Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Hervorzuhebende Urteile zum Recht am Bau
In den letzten 30 Tagen wurden folgende wichtige Entscheidungen im Volltext bei ibr-online eingestellt
Online seit 16. Mai
IBRRS 2022, 1456
OLG Karlsruhe, Urteil vom 20.04.2021 - 19 U 28/19
1. Ein kalkulatorisch unklares Leistungsverzeichnis hat der Bieter (und spätere Auftragnehmer) in der Angebotsbearbeitungsphase durch Rückfrage beim Auftraggeber aufzuklären.
2. Unterlässt der Bieter/Auftragnehmer die gebotene Aufklärung, trägt er das Risiko, über die von ihm kalkulierte Ausführung hinaus Mehrleistungen erbringen zu müssen, ohne hierfür eine zusätzliche Vergütung verlangen zu können.
3. Hat der Auftragnehmer nach dem Leistungsverzeichnis 285 Meter Bauzaun aufzustellen, vorzuhalten und zu räumen, ist die EP-Position "50 mWo Bauzaun vorhalten, über Vertragslaufzeit hinaus" dahingehend zu verstehen, dass der Einheitspreis nicht pro Meter Zaun, sondern für die gesamte Zaunlänge (285 Meter) gilt.

Online seit 11. Mai
IBRRS 2022, 1453
OLG Hamm, Beschluss vom 27.04.2021 - 24 U 173/20
1. Beschädigt der Auftragnehmer bei der Ausführung seiner Leistung das Eigentum des Auftraggebers, wird die Höhe des zu ersetzenden Schadens durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit der Vermögenslage ermittelt, die ohne dieses Ereignis bestehen würde. Ausgangspunkt jeder Schadensberechnung bildet die Differenzhypothese.
2. Erfüllt die geschädigte Sache (hier: ein Gülleerdbehälter) wegen struktureller Vorschädigungen die ihr zukommende Funktion objektiv nicht und kommt ihr deshalb kein Wert mehr zu, entsteht dem Auftraggeber durch das haftungsbegründende Ereignis kein Schaden. Das gilt auch dann, wenn der Auftraggeber die Sache trotz des Vorschadens genutzt hat. Es gibt keinen "funktionalen Schadensbegriff".

Online seit 6. Mai
IBRRS 2022, 1370
OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.07.2019 - 22 U 179/18
1. Die VOB/B gilt nicht automatisch bei Abschluss eines Bauvertrags, sondern sie muss ausdrücklich vertraglich vereinbart werden. Unter branchenkundigen Vertragspartnern ist ein ausdrücklicher Hinweis sowie eine ausreichende Möglichkeit des anderen Teils zur Kenntnisnahme ausreichend, aber auch erforderlich.
2. Das Werk wird vom Auftraggeber konkludent bzw. stillschweigend abgenommen, wenn er ohne ausdrückliche Erklärung gegenüber dem Auftragnehmer zu erkennen gibt, dass er dessen Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß billigt.
3. Erforderlich ist ein tatsächliches Verhalten des Auftraggebers, das geeignet ist, seinen Abnahmewillen dem Auftragnehmer gegenüber eindeutig und schlüssig zum Ausdruck zu bringen. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls.
4. Die Abnahmereife ist keine zwingende Voraussetzung für die Annahme einer konkludenten Abnahme.

IBRRS 2022, 1425

BGH, Urteil vom 30.03.2022 - VIII ZR 109/20
1. Ein taugliches Nacherfüllungsverlangen des Käufers setzt die Zurverfügungstellung der Kaufsache am Erfüllungsort der Nacherfüllung voraus (im Anschluss an Senatsurteile vom 13.04.2011 - VII ZR 220/10, Rz. 13 ff., IBR 2011, 731 = BGHZ 189, 196; vom 19.07.2017 - VIII ZR 278/16, Rz. 21, 27 = IBR 2017, 590; IBR 2017, 591 = NJW 2017, 2758; vom 30.10.2019 - VIII ZR 69/18, Rz. 37, IBRRS 2019, 3951 = NJW 2020, 389).*)
2. Erfordert die Nacherfüllung hiernach eine Verbringung der Kaufsache an einen entfernt liegenden Nacherfüllungsort und fallen beim Käufer hierfür Transportkosten an, kann er im Fall eines Verbrauchsgüterkaufs grundsätzlich schon vorab einen (abrechenbaren) Vorschuss zur Abdeckung dieser Kosten verlangen (jetzt: § 475 Abs. 4 BGB; im Anschluss an Senatsurteile vom 13.04.2011 - VIII ZR 220/10, Rz. 37, a.a.O.; vom 19.07.2017 - VIII ZR 278/16, Rz. 29, a.a.O.).*)
3. Ein solcher Anspruch auf Zahlung eines (abrechenbaren) Transportkostenvorschusses steht dem Verbraucher grundsätzlich nicht zu, wenn der Verkäufer zu einer für den Verbraucher unentgeltlichen Abholung der Kaufsache und deren Verbringung zum Erfüllungsort bereit ist.*)

Online seit 4. Mai
IBRRS 2022, 1196
OLG Nürnberg, Urteil vom 23.11.2021 - 6 U 4362/19
1. Wenn die Ausführungsplanung durch Generalunternehmervertrag in den Verantwortungsbereich des Auftraggebers gestellt wird, ist diese unverzichtbare, den Auftraggeber verpflichtende Mitwirkungshandlung für die Nachbesserung.
2. Solange - bei auftraggeberseitiger Ausführungsplanung - eine vollständige, mangelfreie Ausführungsplanung nicht vorliegt, ist der Anspruch auf Nachbesserung nicht fällig und eine Klage auf Mängelbeseitigung als derzeit unbegründet abzuweisen.

Online seit 2. Mai
IBRRS 2022, 1361
OLG Köln, Urteil vom 02.03.2022 - 11 U 44/21
1. Eine Abdichtung der Außenwände eines Hauses gegen Bodenfeuchte und nicht-stauendes Sickerwasser ist mangelhaft, wenn aufgrund der gegebenen Bodenverhältnisse mit drückendem Wasser gerechnet werden muss. Das gilt auch dann, wenn nach der von einem Fertig- bzw. Massivhausanbieter aufgestellten Leistungsbeschreibung eine weitergehende Abdichtung nicht vorgesehen und der Einbau einer eventuell erforderlichen Drainage Bauherrenleistung ist.*)
2. Der Fertig- bzw. Massivhausanbieter wird in diesem Fall nur dann von seiner Gewährleistung frei, wenn er den Besteller nach Klärung der örtlichen Bodenverhältnisse unmissverständlich auf das Erfordernis einer Drainage für das konkrete Bauvorhaben und die Risiken einer nicht den Anforderungen entsprechenden Abdichtung hinweist. Der allgemeine Hinweis in einem mehrseitigen Nachtrag zur Bau- und Leistungsbeschreibung, dass die standardmäßige Abdichtung dem Lastfall "nicht stauendes Sickerwasser" entspricht, ohne Einbau der Drainage überwiegend der Lastfall "aufstauendes Sickerwasser" auftritt und der Einbau einer Drainage nach DIN 4109 in Bauherreneigenleistung dringend erforderlich ist, genügt nicht.*)
3. Hat nach dem Vertrag über die Erstellung eines Fertig- bzw. Massivhauses der Besteller ein Bodengutachten beizubringen, muss er sich gem. §§ 254, 278 BGB eventuelle Fehler des Bodengutachtens (falsche bzw. widersprüchliche Bewertung des Lastfalls) als Mitverschulden anrechnen lassen.*)

Online seit 29. April
IBRRS 2022, 1234
OLG München, Beschluss vom 17.05.2021 - 28 U 744/21 Bau
1. Eine konkludente Abnahme liegt vor, wenn keine wesentlichen Vertragsleistungen mehr ausstehen und dem Verhalten des Auftraggebers zu entnehmen ist, dass er die Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht billigt.
2. Auf einen Abnahmewillen kann regelmäßig nur geschlossen werden, wenn der Auftraggeber Gelegenheit hatte, die Beschaffenheit des Werks ausreichend zu prüfen, wobei die Dauer der Prüfungs- und Bewertungsfrist vom Einzelfall abhängt.
3. Wird der Auftragnehmer mit der Installation einer Heizungsanlage beauftragt, ist jedenfalls in den Wintermonaten eine Prüffrist von drei Monaten ausreichend und angemessen.

Online seit 27. April
IBRRS 2022, 1302
OLG Hamburg, Beschluss vom 30.09.2020 - 8 U 81/18
Auch wenn sich die Parteien eines Bauvertrags nicht ausdrücklich auf die Einheitspreise des Auftragsleistungsverzeichnisses geeinigt haben, steht dem Auftragnehmer ein Anspruch auf Vergütung nach Maßgabe der angebotenen Einheitspreise zu, wenn er nach Angebotslegung mit der Ausführung seiner Leistung begonnen hat und seine Abschlagsrechnungen vom Auftraggeber vorbehaltlos bezahlt wurden.

Online seit 26. April
IBRRS 2022, 1197
OLG Hamburg, Urteil vom 27.11.2020 - 8 U 7/20
1. Abschlagszahlungen haben stets nur vorläufigen Charakter. Die Bezahlung einer Abschlagsrechnung rechtfertigt nicht die Annahme eines Anerkenntnisses der darin enthaltenen Positionen, insbesondere nicht hinsichtlich der Höhe der geschuldeten Vergütung.
2. Das Unterlassen eines Leistungsabrufs ist keine leistungsändernde Anordnung des Auftraggebers, sondern allenfalls eine vertragswidrige Behinderung der Ausführung.
3. Auch die Mitteilung des Auftraggebers an den Auftragnehmer, es lägen veränderte (Bau-)Umstände vor, stellt keine vertragsändernde Anordnung dar.
4. Das Recht des Auftraggebers zum Abruf der Vertragsleistung ist eine echte Nebenpflicht, die den Auftraggeber zur Mitwirkung verpflichtet. Hat der Auftraggeber die Verzögerung des Abrufs zu vertreten, kann der Auftragnehmer Schadensersatz geltend machen.
5. Der Vorunternehmer ist kein Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers im Verhältnis zum Nachfolgeunternehmer. Der Auftraggeber muss sich deshalb eine schuldhafte Leistungsverzögerung des Vorunternehmers nicht zurechnen lassen.
6. Der Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB umfasst nicht die Mehrkosten wie gestiegene Lohn- und Materialkosten, die zwar aufgrund des Annahmeverzugs des Bestellers infolge Unterlassens einer ihm obliegenden Mitwirkungshandlung, aber erst nach dessen Beendigung anfallen, nämlich bei Ausführung der verschobenen Werkleistung (Anschluss an BGH, IBR 2017, 664).
Online seit 25. April
IBRRS 2022, 1240
OLG Hamburg, Urteil vom 03.02.2021 - 8 U 33/20
1. Hat der Auftragnehmer nach dem Leistungsverzeichnis eine "Unterkonstruktion nach Wahl des AN" herzustellen, ist die Leistung funktional beschrieben und der Auftragnehmer hat auch die für die Ausführung der Leistung erforderlich Planung als Vertragsleistung zu erstellen.
2. Die Parteien eines Bauvertrags sind nicht gehindert, riskante Verträge abzuschließen. Der Auftragnehmer kann deshalb das Risiko übernehmen, das sich durch ein Angebot auf eine unvollständige oder unklare Leistungsbeschreibung ergibt.
3. Für die Wirksamkeit einer funktional beschriebenen Leistungsverpflichtung kommt es nicht darauf an, dass der Auftragnehmer den Umfang der übernommenen Verpflichtung genau kennt oder zuverlässig ermitteln kann. Stellt sich heraus, dass er nach dem Vertrag eine Leistung schuldet, die er infolge der Unklarheit oder Unvollständigkeit der Leistungsbeschreibung nicht einkalkuliert hat, kann er keine Korrektur seiner für ihn nachteiligen Vertragsentscheidung verlangen, auch nicht im Wege eines Schadensersatzanspruchs.
4. Das Risiko einer unauskömmlichen Kalkulation trägt grundsätzlich allein der Auftragnehmer.
5. Stellt eine vom Auftraggeber vorformulierte Vertragsstrafenklausel nicht klar, ob als Bezugsgröße für die Berechnung der Vertragsstrafenhöhe die Brutto- oder die Nettoabrechnungssumme gemeint ist, ist der AGB-Kontrolle die Bruttoabrechnungssumme zu Grunde zu legen.
6. Erweist sich die Vertragsstrafenklausel als wirksam, ist aber bei der Anwendung der Klausel auf die Nettoabrechnungssumme abzustellen.
7. Eine Vertragsstrafenklausel, wonach der Auftragnehmer bei einer Obergrenze von 5% für jede angefangene Woche des Verzugs eine Vertragsstrafe in Höhe von 0,5% der Rechnungssumme zu zahlen hat, stellt keine unangemessene Benachteiligung dar und ist wirksam.

Online seit 21. April
IBRRS 2022, 1235
OLG München, Urteil vom 22.05.2019 - 7 U 2782/18
1. Sind sich die Parteien eines Werkvertrags darüber einig, dass ein Inbetriebnahmeversuch stattfindet und entsenden sie ihre Techniker zu dessen Durchführung (und gegebenenfalls Protokollierung), ist die eventuelle Vorstellung der Techniker, dass keine Inbetriebnahme erfolgt, irrelevant.
2. Entsendet eine Vertragspartei einen Mitarbeiter zu einem Termin, an dem die Inbetriebnahme stattfinden soll, kann die andere Vertragspartei davon ausgehen, dass der Mitarbeiter zu allen mit der Inbetriebnahme zusammenhängenden Rechtshandlungen bevollmächtigt ist. Das gilt auch dann, wenn der Mitarbeiter bis dato nur für die technische Seite des Projekts zuständig war.

Online seit 20. April
IBRRS 2022, 0088
OLG Celle, Beschluss vom 18.11.2021 - 14 U 119/21
1. Wird formularmäßig eine Vertragserfüllungssicherheit von mehr als 10% der Auftragssumme verlangt, führt dies zu einer unangemessenen Übersicherung und zur Gesamtunwirksamkeit der Sicherungsklauseln, so dass der Bürge seiner Inanspruchnahme die Bereicherungseinrede gem. §§ 821, 768 BGB entgegenhalten kann.
2. Das Verlangen einer Vertragserfüllungsbürgschaft über 10% der Auftragssumme, die auch Mängelansprüche sichern soll, und nicht bei Abnahme zurückzugeben ist, führt in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu einer unangemessenen Übersicherung der Mängelansprüche nach Abnahme und ebenfalls zur Nichtigkeit der Sicherungsklausel.
3. Die potenzielle Kenntnis des Bürgen von der Übersicherung genügt nicht, um ihm ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorwerfen zu können.

Online seit 19. April
IBRRS 2022, 1213
LAG München, Urteil vom 28.10.2021 - 3 Sa 362/21
Eine per WhatsApp übermittelte außerordentliche Kündigung erfüllt nicht das Schriftformerfordernis und ist nichtig.*)
