Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
IBR 5/2010 - Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
in Deutschland wird immer wieder beklagt, dass die Rechtsprechung zum AGB-Recht die Vertragsfreiheit - insbesondere bei Verträgen zwischen Unternehmern - allzu sehr einschränkt. Es soll Fälle geben, in denen die Parteien ihren Vertrag einer fremden Rechtsordnung unterstellen gerade mit dem Ziel, das deutsche AGB-Recht zu umgehen. Vor diesem Hintergrund sind die ersten drei Beiträge dieses Heftes ( S. 253, 254, 255) von Bedeutung, in denen die Gerichte trotz Einbeziehung vorformulierter Vertragsklauseln das AGB-Recht nicht anwenden. Von einer Trendwende wird man allerdings nicht sprechen können.
Von großem Interesse dürften auch die beiden weiteren Beiträge zum Umgang mit spekulativ überhöhten Einheitspreisen sein (BGH, S. 256; OLG Köln, S. 257). Der BGH präzisiert in einem kurzen Beschluss seine Rechtsprechung zur Vermutung der Sittenwidrigkeit bei extrem überhöhten Einheitspreisen. Diese Vermutung kann nur durch Angaben zur Preisbildung ausgeräumt werden, nicht etwa durch einen Hinweis darauf, dass die Einzelposition mit dem sittenwidrigen Einheitspreis lediglich einen geringen Anteil am Gesamtpreis habe. Das OLG Köln behandelt eine interessante Fallgruppe, in welcher der überhöhte Einheitspreis auch für Mehrmengen nicht angreifbar sein soll.
Im Architekten- und Ingenieurteil dieses Heftes finden Sie zwei Entscheidungen zu der Frage, wann Mängelansprüche aus einem Architektenvertrag ohne Abnahme ("hängen gebliebener Architektenvertrag") verjähren. Da die fünfjährige Verjährungsfrist gemäß § 634a Abs. 2 BGB eine Abnahme voraussetzt, gilt für Ansprüche vor der Abnahme die dreijährige Regelverjährung gemäß §§ 195, 199 BGB. Wird ein Vertrag - zum Beispiel nach einer Kündigung - nicht zu Ende geführt, fehlt es an einer Abnahme und ist eine solche auch nicht entbehrlich, so hätte der Bauherr eine kürzere Verjährung, als wenn er die Abnahme erklärt hätte. Ob dieses Ergebnis einer Korrektur bedarf, darüber verhalten sich die Entscheidungen des OLG Stuttgart ( S. 283) und die des OLG Karlsruhe ( S. 282) unterschiedlich. Möglicherweise wird der BGH in beiden Fällen diese Frage enscheiden.
Im Vergaberecht ist das Ende der Ahlhorn-Rechtsprechung zu vermelden. Endlich liegt die lang erwartete Entscheidung des EuGH zu der Frage vor, ob und unter welchen Voraussetzungen die Veräußerung kommunaler Grundstücke an Investoren ausschreibungspflichtig ist. Im Ergebnis bestätigt der EuGH ( S. 284) den deutschen Gesetzgeber, der mit der Neufassung des § 99 Abs. 3 GWB den Anwendungsbereich des Vergaberechts bei der Veräußerung kommunaler Grundstücke einschränken wollte.
Weiterhin liegen unterschiedliche Entscheidungen der Vegabekammern dazu vor, ob und wie sich die jüngste EuGH-Rechtsprechung ( IBR 2010, 159) auf das Merkmal der "unverzüglichen Rüge" in § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB auswirkt. Während die VK Hamburg ( S. 295) sich angesichts der EuGH-Rechtsprechung gehindert sieht, die Vorschrift anzuwenden, belässt es die VK Bund bei der Anwendung der Rügepräklusion und verlangt bei erkannten Vegaberechtsverstößen eine Rüge weiterhin innerhalb von ein bis drei Tagen ( S. 296).
In dem Abschnitt "Prozessuales" sind die Entscheidungen zur Behandlung von Privatgutachten im Bauprozess hervorzuheben, ebenso auch die Entscheidung des BGH zur Zulässigkeit einer Feststellungsklage, wenn Mängel (noch) kein Schadensbild aufweisen. Der BGH ( S. 305) beurteilt die Zulässigkeit einer Feststellungsklage wesentlich großzügiger als die Vorinstanz. Findet sich ein Ausführungs- oder Konstruktionsfehler, ohne dass bereits Mängelsymptome oder ein Schadensbild aufgetreten sind, bestehe eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Schadenseintritt mit der Folge, dass die Klage auf Feststellung der Ersatzpflicht für einen künftigen Schaden zulässig ist.
Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
RA Dr. Alfons Schulze-Hagen
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
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