Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
IBR 6/2008 - Vorwort
Liebe Leserin,
lieber Leser,
mit der sog. Kammerschleusenentscheidung aus dem Jahre 1996 hat der BGH ( IBR 1996, 487) seinerzeit die funktionale Leistungsbeschreibung hoffähig gemacht, und zwar auch im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung. Mit der sog. Karrengefängnisentscheidung hat der BGH für zulässig erachtet, wenn die Parteien im Rahmen von Auftragsverhandlungen eine ursprünglich detaillierte Leistungsbeschreibung durch eine funktionale Leistungsbeschreibung ersetzen (BGH, IBR 1997, 181). Im Kern geht es jeweils darum, dass der Unternehmer im Rahmen der Angebotskalkulation die zu erbringende Leistung selbst ermitteln und gegebenenfalls sogar planen muss. Das Leistungsermittlungsrisiko liegt bei der funktionalen Leistungsbeschreibung mithin beim bietenden Unternehmer. Und jetzt gibt es die Bistroküchenentscheidung des BGH ( S. 311, S. 312). Die bisherige Rechtsprechung wird nicht infrage gestellt, wohl aber werden Grenzen aufgezeigt, die bei einem schematischen Verständnis typischer Begriffe einer funktionalen Leistungsbeschreibung wie z. B. „je nach Erfordernis“ oder „komplett“ häufig übersehen werden. Der Inhalt einer funktionalen Leistungsbeschreibung erschließt sich nämlich nicht aus derartigen stereotypen Begriffen, sondern aus dem Kontext des gesamten Vertrags. Das auf den Unternehmer übertragene Leistungsermittlungsrisiko geht nicht so weit, dass der Unternehmer auch noch die Änderung der dem Vertragsschluss zu Grunde liegenden Pläne vorhersehen und einkalkulieren muss. Während also das Kammerschleusen- und Karrengefängnisurteil die Zulässigkeit funktionaler Leistungsbeschreibungen herausstellen, wird die Bistroküchenentscheidung des BGH – sie ist zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen – für die Grenzen des Leistungsermittlungsrisikos des Unternehmers bei einer funktionalen Leistungsbeschreibung stehen.
Immer wieder überraschend scheint die Erkenntnis zu sein, dass ein Baumangel auch trotz Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik gegeben sein kann. Der BGH präsentiert eine Variante dieses Themas: Trotz Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik muss eine Mängelbeseitigung nicht unverhältnismäßig sein. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Bauvertragsparteien eine höherwertige Ausführung vereinbart haben. Im hier entschiedenen Fall ( S. 316) ging es um Trockenbauarbeiten. Es sollten teilweise Trennwände aus beidseitig doppelt beplankten imprägnierten Gipskartonplatten hergestellt werden, was sicherlich die Regel der Technik bei weitem übersteigt. Als sich später herausstellte, dass der Auftragnehmer die Trennwände nur mit einer imprägnierten und einer unimprägnierten Gipskartonplatte je Wandseite beplankt hatte, verlangte der Auftraggeber Mängelbeseitigung, also nachträgliche Herstellung des vereinbarten Zustandes. Für den BGH kam es nicht darauf an, dass immerhin noch die Regeln der Technik eingehalten waren. Der Auftraggeber hatte Anspruch darauf, dass der vereinbarte höherwertige Standard auch ausgeführt wird. Dabei dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass der Unternehmer von der ihm überflüssig erscheinenden Doppelbeplankung mit imprägnierten Platten im eigenen Kosteninteresse, also vorsätzlich, abgesehen hatte. Dann steht ihm der Einwand der Unverhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigung nicht zu.
Das alles beherrschende Thema im Vergaberecht ist derzeit die Frage, ob städtebauliche Verträge mit darin enthaltenen Bauverpflichtungen dem Vergaberecht unterliegen. In diesem Zusammenhang ist ein aktuelles Urteil des Grundstückssenats des BGH vom 22.02.2008 ( S. 345) von Interesse. Dieses besagt, dass die auf der Grundlage des Vergaberechts zu den Pflichten eines Ausschreibenden entwickelten Grundsätze auf ein für den Verkauf des Grundstücks von einem Träger der öffentlichen Verwaltung gewähltes „Bieterverfahren“ nicht ohne Weiteres übertragen werden können.
Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.
Mit freundlichen Grüßen
RA Dr. Alfons Schulze-Hagen
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
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