Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
IBR 9/2013 - Vorwort
Liebe Leserin,
lieber Leser,
im Bauvertragsrecht führt die Vereinbarung einer Pauschalvergütung immer wieder zu Streitigkeiten. Das ist bisweilen darauf zurückzuführen, dass ein Vertragspartner unter "pauschal" einfach etwas anderes versteht oder verstehen will als die andere Vertragspartei. Der Auftraggeber möchte die Leistung pauschaliert wissen, um notwendige, aber in der Leistungsbeschreibung nicht ausdrücklich genannte Zusatzleistungen nicht besonders vergüten zu müssen. Der Auftragnehmer wird die Vergütung pauschalieren wollen, um - zumindest bei einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis - die Kosten für das Aufmaß zu sparen. Um damit einhergehenden Auseinandersetzungen vorzubeugen, sollte im Zusammenhang mit der Leistung nicht von "pauschal" gesprochen werden. Soll der Auftragnehmer alle zur Herstellung eines mangelfreien und vollständigen Bauwerks erforderlichen Leistungen erbringen, auch wenn diese im Leistungsverzeichnis nicht genannt sind, muss von einer detaillierten zu einer funktionalen Leistungsbeschreibung übergegangen werden. Das ist eine Frage der Leistung, nicht der (dafür zu zahlenden) Vergütung. Das OLG Bamberg hat deshalb zutreffend entschieden, dass sich die Vereinbarung, die auf der Grundlage einer detaillierten Leistungsbeschreibung angebotene Leistung abzüglich eines Nachlasses zu einem Pauschalpreis zu erbringen, allein auf den Pauschalpreis bezieht. Später geforderte oder notwendige Zusatzarbeiten werden in einem solchen Fall nicht von dem Pauschalpreis erfasst und sind daher besonders zu vergüten ( S. 521).
Nach § 635 Abs. 3 BGB kann der Auftragnehmer die Mängelbeseitigung verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist. Das gilt auch im VOB-Vertrag (vgl. OLG Düsseldorf, IBR 2010, 80). Aufgrund dessen wird die Mängelbeseitigung bisweilen vom Auftragnehmer - vor allem bei kleineren Aufträgen - unter Hinweis auf zu hohe Kosten verweigert. Das Preis-/Leistungsverhältnis und das Verhältnis des Nachbesserungsaufwands zu den zugehörigen Vertragspreisen sind aber ohne Bedeutung (vgl. BGH, IBR 2002, 128). Von einer Unverhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigung kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur ausgegangen werden, wenn einem objektiv geringen Interesse des Auftraggebers an einer mangelfreien Vertragsleistung ein ganz erheblicher und daher vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenübersteht. Hat der Auftraggeber objektiv ein berechtigtes Interesse an einer ordnungsgemäßen Vertragserfüllung, kann der Auftragnehmer die Nachbesserung regelmäßig nicht wegen hoher Kosten verweigern. Mit Beschluss vom 18.07.2013 hat der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang entschieden, dass die Kosten für die Beseitigung eines Werkmangels unverhältnismäßig sind, wenn ein eingebauter Niedrigtemperatur-Kessel im Verhältnis zur vertraglich vorgesehenen Brennwertheizanlage zu einem Energiemehrverbrauch von 1,5% und dadurch bedingten Mehrkosten von 55 Euro jährlich führt ( S. 528).
Im Recht der Architekten und Ingenieure befasst sich das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20.06.2013 mit Pflichten des Architekten im Rahmen der Grundlagenermittlung. Der hiermit beauftragte Architekt muss mit dem Auftraggeber erörtern, ob dieser trotz ihm bekannter risikoreicher Bodenverhältnisse am Bauvorhaben festhalten will. Unterlässt der Architekt die gebotene Erörterung, ist er beweispflichtig dafür, dass der Auftraggeber am Bauvorhaben festgehalten hätte, wenn ihm die Gefährdung in ihrer ganzen Tragweite bewusst gemacht worden wäre ( S. 544). Diese Verpflichtung trifft aber nicht nur den Architekten. In seiner Entscheidung führt der Bundesgerichtshof weiter aus, dass auch der Tragwerksplaner bei der Grundlagenermittlung standortbezogene Einflüsse unter Berücksichtigung der Bodenverhältnisse in Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber klären muss ( S. 545). Kommt es anschließend zu einem Schadensereignis, trifft den Auftraggeber jedoch ein Mitverschulden, wenn sich ihm aufgrund eigener Kenntnis tatsächlicher Umstände aufdrängen muss, dass die Planung des Architekten sowie die Statik des Tragwerksplaners eine bestimmte Gefahrenlage in Kauf nehmen ( S. 546).
Im Vergaberecht fügen Bieter ihrem Angebot gelegentlich ein Begleitschreiben bei. Oftmals geschieht das nur aus Gründen der Höflichkeit. Ein Angebotsschreiben auf dem Firmenbriefbogen des Bieters birgt allerdings die Gefahr, dass es zu einer zum Ausschluss des Angebots führenden Änderung der Vergabeunterlagen kommt. Diese Voraussetzung ist insbesondere erfüllt, wenn in einem (Begleit-)Schreiben des Bieters ausdrücklich auf die Geltung seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwiesen wird. Das hat die VK Bund am 06.06.2013 entschieden ( S. 563).
Im Öffentlichen Baurecht wird dem Nachbarn des Bauherrn die Baugenehmigung nicht immer bekannt gegeben. In derartigen Fällen stellt sich die Frage, wie lange der Nachbar gegen die Baugenehmigung vorgehen kann. Das OVG Rheinland-Pfalz geht in seinem Beschluss vom 04.07.2013 davon aus, dass der Nachbar sich treuwidrig verhält und seine Anfechtungsbefugnis verliert, wenn er zuverlässig Kenntnis von dem Bauvorhaben hat, seine Einwände gegen das Vorhaben aber erst fünf Jahre nach Erteilung der Baugenehmigung vorbringt ( S. 569). Nach Ansicht des OVG Sachsen beträgt die Frist für den Nachbarwiderspruch bei fehlender Bekanntgabe ein Jahr ab dem Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntnisnahme von der Genehmigung ( S. 568).
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Mit freundlichen Grüßen
Ihr
RA Stephan Bolz
Chefredakteur