Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
IBR 4/2012 - Vorwort
Liebe Leserin,
lieber Leser,
im Bauvertragsrecht bestehen die vereinbarten Preise nicht nur aus den reinen Einzelkosten der Teilleistungen, sondern enthalten unter anderem auch Deckungsbeiträge für die Baustellengemeinkosten und die Allgemeinen Geschäftskosten. Werden einzelne Leistungspositionen eines Einheitspreisvertrags nicht ausgeführt, kommt es zu einer Gemeinkostenunterdeckung. Entfallen im Rahmen der Ausführung Leistungspositionen ersatzlos, ohne dass dies auf eine Kündigung, auf eine Leistungsübernahme oder auf eine Anordnung des Auftraggebers zurückzuführen ist, stellt sich die Frage, ob und in welcher Höhe der Auftragnehmer einen Anspruch auf Ersatz der nicht erwirtschafteten Deckungsbeiträge hat. Nach Ansicht des OLG Bamberg sind auf solche Nullpositionen zumindest vom Grundsatz her die Regelungen über die sog. freie Teilkündigung anwendbar, so dass der Auftragnehmer die hierfür vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen geltend machen kann ( IBR 2010, 66). Der Bundesgerichtshof hat nunmehr entschieden, dass bei vollständigem Wegfall einzelner Leistungspositionen § 2 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B (jetzt: § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B) Anwendung findet. Das führt dazu, dass der Auftragnehmer keine Vergütung erhält, soweit durch die Erhöhung der Mengen bei anderen Positionen oder in anderer Weise ein Ausgleich stattfindet ( S. 188).
Die Vergütung geänderter oder zusätzlicher Leistungen erfolgt im VOB-Vertrag (noch) nach dem Grundsatz „Guter Preis bleibt guter Preis und schlechter Preis bleibt schlechter Preis“. Das gilt dem OLG Karlsruhe zufolge allerdings nicht in den Fällen, in denen die Leistungsänderung nicht auf einer Anordnung des Auftraggebers beruht, sondern auf eine einvernehmliche Vertragsänderung zurückzuführen ist. Auf einen solchen Sachverhalt sind die Vorschriften der VOB/B über geänderte bzw. auftragslos erbrachte Leistungen nicht anwendbar. Die fehlende vertragliche Regelung über die Höhe der Vergütung ist vielmehr im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermitteln. Führt diese zu keinem Ergebnis, ist die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen ( S. 189).
Auf der Baustelle kommt es immer wieder vor, dass der Auftragnehmer vor der Abnahme Mängel rügt und einen anderen Unternehmer mit deren Beseitigung beauftragt. Ist die VOB/B vereinbart, besteht ein Anspruch des Auftraggebers auf Erstattung der hiermit verbundenen Mehrkosten nur, wenn dem Auftragnehmer zuvor eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt, die Kündigung angedroht und nach fruchtlosem Fristablauf der Auftrag entzogen wurde. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, kann der Auftraggeber die Mängelbeseitigungskosten nicht ersetzt verlangen. Darauf weist das OLG Düsseldorf hin ( S. 193).
Im Recht der Architekten und Ingenieure sind zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs hervorzuheben. Im Urteil vom 09.02.2012 hat das Gericht die Frage beantwortet, wann bei einem Auftrag über mehrere Gebäude eine Mindestsatzunterschreitung vorliegt, und klargestellt, dass das für den Gesamtauftrag vereinbarte Honorar mit den Mindestsätzen der HOAI verglichen werden muss ( S. 206). Zudem hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung ausgeführt, dass Lösungsvorschläge des Prüfstatikers vom Tragwerksplaner nicht ungeprüft umgesetzt werden dürfen. Dieser bleibt vielmehr für die Vollständigkeit und Mangelfreiheit seiner Berechnungen verantwortlich und haftet dem Auftraggeber auf Schadensersatz, wenn aufgrund der Vorgaben des Prüfstatikers objektiv nicht erforderliche und mit Mehrkosten verbundene Leistungen ausgeführt werden ( S. 207). Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit den von der HOAI erfassten Grundleistungen der konstruktiven Gebäudeplanung am 26.01.2012 klargestellt, dass hierzu auch Leistungen der Brandschutzplanung gehören. Mit dieser Planung in Auftrag gegebene Besondere Leistungen des Brandschutzes müssen nur dann gesondert vergütet werden, wenn die Parteien des Architektenvertrags eine schriftliche Honorarvereinbarung geschlossen haben ( S. 208).
Im Vergaberecht hat sich der Europäische Gerichtshof erneut mit der Abgrenzung zwischen einer vergaberechtsfreien Dienstleistungskonzession und einem dem Vergaberecht unterfallenden Dienstleistungsauftrag befasst. Eine Dienstleistungskonzession liegt nach Ansicht des Gerichts vor, wenn der Konzessionär von dem öffentlichen Auftraggeber einen wesentlichen Teil des Betriebsrisikos übernimmt ( S. 215). Welcher Rechtsweg bei der Vergabe derartiger Konzessionen eröffnet ist, richtet sich nach der Rechtsform des staatlichen Handelns. Ist das Rechtsverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer durch öffentlich-rechtlichen Vertrag ausgestaltet, sind nach dem Beschluss des Bundesgerichtshof vom 23.01.2012 die Verwaltungsgerichte zuständig ( S. 216).
Im Recht der Sachverständigen hatte das Bundesverfassungsgericht Ende letzten Jahres den Standpunkt eingenommen, eine generelle Altersbegrenzung für die Bestellung zum öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen verstoße möglicherweise gegen europarechtliche Vorgaben, und die Sache an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen ( IBR 2011, 732). Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Rechtsstreit dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, sondern am 01.02.2012 entschieden, dass die generelle Höchstaltersgrenze für Sachverständige gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstößt und deshalb rechtswidrig ist ( S. 233).
Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.
Mit freundlichen Grüßen
RA Stephan Bolz
Chefredakteur