Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
IMR 08/2018 - Vorwort
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
gut ist es, wenn sich der Gesetzgeber Problemen annimmt. Seit der Gründung des Deutschen Baugerichtstags e.V. im Jahr 2005 befasste er sich mit dem Bauträgerrecht. (Nahezu) Einigkeit herrschte darüber, dass der Erwerber gerade bei dem vom Baustand abhängigen Zahlungsmodell völlig unzureichend im Falle der Schlechtleistung durch den Bauträger abgesichert ist. In den Folgejahren wurden konkrete Beschlüsse zur Verbesserung der Situation des Erwerbers gefasst.
Aber was machte unser Gesetzgeber im Zuge der Reform des Bauvertragsrechts im Jahr 2017? Eigentlich nichts. Er normierte in den §§ 650u, 650v BGB bewusst „Platzhalternormen“, um in der nächsten – nämlich der jetzigen – Legislaturperiode alle Probleme des Bauträgerrechts in Ruhe lösen zu wollen. Das ist gut. Er vermeidet „Schnellschüsse“. Wenn der Jurist das Wort „eigentlich“ verwendet, ist eigentlich – so mein akademischer Lehrer Herbert Leßmann – alles ganz anders. So ist es leider gekommen, weil der Gesetzgeber unbesehen dem Erwerber in § 650u Abs. 2 BGB das Recht genommen hat, in Extremfällen den Bauträgervertrag außerordentlich zu kündigen. Der Gesetzgeber meinte, der Erwerber könne ja zurücktreten. Dies sind noch nicht einmal „Steine statt Brot“, weil im Falle des Rücktritts der Erwerber den Schutz der akzessorischen Vormerkung verliert und völlig ungesichert ist. Man mag darüber streiten, ob der Notar mit „doppelter Belehrungspflicht“ die Vereinbarung eines außerordentlichen Kündigungsrechts vorschlagen muss, auch weil sonst aus europarechtlichen Gründen der Zahlungsplan unwirksam sein könnte. Jedenfalls sind die Folgen im Falle der Schlechtleistung für den Erwerber derzeit desaströs: Er kann den Vertrag nicht ohne gravierende wirtschaftliche Risiken beenden.
Aber was lernen wir daraus? Gute Arbeit des Gesetzgebers setzt Zeit und Sachverstand voraus. Man denke nur daran, dass die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs eine Generation gedauert hat. Es wäre schon viel gewonnen, wenn man die Vorlage von Referentenentwürfen bei grundlegenden Reformen zur „Pflicht“ machen würde, um die wissenschaftliche Diskussion zu ermöglichen. Hiernach sollten die Anregungen aus der Praxis in Sachverständigenanhörungen eingehend und ergebnisoffen diskutiert werden, bevor sich das Parlament in voller Kenntnis der Sach- und Rechtslage mit einem Gesetzgebungsvorschlag abschließend befasst. Wir müssen uns hierbei alle an die eigene Nase fassen. Ohne unsere Bereitschaft zum offenen Diskurs sowie zur (kostenlosen) Mitarbeit werden es die Ministerien mangels Personal alleine nicht schaffen können. Also: „Packen wir es an“!
Freundliche kollegiale Grüße aus München
Ihr
Dr. A. Olrik Vogel