig- bzw. Massivhausanbieter aufgestellten Leistungsbeschreibung eine weitergehende Abdichtung nicht vorgesehen und der Einbau einer eventuell erforderlichen Drainage Bauherrenleistung ist.*)
2. Der Fertig- bzw. Massivhausanbieter wird in diesem Fall nur dann von seiner Gewährleistung frei, wenn er den Besteller nach Klärung der örtlichen Bodenverhältnisse unmissverständlich auf das Erfordernis einer Drainage für das konkrete Bauvorhaben und die Risiken einer nicht den Anforderungen entsprechenden Abdichtung hinweist. Der allgemeine Hinweis in einem mehrseitigen Nachtrag zur Bau- und Leistungsbeschreibung, dass die standardmäßige Abdichtung dem Lastfall "nicht stauendes Sickerwasser" entspricht, ohne Einbau der Drainage überwiegend der Lastfall "aufstauendes Sickerwasser" auftritt und der Einbau einer Drainage nach DIN 4109 in Bauherreneigenleistung dringend erforderlich ist, genügt nicht.*)
3. Hat nach dem Vertrag über die Erstellung eines Fertig- bzw. Massivhauses der Besteller ein Bodengutachten beizubringen, muss er sich gem. §§ 254, 278 BGB eventuelle Fehler des Bodengutachtens (falsche bzw. widersprüchliche Bewertung des Lastfalls) als Mitverschulden anrechnen lassen.*)

IBRRS 2022, 1174

LG Berlin, Urteil vom 28.12.2021 - 25.01.2022
1. Bei einer Staffelmietvereinbarung ist die nach § 556d Abs. 1 BGB höchst zulässige Miete bzw. deren Überschreitung nicht nur (einmal) für die erste Miete im Zeitpunkt des Beginns des Mietverhältnisses, sondern für jede einzelne Folgestaffel (erneut) festzustellen.
2. Eine einmal zulässig erreichte Miethöhe hat der Gesetzgeber unter Bestandsschutz gestellt. Sinkt die ortsübliche Vergleichsmiete, so bleibt es bei der zulässigen Höhe der vorangegangenen Mietstaffel; eine Senkung der Miete findet nicht statt.
3. Eine Rüge der überhöhten Miete muss nicht für jede Mietstaffel gesondert erfolgen; dies wäre bloße Förmelei.

IBRRS 2022, 1363

LG Berlin, Urteil vom 17.12.2021 - 63 S 133/20
Enthält der Mietvertrag eine Regelung dahingehend, dass nur in besonderen Ausnahmefällen gekündigt werden dürfe, müssen an eine Eigenbedarfskündigung besondere zusätzliche Anforderungen gestellt werden.

Online seit 29. April
IBRRS 2022, 1234
OLG München, Beschluss vom 17.05.2021 - 28 U 744/21 Bau
1. Eine konkludente Abnahme liegt vor, wenn keine wesentlichen Vertragsleistungen mehr ausstehen und dem Verhalten des Auftraggebers zu entnehmen ist, dass er die Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht billigt.
2. Auf einen Abnahmewillen kann regelmäßig nur geschlossen werden, wenn der Auftraggeber Gelegenheit hatte, die Beschaffenheit des Werks ausreichend zu prüfen, wobei die Dauer der Prüfungs- und Bewertungsfrist vom Einzelfall abhängt.
3. Wird der Auftragnehmer mit der Installation einer Heizungsanlage beauftragt, ist jedenfalls in den Wintermonaten eine Prüffrist von drei Monaten ausreichend und angemessen.

IBRRS 2022, 1352

VK Berlin, Beschluss vom 14.03.2022 - VK B 2-40/21
1. Ein Vergabeverfahren zur Bestellung eines Erbbaurechts ist ein öffentlicher Bauauftrag bzw. eine Baukonzession, wenn der Auftraggeber entscheidenden Einfluss auf die Art und die Planung des zu errichtenden Bauwerks nimmt und die Nutzung des Bauwerks dem Auftraggeber unmittelbar zugute kommt.
2. Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste beziehungsweise auf ein wirtschaftlich vorteilhaftes Angebot erteilt. Grundlage dafür ist die Bewertung des Auftraggebers, ob und inwieweit das Angebot die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllt.
3. Insbesondere im Rahmen einer Qualitätswertung von Konzepten muss der Auftraggeber seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Bewertung eingegangen sind.
4. Der Auftraggeber ist zwar nicht gehindert, sich bei der Vorbereitung und Durchführung des Vergabeverfahrens ganz oder teilweise der Hilfe Dritter zu bedienen, die über einen qualifizierten Sachverstand verfügen. Nicht zulässig ist es dagegen, die Verantwortung für die Vergabe an Dritte vollständig zu übertragen.
5. Die Vergabeakte muss erkennen lassen, dass die zu treffenden Entscheidungen von dem Auftraggeber selbst getroffen wurden und nicht etwa von einem mit der Vorbereitung und Durchführung des Verfahrens beauftragten Ingenieurbüro oder sonstigen Sachverständigen oder Dritten.
6. Von einem durchschnittlichen Bieter ist zu erwarten, dass er die Zuschlagskriterien, die über die Erfolgsaussichten seines Angebots entscheiden, intensiv betrachtet und eine etwaige Unbestimmtheit dieser Kriterien fristgerecht rügt.

IBRRS 2022, 0967

AG Hamburg, Urteil vom 24.02.2022 - 48 C 240/20
Ist die Nutzung eines Balkons aufgrund der Belegenheit zur Straßenseite hin und des dort herrschenden Lärms erheblich eingeschränkt, so ist dies wohnwertmindernd zu berücksichtigen.

IBRRS 2022, 1347

OLG Schleswig, Urteil vom 01.04.2022 - 1 U 71/21
1. Der Eigentümer eines Grundstücks, das an keiner Stelle eine Verbindung zu einem öffentlichen Weg hat, kann von einem Nachbarn die Einräumung eines Notwegerechts verlangen, das auch ein Fahrrecht mit Kraftfahrzeugen umfasst. In diesem Fall dürfen auch Kraftfahrzeuge auf dem gefangenen Grundstück abgestellt werden.*)
2. Bei der Entscheidung, von welchem Nachbarn der Eigentümer des gefangenen Grundstücks die Einräumung eines Notwegerechts verlangen kann, kommt es nicht in erster Linie auf die Entfernung zu einem öffentlichen Weg an.*)

Online seit 28. April
IBRRS 2022, 1328
OLG Hamburg, Urteil vom 22.04.2022 - 8 U 78/19
1. Der Verstoß gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie führt unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten nicht dazu, dass die HOAI 2013 im Verhältnis zwischen Privaten nicht mehr anzuwenden ist (EuGH, IBR 2022, 74).
2. Das sog. Aufstockungsverlangen eines Architekten, der mit seinem Auftraggeber ein unter den Mindestsätzen der HOAI 2013 liegendes Pauschalhonorar vereinbart hat und der nach einer Kündigung des Architektenvertrags nach den HOAI-Mindestsätzen abrechnet, ist nur dann treuwidrig, wenn der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Pauschalhonorarvereinbarung vertraut hat und darauf vertrauen durfte und er sich darauf in der Weise eingerichtet hat, dass ihm die Zahlung des Differenzbetrags nicht zugemutet werden kann (Anschluss an BGH, IBR 1997, 288).

IBRRS 2022, 1265

BGH, Urteil vom 11.03.2022 - V ZR 77/21
1. Für ein Beschlussmängelverfahren, in dem die Wirksamkeit der einseitigen Bestellung des Verwalters durch den teilenden Eigentümer im Streit steht, ist der Verwalter als berechtigt anzusehen, die beklagten übrigen Wohnungseigentümer zu vertreten und für diese Zustellungen entgegenzunehmen.*)
2. Eine in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Regelung, mit der sich der zunächst zum Verwalter bestellte teilende Eigentümer die einseitige Bestimmung eines anderen Verwalters in der Aufteilungsphase vorbehält, ist unter Geltung des Wohnungseigentumsgesetzes in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung jedenfalls insoweit unwirksam, als der Vorbehalt nach Entstehung der (werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft fortgelten soll.*)
3. Der Mangel der Einberufung der Eigentümerversammlung durch einen Nichtberechtigten wird geheilt, wenn sämtliche Wohnungseigentümer an der Versammlung und der Abstimmung teilnehmen; dabei kommt es nicht darauf an, ob den Wohnungseigentümern die fehlende Einberufungsberechtigung bekannt war.*)

IBRRS 2022, 1336

BGH, Urteil vom 24.02.2022 - VII ZR 13/20
1. Zum Begriff der "Berechtigung" i.S.v. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.*)
2. Die Erhebung einer Klage hemmt die Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB nur für Ansprüche in der Gestalt und in dem Umfang, wie sie mit der Klage geltend gemacht werden, also nur für den streitgegenständlichen prozessualen Anspruch (ständige Rechtsprechung, s. nur BGH, IBR 2017, 537).*)
3. Hat die Klägerin ihre Klage zunächst auf die von ihr mit den Beklagten geschlossenen Werkverträge gestützt und dann vorgetragen, sie sei zur Einziehung der Ansprüche aus diesen Werkverträgen aufgrund einer Ermächtigung nach zuvor erfolgter Abtretung befugt, macht sie einen identischen Anspruch geltend, der im Kern auf den zwischen ihr und den Beklagten geschlossenen Werkverträgen beruht.*)

IBRRS 2022, 1276

OLG Brandenburg, Beschluss vom 21.02.2022 - 1 AR 2/22
1. Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses kann nur ausnahmsweise infolge der Verletzung höherrangigen (Verfassungs-)Rechts, namentlich bei der ungenügenden Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder bei objektiv willkürlicher Entziehung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfallen.
2. Einfache Rechtsfehler, wie etwa das Übersehen einer die Zuständigkeit begründenden Rechtsnorm, rechtfertigen die Annahme einer objektiv willkürlichen Verweisung grundsätzlich nicht. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Verweisung offenbar gesetzwidrig oder grob rechtsfehlerhaft ist, also gleichsam jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt.
3. § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG ist weit auszulegen und ausschlaggebend für die Zuständigkeit des Gerichts ist nicht die jeweilige Rechtsgrundlage, aus der die Ansprüche hergeleitet werden, sondern allein der Umstand, ob das von einem Wohnungseigentümer in Anspruch genommene Recht oder die ihn treffende Pflicht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachsen ist.
4. Dass nach Maßgabe dieser Grundsätze auch die Streitigkeit zwischen Mitgliedern einer Bruchteilseigentümergemeinschaft nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG zu behandeln sei, erscheint zwar zweifelhaft, indes ist diese Ansicht nicht gänzlich unvertretbar und mithin auch nicht willkürlich.

Online seit 27. April
IBRRS 2022, 1302
OLG Hamburg, Beschluss vom 30.09.2020 - 8 U 81/18
Auch wenn sich die Parteien eines Bauvertrags nicht ausdrücklich auf die Einheitspreise des Auftragsleistungsverzeichnisses geeinigt haben, steht dem Auftragnehmer ein Anspruch auf Vergütung nach Maßgabe der angebotenen Einheitspreise zu, wenn er nach Angebotslegung mit der Ausführung seiner Leistung begonnen hat und seine Abschlagsrechnungen vom Auftraggeber vorbehaltlos bezahlt wurden.

IBRRS 2022, 1315

VK Berlin, Beschluss vom 25.03.2022 - VK B 2-53/21
1. Eine juristische Person des Privatrechts (hier: ein Fußballverein), der von einem öffentlichen Auftraggeber Mittel erhält, mit denen der Bau einer Sporteinrichtung (hier: ein Nachwuchsleistungszentrum) zu mehr als 50% subventioniert wird, ist ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Vergaberechts.
2. Bei der Bemessung der überwiegenden Subventionierung kommt es nur auf die projektbezogene Förderung des Vorhabens und nicht auf eine allgemein oder für andere Projekte dem Sportverein zufließende öffentliche Förderung an.
3. Ausschlaggebend für die Berechnung ist der Zeitpunkt der Ausschreibung.
4. Auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis oder mit unangemessen hohen oder niedrigen Kosten darf der Zuschlag nicht erteilt werden.
5. Vor der Ablehnung eines Angebots ist vom Bieter Aufklärung über die Ermittlung der Preise oder Kosten für die Gesamtleistung oder für Teilleistungen zu verlangen, wenn der Angebotspreis unangemessen niedrig erscheint und anhand vorliegender Unterlagen über die Preisermittlung die Angemessenheit nicht zu beurteilen ist.
6. Weist das Angebot eines Bieters einen Abstand von mehr als 10% zum nächsthöheren Angebot auf, ist der Auftraggeber zwar nicht zu einer Preisprüfung verpflichtet, aber gleichwohl dazu berechtigt.
IBRRS 2022, 1260

LG Berlin, Beschluss vom 24.02.2022 - 65 S 202/21
1. Der Mieter ist ohne Erlaubnis des Vermieters nicht berechtigt, einem Dritten den Gebrauch der Mietsache zu überlassen, wobei die Gebrauchsüberlassung dem Wortlaut der Regelung nach nicht auf einer Weiter- oder Untervermietung beruhen muss, sondern jede Überlassung erfasst, sei es unter Einräumung eines eigenständigen Besitzrechtes oder der Beschränkung auf eine Mitbenutzung.
2. Der Mieter kann vom Vermieter die Erlaubnis verlangen, einen Teil des Wohnraums einem Dritten zu überlassen, wenn für ihn nach Abschluss des Mietvertrags ein berechtigtes Interesse daran entsteht.
3. Das ist zu verneinen, wenn die Mieterin die Wohnung von Anfang an nur anmietete, um sie ausschließlich ihrem Bruder zu Verfügung zu stellen.
4. Zwar kann eine - nahezu - vollständige Überlassung der Wohnung einen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zur Gebrauchsüberlassung an einen Dritten begründen. Voraussetzung ist dann jedoch eine zeitliche Begrenzung bzw. die Rückkehrabsicht des Mieters in die Mietwohnung.
