Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Aktuelle Urteile in allen Sachgebieten
Online seit 3. März
IBRRS 2023, 0680
KG, Beschluss vom 28.02.2023 - 10 W 20/23
1. § 130d Satz 1 ZPO ist trotz § 569 Abs. 3 Nr. 3 ZPO jedenfalls auf einen Zeugen anwendbar, der eine sofortige Beschwerde einlegt, wenn der Zeuge ein Rechtsanwalt ist und sich bei Einlegung der sofortige Beschwerde per Fax ausdrücklich auf § 130d Satz 2 ZPO beruft.*)
2. Einem Rechtsanwalt muss bekannt sein, was er für eine Glaubhaftmachung leisten muss.*)

IBRRS 2023, 0676

BGH, Beschluss vom 26.01.2023 - III ZB 9/22
1. Zur Bestimmung des Geschäftswerts der notariellen Beurkundung eines Treuhänderwechsels.*)
2. Das Verschlechterungsverbot in Notarkostensachen steht einer Erhöhung der Wertansätze nicht schlechthin entgegen.*)

IBRRS 2023, 0673

BGH, Beschluss vom 30.01.2023 - VIa ZB 15/22
Wer nachweist, dass der Gegner in eine weitere Fristverlängerung der Berufungsbegründung eingewilligt hat, kann regelmäßig darauf vertrauen, dass dem Verlängerungsantrag stattgegeben wird.

IBRRS 2023, 0679

OLG Brandenburg, Beschluss vom 07.02.2023 - 6 W 74/22
1. Eine nicht existente Partei ist in einem gegen sie angestrengten Prozess insoweit als parteifähig zu behandeln, als sie ihre Nichtexistenz geltend macht.
2. Eine im Rechtsstreit als parteifähig fingierte Partei gilt auch im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren als parteifähig. Die Existenz der Partei ist im Kostenfestsetzungsverfahren insoweit zu fingieren, als in einem Rechtsstreit, in dem der nicht existenten Partei selbst oder einem für sie handelnden Dritten ein Kostenerstattungsanspruch zuerkannt wurde.
3. Es kommt nicht darauf an, ob die nichtexistente Partei eine juristische Person oder eine natürliche Person war.

Online seit 2. März
IBRRS 2023, 0660
OLG Hamm, Urteil vom 22.09.2022 - 24 U 65/21
1. Eine sog. Baustromklausel, wonach der Auftraggeber von der Schlussrechnung des Auftragnehmers 0,3 % der Schlussrechnungssumme in Abzug bringen darf, benachteiligt den Auftragnehmer jedenfalls dann nicht unangemessen, wenn die Klausel die Option einer Abrechnung nach tatsächlichem Verbrauch enthält (Abgrenzung zu OLG Hamburg, IBR 2017, 183).
2. Die Leistung des Auftragnehmers ist auch dann mangelhaft, wenn sie die vereinbarte Funktion nur deshalb nicht erfüllt, weil die vom Auftraggeber zur Verfügung gestellte Vorunternehmerleistung unzureichend sind.
3. Der Verantwortlichkeit für den Mangel kann der Auftragnehmer im Fall einer unzureichenden Vorunternehmerleistung nur durch eine ausreichende Prüfung des Vorgewerks und einen sich daran anschließenden Bedenkenhinweis gegenüber dem Auftraggeber entgehen.
4. Übernimmt der Auftragnehmer die Ausführung in Kenntnis, dass eine Planung nicht zur Verfügung steht, kann er sich - jedenfalls ohne entsprechenden Bedenkenhinweis - nicht auf ein Mitverschulden des Auftraggebers berufen.
5. Das Verschulden eines Vorunternehmers ist dem Auftraggeber nicht zuzurechnen, da der Vorunternehmer regelmäßig nicht - anders als der Architekt bei der Planung - Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers im Verhältnis zum (Nachfolge-)Auftragnehmer ist.
6. Es gehört auch zur Mangelbeseitigung, die Gewerke, die notwendigerweise bei der Nachbesserung zerstört werden, wieder herzustellen.

IBRRS 2023, 0666

LG Rostock, Urteil vom 20.01.2023 - 2 O 260/22
1. Ein Tiefbauunternehmer hat sich vor der Durchführung von Erdarbeiten an öffentlichen Straßenflächen nach der Existenz und dem Verlauf unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen zu erkundigen. Er muss sich Gewissheit über die Verlegung von Versorgungsleitungen im Boden verschaffen.
2. Um den unverhältnismäßig hohen Gefahren, die durch eine Beschädigung von Strom-, Gas-, Wasser- oder Telefonleitungen hervorgerufen werden können, zu begegnen, ist mit äußerster Vorsicht vor allem bei der Verwendung von Baggern und anderem schweren Arbeitsgerät vorzugehen.
3. Dort, wo entsprechend zuverlässige Unterlagen vorhanden sind, muss sich der Tiefbauunternehmer über den Verlauf von Versorgungsleitungen erkundigen; im Rahmen der allgemeinen technischen Erfahrung hat er sich die Kenntnisse zu verschaffen, welche die sichere Bewältigung der auszuführenden Arbeiten voraussetzt.
4. Es besteht eine Erkundigungspflicht gegenüber den zuständigen Versorgungsunternehmen. Wenn dies nicht weiterhilft, hat sich der Tiefbauunternehmer die erforderliche Gewissheit durch andere geeignete Maßnahmen zu verschaffen, etwa durch Probebohrungen oder Ausschachtungen von Hand in dem Bereich, den er ausheben will.
5. Hat der Tiefbauunternehmer seine Erkundigungspflichten erfüllt, trifft ihn an der Beschädigung eines Glasfaserkabels kein Verschulden, wenn dessen Tiefenlage konkret mit ca. 0,7 m benannt wurde, es sich jedoch in einer Tiefe von ca. 3,30 m befindet.

IBRRS 2023, 0661

VK Berlin, Beschluss vom 30.03.2022 - VK B 2-41/21
1. Der öffentliche Auftraggeber bindet sich mit der Mitteilung des Wertungsergebnisses nicht in rechtlich erheblicher Weise selbst.
2. Die Annullierung des Wertungsergebnisses unterliegt keinen besonderen rechtlichen Beschränkungen und ist nach allgemeinen vergaberechtlichen Verfahrensgrundsätzen zulässig.

IBRRS 2023, 0662

OVG Bremen, Beschluss vom 13.02.2023 - 1 B 319/22
1. In einem auf bauaufsichtliches Einschreiten gerichteten einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist grundsätzlich von der Wirksamkeit des zugrundeliegenden Bebauungsplans auszugehen. Zweifel an der Wirksamkeit müssen so offensichtlich und eindeutig sein, dass im Hauptsacheverfahren eine andere rechtliche Beurteilung nicht zu erwarten ist.*)
2. Einer Berufung auf die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen steht es nicht grundsätzlich entgegen, dass der sich hierauf berufende Nachbar selbst bis an die Grundstücksgrenze gebaut hat, wenn diese eigene Grenzbebauung nach dem geltenden Bauordnungsrecht rechtmäßig ist.*)

IBRRS 2023, 0646

AG Paderborn, Urteil vom 30.09.2022 - 51 C 90/21
1. Ohne Beschaffenheitsangaben oder Zusicherungen im Mietvertrag ist eine Altbauwohnung im EG (hier: von 1926) nicht mangelhaft i.S.d. § 536 BGB, wenn die Wände im Sockelbereich und zum Teil bis zur Höhe von ca. 1 m feucht sind, sich jedoch kein Schwarzschimmel bildet, sondern nur Salzausblühungen auftreten.
2. Der Vermieter kann das Entfernen von Waschmaschine und Trockner aus der Mietwohnung nicht verlangen; allenfalls kann er eine fachgerechte Installation fordern.

IBRRS 2023, 0641

AG Hannover, Urteil vom 20.09.2022 - 482 C 5657/21
1. Nach dem neuen § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG besteht die umfassende Beschlusskompetenz, den gesetzlichen oder einen vereinbarten Umlageschlüssel zwar nicht generell, aber für die meisten Kosten und Kostenarten zu ändern. Im Gegensatz zu § 16 Abs. 3 und 4 WEG a.F. betrifft die neue gesetzliche Öffnungsklausel des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG n.F. auch Erhaltungskosten, allein mit Ausnahme der Kosten baulicher Veränderungen nach § 20 WEG. Die Gemeinschaft kann durch Mehrheitsbeschluss (nur) den (Teil-)Eigentümern der Doppelparker unter Befreiung der übrigen (Wohnungs-)Eigentümer die gesamten Erhaltungskosten aufbürden.*)
2. Ein Beschluss lautend "Die Arbeiten werden erst ausgeführt, wenn die zwei Vergleichsangebote mit dem Beirat abgestimmt wurden. Das wirtschaftlichste Angebot soll beauftragt werden" ist zu unbestimmt.*)

IBRRS 2023, 0623

OLG Frankfurt, Urteil vom 20.01.2023 - 19 U 120/22
1. Es ist mit rechtsstaatlichen Geboten unvereinbar, wenn derjenige, der im guten Glauben eine Strafanzeige erstattet, Nachteile (z. B. in Form von Schadensersatzforderungen) dadurch erleidet, dass sich seine Behauptung nach behördlicher Prüfung als unrichtig oder nicht aufklärbar erweist.
2. Auch Rechtsanwaltskosten für die Vertretung in einem Ermittlungsverfahren gehören insoweit grundsätzlich zu den typischen, ersatzlos hinzunehmenden Folgen einer formal berechtigten Einleitung und Durchführung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens.
3. Dem Verhalten eines Interessenten kommt immer dann bei der Prüfung des Zustandekommens eines Maklervertrags ein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert im Sinne eines Vertragsangebots oder einer Vertragsannahme zu, wenn er aufgrund eindeutiger Hinweise von einer Entgeltpflicht der für ihn erbrachten Leistung ausgehen muss, was insbesondere dann gilt, wenn er weitere Maklerleistungen nachfragt oder deutlich erkennbar gegen Entgelt angebotene Dienste in Anspruch nimmt.
4. Aus der Tatsache, dass eine Partei sich die Mitwirkung des Maklers lediglich gefallen lässt, folgt noch nicht notwendigerweise, dass sie mit dem Makler in Vertragsbeziehungen treten will. Es ist Sache des Maklers, in dieser Hinsicht für klare Verhältnisse zu sorgen.
5. Wenn den Umständen nach mit der Möglichkeit zu rechnen ist, dass der Kaufinteressent ihn für den Makler des Verkäufers halten könnte, muss der Makler eindeutig zum Ausdruck bringen, dass er auch Makler des Käufers sein will. Das geeignete Mittel hierzu ist ein ausdrückliches Provisionsverlangen.
6. An ein nachträgliches Provisionsversprechen sind strenge Anforderungen zu stellen, da sich der Maklerkunde damit trotz bereits erbrachter Maklerleistung zur Provisionszahlung verpflichtet.
7. Wenn ein Maklerkunde bereits Vorkenntnis von dem Objekt hat, steht dies dem Entstehen eines Provisionsanspruchs entgegen, da der Kaufvertrag in diesem Fall nicht "infolge" der Nachweistätigkeit des Maklers zu Stande gekommen ist.
8. Eine sog. Vorkenntnisklausel ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht zulässig.
9. Ein Makler kann zwar auch trotz Vorkenntnis seines Kunden die Maklerprovision verdienen, wenn der Makler zusätzliche Informationen geliefert hat, die eine für den Erwerb wesentliche Maklerleistung darstellen. Um eine wesentliche Maklerleistung annehmen zu können, ist erforderlich (und ausreichend), dass der Kunde durch den Nachweis des Maklers den konkreten Anstoß bekommen hat, sich um das ihm bereits bekannte Objekt zu kümmern.
10. Soweit in der Durchführung eines Besichtigungstermins eine solche weitere, wesentliche Maklerleistung liegen kann, setzt dies voraus, dass das Objekt den Interessenten noch nicht bekannt gewesen ist, denn nur in diesem Fall wäre - wenn überhaupt - davon auszugehen, dass die durch die Besichtigung vermittelten Erkenntnisse über die Immobilie den Erwerb angestoßen haben.

IBRRS 2023, 0664

OVG Niedersachsen, Beschluss vom 22.02.2023 - 9 LB 23/21
1. Handelt es sich nicht um den vollständigen (oder weitgehenden) Austausch einer verschleißbedingt abgenutzten Leitung, sondern um die punktuelle Reparatur bzw. Sanierung eines beschädigten Anschlusskanals, ist der Tatbestand der Unterhaltung erfüllt.*)
2. Aus dem Anschlusszwang des Grundstückseigentümers an die öffentliche Abwasseranlage ergibt sich, dass Maßnahmen zur Herstellung des Grundstücksanschlusses (Anschlusskanal) oder zur Beseitigung von Störungen am Grundstücksanschluss (etwa durch eine Unterhaltung) grundsätzlich dem Aufgaben- bzw. Verantwortungsbereich des Grundstückseigentümers bzw. Anschlussnehmers zuzurechnen sind.*)
3. Der Kostenerstattungsanspruch der Kommune kann nur dann entfallen, wenn feststeht, dass die Kommune für die Ursache der Maßnahme verantwortlich ist. Dieser Gesichtspunkt greift nicht, wenn der Schaden in den Verantwortungsbereich eines Dritten fällt. Die tatsächliche Unerweislichkeit der Ursache geht zu Lasten des Grundstückseigentümers.*)

IBRRS 2023, 0387

LG München I, Beschluss vom 11.05.2022 - 16 T 1095/22
Ein offensichtlicher Fehler des Rechtspflegers liegt nicht vor, wenn er im Versteigerungsverfahren auf die Grundbucheintragung hinweist, aber nicht darauf, dass ein im Versteigerungsgutachten erwähntes Nutzungsrecht an einem Stellplatz von der WEG bestritten wird.

IBRRS 2023, 0663

OLG Celle, Beschluss vom 23.02.2023 - 24 W 2/23
1. Der für die Gerichtsgebühren festgesetzte Wert ist für die Gebühren des Rechtsanwalts nach § 32 Abs. 1 RVG nur maßgebend, soweit der Gegenstand der gerichtlichen mit dem der anwaltlichen Tätigkeit identisch ist.*)
2. Wird die Klage vor der mündlichen Verhandlung teilweise zurückgenommen, so berechnet sich die Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 RVG-VV jedenfalls dann nicht nach dem ursprünglichen Wert, sondern nach dem verbleibenden Gegenstand der Klage, wenn die Rücknahme vor dem Aufruf der Sache wirksam geworden ist und dem Gericht bei der Verhandlung bekannt war.*)
3. Für eine statthafte, aber aus anderen Gründen unzulässige Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts gilt die Gebührenfreiheit nach § 68 Abs. 3 GKG.*)

IBRRS 2023, 0665

OVG Niedersachsen, Beschluss vom 17.02.2023 - 4 LA 127/22
1. Die zulässige Rüge einer fehlerhaften Besetzung des Gerichts (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 1 VwGO) erfordert eine Auseinandersetzung mit den Einzelheiten der einschlägigen Geschäftsverteilung sowie gegebenenfalls die Einholung von Erkundigungen und die Vornahme eigener Ermittlungen, um sich über das Vorgehen des Gerichts Aufklärung zu verschaffen.*)
2. Eine vorschriftswidrige Besetzung im Sinne des § 138 Nr. 1 VwGO ist nur dann gegeben, wenn in dem behaupteten Verstoß gegen die Vorschriften zur Geschäftsverteilung nach § 4 VwGO i.V.m. § 21e GVG zugleich ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt. Mängel bei der Auslegung und Anwendung eines Geschäftsverteilungsplans im Einzelfall begründen einen solchen Verfassungsverstoß nur, wenn sie auf unvertretbaren, mithin sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruhen.*)

Online seit 1. März
IBRRS 2023, 0656
BGH, Urteil vom 19.01.2023 - VII ZR 34/20
Ist die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart worden, hält § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B (2002) ebenso wie die hierauf rückbezogene Bestimmung in § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) bei Verwendung durch den Auftraggeber der Inhaltskontrolle nicht stand. Die Kündigungsregelung in § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und ist daher unwirksam.*)
IBRRS 2023, 0431

OLG München, Beschluss vom 14.04.2022 - 9 U 7270/21 Bau
1. Der Unternehmer muss dem Besteller im Sicherungsverlangen eine angemessene Frist zur Sicherheitsleistung setzen. Die Frist soll so bemessen sein, dass der Besteller die Sicherheit ohne schuldhaftes Verzögern beschaffen kann.
2. Eine Frist von sieben bis 10 Tagen ist in vielen Fällen realitätsfern. Dieser Zeitraum kann nur einen ersten Anhaltspunkt für die Dauer einer angemessenen Frist bieten und ist als Mindestzeitraum zu sehen. Welche Frist im Einzelfall angemessen ist, obliegt der Entscheidung durch den Tatrichter.
3. Hat der Unternehmer durch Adressierung des Sicherungsverlangens an die falsche Adresse und unter fehlender Angabe der Vertrags- und/oder Bestellnummer die Ursache dafür gesetzt, dass sein Sicherungsverlangen nicht rechtzeitig bearbeitet werden konnte, hat er selbst eine wesentliche Ursache dafür gesetzt, dass der Besteller die ihm gesetzte Frist nicht vollumfänglich ausschöpfen konnte.

IBRRS 2023, 0635

VK Bund, Beschluss vom 21.02.2023 - VK 2-4/23
1. Die Vergabekammer des Bundes ist für die Nachprüfung von Aufträgen zuständig, die der Bundesrepublik Deutschland zuzurechnen sind. Nicht entscheidend bzw. ausreichend ist es, ob/dass der Auftraggeber grundsätzlich auch selbst dem Bund zuzurechnender öffentlicher (Sektoren-)Auftraggeber ist.
2. Die Zuständigkeit der Vergabekammer des Bundes richtet sich nicht nach dem Auftraggeber, sondern danach, wem der Auftrag als solcher zuzurechnen ist.

IBRRS 2023, 0637

VGH Bayern, Beschluss vom 01.02.2023 - 15 NE 23.56
1. Zur Abschätzung, ob die Schwelle der Abwägungsrelevanz erreicht ist oder nicht bzw. mit welchem Gewicht eine zu prognostizierende Belastung in die Abwägung einzustellen ist, muss der Satzungsgeber klare Vorstellungen von den immissionsschutzrechtlichen Auswirkungen seiner Planung haben.*)
2. Die Anforderungen des § 2 Abs. 3 BauGB erlauben nur dann, auf die Ermittlung konkret zu erwartender Immissionswerte zu verzichten, wenn schon nach der Zahl der täglich zu erwartenden Kraftfahrzeugbewegungen im Hinblick auf die konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls keine Belästigungen zu besorgen sind, die die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten.*)

IBRRS 2023, 0645

AG Wedding, Beschluss vom 04.08.2022 - 19b C 98/20
1. Zahlt ein Räumungsschuldner während der laufenden Räumungsfrist die Nutzungsentschädigung anfangs teilweise, später gar nicht, so ist eine Verkürzung der Räumungsfrist auch bei einem angespannten Wohnungsmarkt (Berlin) geboten.
2. Eine nach Beendigung des Mietverhältnisses eingetretene Verschlechterung der Mietsache reduziert nicht die geschuldete Nutzungsentschädigung.

IBRRS 2023, 0642

LG Berlin, Urteil vom 07.02.2023 - 55 S 56/22 WEG
1. Bei Vereinbarung eines Objektstimmrechts führt die Unterteilung einer Wohnungseigentumseinheit grundsätzlich nicht zu einer Vermehrung der Stimmrechte.*)
2. Ist ein zum Ausbau berechtigter Wohnungseigentümer nach der Teilungserklärung aber berechtigt, die Einheiten im Dachgeschoss zu Wohnzwecken auszubauen, und ist er gleichzeitig zur "Begründung von neuem Wohnungseigentum" bzw. dazu ermächtigt, "beliebig viele Wohnungseigentumsrechte zu begründen", so ist die entsprechende Regelung dahingehend auszulegen, dass den neu geschaffenen, zusätzlichen Einheiten im Falle der Vereinbarung eines Objektstimmrechts jeweils ein volles Stimmrecht zukommen soll (Abgrenzung BGH, Beschluss vom 07.10.2004 - V ZB 22/04, IMRRS 2004, 2100 = BGHZ 160, 354).*)

IBRRS 2023, 0377

OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.11.2022 - 14 U 274/21
1. Ein von einem Erblasser zu Lebzeiten unentgeltlich gewährter Nießbrauch an einem Hausgrundstück zu Gunsten seiner Lebensgefährtin stellt sich nicht als beeinträchtigend i.S.d. § 2287 Abs. 1 BGB analog dar, wenn der Erblasser im erheblichen Eigeninteresse gehandelt hat, da er sich hierdurch (auch) der Unterstützung seiner Lebensgefährtin in alten und kranken Tagen versichern wollte, und der Nießbrauch sich nicht nur als bloße Versorgungsleistung zu Gunsten seiner Lebensgefährtin darstellt (Abgrenzung zu OLG Celle, BeckRS 2006, 9162, Rz. 3).*)
2. Die Erwartung einer gegenseitigen Unterstützung in alten, kranken und gebrechlichen Tagen beschränkt sich nicht nur auf Pflegeleistungen, sondern umfasst auch im Rahmen einer Lebensgemeinschaft übliche, alltägliche Unterstützungsleistungen außerhalb des pflegerischen Bereiches.*)

IBRRS 2023, 0543

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.11.2022 - 24 U 119/21
1. Die Behauptung des Klägers, der Beklagte habe im Innenverhältnis der Parteien eine hälftige Mietteilung zugesagt, ist regelmäßig keinem Anscheinsbeweis zugänglich.*)
2. Bestreit der Gegner, dass sich eine bestimmte Urkunde in seinem Besitz befinde, ist er zwar grundsätzlich über ihren Verbleib zu vernehmen (§ 426 Satz 1 ZPO). Jedoch kommt eine Vorlegungsanordnung gem. § 421 ZPO nicht in Betracht, wenn zweifelhaft ist, ob die Urkunde überhaupt je errichtet worden ist; dann ist auch für ein Vorgehen nach § 426 ZPO kein Raum.*)

Online seit 28. Februar
IBRRS 2023, 0634
OLG Hamm, Beschluss vom 15.12.2022 - 21 U 30/22
1. Nach Eintritt der Schlussrechnungsreife kann der Auftragnehmer keine Abschlagsforderungen mehr geltend machen.
2. Eine Klausel in einem vom Auftraggeber vorformulierten Bauvertrag, wonach die Vorlage von (Unbedenklichkeits-)Bescheinigungen Voraussetzung für die Fälligkeit der Vergütung ist, benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen und ist unwirksam. Das gilt jedenfalls dann, wenn schon das Fehlen einer einzigen Bescheinigung dazu führt, dass die Forderung insgesamt nicht fällig wird (Bestätigung von Senat, IBR 2022, 446).
3. Der Arbeitnehmer eines Nachunternehmers ist nicht verpflichtet und kann durch eine vorformulierte Klausel auch nicht dazu verpflichtet werden, den Generalunternehmer von der Nichtzahlung des Mindestlohns in Kenntnis zu setzen (Bestätigung von Senat, IBR 2022, 446).

IBRRS 2023, 0631

VK Bund, Beschluss vom 13.02.2023 - VK 2-114/22
1. Der öffentliche Auftraggeber darf grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Bieter seine vertraglichen Zusagen erfüllen wird. Erst wenn sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dies zweifelhaft ist, ist er gehalten, durch Einholung ergänzender Informationen die Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens bzw. die hinreichende Leistungsfähigkeit des Bieters zu prüfen.
2. Die Tatsache, dass ein Bieter eine in Deutschland ansässige Tochtergesellschaft eines US-amerikanischen Unternehmens als Hosting-Dienstleisterin einbinden will, muss den Auftraggeber nicht an der Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens zweifeln lassen (Anschluss an OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07.09.2022 - 15 Verg 8/22, IBRRS 2022, 2708).
3. Rechtsanwälte sind keine "Beschaffungsdienstleister".
4. Der Vorauftragnehmer ist kein Unternehmen, das das Vergabeverfahren mit und für den öffentlichen Auftraggeber vorbereitet hat.

IBRRS 2023, 0632

VGH Bayern, Beschluss vom 06.02.2023 - 15 ZB 22.2506
1. Die Anwendung des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB setzt einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil voraus. Die Tatbestandsmerkmale "im Zusammenhang bebaut" und "Ortsteil" gehen dabei nicht ineinander auf, sondern sind kumulativer Natur.
2. "Ortsteil" im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist.
3. Ein "Bebauungszusammenhang" ist gegeben, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt.
4. Ein Grundstück fällt nicht bereits deshalb unter § 34 Abs. 1 BauGB, weil es von einer zusammenhängenden Bebauung umgeben ist. Erforderlich ist vielmehr, dass das Grundstück selbst einen Bestandteil des Zusammenhangs bildet, selbst also an dem Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit teilnimmt.
5. Einen Bebauungszusammenhang selbst herstellen oder zu seiner Entwicklung beitragen können dabei nur Bauwerke, die optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses Gewicht haben, so dass sie geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter zu prägen. Hierzu zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen.
6. Bei Einwendungen gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) des Verwaltungsgerichts kommt eine Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur in Betracht, wenn aufgezeigt wird, dass die Richtigkeit der richterlichen Überzeugungsbildung mangelhaft ist, weil das Verwaltungsgericht mit Blick auf entscheidungserhebliche Tatsachen von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist oder die Beweiserhebung gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufweist, was insbesondere bei einer Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, bei aktenwidrig angenommenem Sachverhalt oder offensichtlich sachwidriger und damit willkürlicher Beweiswürdigung anzunehmen ist.*)

IBRRS 2023, 0511

AG München, Urteil vom 20.01.2022 - 419 C 13845/21
1. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht kann allenfalls gerechtfertigt sein, wenn die Überwachung zur Abwehr von schwer wiegenden Beeinträchtigungen erforderlich und eine drohende Rechtsverletzung nicht anderweitig zu verhindern ist.
2. Derartig schwer wiegende Beeinträchtigungen stellen Angriffe auf Personen oder ihre unmittelbare Wohnsphäre dar, denen nicht in anderer Weise zumutbar begegnet werden könnte.
3. Derartige schwer wiegende Beeinträchtigungen sind nicht schon dann anzunehmen, wenn es bei der Mülltrennung bzw. Müllentsorgung durch die Mieter zu Verstößen gegen die Hausordnung kommt, ebenso wenig bei Geruchsbelästigungen oder Ungezieferbefall in den Müllräumen.
4. Diebstähle, Sachbeschädigungen und Hausfriedensbruch können derartige schwer wiegende Beeinträchtigungen darstellen (hier verneint).

IBRRS 2023, 0502

AG Potsdam, Urteil vom 20.10.2022 - 31 C 43/22
1. Im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung von § 16 Abs. 2 WEG müssen Wohnungseigentümer bei einer Beschlussfassung über einen veränderten Kostenverteilungsschlüssel zu Sanierungskosten insbesondere berücksichtigen, welche Kosten bis zur Beschlussfassung, mindestens aber bis zur Gesetzesänderung, für welchen Wohnungseigentümer angefallen wären.
2. Sofern eine beabsichtigte Neuregelung der Kostenverteilung massiv hiervon abweicht, ist zu prüfen, ob es sachliche Gründe für diese Regelung gibt, dennoch den Kostenschlüssel, wie beabsichtigt, zu ändern.

IBRRS 2023, 0633

OLG Celle, Urteil vom 15.02.2023 - 14 U 166/21
1. Es ist bei der Bewertung optischer Mängel zu differenzieren, wie stark sich die optische Beeinträchtigung im Gesamteindruck der Anlage auswirkt.*)
2. Die vollständige Neuherstellung einer gepflasterten Hofeinfahrt stellt sich dann als unverhältnismäßig dar, wenn es allein um die Herstellung eines einheitlichen geraden Fugenverlaufs einer Fläche geht, die insbesondere für das Parken und Rangieren von Fahrzeugen genutzt wird.*)
3. Ein entschädigungspflichtiger Minderwert besteht bei einer messbaren wirtschaftlichen Einbuße.*)

IBRRS 2023, 0579

BGH, Urteil vom 09.12.2022 - V ZR 72/21
Die Rechtskraft eines Urteils, mit dem eine Klage wegen des fehlenden Eintritts von aufschiebenden Bedingungen als derzeit unbegründet abgewiesen wird, umfasst auch die Gründe des Urteils, wenn in ihnen die übrigen Anspruchsvoraussetzungen positiv festgestellt bzw. bejaht worden sind. Ist dies der Fall, kann die Klage im Folgeprozess nicht mit der Begründung abgewiesen werden, der Anspruch habe bereits im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Vorprozess aus anderen Gründen als denen des fehlenden Eintritts der aufschiebenden Bedingungen nicht bestanden (im Anschluss an BGH, Urteil vom 09.06.2022 - III ZR 24/21, Rz. 17 ff. = IBRRS 2022, 2270 = IMRRS 2022, 0950 = NJW 2022, 2754).*)

IBRRS 2023, 0605

BGH, Beschluss vom 11.01.2023 - XII ZB 538/21
1. Gerichtliche Entscheidungen, die während einer Aussetzung der Verhandlung nach § 149 ZPO ergehen, sind nicht nichtig, sondern können mit den gegebenen Rechtsmitteln angefochten werden (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 17.12.2008 - XII ZB 125/06 - MDR 2009, 1000 = IBRRS 2009, 2165, und vom 31.03.2004 - XII ZR 167/00 - FamRZ 2004, 867 = IBRRS 2004, 0966).*)
2. Mit Beendigung der Aussetzung durch Erledigung des Strafverfahrens beginnt grundsätzlich die volle gesetzliche Frist zur Begründung eines Rechtsmittels von neuem zu laufen (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 24.09.2020 - IX ZB 22/19 - ZInsO 2020, 2470 = IBRRS 2020, 3060; BGH, Beschluss vom 28.07.2016 - III ZR 70/16 - WM 2016, 1747 = IBRRS 2016, 3732; BGHZ 64, 1 = NJW 1975, 692).*)
3. Verwirft das Rechtsmittelgericht bereits vor Ablauf der Begründungsfrist das Rechtsmittel, ist der Rechtsmittelführer nicht von der fristgerechten Begründung seines Rechtsmittels befreit, wenn der Rechtsweg noch nicht erschöpft ist und er gegen die verwerfende Entscheidung mit dem Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde vorgeht (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 12.12.1990 - XII ZB 64/90 - FamRZ 1991, 548).*)
