Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Aktuelle Urteile in allen Sachgebieten
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IBRRS 2023, 0316
OLG München, Urteil vom 11.02.2022 - 9 U 7233/20 Bau
1. Weist ein ÖPP-Projektvertrag werk-, dienst- und darlehensvertragliche Elemente auf, steht dem Auftraggeber nach Ablauf von zehn Jahren kein Sonderkündigungsrecht aus § 489 BGB zu.
2. Vereinbaren die Parteien eines ÖPP-Projektvertrags für die nächsten 20 Jahre ein festes Zahlungsziel für die einzelnen Tilgungs- und Zinsleistungen, ist der Auftraggeber nicht dazu berechtigt, die noch offenen Tilgungsraten jederzeit zurückzuzahlen.

IBRRS 2023, 0335

KG, Beschluss vom 17.10.2022 - Verg 7/22
1. Dem Auftraggeber steht das Bestimmungsrecht zu, ob und was er beschaffen will. Solange er dabei die Grenzen beachtet und nicht - offen oder versteckt - ein bestimmtes Produkt bevorzugt und andere Anbieter diskriminiert, ist er bei dieser Bestimmung im Grundsatz weitgehend frei. Er bestimmt, welche konkrete Leistung seinem Beschaffungsbedarf am besten entspricht.
2. Vergabeunterlagen müssen klar und verständlich sein. Aus den Vergabeunterlagen muss für Bieter oder Bewerber eindeutig und unmissverständlich hervorgehen, was von ihnen verlangt wird. Die Vergabestellen trifft die Pflicht, die Vergabeunterlagen klar und eindeutig zu formulieren und Widersprüchlichkeiten zu vermeiden.
3. Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Grundlage dafür ist eine Bewertung des öffentlichen Auftraggebers, ob und inwieweit das Angebot die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllt.
4. Das wirtschaftlichste Angebot bestimmt sich nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Zu dessen Ermittlung können neben dem Preis oder den Kosten auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden.
5. Bei der Bestimmung der Kriterien für das wirtschaftlichste Angebot ist der Auftraggeber weitgehend ungebunden, bestimmten Faktoren eine Bedeutung beizumessen.

IBRRS 2023, 0365

OVG Niedersachsen, Beschluss vom 24.01.2023 - 1 ME 133/22
1. Ist ein aufgrund seiner künstlerischen Bedeutung unter Schutz gestelltes Baudenkmal an einem Bauplatz errichtet worden, der schon zu seiner Entstehungszeit eine "Einmauerung" durch - nicht notwendig mit künstlerischem Anspruch errichtete - Nachbargebäude erwarten ließ, bedarf es bedeutender baulicher "Missgriffe", um in der Ausgestaltung der Seitenfassaden der Nachbargebäude eine (erhebliche) Beeinträchtigung des Denkmalwerts zu sehen.*)
2. Die ihm gegenüber eingetretene Wirksamkeit und Unanfechtbarkeit von Festsetzungen der Geländehöhe nach § 5 Abs. 9 NBauO kann dem Miteigentümer eines Grundstücks auch dann entgegengehalten werden, wenn diese anderen Miteigentümern nicht wirksam bekannt gegeben worden sind. Der Erwerb von deren Miteigentumsanteilen lässt die Anfechtungsmöglichkeiten des Miteigentümers, dem gegenüber der Bescheid bekannt gegeben worden ist, nicht wiederaufleben.*)
3. Das Erfordernis des Sachbescheidungsinteresses für eine Baugenehmigung ist nicht nachbarschützend.*)

IBRRS 2023, 0013

AG Berlin-Mitte, Urteil vom 02.11.2022 - 123 C 77/22
1. Der Berliner Mietspiegel 2019 kann jedenfalls als einfacher Mietspiegel zur Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete herangezogen werden.
2. Die §§ 556d bis 556g BGB sind nur auf die Ausgangsmiete einer Indexmietvereinbarung anzuwenden.
3. Auch bei einem Verstoß gegen die Mietpreisbremse ist eine später erklärte Indexmieterhöhung wirksam.

IBRRS 2023, 0318

LG München I, Urteil vom 08.12.2022 - 36 S 3944/22 WEG
1. Das Gericht gibt einer zulässigen Beschlussersetzungsklage statt, wenn der vom Kläger begehrte Beschluss im Sinne des Gesetzes "notwendig" ist. Ein Beschluss ist notwendig, wenn der Kläger im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf den Beschluss hat.
2. Für Maßnahmen der Barrierereduzierung, der Elektromobilität, des Einbruchsschutzes und des Glasfaserausbaus braucht es nicht den Willen der Mehrheit. Jeder Eigentümer kann sie auf seine Kosten verlangen. Derartige Maßnahmen liegen nach Ansicht des Gesetzgebers nicht nur im besonderen Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers, sondern im gesamtgesellschaftlichen Interesse.
3. Barrierereduzierung i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG ist weit zu verstehen und erstreckt sich auf alle Maßnahmen, die für eine Nutzung durch körperlich oder geistig eingeschränkte Personen auch nur förderlich sind. Auf die individuelle Betroffenheit des Wohnungseigentümers, seiner Angehörigen oder Mieter kommt es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht an. Barrierereduzierende Maßnahmen können anlasslos verlangt werden. Damit soll einerseits Streitigkeiten über die Notwendigkeit im Einzelfall vermieden und andererseits dem gesamtgesellschaftlichen Bedürfnis nach barriereduziertem Wohnraum Rechnung getragen werden.
4. Hinter dem Verbot der grundlegenden Umgestaltung i.S.v. § 20 Abs. 4 WEG liegt der Gedanke, dass der Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums wegen der Beschlusskompetenz des § 20 Abs. 1 WEG zwar nicht mehrheitsfest ist, es aber einen Kernbereich gibt, den jeder Wohnungseigentümer auch gegen den Willen der Mehrheit verteidigen kann. Unter den Begriff der grundlegenden Umgestaltung kann der Anbau eines Außenaufzugs etwa dann subsumiert werden, wenn dadurch die Fassade eines Stuckaltbaus zerstört oder erheblich umgestaltet wird.

IBRRS 2023, 0366

OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 21.12.2022 - 2 MB 4/21
1. Bei der als Ereignisfrist ausgestalteten Frist des § 12 Abs. 5 Nr. 2 Satz 1 VOB/B ist der Sonnabend zu Werktagen in diesem Sinne hinzuzurechnen.*)
2. Ändern sich die Eigentumsverhältnisse nach dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht bedarf es für eine rechtmäßige (anteilige) Heranziehung des neuen Eigentümers an entstandenen Ausbaubeiträgen an einer dem Bestimmtheitsgrundsatz genügenden Satzungsbestimmung.*)

IBRRS 2023, 0367

OLG Schleswig, Beschluss vom 20.12.2022 - 2 AR 21/22
1. Der Grundsatz der Bindungswirkung von Verweisungsbeschlüssen gem. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO wird lediglich in eng begrenzten, verfassungsrechtlich gebotenen Ausnahmefällen durchbrochen, namentlich bei einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder des aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitenden Willkürverbots (vgl. BGH, Beschluss vom 10.06.2003 - X ARZ 92/03, NJW 2003, 3201, und BGH, Beschluss vom 6. Oktober 1993 - XII ARZ 22/93, NJW-RR 1994, 126).*)
2. Objektiv willkürlich, weil offensichtlich unhaltbar und nicht mehr verständlich ist ein Verweisungsbeschluss auch dann, wenn das verweisende Gericht Akteninhalt unbeachtet lässt, aus dem sich die Zuständigkeit des verweisenden Gerichts geradezu aufdrängt und daher zwingend zu prüfen war. Dies ist der Fall, wenn sich das verweisende Gericht mit der Zuständigkeit gem. § 21 ZPO nicht auseinandersetzt, obwohl sich eine Prüfung aufgedrängt hätte: Der streitgegenständliche Gegenstand wurde in einer Niederlassung der Beklagten erworben, die im Bezirk des verweisenden Amtsgerichts liegt, wie sich aus der als Anlage K1 der Klage beigefügten Rechnung ergibt.*)
3. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird auch dann verletzt, wenn sich ein Gericht mit Vorbringen einer Partei, das für die Zuständigkeitsfrage entscheidungserheblich ist, nicht auseinandersetzt, weil es den Eindruck erweckt, als habe es das Vorbringen einer Partei überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder jedenfalls bei seiner Entscheidung nicht erwogen. Wird ein Verweisungsbeschluss unter anderem damit begründet, die Klägerseite habe zu einer örtlichen Zuständigkeit - auch nach entsprechendem Hinweis des Gerichts - nicht vorgetragen, obwohl eine Partei ausdrücklich zur Zuständigkeit vorgetragen hat, handelt es sich um ein derart eklatantes Übergehen von Parteivortrag (in Form eines ausdrücklichen Negierens), dass der darin liegende Gehörsverstoß zum Entfall der Bindungswirkung führt. Dies gilt unabhängig davon, ob man eine Zuständigkeit des verweisenden Gerichts entsprechend der Argumentation in dem Parteivortrag (hier gem. § 29 ZPO) im Ergebnis bejaht oder nicht, solange die von der Partei vertretene Zuständigkeit zumindest in Betracht zu ziehen war.*)

Online seit gestern
IBRRS 2023, 0257
OLG Schleswig, Beschluss vom 15.01.2021 - 1 U 66/20
1. Der Architekt verletzt regelmäßig seine Vertragspflichten, wenn er ohne verlässliche Kenntnis von den wirtschaftlichen Möglichkeiten des privaten Auftraggebers die Planung eines Wohnhauses vornimmt (BGH, IBR 2013, 284).
2. Jeder Bauherr ist gut beraten, die Kosten des Bauvorhabens zuvor zu kalkulieren und einen Puffer einzuplanen. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass es ihm darauf ankommt die genannten Baukosten einzuhalten.
3. An der Verursachung eines Schadens durch eine fehlerhafte Kostenschätzung oder Kostenkontrolle des Architekten fehlt es, wenn der Bauherr trotz ansteigender Baukosten an der Verwirklichung des unveränderten Vorhabens festhält oder gar Mehrkosten verursacht.

IBRRS 2023, 0332

VK Bund, Beschluss vom 07.12.2022 - VK 1-95/22
1. Die Wertungsentscheidung kann vom Auftraggeber nicht auf Dritte delegiert werden. Es handelt sich um eine eigenverantwortlich zu treffende Entscheidung des Auftraggebers.
2. Zieht der Auftraggeber - was grundsätzlich zulässig ist - externen Sachverstand bei der Angebotsbewertung hinzu, muss die Wertungsentscheidung dennoch vom Auftraggeber selbst getragen werden.
3. An den "billigenden Prüfvermerk", mit dem sich der Auftraggeber die Angebotswertungen des externen Dienstleisters zu eigen machen kann, sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Der Vermerk "inhaltlich richtig" oder "einverstanden" auf dem Vergabevermerk reicht bereits aus.

IBRRS 2023, 0334

OVG Sachsen, Beschluss vom 02.01.2023 - 1 A 447/22
In einer bauplanungsrechtlichen Gemengelage besteht kein Gebietserhaltungsanspruch.

IBRRS 2023, 0320

AG Kreuzberg, Urteil vom 26.04.2022 - 11 C 191/21
1. Seiner Pflicht, bei der Berufung auf den Ausnahmetatbestand der Erstvermietung nach umfassender Modernisierung den Mieter bei Mietvertragsabschluss auf diesen Umstand hinzuweisen, kann der Vermieter auch durch Übergabe eines entsprechend gestalteten Exposés nachkommen; dabei ist weder eine Erläuterung des Begriffs der umfassenden Modernisierung noch eine Beschreibung der Arbeiten erforderlich.
2. Hat der Vermieter diesen Hinweis erteilt, ist er nicht verpflichtet, weitere Auskünfte (betreffend Höhe der Vormiete, Mieterhöhungen innerhalb des letzten Jahres vor Beendigung des Vormietverhältnisses und Modernisierungsmaßnahmen in den letzten drei Jahren vor Beginn des Mietverhältnisses) zu erteilen.
3. Zur Auslegung des Begriffs "umfassende Modernisierung".

IBRRS 2023, 0281

AG Köln, Urteil vom 17.01.2023 - 215 C 48/22
1. Eine Verweigerung der Belegeinsicht vor der Eigentümerversammlung führt nicht zur Anfechtbarkeit des Beschlusses über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse.*)
2. Solange dem anfechtenden Wohnungseigentümer Belegeinsicht verweigert wird, muss die Wohnungseigentümergemeinschaft im Rechtsstreit die Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses jedenfalls darlegen.*)
3. Es kann ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, einen Teil der Erhaltungsrücklage in eine Liquiditätsrücklage umzuwidmen, auch wenn Erhaltungsmaßnahmen anstehen, deren voraussichtliche Kosten den Betrag der vorhandenen Erhaltungsrücklage deutlich übersteigen.*)

IBRRS 2023, 0208

OLG Rostock, Beschluss vom 24.10.2022 - 3 W 82/22
1. Das Sondereigentum gem. § 3 Abs. 2 WEG in der seit dem 01.12.2020 geltenden Fassung kann auf einen außerhalb des Gebäudes liegenden Teil des Grundstücks, wie z. B. Gartenflächen, erstreckt werden, es sei denn, die Wohnung oder die Räume bleiben dadurch wirtschaftlich nicht die Hauptsache.*)
2. Die Hauptsacheeigenschaft der Wohnung bzw. der Räume wird grundsätzlich vermutet, insbesondere bei - wie hier - Verbindung einer Wohnung mit einem Garten.*)
3. Eine Prüfung durch das Grundbuchamt hat nur bei konkreten anderweitigen Anhaltspunkten zu erfolgen.*)

IBRRS 2022, 3706

LG Traunstein, Beschluss vom 16.05.2022 - 4 T 1275/21
1. Die Einstellung der Räumungsvollstreckung scheidet aus, wenn der Gesundheitsgefahr durch ärztliche Maßnahmen begegnet werden kann.
2. Auch eine Unterrichtung der zuständigen Sicherheitsbehörden (Landratsamt) über die Zurückweisung/Nichteinstellung kann genügen.
3. Zum (geringen) Schutzbedürfnis des verschwiegenen Mitbesitzers.

IBRRS 2023, 0348

OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.12.2022 - 26 Sch 4/22
Ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public international kann nicht damit begründet werden, dass ein Schiedsgericht bei einer Beweiswürdigung nicht angibt, welchen konkreten Beweiswert es einzelnen Indizien beigemessen hat.*)

IBRRS 2023, 0347

BFH, Beschluss vom 22.11.2022 - XI B 1/22
Erörtert das Finanzgericht im Anschluss an die Beweisaufnahme und vor Erlass seines Urteils nicht erneut den Sach- und Streitstand und, soweit bereits möglich, das Ergebnis der Beweisaufnahme mit den Beteiligten, verletzt es deren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Folgeentscheidung zum EuGH-Urteil vom 14.04.2021 - Rs. C-108/20 - Finanzamt Wilmersdorf, DStR 2021, 1477).*)

IBRRS 2023, 0321

LG Karlsruhe, Urteil vom 06.12.2022 - 11 S 135/21
Auch in verwalterlosen Zweiergemeinschaften kann der einzelne Eigentümer den Anspruch für den Verband auf Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung des Wohnungseigentums nach Inkrafttreten des WEMoG nicht direkt geltend machen.*)

Online seit 1. Februar
IBRRS 2023, 0337
BGH, Urteil vom 16.12.2022 - V ZR 263/21
Nach dem seit dem 01.12.2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht trifft die Pflicht zur Durchführung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer nicht mehr den Verwalter, sondern die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (Abgrenzung zu Senat, IMR 2018, 332).*)

IBRRS 2023, 0263

OLG Schleswig, Beschluss vom 18.03.2022 - 8 U 24/21
1. Beide Vertragsparteien können den (Bau- bzw. Werk-)Vertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur Fertigstellung des Werks nicht zugemutet werden kann.
2. Die Fortsetzung des (Bau- bzw. Werk-)Vertrags kann insbesondere dann unzumutbar sein, wenn eine Vertragspartei das für die Durchführung des Vertrags erforderliche Vertrauensverhältnis massiv erschüttert und damit den Vertragszweck erheblich und auf Dauer gefährdet.
3. Bezahlt der Besteller entgegen den getroffenen Vereinbarungen mehrere fällige Abschlagszahlungen nicht, obwohl der von ihm beauftragte Projektleiter diese geprüft und freigegeben hat, kann der Unternehmer den Vertrag aus wichtigem Grund kündigen.

IBRRS 2023, 0292

OLG Schleswig, Beschluss vom 15.08.2022 - 54 Verg 5/22
1. Nach der Rücknahme des Nachprüfungsantrags entspricht es regelmäßig der Billigkeit, dass der Antragsteller die Kosten trägt, da er sich durch die Rücknahme in die Rolle des Unterlegenen begibt.
2. Eine Reduzierung der Gebühren kommt nicht in Betracht, wenn die Rücknahme erst nach der Entscheidung der Vergabekammer erklärt wurde.

IBRRS 2023, 0309

VGH Bayern, Beschluss vom 12.01.2023 - 1 ZB 22.1764
1. Ein Bebauungsplan kann funktionslos werden, wenn sich die Sach- oder Rechtslage nachträglich so verändert hat, dass ein Planvollzug auf unüberschaubare Zeit ausgeschlossen erscheint.
2. Bloße Zweifel an der Verwirklichungsfähigkeit eines Plans führen nicht zur seiner Funktionslosigkeit; er tritt nur außer Kraft, wenn offenkundig ist, dass er als Instrument für die Steuerung der städtebaulichen Entwicklung nicht mehr tauglich ist.
3. Die bloße Änderung der Planungsabsichten - darunter fällt auch die Abkehr von einer planerischen Grundkonzeption - kann nicht schon zur Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans führen. Ursächlich für das Außerkrafttreten eines Bebauungsplans wegen Funktionslosigkeit kann nur ein in der tatsächlichen Entwicklung eingetretener Zustand sein, der es auf unabsehbare Zeit ausschließt, die planerische Gesamtkonzeption oder das mit einer Festsetzung verfolgte Planungsziel zu verwirklichen.

IBRRS 2023, 0333

OLG Bremen, Urteil vom 09.12.2022 - 4 U 20/21
1. Eine Individualvereinbarung und keine Allgemeinen Geschäftsbedingung liegt vor, wenn zwischen den Parteien Verhandlungen stattgefunden haben, bei denen beide Parteien die Möglichkeit hatten, ihre Prioritäten deutlich zu machen, bei denen verschiedene Vertragsteile zueinander ins Verhältnis gesetzt wurden und die in Rede stehende vorformulierte Klausel letztlich abgeändert worden ist.*)
2. Ein Vertragsstrafeversprechen, das für den Fall des Verzugs der Übergabe einer erst noch zu errichtenden Gewerbeimmobilie die Verwirkung einer täglichen Summe vorsieht, ist auch ohne Vereinbarung einer Obergrenze zulässig. Es muss jedoch im Einzelfall geprüft werden, ob eine zeitliche Grenze erreicht ist, jenseits derer sich das Verlangen nach Fortzahlung der Vertragsstrafe nach § 242 BGB als treuwidrig erweisen würde (im Anschluss an BGH, IBR 2003, 1112 - nur online).*)
3. Das Recht auf Herabsetzung der Vertragsstrafe setzt nach § 343 setzt voraus, dass die verfallene Vertragsstrafe unverhältnismäßig hoch ist. Für die Angemessenheit der Strafe sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere Schwere, Art und Ausmaß der Zuwiderhandlung, Grad des Verschuldens, die wirtschaftliche Lage des Schuldners, die Funktion der Strafe als Druck- und Sicherungsmittel und dass diese den Gläubiger im Falle der Zuwiderhandlung von der Notwendigkeit des Schadensnachweises entheben soll. Allein das Fehlen eines Schadens rechtfertigt die Herabsetzung der Strafe nicht. Entscheidend ist, welchen Schaden der Vertragsbruch hätte herbeiführen können.*)

IBRRS 2023, 0118

AG München, Urteil vom 20.12.2022 - 411 C 10539/22
1. Die Aufnahme von Flüchtlingen stellt kein mieterbezogenes berechtigtes Interesse gem. § 553 Abs. 1 BGB dar, sondern ein (Fremd-)Interesse Dritter.
2. Dieses Interesse ist auch nicht nachträglich entstanden, weil es bereits vor Mietvertragsabschluss Flüchtlinge - auch ukrainische - gab.

IBRRS 2023, 0207

AG Riesa, Urteil vom 28.10.2022 - 6 C 407/21 WEG
1. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG ist jeder Wohnungseigentümer gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichtet, das Betreten seines Sondereigentums und andere Einwirkungen auf dieses (...) zu dulden, die den Vereinbarungen oder Beschlüssen entsprechen (...).
2. Dies gilt auch (oder gerade) für die Umsetzung beschlossener privilegierter baulicher Veränderungen, die jeder Wohnungseigentümer als angemessene bauliche Veränderung verlangen kann.

IBRRS 2023, 0022

AG Bottrop, Urteil vom 16.09.2022 - 20 C 21/22
Die Einladung zur Versammlung durch eine nicht zuständige Person führt zur Anfechtbarkeit aller auf der Versammlung gefassten Beschlüsse.

IBRRS 2023, 0019

OLG München, Beschluss vom 23.08.2022 - 8 U 1186/22
1. Dem Nießbraucher obliegt die gewöhnliche Unterhaltung der Sache. Dazu zählen solche Maßnahmen, die bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung regelmäßig, und zwar wiederkehrend innerhalb kürzerer Zeitabstände zu erwarten sind. Dazu gehört auch die gewöhnliche Unterhaltung der Heizung und Warmwasserbereitung.
2. Den Nießbraucher treffen die öffentlichen Lasten, die auf der Sache ruhen. Hierzu zählen neben den Gebühren für Kanalisation, Müllabfuhr, Kaminkehrer und Straßenreinigung insbesondere die Grund- und Gebäudesteuern. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese öffentlichen Lasten bereits bei der Bestellung des Nießbrauchs auf der Sache ruhten oder erst später entstanden sind.
3. Die Kostentragungspflicht für die Haftpflicht-, Gebäude- und Gebäudebrandversicherung folgt aus § 1045 Abs. 2 BGB.

IBRRS 2023, 0295

BGH, Urteil vom 01.12.2022 - III ZR 54/21
1. Wenn und soweit die öffentlich-rechtliche Unterhaltungspflicht einer Verkehrssicherungspflicht inhaltlich gleichkommt, hat sie drittschützenden Charakter i.S.v. § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB (Weiterentwicklung von Senat, Urteile vom 24.02.1994 - III ZR 4/93, IBRRS 1994, 0425 = BGHZ 125, 186, 188 und vom 25.02.1993 - III ZR 9/92, IBRRS 1993, 0423 = BGHZ 121, 367, 374).*)
2. Die Gewässerschau dient der Prüfung der ordnungsgemäßen Unterhaltung oberirdischer Gewässer. Fallen bestimmte Anlagen nicht in die Unterhaltungslast des mit der Gewässerschau betrauten Unterhaltungsverpflichteten, sind sie auch nicht von seiner Schaupflicht erfasst. Stellt eine solche Anlage aber eine ganz offensichtliche für den Gewässerunterhaltungspflichtigen ohne Weiteres zu erkennende Gefahrenquelle dar, kann dieser gleichwohl verpflichtet sein, an der Beseitigung der (drohenden) Gefahr mitzuwirken.*)
3. Wie oft ein bestimmtes Gewässer zu beschauen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.*)
IBRRS 2023, 0313

VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.01.2023 - A 2 S 363/22
1. Gemäß § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 2 ZPO sind die wesentlichen Verhandlungsvorgänge in das Protokoll aufzunehmen. Was wesentlich ist, hängt maßgeblich vom Verhandlungsgegenstand und vom Verhandlungsverlauf ab. In das Protokoll ist alles aufzunehmen, was das Rechtsmittelgericht für die Entscheidungs- und Verfahrenskontrolle benötigt. Dazu zählen u. a. Prozessanträge wie etwa ein Antrag auf Gewährung einer Schriftsatzfrist oder prozessleitende Verfügungen bzw. Beschlüsse des Gerichts, mit denen beispielsweise eine Schriftsatzfrist gewährt oder abgelehnt wurde. Gleiches gilt, wenn ein Gericht für den Fall einer Änderung seiner vorläufigen Rechtsauffassung ein weiteres Schriftsatzrecht zusichert und damit sozusagen ein "bedingtes" Schriftsatzrecht gewährt.*)
2. Gerichtliche Hinweise - hier zur vorläufigen Rechtsauffassung des Gerichts -, die in der mündlichen Verhandlung erteilt werden, sind in der Regel als wesentliche Vorgänge im Sinne des § 160 Abs. 2 ZPO in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen. Schweigt das Protokoll hierzu, ist im Hinblick auf § 173 VwGO i.V.m. § 415 ZPO davon auszugehen, dass der Hinweis nicht erfolgt ist.*)

IBRRS 2023, 0269

LG Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.2022 - 25 T 182/22
Auch nach der WEG-Reform 2020 ist der Streitwert für die Anfechtung des Beschlusses über die Jahresabrechnung grundsätzlich nach dem Gesamtbetrag der abgerechneten Kosten (Abrechnungssumme) zu bemessen.

Online seit 31. Januar
IBRRS 2023, 0288
KG, Urteil vom 13.01.2023 - 21 U 50/22
1. Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Architekt oder Ingenieur bei Verhandlungen über den Abschluss eines Architektenvertrags die einschlägige Vorstrafe einer Person ungefragt offenbaren muss, die mit maßgeblichem Einfluss an der Vertragserfüllung mitwirken soll.*)
2. In Verhandlungen über den Abschluss eines Architektenvertrags ist die frühere Verurteilung des Architekten zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe wegen Bestechlichkeit jedenfalls dann eine einschlägige Vorstrafe, wenn Leistungen der Leistungsphasen 7 und 8 gemäß HOAI Gegenstand des Architektenvertrags sein sollen.*)

IBRRS 2023, 0291

OLG Schleswig, Beschluss vom 06.07.2022 - 54 Verg 4/22
1. Eine zum zwingenden Ausschluss des Angebots führende Änderung der Vergabeunterlagen liegt vor, wenn der Bieter manipulativ in die Vergabeunterlagen eingreift, indem er ein von den Vorgaben abweichendes Angebot macht, das bei einem Wegdenken der Abweichungen unvollständig bleibt.
2. Dazu ist keine körperliche Veränderung etwa im Sinne einer Änderung der vorgegebenen Leistungsmengen oder -beschreibungen notwendig. Es reicht, dass der Bieter bei der Ausfüllung von Berechnungsschemata von den Vorgaben abweicht.
3. Eine Änderung der Vergabeunterlagen liegt auch vor, wenn das Angebot von den Leistungsvorgaben in der Ausschreibung abweicht.
4. Der Auftraggeber muss das Angebot eines Bieters darauf prüfen, ob dieser die Leistungszusage einhalten kann, wenn konkrete Tatsachen dessen Leistungsversprechen nicht plausibel erscheinen lassen.

IBRRS 2023, 0308

VGH Bayern, Beschluss vom 13.12.2022 - 15 ZB 22.2149
1. Ein 1,55 m hoher und 26,29 m langer Sichtschutzzaun entfaltet keine gebäudeähnliche Wirkung. Eine solche Wirkung einer Anlage ist im Einzelfall unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des Abstandsflächenrechts zu bestimmen.
2. Unterer Bezugspunkt für die Bestimmung der abstandsflächenrelevanten Wandhöhe ist die Geländeoberfläche. Im Hinblick auf Geländeveränderungen kommt es maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls an. Es muss vermieden werden, dass durch Manipulation des Geländes die gesetzlichen Regelungen unterlaufen werden.
3. Fragen der Standsicherheit sind nicht Gegenstand der präventiven Prüfung im vereinfachten Genehmigungsverfahren.

IBRRS 2023, 0279

AG Köln, Urteil vom 09.01.2023 - 203 C 144/22
1. § 566 BGB findet auf die Erbauseinandersetzung weder unmittelbare noch entsprechende Anwendung.
2. Eine Vereinbarung zum Übergang von Lasten und Nutzen berechtigt nicht zur Eigenbedarfskündigung.

IBRRS 2023, 0272

AG Friedberg, Urteil vom 26.08.2022 - 2 C 848/21
1. Ein Sonderumlagenbeschluss bedarf als Grundlage für die Begründung einer Zahlungspflicht zwingend einer konkreten, eindeutigen Festsetzung.
2. Einem Beschluss, nach dem eine Sonderumlage i.H.v. "ca." 18.000 Euro erhoben werden soll, kann die tatsächliche Höhe der Sonderumlage nicht entnommen werden. Der Beschluss ist deshalb mangels hinreichender Bestimmtheit nichtig.
3. Für den für die Erhebung einer Sonderumlage aufzustellenden Sonderwirtschaftsplan gelten grundsätzlich auch die Minimalanforderungen, die an einen schlüssigen Wirtschaftsplan zu stellen sind.

IBRRS 2023, 0289

OLG Schleswig, Beschluss vom 11.01.2023 - 9 Wx 15/22
1. Die Belastung des vermittelnden Maklers mit einem prozentualen Anteil der angefallenen notariellen Entwurfsgebühr - in der Höhe der im Innenverhältnis mit den Auftraggebern vereinbarten Courtage - führt zu einer Vermischung des Schuldverhältnisses aus dem Maklervertrag mit der öffentlich-rechtlichen Kostenschuld dem Notar gegenüber und findet gebührenrechtlich keine gesetzliche Grundlage im GNotKG.*)
2. Anteilige Notargebühren für den Entwurf eines Wohnungskaufvertrags, der letztlich nicht beurkundet wird, können nicht dem Makler auferlegt werden, nur, weil eine deklaratorische Maklerklausel in dem Entwurf enthalten war.

IBRRS 2023, 0314

LSG Thüringen, Beschluss vom 16.12.2022 - L 1 JVEG 550/22
1. Der Sachverständige muss seinen Vergütungsanspruch innerhalb der Frist von drei Monaten vollständig beziffern.*)
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG muss eine aus sich heraus verständliche Darstellung der Umstände enthalten, auf welche Weise und durch wessen Verschulden die Drei-Monats-Frist versäumt wurde.*)

IBRRS 2023, 0312

OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.12.2022 - 6 W 77/22
Für die Unterlassungsklage eines Verbraucherverbands gegen ein Maklerunternehmen wegen eines Verstoßes gegen § 87 Abs. 1 GEG kann ein Gebührenstreitwert von 30.000 Euro angemessen sein.*)

Online seit 30. Januar
IBRRS 2023, 0181
OLG Oldenburg, Beschluss vom 31.05.2022 - 2 U 16/22
1. Unwesentliche Mängel sind kein Abnahmehindernis. Unwesentlich ist ein Mangel, wenn es dem Auftraggeber unter Abwägung aller Umstände zuzumuten ist, die Leistung als im Wesentlichen vertragsgemäße Erfüllung anzunehmen und sich mit Mängelrechten zu begnügen.
2. Etwaige Mangelfolgeschäden stehen der Abnahme der Leistung nicht entgegen.
3. Der Auftraggeber hat in der Regel keinen Anspruch auf Beseitigung von Mangelfolgeschäden, sondern (nur) einen Anspruch auf Zahlung der zur Beseitigung der Mangelfolgeschäden erforderlichen Geldsumme.

IBRRS 2023, 0311

LG München I, Urteil vom 30.12.2022 - 2 O 15750/21
1. Ein Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit ist ein verhaltener Anspruch (BGH, IBR 2021, 296).
2. Der Lauf der Verjährungsfrist für diesen verhaltenen Anspruch wird durch den Zugang der erstmaligen Geltendmachung durch den Unternehmer in Gang gesetzt (vgl. BGH, Urteil vom 04.05.2017 - I ZR 113/16, Rz. 22 f., IBRRS 2017, 3352).
3. Für den Lauf der Verjährung ist nicht das Ende des Kalenderjahres, in dem der Anspruch geltend gemacht wurde, sondern taggenau der Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs bestimmend.
4. Die Verjährungsfrist für den Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit beträgt drei Jahre.

IBRRS 2023, 0290

OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2022 - 11 Verg 5/22
1. Unvorhersehbarkeit ist im Hinblick auf die eine Vertragsverlängerung nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 GWB oder auf einen Interimsauftrag nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV erfordernden Umstände nur anzunehmen, wenn der Auftraggeber bei der Gestaltung des ursprünglichen Vertrags alle Möglichkeiten zur Reduzierung der Ungewissheit ausgeschöpft hat und die eventuellen aus der Ungewissheit folgenden Notwendigkeiten zur Vertragsanpassung auch nicht als Option oder Überprüfungsklausel nach § 132 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GWB abgebildet werden konnte.*)
2. Die Vergabestelle hat bei der Konzeption eines Vergabeverfahrens auch die Folgevergabe in den Blick zu nehmen und dabei immer mögliche Behinderungen dieses Vergabeverfahrens zu berücksichtigen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Vergabestelle den konkreten Grund der Verzögerung noch nicht kennt. Es genügt, dass der Ablauf eines Vergabeverfahrens vielfältigen Verzögerungen ausgesetzt sein kann.*)
3. Es ist daran festzuhalten, dass eine Vergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb bei für die Allgemeinheit unverzichtbaren Leistungen auch dann möglich ist, wenn die Dringlichkeit auf Versäumnisse der Vergabestelle zurückzuführen ist; der Aspekt der Zurechenbarkeit und Vorhersehbarkeit tritt dann hinter der Notwendigkeit der Kontinuität der Leistungserbringung zurück (Festhaltung an Senat, Beschluss vom 30.01.2014 - 11 Verg 15/13 - "Stadtbusverkehr", IBRRS 2014, 0869 = VPRRS 2014, 0235; entgegen KG, Beschluss vom 10.05.2022 - Verg 1/22, IBRRS 2022, 2049 = VPRRS 2022, 0156; entgegen OLG Bremen, Beschluss vom 14.12.2021 - 2 Verg 1/21, IBRRS 2022, 2046 = VPRRS 2022, 0154).*)
4. Die besondere Dringlichkeit der (Interims-)Vergabe rechtfertigt es regelmäßig nicht, dass nur ein einziger von mehreren interessierten Bietern in die Verhandlungen einbezogen wird. Hat es einen vorangehenden Wettbewerb gegeben, ist der öffentliche Auftraggeber auch in diesen Fällen gehalten, zumindest die im Wettbewerb über den Auftrag hervorgetretenen Bieter zu beteiligen. Etwas Anderes kann sich nur ausnahmsweise je nach Lage des Falles aus den Umständen der Dringlichkeit ergeben (Festhaltung an Senat, Beschluss vom 30.01.2014 - 11 Verg 15/13 -"Stadtbusverkehr", IBRRS 2014, 0869 = VPRRS 2014, 0235).*)
5. ...

IBRRS 2023, 0306

OVG Niedersachsen, Beschluss vom 18.01.2023 - 1 LA 89/22
1. Zur Zulässigkeit einer Suchtberatungsstelle in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Allgemeinen Wohngebiet.*)
2. Eine (Nutzungs-)Änderungsgenehmigung ist eine vollwertige Baugenehmigung, die das gesamte Vorhaben in seiner geänderten Gestalt zum Gegenstand hat. Der Wirksamkeit einer Vorgängergenehmigung bedarf sie - anders als eine lediglich Details des Vorhabens betreffende und auf diese beschränkte Nachtragsgenehmigung - grundsätzlich nicht.*)

IBRRS 2023, 0268

LG Itzehoe, Urteil vom 18.02.2022 - 9 S 33/21
1. Die elektronische Form kann die Schriftform ersetzen, wenn die Beteiligten deren Anwendung ausdrücklich oder auch "nach Maßgabe bisheriger Geschäftsgepflogenheiten" billigen und deshalb mit dem Zugang einer elektronischen Willenserklärung rechnen müssen. Im Geschäftsverkehr sowie im Kontakt zwischen Rechtsanwälten ist von einer stillschweigenden Zustimmung zur Nutzung der elektronischen Form auszugehen. Es ist grundsätzlich ohne Belang, wenn der Zugang des Schriftsatzes nicht in das Anwaltspostfach (beA), sondern in das Notarpostfach (beN) erfolgt ist.*)
2. In einem Kündigungsschreiben ist die Bezugnahme auf anderweitige schriftliche Erklärungen zulässig. Demgemäß kann der Vermieter auf vorangegangene Kündigungen oder Abmahnungen Bezug nehmen. Allerdings müssen die betreffenden Urkunden dem Mieter zugegangen und die Bezugnahme klar und eindeutig sein.*)
3. Bei der Suche von angemessenem Ersatzwohnraum kann sich der Mieter nicht auf Objekte beschränken, die barrierefrei und damit komfortabler ausgestattet sind als die bisherige, nicht barrierefreie Wohnung.*)

IBRRS 2023, 0136

LG Heidelberg, Urteil vom 04.08.2022 - 5 S 72/21
1. Es genügt für das Tatbestandsmerkmal "Soll" in § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn der Vermieter mit der möglichen Weitervermietung als Wohnung einverstanden ist und deshalb mit einem Vertragseintritt gem. § 565 BGB rechnen muss.
2. Der Erwerber muss zumindest versuchen, sich die erforderliche Kenntnis über Art, Umfang und Rechtsgrundlage der bestehenden Nutzungsverhältnisse bezüglich des zu erwerbenden bzw. des erworbenen Objekts beim Verkäufer zu verschaffen.

IBRRS 2023, 0302

BGH, Beschluss vom 13.12.2022 - VIII ZB 43/22
1. Eine Berufungsbegründung muss nicht ausdrücklich als solche bezeichnet sein. Bei der Auslegung von Prozesserklärungen ist nicht allein auf deren Wortlaut abzustellen, vielmehr ist im Zweifel dasjenige gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht.
2. Maßgebend ist, ob sich beim Fehlen einer ausdrücklich erklärten Bestimmung zur Berufungsbegründung eine solche aus dem Zusammenhang und den Begleitumständen ergibt. Bei der hiernach erforderlichen Prüfung der Willensrichtung des Berufungsklägers kommt es allein auf dessen erklärten, nach außen hervorgetretenen Willen im Zeitpunkt der Einreichung des Schriftsatzes an; "klarstellende" Parteierklärungen nach Ablauf der Begründungsfrist bleiben unberücksichtigt.

IBRRS 2023, 0307

OLG Dresden, Beschluss vom 11.01.2023 - 12 W 638/22
Ausnahmsweise sind die Kosten des auswärtigen Rechtsanwalts im Kostenfestsetzungsverfahren erstattungsfähig, wenn ein zweiter Rechtsstreit aus einer Gegenabmahnung gegen eine unberechtigte Abmahnung einer angeblichen Markenrechtsverletzung resultiert.*)

Online seit 27. Januar
IBRRS 2023, 0244
LG Karlsruhe, Urteil vom 23.11.2022 - 6 O 195/20
1. Werden Verträge über die Lieferung von Fenstern mit Montageverpflichtung für Außenwände an Gebäuden geschlossen, ist grundsätzlich - sei es bei der Errichtung eines Neubaus, oder im Zuge von Renovierungsarbeiten - von einem Werkvertrag auszugehen.*)
2. Dem Einbau der Außenfenster kommt aus den verschiedensten Gesichtspunkten für die Funktionstauglichkeit eines Gebäudes erhebliche Bedeutung zu: der Belichtung, der Belüftung, dem Schallschutz, der Wind- und Regendichtigkeit, der Steuerung der Innentemperaturen, ihrem Anteil an der Wärmedämmung des Gebäudes, dem Einbruchschutz oder sogar der Kommunikation der Bewohner mit den Menschen im Außenbereich.*)

IBRRS 2023, 0284

OLG Bremen, Beschluss vom 04.11.2022 - 2 Verg 1/22
1. Wissenschaftliche Hochschulen in Form der Körperschaft öffentlichen Rechts sind öffentliche Auftraggeber.
2. Angebote, bei denen Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen wurden, sind von der Wertung auszuschließen. Eine (unzulässige) Änderung der Vergabeunterlagen liegt vor, wenn ein Bieter von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweicht, er also eine andere als die ausgeschriebene Leistung anbietet.
3. Hält ein Bieter die Vorgaben des Auftraggebers für unzweckmäßig, rechtfertigt dies keine Abweichung von für sich genommen eindeutigen Vorgaben der Leistungsbeschreibung. Es ist Sache des Auftraggebers, den eigenen Bedarf zu definieren.
4. Der öffentliche Auftraggeber ist nicht dazu verpflichtet, in der Ausschreibung eine weitergehende Vielfalt von technischen Lösungen zuzulassen.
5. Ein Nachprüfungsantrag ist grundsätzlich nur solange der statthafte Rechtsbehelf ist, ein Vergabeverfahren noch nicht durch einen wirksamen Zuschlag abgeschlossen ist.
6. Sobald der Zuschlag wirksam erteilt ist und eine damit verbundene Rechtsverletzung des Bieters nicht mehr verhindert werden kann, können die Vergabenachprüfungsinstanzen nicht mehr in zulässiger Weise angerufen werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur in den beiden in § 135 Abs. 1 GWB genannten Fällen.

IBRRS 2023, 0287

VGH Bayern, Beschluss vom 21.12.2022 - 15 ZB 22.2199
1. Der aus grundrechtlicher Sicht kritische Wert einer Lärmbetroffenheit beginnt jedenfalls in Wohngebieten grundsätzlich erst bei einer Gesamtbelastung oberhalb von 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts.
2. Auch ein - unterstellter - Verstoß gegen die nachbarschützenden Vorschriften der Abstandsflächen führt nicht dazu, dass das Entschließungsermessen der Bauaufsichtsbehörde auf null reduziert und das Auswahlermessen in Richtung Beseitigung verdichtet ist.

IBRRS 2023, 0273

AG Steinfurt, Urteil vom 05.05.2022 - 21 C 1071/20
Die Angabe von Vergleichswohnungen im Mieterhöhungsverlangen dient nicht dem Nachweis der ortsüblichen Vergleichsmiete, sondern soll dem Mieter lediglich Hinweise auf die Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens geben und ihn in die Lage versetzen, dieses zumindest ansatzweise nachzuvollziehen.

IBRRS 2023, 0162

LG München I, Beschluss vom 03.12.2020 - 1 S 2537/20
Mangels ausreichender Bestimmtheit ist ein Beschluss nur dann nichtig, wenn sich sein Inhalt auch im Wege der vorrangig gebotenen Auslegung nicht feststellen lässt, was aber die Ausnahme ist.
