Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
16297 Entscheidungen insgesamt
Online seit Februar
IBRRS 2025, 0507
OLG Celle, Beschluss vom 31.01.2025 - 20 U 8/24
1. Das von einem Rechtsanwalt elektronisch abgegebene Empfangsbekenntnis erbringt gegenüber dem Gericht den vollen Beweis nicht nur für die Entgegennahme des Dokuments als zugestellt, sondern auch für den angegebenen Zeitpunkt der Entgegennahme und damit der Zustellung (Anschluss an: BGH, IBR 2024, 270; IBR 2022, 106; IBR 2023, 376).*)
2. Für den Gegenbeweis, dass das zuzustellende Schriftstück den Adressaten tatsächlich zu einem anderen Zeitpunkt erreicht hat, muss die Beweiswirkung vollständig entkräftet sein, also jede Möglichkeit der Richtigkeit der Empfangsbestätigung ausgeschlossen werden (Anschluss an: BGH, IBR 2023, 376, und IBR 2022, 106; Urteil vom 07.06.1990 - III ZR 216/89, IBRRS 1990, 0304).*)
3. Ein ungewöhnlich langer Zeitraum zwischen dem dokumentierten Zeitpunkt der elektronischen Übersendung des Dokuments und dem im Empfangsbekenntnis angegebenen Zustelldatum (hier: sechs Wochen) erbringt den Beweis der Unrichtigkeit der Datumsangabe für sich genommen noch nicht (Anschluss an: BGH, IBR 2022, 106, und vom 19.04.2012 - IX ZB 303/11, IBRRS 2012, 2104). Es dürfen jedoch auch keine überspannten Anforderungen gestellt werden (Anschluss an: BGH, Beschlüsse vom 14.10.2008 - VI ZB 23/08, IBRRS 2008, 3251, und vom 08.05.2007 - VI ZB 80/06, IBRRS 2007, 3240).*)
4. In einem solchen Fall kann die Partei deshalb nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast verpflichtet sein, sich substantiiert zu den Umständen zu erklären, die die Richtigkeit des Empfangsbekenntnisses zweifelhaft erscheinen lassen, und zu dem tatsächlichen Zeitpunkt der subjektiv empfangsbereiten Kenntnisnahme vorzutragen. Außerdem kann das Gericht nach §§ 142, 144 ZPO die Vorlage des beA-Nachrichtenjournals des Rechtsanwalts der Partei anordnen.*)
5. Hieraus und aus den Erklärungen der Partei können sich jedenfalls Anhaltspunkte für den Zeitpunkt der empfangsbereiten Entgegennahme des zuzustellenden Schriftstücks durch den Rechtsanwalt und damit ein von dem Empfangsbekenntnis abweichendes Zustelldatum ergeben. Erklärt sich die Partei nicht und legt auch das beA-Nachrichtenjournal ihres Rechtsanwalts nicht vor, kann - in entsprechender Anwendung von § 427 ZPO - der Beweis der Unrichtigkeit des in dem Empfangsbekenntnis angegebenen Zustelldatums geführt sein.*)

IBRRS 2025, 0506

OLG Köln, Beschluss vom 13.02.2025 - 5 U 71/24
Nimmt der Berufungsführer auf einen Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht Stellung, ist er nach Zurückweisung der Berufung durch Beschluss wegen des allgemeinen Grundsatzes der Subsidiarität daran gehindert, von ihm gerügte Gehörsverletzungen - wenn eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht statthaft ist - mit der Anhörungsrüge nach § 321a ZPO geltend zu machen.*)

IBRRS 2025, 0530

BGH, Beschluss vom 07.08.2024 - VII ZR 76/23
ohne amtlichen Leitsatz

IBRRS 2025, 0480

BGH, Beschluss vom 09.01.2025 - I ZB 40/24
Ein Richter, der in der Vorinstanz an einem ersten Versäumnisurteil gegen den Beklagten mitgewirkt hat, das in dem die Instanz abschließenden und nunmehr angefochtenen streitigen Urteil ohne Mitwirkung des Richters aufrechterhalten worden ist, ist nicht von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen.

IBRRS 2025, 0489

LG München I, Beschluss vom 06.05.2024 - 36 T 3448/24
1. Maßgeblich für den Streitwert ist der Beschlussgegenstand, nicht die Art der Beschlussmängel.
2. Das Gesamtinteresse muss sich am wirtschaftlichen und/oder ideellen Interesse an der baulichen Veränderung (hier: Entnahme von zwei älteren Ahornbäumen) bemessen. Das Interesse ist nicht auf die Kosten der Fällung beschränkt. Das Erhaltungsinteresse ist gegebenenfalls zu schätzen.

IBRRS 2025, 0451

BGH, Beschluss vom 18.12.2024 - XII ZR 38/24
1. Bei der Auslegung einer mietvertraglichen Individualvereinbarung bildet zwar der Wortlaut im Mietvertrag den Ausgangspunkt. Jedoch geht der übereinstimmende Parteiwille dem Wortlaut und jeder anderen Interpretation vor, selbst wenn er im Inhalt der Erklärung keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 27.09.2017 - XII ZR 54/16, IBRRS 2017, 3711).
2. Legt das Gericht bei einem streitigen Vertragsinhalt nur den Wortlaut des Mietvertrags aus, obwohl eine ergänzende mündliche Absprache vorgetragen wird, verletzt es den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
IBRRS 2025, 0389

KG, Beschluss vom 29.10.2024 - 5 W 147/24
Ein Gericht, welches mit einem (nicht nur unzulässigen, sondern) unstatthaften Rechtsmittel angegangen wird, hat selbst dieses Rechtsmittel zu verwerfen. Es hat das Rechtsmittel nicht einem - vom Gesetz gerade nicht vorgesehenen - Rechtsmittelgericht vorzulegen.*)

IBRRS 2025, 0463

BGH, Beschluss vom 23.01.2025 - I ZB 39/24
Gegen den Beschluss eines Landgerichts, mit dem es einen Rechtsstreit bis zur Entscheidung über ein Vorabentscheidungsersuchen eines anderen Gerichts an den Gerichtshof der Europäischen Union entsprechend § 148 Abs. 1 ZPO aussetzt, ist die sofortige Beschwerde gem. § 252 ZPO statthaft.*)

IBRRS 2025, 0420

BGH, Beschluss vom 21.01.2025 - XI ZB 26/23
1. Der Streitgegenstand wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, bestimmt.
2. Vom Streitgegenstand werden alle materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen.
3. Nur ein Streitgegenstand ist gegeben, wenn der Tatsachenstoff nicht sinnvoll auf verschiedene eigenständige, den Sachverhalt in seinem Kerngehalt verändernde Geschehensabläufe aufgeteilt werden kann, selbst wenn diese einer eigenständigen rechtlichen Bewertung zugänglich sind.
4. Eine Mehrheit von Streitgegenständen liegt jedoch dann vor, wenn die materiell-rechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche durch eine Verselbständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestaltet.

IBRRS 2025, 0433

KG, Beschluss vom 27.12.2024 - 7 W 102/24
1. Ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 44 Abs. 4 Satz 2 ZPO führt zur Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs.*)
2. Der abgelehnten Richter darf selbst über ein Ablehnungsgesuch entscheiden, soweit die Ablehnungsgründe nicht unverzüglich vorgetragen werden.

IBRRS 2025, 0435

OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.02.2025 - 9 W 15/24
1. Rechnet die Beklagte gegen Vergütungsansprüche der Klägerin aus Ingenieursleistungen primär mit Schadensersatzansprüchen einer weiteren am Bauvorhaben beteiligten Firma auf und werden diese Ansprüche mit einem angeblich von der Klägerin verursachten Baustillstand begründet, hat die beteiligte Firma ein rechtliches Interesse i.S.v. § 66 Abs. 1 ZPO daran, dass die Beklagte in dem Rechtsstreit mit der Klägerin obsiegt und kann dieser beitreten.*)
2. Zum Streitwert der Beschwerde der Klägerin gegen die Zulassung einer solchen Nebenintervention durch Zwischenurteil.*)

IBRRS 2025, 0434

KG, Beschluss vom 24.01.2025 - 7 U 17/24
1. Allein der Umstand, dass der Rechtsanwalt eine Rücksendung des ihm zu Zwecken der Beurkundung des Zustellungsempfangs übermittelten Empfangsbekenntnisses unterlässt, hindert eine Heilung des Zustellungsmangels nicht, wenn neben dem tatsächlichen Zugang des zuzustellenden Schriftstücks die weiter erforderliche Empfangsbereitschaft anderweit festgestellt werden kann.
2. Es kann dahinstehen, ob der Rechtsanwalt entgegen gerichtlicher Anordnung das beA-Nachrichtenjournal trotz Besitzes desselben nicht vorgelegt hat oder ob die Nichtvorlage des Nachrichtenjournals auf mangelnder Archivierung beruht, denn beides wäre gleichermaßen nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung zu würdigen.
3. Auch bei fehlender Rücksendung eines unterschriebenen Empfangsbekenntnisses kann nicht von einer Empfangsverweigerung ausgegangen werden, wenn die Gesamtumstände gleichwohl in die gegenteilige Richtung weisen und hinreichend zuverlässig auf die Empfangsbereitschaft des Adressaten schließen lassen.
IBRRS 2025, 0385

OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.01.2025 - 3 U 108/24
1. Ein Rechtsmittel ist nur zulässig, wenn der Rechtsmittelführer durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist und das Rechtsmittel dazu dient, diese Beschwer zumindest teilweise zu beseitigen. Ob in diesem Sinne eine Beschwer vorliegt, folgt aus einem Vergleich des durch die vorinstanzlichen Anträge und des dazu vorgetragenen Lebenssachverhalts zu bestimmenden Streitgegenstandes und des Inhalts der angefochtenen Entscheidung.*)
2. Eine richterliche Hinweispflicht besteht insbesondere dann, wenn für das Gericht aufgrund der Aussagen einer Partei erkennbar ist, dass der geltend gemachte Anspruch in der vorliegenden Form möglicherweise rechtlich nicht durchsetzbar ist bzw. es unklar erscheint, welche Reichweite der Antrag hat.

IBRRS 2025, 0384

OLG Dresden, Beschluss vom 16.01.2025 - 4 U 657/24
1. Auf die Notwendigkeit, Beweismittel zu benennen, ist eine anwaltlich vertretene Partei nur dann hinzuweisen, wenn sich aus ihrem Vorbringen ergibt, dass der unterbliebene Beweisantritt auf einer erkennbar falschen Beurteilung der Rechtslage beruht.*)
2. Besteht aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, ist es zu einer erneuten Tatsachenfeststellung verpflichtet.
3. Die informatorische Parteivernehmung kann auch dann zur Überzeugungsbildung ausreichen, wenn die Voraussetzungen des § 448 ZPO nicht vorliegen.

IBRRS 2025, 0358

OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.10.2024 - 26 Sch 7/24
§ 91 Satz 2 GWB ist weder unmittelbar noch analog auf Vollstreckbarerklärungs- und Aufhebungsverfahren gem. § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO anwendbar.*)

IBRRS 2025, 0345

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 04.12.2024 - 2 U 10/23
1. Wird eine Klage rechtskräftig durch Prozessurteil abgewiesen, weil der Kläger nach Auffassung des mit der Sache befassten Gerichts nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war, dann entfaltet die Entscheidung insoweit Bindungswirkung, als sich die Frage der Postulationsfähigkeit in einem späteren Rechtsstreit als materielle Vorfrage erneut stellt.*)
2. Eine unter Verstoß gegen den Anwaltszwang (§ 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO) eingereichte Klage ist nicht geeignet ist, die Hemmungswirkung des § 204 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BGB herbeizuführen.*)

IBRRS 2025, 0351

BGH, Beschluss vom 14.01.2025 - VIII ZR 100/24
1. Der Beginn der Rügefrist kann vertraglich über den handelsrechtlich vorgesehenen Zeitpunkt der "Ablieferung" hinaus auf denjenigen der "Inbetriebnahme" verschoben werden.
2. Übergibt der Verkäufer dem Käufer nicht die vertraglich geschuldete Betriebsanleitung, beginnt die zwischen den Parteien vereinbarte Rügefrist nicht zu laufen. Eine vollständige Lieferung wird nicht dadurch entbehrlich, dass die Parteien eine Inbetriebnahme der gelieferten Kaufsache für den Beginn der Rügefrist als erforderlich erachtet haben.
3. In den Entscheidungsgründen müssen die wesentlichen Tatsachen- und Rechtsausführungen verarbeitet werden. Wenn ein bestimmter Vortrag einer Partei den Kern ihres Vorbringens darstellt und für den Prozessausgang von entscheidender Bedeutung ist, besteht für das Gericht eine Pflicht, die vorgebrachten Argumente zu würdigen und in den Entscheidungsgründen hierzu Stellung zu nehmen. Ein Schweigen lässt hier den Schluss zu, dass der Vortrag der Prozesspartei nicht oder zumindest nicht hinreichend beachtet wurde.

IBRRS 2025, 0215

OLG Koblenz, Beschluss vom 15.01.2025 - 3 W 3/25
§ 380 ZPO ist dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen einen ordnungsgemäß geladenen und im Termin nicht erschienenen Zeugen dann nicht in Betracht kommt, wenn das Ausbleiben des Zeugen sowohl für die Parteien als auch das Gericht keine nachteilige Wirkung hatte und sich die Vernehmung des Zeugen erübrigt (hier: Beweis nicht erbracht, so dass die Vernehmung der gegenbeweislich benannten Zeugin entbehrlich ist; vgl. auch Senat, Beschluss vom 02.09.2024 - 3 W 322/24, IBRRS 2025, 0225 = IMRRS 2025, 0104, für den Fall der Beendigung des Verfahrens durch den Abschluss eines Vergleichs).*)

IBRRS 2025, 0309

OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.01.2025 - 29 W 1/25
1. Der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch wird mit demjenigen des Hauptantrags zusammengerechnet , wenn eine gerichtliche Entscheidung über ihn ergeht. Sind die Gegenstände von Haupt- und Hilfsantrag allerdings identisch, ist eine Addition verboten.
2. Der kostenrechtliche Gegenstandsbegriff ist nicht im Sinne des prozessualen Streitgegenstandsbegriffs zu verstehen. Er orientiert sich an der wirtschaftlichen Betrachtung der Streitgegenstände, nämlich an der Frage, ob durch die verschiedenen Anträge eine "wirtschaftliche Werthäufung" entsteht.

IBRRS 2025, 0330

OLG Stuttgart, Urteil vom 26.11.2024 - 10 U 94/24
Beschränkt sich nach Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens die Berufung im Hauptsacheprozess auf die Feststellung, dass die Beklagte zur Beseitigung der im selbständigen Beweisverfahren festgestellten Mängel verpflichtet war und somit die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu tragen hat, ist die Berufung unzulässig, weil sie sich inhaltlich nur gegen die Kostenentscheidung wendet.*)

IBRRS 2025, 0310

LG Köln, Beschluss vom 18.01.2025 - 7 OH 6/23
1. Für den Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens ist der „richtige“ Hauptsachewert, bezogen auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung und das Interesse des Antragstellers festzusetzen; der vom Antragsteller bei Verfahrenseinleitung geschätzte Wert ist dabei weder bindend noch maßgeblich.
2. Der Gegenstandswert für ein selbständiges Beweisverfahren zur Feststellung von Baumängeln ist nach dem für die Mängelbeseitigung erforderlichen Aufwand zu bemessen, der auf der Grundlage der Sachdarstellung des Antragstellers nach objektiven Gesichtspunkten zu bemessen ist.
3. Wenn und soweit das Gutachten die Mängel bestätigt, richtet sich der Streitwert in der Regel nach den Kosten, die der Sachverständige in seinem Gutachten für die Mängelbeseitigung schätzt.
4. Soweit im Beweisverfahren nicht alle behaupteten Mängel bestätigt werden, sind für die Streitwertfestsetzung diejenigen Kosten zu schätzen, die sich ergeben hätten, wenn jene Mängel festgestellt worden wären.

IBRRS 2025, 0198

OLG München, Beschluss vom 18.12.2024 - 33 Wx 251/24
Grundsätzlich hindert ein Wechsel in der Besetzung des Gerichts die Verwertung eines zuvor gewonnenen Beweisergebnisses im Wege des Urkundenbeweises durch den neu hinzutretenden Richter nicht. Voraussetzung ist aber, dass der persönliche Eindruck des vernehmenden Richters von der Beweisperson durch Niederlegung aktenkundig ist und die Beteiligten Gelegenheit hatten, dazu Stellung zu nehmen.*)

IBRRS 2025, 0289

BGH, Beschluss vom 17.12.2024 - VIII ZR 307/23
Die Bestimmung der Beschwer steht in freiem Ermessen des Gerichts. Übereinstimmenden Angaben der Parteien zur Höhe des Streitwerts kann hierbei zwar ein erhebliches Gewicht zukommen. Allerdings ist das Gericht an solche übereinstimmenden Angaben nicht gebunden. Dies gilt insbesondere, wenn ein Bezug zwischen der Angabe zur Höhe des Streitwerts und dem zur Klagebegründung gehaltenen Sachvortrag fehlt.

IBRRS 2025, 0260

OLG München, Beschluss vom 27.01.2025 - 11 W 1371/24
1. Die Kosten für die Einholung eines Privatgutachtens durch den Beklagten im Architektenhonorarprozess, den der Kläger schon mit einem vorgerichtlichen Privatgutachten begründet hat, sind grundsätzlich erstattungsfähig. Es ist dann nicht Voraussetzung, dass zuvor ein gerichtliches Sachverständigengutachten eingeholt worden war.
2. Ein Privatgutachten muss nicht den Verlauf des Rechtsstreits beeinflusst haben, damit dessen Kosten erstattungsfähig sind.
3. Der Beklagte kann die Kosten des von ihm beauftragten Privatgutachten auch dann in der Kostenausgleichung geltend machen, wenn die Parteien sich verglichen haben, er sich aber im Vergleich nicht ausdrücklich ihre Geltendmachung vorbehalten hatte.
4. Der Stundensatz eines Honorarsachverständigen von 190 Euro netto ist nicht unverhältnismäßig, zumal bei erheblicher Klagesumme.

IBRRS 2025, 0291

BGH, Beschluss vom 16.01.2025 - III ZR 63/24
1. Eine Beschränkung der Revisionszulassung kann sich nicht nur aus der Entscheidungsformel, sondern auch aus den Urteilsgründen des Berufungsurteils ergeben, wenn sie sich diesen mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnehmen lässt.
2. Zwar kann die Revision nicht auf einzelne Rechtsfragen oder Anspruchselemente beschränkt werden. Die gebotene Auslegung der Urteilsgründe kann aber eine Beschränkung der Zulassung der Revision auf einzelne Prozessparteien ergeben, sofern Grund der Zulassung eine bestimmte Rechtsfrage war, die das Berufungsgericht zum Nachteil nur einer Prozesspartei entschieden hat. Die Zulassung wirkt in diesem Fall nicht zugunsten der gegnerischen Partei, die das Urteil aus einem anderen Grund angreift.

IBRRS 2025, 0242

LG Köln, Beschluss vom 11.01.2025 - 7 OH 6/23
1. Der Gegenstandswert für ein selbständiges Beweisverfahren zur Feststellung von Baumängeln ist nach dem für die Mängelbeseitigung erforderlichen Aufwand zu bemessen, der auf der Grundlage der Sachdarstellung des Antragstellers nach objektiven Gesichtspunkten zu bemessen ist.
2. Wenn und soweit das Gutachten die Mängel bestätigt, richtet sich der Streitwert in der Regel nach den Kosten, die der Sachverständige in seinem Gutachten für die Mängelbeseitigung schätzt. Soweit im Beweisverfahren nicht alle behaupteten Mängel bestätigt werden, sind für die Streitwertfestsetzung diejenigen Kosten zu schätzen, die sich ergeben hätten, wenn jene Mängel festgestellt worden wären.

Online seit Januar
IBRRS 2025, 0274
BGH, Beschluss vom 19.12.2024 - IX ZB 16/23
1. Beantragt ein Prozessbevollmächtigter in der Berufungsschrift allenfalls konkludent eine Verlängerung der Frist für die Berufungsbegründung und führt er hierfür keine Umstände an, muss er mit einer Ablehnung des Fristverlängerungsantrags rechnen (Fortführung von BGH, IBR 2022, 102).*)
2. In einem solchen Fall ist es Sache des Prozessbevollmächtigten, von sich aus bei Gericht rechtzeitig nachzufragen, ob die Frist möglicherweise dennoch verlängert worden ist, so dass er andernfalls noch vor Fristablauf die Berufungsbegründung oder einen begründeten Verlängerungsantrag einreichen kann (Fortführung von BGH, Beschluss vom 18.07.2007 - IV ZR 132/06, Rz. 8, IBRRS 2007, 4242 = VersR 2007, 1583; vom 14.11.2023 - XI ZB 10/23, Rz. 15, IBRRS 2023, 3483).*)

IBRRS 2025, 0200

OLG Dresden, Beschluss vom 12.12.2024 - 12 W 658/24
Eine Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss ist auch ohne eine Begründung zulässig und führt zu einer in rechtlicher und tatsächlicher Sicht vollständigen Überprüfung der angefochtenen Entscheidung.*)

IBRRS 2025, 0231

OLG Nürnberg, Beschluss vom 16.08.2024 - 13 U 690/24 Bau
Die Berufung ist unzulässig, wenn innerhalb der (verlängerten) Berufungsbegründungsfrist keine Berufungsbegründung eingeht.

IBRRS 2025, 0257

OLG München, Beschluss vom 10.11.2022 - 27 U 5299/22 Bau
1. Die Berufungsbegründung muss die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt.
2. Die Berufungsbegründung muss auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und muss sich mit den rechtlichen und tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn es diese bekämpfen will.
3. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängigen, selbstständig tragenden rechtlichen Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen. Andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig.

IBRRS 2025, 0232

OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.10.2024 - 13 U 690/24 Bau
ohne amtliche Leitsätze

IBRRS 2025, 0201

OLG München, Beschluss vom 20.01.2025 - 36 W 67/24
Mit der Versetzung des Einzelrichters an die Staatsanwaltschaft verliert dieser die Eigenschaft als gesetzlicher Richter für das Verfahren und ist an der Entscheidung über den Tatbestandsberichtigungsantrag verhindert.

IBRRS 2025, 0007

OLG München, Beschluss vom 12.01.2023 - 27 U 5299/22 Bau
1. Die Berufungsbegründung muss die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt.
2. Die Berufungsbegründung muss auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und muss sich mit den rechtlichen und tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn es diese bekämpfen will.
3. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen. Andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig.

IBRRS 2025, 0239

BGH, Beschluss vom 19.12.2024 - IX ZB 41/23
1. Hat ein Prozessbevollmächtigter wegen vorübergehender technischer Unmöglichkeit der Einreichung eines elektronischen Dokuments die Ersatzeinreichung nach den allgemeinen Vorschriften veranlasst, ist er nicht gehalten, sich bis zur tatsächlichen Vornahme der Ersatzeinreichung weiter um eine elektronische Übermittlung des Dokuments zu bemühen.*)
2. Zur Glaubhaftmachung einer vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf es der anwaltlichen Versicherung des Scheiterns einer oder mehrerer solcher Übermittlungen nicht, wenn sich aus einer Meldung auf den Internetseiten der Bundesrechtsanwaltskammer, des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs oder aus einer anderen zuverlässigen Quelle ergibt, dass der betreffende Empfangsserver nicht zu erreichen ist, und nicht angegeben ist, bis wann die Störung behoben sein wird.*)

IBRRS 2025, 0199

OLG Dresden, Beschluss vom 11.10.2024 - 5 W 647/24
Leistungsklagen, mit denen fällige Ansprüche verfolgt werden, sind grundsätzlich ohne Darlegung eines besonderen Interesses an einem Urteil zulässig. Nur wenn das Rechtsschutzbedürfnis ausnahmsweise aus besonderen Gründen fehlt, ist eine solche Klage als unzulässig abzuweisen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Kläger bereits einen vollstreckbaren Titel über die Klageforderung besitzt und daraus unschwer die Zwangsvollstreckung betreiben kann (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2006 - XI ZR 113/06, Rz. 10, IMRRS 2007, 1222; Urteil vom 21.04.2016 - I ZR 100/15, Rz. 13, IMRRS 2016, 1552).*)

IBRRS 2025, 0225

OLG Koblenz, Beschluss vom 02.09.2024 - 3 W 322/24
§ 380 ZPO ist dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass die Verhängung eines Ordnungsgelds gegen einen ordnungsgemäß geladenen und im Termin nicht erschienenen Zeugen dann nicht in Betracht kommt, wenn das Ausbleiben des Zeugen sowohl für die Parteien als auch das Gericht keine nachteilige Wirkung hatte und sich die Vernehmung des Zeugen erübrigt (hier: durch den Abschluss eines Vergleichs).*)

IBRRS 2024, 2913

OLG Stuttgart, Beschluss vom 15.04.2024 - 5 U 166/23
Eine Partei ist durch ein - aufgrund der fehlenden Beifügung der im Urteilstenor erwähnten Pläne - nicht vollstreckbares Urteil formell beschwert. Aus der Beschwer durch das angefochtene Urteil ergibt sich das Rechtsschutzbedürfnis für die eingelegte Berufung. Dem steht nicht entgegen, dass die Partei zugleich einen Berichtigungsantrag gem. § 319 ZPO gestellt hat.

IBRRS 2025, 0221

BGH, Urteil vom 19.12.2024 - VII ZR 130/22
1. Der nach einer freien Kündigung des Bestellers bestehende Anspruch des Unternehmers gem. § 649 Satz 2 BGB a.F. (§ 648 Satz 2 BGB) ist ein einheitlicher Anspruch, der auf die Zahlung der vereinbarten Vergütung gerichtet ist.
2. Hat der Unternehmer vor der freien Kündigung bereits Leistungen erbracht und Voraus- oder Abschlagszahlungen erhalten, ist der Vergütungsanspruch mit der Schlussrechnung in der Weise zu ermitteln, dass von der Gesamtvergütung, die sich aus den Rechnungsposten für erbrachte und gegebenenfalls nicht erbrachte Leistungen ergibt, die Voraus- und Abschlagszahlungen abzuziehen sind.
3. Ein Vergütungsanspruch kann nur zuerkannt werden, wenn ein positiver Saldo zu Gunsten des Unternehmers verbleibt. Bei den dem Vergütungsanspruch zu Grunde liegenden Rechnungsposten für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen handelt es sich nicht um selbstständige Forderungen oder Forderungsteile, sondern nur um unselbstständige Aktivposten einer saldierten Abrechnung.
4. Eine Teilklage auf Vergütung gem. § 649 Satz 2 BGB a.F. ist unzulässig, wenn mit ihr nicht ein abgrenzbarer Teilbetrag aus dem Schlussrechnungssaldo, sondern lediglich einzelne unselbstständige Rechnungsposten geltend gemacht werden.*)

IBRRS 2025, 0186

OLG München, Beschluss vom 06.12.2024 - 11 W 1793/24
1. Auch wenn der Rechtspfleger grundsätzlich an die Kostengrundentscheidung gebunden ist, ist er gehalten, bei darin enthaltenen Unklarheiten eine Auslegung vorzunehmen.
2. Das Kostenfestsetzungsverfahren hat nur den Zweck, die Kostengrundentscheidung der Höhe nach zu beziffern und ist deshalb auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände ausgelegt, nicht aber auf die Klärung komplizierter materiell-rechtlicher Fragen (hier: Abgeltung der Sachverständigenkosten durch einen Prozessvergleich).
3. Ergibt die Auslegung kein klares Ergebnis, geht das zulasten desjenigen, der die Glaubhaftmachungslast trägt.
4. Sachverständigenkosten sind mangels Prozessbezogenheit keine Kosten des Rechtsstreits, wenn die Heranziehung des Sachverständigen auf Streitvermeidung gerichtet war.

IBRRS 2025, 0147

VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.12.2024 - 5 S 673/24
1. Im Anwendungsbereich des § 70 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 3a VwVfG in der Fassung vom 21.06.2019 ist die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehene elektronische Einreichungsform kein Unterfall der Schriftform.*)
2. Ein nach diesen Vorschriften an das elektronische Behördenpostfach übermitteltes elektronisches Dokument, das nicht der dafür vorgesehenen elektronischen Form genügt, ist dort nur (formunwirksam) elektronisch und nicht zugleich "schriftlich" eingegangen. Ein ohne notwendige qualifizierte elektronische Signatur in elektronischer Form erhobener Widerspruch kann deshalb nicht nach den in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien als trotz fehlender eigenhändiger Unterschrift formwirksamer schriftlicher Widerspruch aufrechterhalten werden.*)

IBRRS 2025, 0125

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.12.2024 - 4 W 64/24
1. Im Fall einer einseitigen Erledigungserklärung hält der Kläger nicht mehr an seinem ursprünglichen Rechtsschutzziel fest, sondern beantragt nunmehr festzustellen, dass die Klage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet gewesen und erst durch dieses unzulässig oder unbegründet geworden ist.
2. Gegenstand des Rechtsstreits ist weiterhin die Frage, ob die Klageforderung ursprünglich bestand. Wird dies bejaht, benötigt der Beklagte die Aufrechnungsforderung, um die Klageforderung zum Erlöschen zu bringen. Verneint das Gericht die Wirksamkeit der Aufrechnung, wird damit festgestellt, dass die Gegenforderung dem Beklagten jedenfalls nicht im Verhältnis zum Kläger zusteht. Insoweit erwächst die Entscheidung des Gerichts auch in Rechtskraft mit der Folge der Rechtskrafterstreckung nach § 322 Abs. 2 ZPO.

IBRRS 2025, 0073

OLG Dresden, Beschluss vom 14.11.2024 - 4 U 366/24
1. Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör kann nicht abgeleitet werden, dass sich das Gericht mit jedem Vorbringen einer Partei in den Entscheidungsgründen befassen muss.*)
2. Die inhaltliche Richtigkeit einer Entscheidung ist nicht Gegenstand einer Anhörungsrüge.*)

IBRRS 2025, 0193

BGH, Beschluss vom 14.01.2025 - I ZR 92/24
1. Eine Anhörungsrüge muss Ausführungen dazu enthalten, aus welchen Umständen sich die entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Gericht ergeben soll. Wendet sich die Anhörungsrüge gegen die Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde, bedarf es dazu Ausführungen in Bezug auf die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision.
2. Die Anhörungsrüge ist insoweit nur zulässig, wenn die Entscheidung, die Revision nicht zuzulassen, das Verfahrensgrundrecht auf rechtliches Gehör neu und eigenständig verletzt. Sie muss sich damit auseinandersetzen und in diesem Zusammenhang die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG darlegen.
3. Die schlichte Behauptung einer Gehörsverletzung reicht nicht aus, sondern es ist erforderlich, dass die Umstände vorgetragen werden, aus denen sich ergibt, dass der Bundesgerichtshof bei seiner Entscheidung das Vorbringen des Beschwerdeführers übergangen haben muss.

IBRRS 2025, 0187

VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.12.2024 - 13 S 1456/24
1. Über den Antrag eines Beteiligten auf Gestattung der Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung per Bild- und Tonübertragung nach § 102a Abs. 2 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach nicht vorgeprägtem, pflichtgemäßem Ermessen. Bei der Ermessensentscheidung kann unter anderem die Eignung des Zuschaltorts berücksichtigt werden.*)
2. Videoverhandlungen mit dem Ausland berühren regelmäßig die territoriale Souveränität des ausländischen Staates und sind daher grundsätzlich nur im Weg der Rechtshilfe zulässig.*)
3. Der Einsatz von Videokonferenztechnik im gerichtlichen Verfahren dient nicht dazu, den Verfahrensbeteiligten eine größere Flexibilität für Urlaubsreisen zu ermöglichen.*)

IBRRS 2025, 0124

OLG Hamm, Beschluss vom 13.12.2024 - 8 W 35/24
1. Zu den Maßstäben der sogenannten "Baumbachschen Kostenformel" in einem Anerkenntnisurteil nach Klagerücknahme gegen einen Gesamtschuldner und prozessualem Anerkenntnis des anderen Gesamtschuldners.*)
2. Gibt das Mahngericht ein Verfahren mit Mahnbescheiden gegen zwei Antragsgegner als Gesamtschuldner nach jeweiligem Gesamtwiderspruch und verspätetem Eingang des weiteren Gerichtskostenvorschusses aufgrund der schon mit dem Mahnantrag gem. § 696 Abs. 1 Satz 2 ZPO gestellten Anträge an das Streitgericht ab, tritt Rechtshängigkeit des Streitverfahrens gegenüber beiden Beklagten mangels "alsbald" nach der Erhebung des Widerspruchs erfolgter Abgabe nicht schon gemäß der Fiktion des § 696 Abs. 3 ZPO mit Zustellung der Mahnbescheide ein. Geht das abgegebene Verfahren beim Streitgericht ein, bevor nach Abgabe durch das Mahngericht die Rücknahme des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens gegen einen der beiden Gesamtschuldner beim Mahngericht eingeht, wird die Sache bei dem Streitgericht mit Eingang der Mahnakten gegen beide Antragsgegner nicht nur gem. § 696 Abs. 1 Satz 4 ZPO anhängig, sondern über dessen Wortlaut hinaus auch gegenüber beiden Beklagten rechtshängig.*)
3. Die erst danach vom Mahngericht an das Streitgericht weitergeleitete Rücknahme des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens gegen einen der beiden Beklagten lässt diesem gegenüber gem. § 696 Abs. 4 Satz 3 ZPO die Rechtshängigkeit rückwirkend entfallen, während die Rechtssache auch in diesem Verhältnis weiterhin anhängig bleibt.*)
4. Die spätere versehentliche Zustellung der nur noch gegen den verbliebenen Beklagten gerichteten Anspruchsbegründung auch an den anderen Beklagten lässt die Rechtshängigkeit gegenüber diesem nicht wiederaufleben. Die Kostenentscheidung nach späterer Klagerücknahme im Verhältnis zu ihm richtet sich daher nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO.*)

IBRRS 2025, 0122

KG, Beschluss vom 02.01.2025 - 2 W 18/24
Die Zurückweisung eines in einem selbständigen Beweisverfahren gestellten Antrags auf eine erneute oder ergänzende Begutachtung unterliegt nicht der sofortigen Beschwerde (Anschluss an BGH, IBR 2010, 729).*)

IBRRS 2025, 0157

OLG München, Urteil vom 21.06.2022 - 9 U 2953/21 Bau
1. Die sich bei einer Partei nach Abschluss eines Prozessvergleichs eingestellte Vermutung, durch ein streitiges Urteil ein wirtschaftlich günstigeres Prozessergebnis erzielen zu können, rechtfertigt keine Irrtumsanfechtung.
2. Wird die Rechtslage vom eigenen Prozessvertreter falsch eingeschätzt, begründet dies allenfalls eine mögliche Anwaltshaftung, führt jedoch nicht zur Anfechtbarkeit eines geschlossenen Prozessvergleichs.
3. Die mehr als einen Monat nach Vergleichsschluss erklärte Irrtumsanfechtung ist nicht mehr unverzüglich.
4. Erweist sich ein geschlossener Prozessvergleich aus materiell-rechtlichen Gründen als unwirksam, ist auch die auf Verfahrensbeendigung gerichtete Prozesshandlung unwirksam (hier verneint). In diesem Fall wird der Rechtsstreit fortgesetzt.
5. Steht das wirksame Zustandekommen des Vergleichs bzw. sein Fortbestand zur Diskussion, ist im Rahmen des alten Rechtsstreits von Amts wegen zu klären, ob der Vergleich das Verfahren beendet hat und damit die Rechtshängigkeit tatsächlich entfallen ist.

IBRRS 2025, 0143

OLG Frankfurt, Urteil vom 19.12.2024 - 10 U 201/22
1. Zur Unzulässigkeit einer Teilwiderklage bei mehreren Streitgegenständen ohne hinreichende Zuordnung.*)
2. Zur Abgrenzung Werkvertrag/Dienstvertrag beim Software-Vertrag.*)
3. Zum Schadensersatzanspruch bei völlig unbrauchbarer Leistung.*)
4. Kostenentscheidung zu Lasten der berufungsführenden Streithelferin bei fehlender Beteiligung der unterstützten Partei trotz deren Anwesenheit in der Videoverhandlung.*)

IBRRS 2025, 0103

OLG Dresden, Beschluss vom 06.02.2024 - 22 U 1143/23
1. Ein Privatgutachten ist - nur - qualifizierter Parteivortrag. Stehen die Mangelumstände (als Teil des Haftungsgrunds) im Streit, bedarf es der Klärung im Wege des Strengbeweises mit einem der Strengbeweismittel (hier: Sachverständigenbeweis).
2. Zahlt die beweisbelastete Partei den Vorschuss für das Gutachten des Gerichtssachverständigen nicht ein, ergeht eine Beweislastentscheidung zu ihren Lasten.

IBRRS 2025, 0140

BGH, Beschluss vom 19.12.2024 - I ZR 70/24
1. Die wiederholte Vernehmung eines Zeugen steht grundsätzlich im Ermessen des Berufungsgerichts. Diesem Ermessen sind aber Grenzen gesetzt. So muss das Berufungsgericht einen bereits in erster Instanz vernommenen Zeugen nochmals vernehmen, wenn es dessen Aussage anders würdigen will als die Vorinstanz.
2. Die nochmalige Vernehmung eines Zeugen kann allenfalls dann unterbleiben, wenn sich das Rechtsmittelgericht auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit der Aussage betreffen. Entsprechendes gilt, wenn die erste Instanz von der Würdigung der Aussagen der von ihr vernommenen Zeugen und der Erörterung der Glaubwürdigkeit der Zeugen ganz abgesehen hat.
3. In der Berufungsinstanz kann ein angetretener Zeugenbeweis durch die Verwertung der Niederschrift der erstinstanzlichen Zeugenvernehmung nur ersetzt werden, wenn der persönliche Eindruck, den der Zeuge bei seiner Vernehmung hinterließ oder bei einer erneuten Vernehmung hinterlassen würde, für die Würdigung seiner Aussage nicht entscheidend ist. Anderenfalls hat eine Wiederholung der Beweisaufnahme zu erfolgen.
