IBRRS 2022, 2594; IMRRS 2022, 1082; IVRRS 2022, 0390
Prozessuales
Individualisierung im Mahnbescheid nachgeholt: Verjährung wird nicht rückwirkend gehemmt!
BGH, Urteil vom 14.07.2022 - VII ZR 255/21
1. Die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren hemmt die Verjährung nur, wenn der Schuldner aufgrund der Bezeichnung des Anspruchs im Mahnbescheid erkennen kann, woraus der Gläubiger seinen Anspruch herleitet.*)
2. Die im Mahnbescheid nicht hinreichende Individualisierung des Anspruchs kann nachgeholt werden. Die Nachholung der Individualisierung hemmt die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB zwar nicht rückwirkend, aber ab dem Zeitpunkt ihrer Vornahme.*)
3. Für die nachträgliche Individualisierung des Anspruchs im Mahnverfahren ist ebenso wie für die Individualisierung im Mahnbescheid ausschließlich auf den Erkenntnishorizont des Schuldners abzustellen. Dementsprechend ist es ohne Bedeutung, ob die Individualisierung des Anspruchs durch an das Gericht gerichteten Schriftsatz oder außerhalb des Gerichtsverfahrens erfolgt.*)
Volltext
IBRRS 2017, 1829; IMRRS 2017, 0747; IVRRS 2017, 0287
Prozessuales
Forderungsaufstellung ist bekannt: Ansprüche sind hinreichend individualisiert!
BGH, Beschluss vom 25.04.2017 - VIII ZR 217/16
1. Für die zur Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid erforderliche Individualisierung der darin geltend gemachten Ansprüche genügt es, wenn der Schuldner selbst - etwa anhand einer im Mahnbescheid genannten und ihm bekannten Forderungsaufstellung - erkennen kann, um welche Forderungen es geht (Bestätigung von BGH, Urteile vom 25.03.2015 - VIII ZR 243/13, NJW 2015, 3228 Rn. 63 f. = IBRRS 2015, 0958 = IMRRS 2015, 0568, insoweit in BGHZ 204, 325 nicht abgedruckt; vom 17.11.2010 - VIII ZR 211/09, NJW 2011, 613 Rn. 9 = IBRRS 2011, 0040 = IMRRS 2011, 0031).*)
2. Bei einer auf zahlreichen Einzelpositionen (hier: diverse Lieferungen für verschiedene Bauvorhaben) beruhenden Klage, deren Entstehung und Höhe aufgrund verschiedener Streitpunkte der Parteien nicht einfach darzustellen ist, muss sich das Gericht der Mühe unterziehen, trotz derartiger, sich aus der Natur der Sache ergebender Schwierigkeiten den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen. Dies gilt (selbstverständlich) auch dann, wenn die klagende Partei ihren Vortrag noch nicht in der Klagschrift umfassend gehalten, sondern im Laufe des Verfahrens ergänzt und präzisiert sowie zur Erläuterung und wegen der Einzelheiten auf beigefügte Anlagen verwiesen hat. Verschließt sich das Gericht in einem solchen Fall seiner Aufgabe, indem es die Klage mit der pauschalen Begründung abweist, es sei nicht verpflichtet, "sich die geltend gemachte Forderung nach Grund und Höhe aus den von der Klägerseite eingereichten Schriftsätzen und den Anlagen zusammen zu suchen", liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor (im Anschluss an BVerfG, NJW 1994, 2683).*)
Volltext
IBRRS 2015, 0958; IMRRS 2015, 0568
Wohnungseigentum und Teileigentum
Zur Verbrauchereigenschaft der Wohnungseigentümergemeinschaft
BGH, Urteil vom 25.03.2015 - VIII ZR 243/13
1. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist im Interesse des Verbraucherschutzes der in ihr zusammengeschlossenen, nicht gewerblich handelnden natürlichen Personen dann einem Verbraucher gemäß § 13 BGB gleichzustellen, wenn ihr wenigstens ein Verbraucher angehört und sie ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder einer gewerblichen noch einer selbständigen beruflichen Tätigkeit dient.*)
2. Beim Abschluss von Rechtsgeschäften mit Dritten - wie etwa einem Energielieferungsvertrag zur Deckung des eigenen Bedarfs - handelt die Wohnungseigentümergemeinschaft in der Regel zum Zwecke der privaten Vermögensverwaltung ihrer Mitglieder und damit nicht zu gewerblichen Zwecken.*)
Volltext