Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
IBR 4/2014 - Vorwort
Liebe Leserin,
lieber Leser,
im VOB-Vertrag beträgt die Verjährungsfrist für Mängelansprüche für Teile von maschinellen und elektrotechnischen/elektronischen Anlagen, bei denen die Wartung Einfluss auf Sicherheit und Funktionsfähigkeit hat, nur zwei Jahre, wenn nichts anderes vereinbart ist und der Auftraggeber sich dafür entschieden hat, dem Auftragnehmer die Wartung für die Dauer der Verjährungsfrist nicht zu übertragen. Das gilt auch, wenn für weitere Leistungen eine andere Verjährungsfrist vereinbart ist (VOB/B 2012 § 13 Abs. 4 Nr. 1). Hierdurch soll ein möglicher Streit über die Beantwortung der Frage, ob ein eingetretener Mangel auf vertragswidrige Leistung des Auftragnehmers oder auf unzureichende Wartung seitens des Auftraggebers zurückzuführen ist, vermieden werden. Was aber sind "Teile von maschinellen Anlagen" im Sinne dieser VOB-Regelung? So soll es sich nicht nur bei Aufzügen und Rolltreppen, sondern beispielsweise auch bei einem frei bewitterten Belag aus Gussasphalt samt bituminöser Fugen um wartungsbedürftige Anlagen handeln (OLG Celle, IBR 2011, 17). Maßgeblich ist also die Wartungsbedürftigkeit. Nach Ansicht des OLG Koblenz handelt es sich deshalb auch bei dem Schalt-Schiebe-Falt-Tor einer Autowaschanlage um eine solche Anlage, wenn das Tor nach der einschlägigen Produktnorm regelmäßig gewartet werden muss ( S. 209).
In Bauträgerverträgen ist vielfach vorgesehen, dass der Erwerber für vier oder mehr Wochen an sein Angebot auf Abschluss des Vertrags gebunden ist. In seinem Urteil vom 27.09.2013 ( IBR 2014, 24) hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass auch bei finanzierten und beurkundungsbedürftigen Bauträgerverträgen der Eingang der Annahmeerklärung regelmäßig innerhalb eines Zeitraums von vier Wochen erwartet werden kann. Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach denen der Erwerber an sein Angebot länger als drei Monate gebunden ist, sind deshalb unwirksam ( IBR 2014, 24). An diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof nunmehr angeknüpft und am 17.01.2014 entschieden, dass bereits eine formulierte Angebotsbindefrist von sechs Wochen die regelmäßige gesetzliche Frist des § 147 Abs. 2 BGB von vier Wochen wesentlich überschreitet und nur dann nicht unangemessen lang ist, wenn der Bauträger hierfür ein schutzwürdiges Interesse geltend machen kann, hinter dem das Interesse des Erwerbers am baldigen Wegfall der Bindung zurückstehen muss ( S. 212).
Im Recht der Architekten und Ingenieure ist auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23.01.2014 aufmerksam zu machen. Die Entscheidung befasst sich mit der Verwirkung des Anspruchs auf Rückerstattung von überzahltem (Architekten-)Honorar und ist deshalb auch über das Bau- und Architektenrecht hinaus von Bedeutung. Verwirkung setzt zunächst voraus, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der zur Rückzahlung verpflichtete Architekt bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Auftraggebers entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen wird (vgl. BGH, IBR 2003, 61). Dem Bundesgerichtshof zufolge kommt eine Verwirkung zudem nur in Betracht, wenn sich der Architekt im Vertrauen auf das Verhalten des Auftraggebers in seinen Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Davon kann aber nicht allein deshalb ausgegangen werden, weil der Architekt gegenüber dem Rückzahlungsverlangen einwendet, er habe "natürlich" mit den eingegangenen Honorarzahlungen bereits in anderer Weise kalkuliert ( S. 217).
Im Vergaberecht beklagen sich inzwischen zahlreiche Bieter darüber, dass die Ausschreibungen vieler Auftraggeber in Bezug auf die Planung immer schlechter werden. Dieses Problem lässt sich mit einer funktionalen Leistungsbeschreibung nicht ohne Weiteres umgehen. Hierfür müssen nämlich nicht nur die in § 7 Abs. 13 VOB/A 2012 genannten Voraussetzungen vorliegen. Vielmehr ist auch bei einer funktionalen Leistungsbeschreibung die gedankliche Vorwegnahme der Herstellung des Werks, ebenso wie bei einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis, unerlässlich. Als Lösungsmöglichkeiten werden deshalb sog. teil-funktionale Ausschreibungen in Betracht gezogen, zumal es bei detaillierter Leistungsbeschreibung durchaus möglich und vergaberechtlich grundsätzlich zulässig ist, einzelne Teile der Leistung lediglich funktional zu beschreiben. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass dem Bieter wesentliche Planungsleistungen übertragen werden. Daran fehlt es, wenn der Auftraggeber ausführungsbegleitend planen will. Das hat das OLG Düsseldorf am 11.12.2013 entschieden ( S. 228).
In der Rubrik Prozessuales ist auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23.01.2014 besonders hinzuweisen. Wird eine Werklohnklage mangels prüfbarer Schlussrechnung als derzeit unbegründet abgewiesen, ist es nicht ausreichend, erneut Klage zu erheben und dabei unter Vorlage eines Gutachtens lediglich geltend zu machen, die Entscheidung des Gerichts sei unzutreffend. Einer solchen Klage steht die Rechtskraft des klageabweisenden Urteils entgegen ( S. 246). Der klagende Bauunternehmer oder Architekt muss vielmehr eine neue (verbesserte) Schlussrechnung erstellen oder zumindest die im Vorprozess nicht eingereichten Nachweise vorlegen, um dadurch die Fälligkeit seiner Forderung herbeizuführen.
Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
RA Stephan Bolz
Chefredakteur