Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
IBR 7/2013 - Vorwort
Liebe Leserin,
lieber Leser,
im Bauvertragsrecht wird dem Auftragnehmer - wenn er Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung geltend macht oder für "vergessene", aber technisch notwendige Leistungen eine besondere Vergütung beansprucht - bisweilen vorgeworfen, er habe die Leistungsbeschreibung vor Vertragsschluss nicht ordnungsgemäß geprüft, weshalb ihm für die im Rahmen der Ausführung erforderlich werdende Leistungsänderung/Zusatzleistung keine Mehrvergütung zustehe. Eine solche Argumentation entbehrt häufig jeglicher Rechtsgrundlage. Hat der Auftraggeber beziehungsweise dessen Planer eine detaillierte Leistungsbeschreibung erstellt, kann der Auftragnehmer in der Ausschreibungsphase davon ausgehen, dass das Leistungsverzeichnis vollständig und richtig ist. Für öffentliche Ausschreibungen ergibt sich das unmittelbar aus § 7 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A, wonach die Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben ist. Bei Ausschreibungen privater oder gewerblicher Bauherren folgt das aus dem Umstand, dass der Planer seinem Auftraggeber eine Planung zur Verfügung zu stellen hat, auf deren Grundlage ein mangelfreies Bauwerk errichtet werden kann. Der Auftragnehmer braucht die Ausschreibungsunterlagen deshalb nur unter kalkulatorischen Gesichtspunkten zu prüfen (OLG Koblenz, IBR 2010, 313) und muss vor Angebotsabgabe grundsätzlich nicht auf Ausschreibungsfehler hinweisen. Darauf weist das OLG Dresden in seinem Urteil vom 25.11.2011 hin ( S. 398).
Eine andere Frage ist, ob der Bieter/Bewerber beim Auftraggeber nachfragen muss, wenn die Ausschreibung kalkulationserhebliche Unklarheiten enthält. Das ist zu bejahen (siehe zuletzt OLG Naumburg, IBR 2013, 197). Kommt er dem nicht nach und kalkuliert mit der für ihn günstigsten Variante praktisch "ins Blaue" hinein, bekommt er seinen "Mehraufwand" später nicht besonders vergütet (vgl. BGH, IBR 1993, 410).
Im Recht der Architekten und Ingenieure ist die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 25.10.2012 hervorzuheben ( S. 420), weil eine für die Praxis besonders wichtige Aussage dieses - auf den ersten Blick wenig spektakulär erscheinenden - Urteils im zweiten (amtlichen) Leitsatz "versteckt" ist. Dort heißt es: "Der Objektplaner hat [...] die Fachleistungen zu koordinieren und in seine Planung zu integrieren." Die Koordination der verschiedenen Fachplanerleistungen ist also eine Aufgabe des planenden Architekten, nicht etwa die der Fachplaner und insbesondere nicht die der ausführenden (Fach-)Unternehmen. Letztere haben bei bauseitig beauftragter Planung vielmehr einen Anspruch auf Übergabe einer vollständigen, mangelfreien und untereinander voll koordinierten Ausführungsplanung.
Verstößt der öffentliche Auftraggeber gegen die Vorschriften des Vergaberechts, ist der betroffene Bieter dazu gehalten, den Vergaberechtsverstoß unverzüglich - innerhalb einer Frist von ein bis drei Tagen (z. B. OLG Koblenz, IBR 2003, 695; siehe aber auch OLG München, IBR 2012, 340: Rüge nach acht Tagen noch rechtzeitig) - zu rügen. Andernfalls ist sein darauf gestützter Nachprüfungsantrag unzulässig (GWB § 107 Abs. 3). Die Frist beginnt dabei mit Kenntnis von dem Vergaberechtsverstoß. Die VK Südbayern hat in diesem Zusammenhang entschieden, es könne davon ausgegangen werden, dass einem Bieter zumindest die Grundlagen des Vergaberechts sowie die gefestigte Rechtsprechung zu vergaberechtlichen Problemen, wie etwa die Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien, bekannt seien. Ein solcher Verstoß muss daher unmittelbar nach Durchsicht der Vergabeunterlagen gerügt werden ( S. 424).
Fordert der Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen die Vorlage von Befähigungsnachweisen für "Mitarbeiter", darf ein Bieter dies nach einer Entscheidung des OLG Brandenburg dahingehend verstehen, dass die betreffenden Personen dauerhaft oder zeitweise in seinen Betrieb eingegliedert sein und seinem Weisungsrecht unterliegen müssen. Diese Voraussetzungen können nicht nur eigene Arbeitnehmer des Bieters, sondern auch Leiharbeiter oder freie Mitarbeiter erfüllen ( S. 431).
Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
RA Stephan Bolz
Chefredakteur