Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
IBR 8/2010 - Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
wer geglaubt hat, die Rechtsprechung des BGH zur Sittenwidrigkeit von überhöhten Einheitspreisen ( IBR 2009, 127) gelte nur für "exorbitante" Überhöhungen eines Einheitspreises, muss sich eines Besseren belehren lassen. Das OLG Nürnberg ( S. 433) geht von einer Vermutung der Sittenwidrigkeit schon bei einer achtfachen Überhöhung aus. Das gilt jedenfalls dann, wenn aufgrund des Leistungsverzeichnisses klar erkennbar ist, dass es zu erheblichen Mehrmengen kommen muss. Damit ist die sog. Spekulationsrechtsprechung des BGH in der alltäglichen Abrechnungspraxis angekommen. Diese Praxis muss ferner zur Kenntnis nehmen, dass es für die Sittenwidrigkeitsbetrachtung nur auf die jeweilige Einzelposition ankommt, und - regelmäßig - nicht auf die Auswirkungen auf den Gesamtpreis. Ferner ist es unerheblich, dass der Bieter in anderen Positionen möglicherweise unüblich niedrige Einheitspreise eingesetzt hat (OLG Dresden, IBR 2010, 199).
Ist ein Unternehmer zur Mängelbeseitigung verpflichtet und ist der Besteller für den Mangel mitverantwortlich, so kann der Unternehmer vom Besteller einen Zuschuss in Höhe der Mitverantwortungsquote verlangen. Eine solche Mithaftung ergibt sich häufig, wenn Planungsfehler für den Mangel (mit-)ursächlich waren. In der Praxis machen Unternehmer viel zu selten Gebrauch von diesem Zuschussanspruch. Denn sie können vor Mängelbeseitigung den Zuschuss in Form einer Sicherheit verlangen (BGH vom 22.03.1984 - VII ZR 286/82, ibr-online). Der BGH hat jetzt ( S. 441) die wichtige Frage entschieden, nach welcher Abrechnungsbasis die Höhe des Zuschusses zu ermitteln ist: Es ist nicht auf ortsübliche Kosten oder die Vergütung eines Drittunternehmers, sondern auf die (Selbst-)Kosten des nachbessernden Unternehmers abzustellen. Auch die kalkulierten Vertragspreise des Unternehmers sind nicht heranzuziehen, sondern der Betrag, den der Unternehmer tatsächlich für die Mängelbeseitigung aufwenden muss. Das mag die Erwartungen des Unternehmers an die Zuschusshöhe dämpfen. Die Höhe der vor Mängelbeseitigung zu leistenden Sicherheit für den Zuschuss kann allerdings geschätzt werden (OLG Nürnberg, IBR 1999, 525).
Nunmehr liegt auch die Entscheidung des BGH zur AGB-Vereinbarkeit von 100%-Werklohn-Bürgschaften in Wohnbauverträgen mit privaten Bauherren vor ( S. 451). Dieses Urteil enthält eine Fülle von wichtigen Aussagen zum Recht der Werklohnsicherheiten. So geht es auch darum, welche Rechte dem Unternehmer zustehen, wenn der Besteller die in AGB vereinbarte Werklohnsicherheit nicht stellt ( S. 452).
Im Recht der Bausicherheiten hat der BGH zwischenzeitlich auch geklärt, dass es keine strafbare Untreue darstellt, wenn der Auftraggeber entgegen seiner Verpflichtung gemäß § 17 Nr. 6 VOB/B die einbehaltene Sicherheit nicht auf ein Sperrkonto einzahlt (Urteil vom 25.05.2010 - VI ZR 205/09, ibr-online).
Auch alle weiteren Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.
Mit freundlichen Grüßen
RA Dr. Alfons Schulze-Hagen
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
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