Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
IBR 3/2015 - Vorwort
Liebe Leserin,
lieber Leser,
im VOB-Vertrag setzt die Vergütung geänderter oder zusätzlicher Leistungen eine Anordnung des Auftraggebers voraus. Da sich aus einer solchen Anordnung für den Auftragnehmer zusätzliche vertragliche Leistungspflichten ergeben, muss die Anordnung eindeutig als Vertragserklärung verpflichtend sein und ist von bloßen Wünschen des Auftraggebers zu unterscheiden, die nicht zwingend befolgt werden müssen und die den Auftragnehmer lediglich zur Überprüfung seines Verfahrens veranlassen sollen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt als Anordnung in diesem Sinn nur eine Erklärung in Betracht, die die vertragliche Leistungspflicht erweitert, die also eine neue Verbindlichkeit des Auftragnehmers begründen soll. § 2 Abs. 5 bzw. Abs. 6 VOB/B ist deshalb nicht anzuwenden, wenn eine Leistungsänderung bereits vom vertraglichen Leistungsumfang umfasst ist (siehe BGH, Urteil vom 09.04.1992 - VII ZR 129/91, IBRRS 1992, 0004). Eine Anordnung mit der Folge eines Anspruchs auf Mehrvergütung liegt aber auch dann nicht vor, wenn der Auftraggeber bei funktionaler Leistungsbeschreibung einem geänderten Montagekonzept unter der Voraussetzung zustimmt, dass es sich weder auf die Bauzeit noch auf die Baukosten auswirkt. Das hat der Bundesgerichtshof am 22.01.2015 entschieden ( S. 113).
Würde man eine Gruppe von Bauingenieuren fragen, welche Bauvertragspartei das sog. Baugrundrisiko trägt, so würde es einem höchstwahrscheinlich wie im Chor entgegenschallen: "Der Auftraggeber!" Dass diese in der Baupraxis noch immer weithin verbreitete Sichtweise durchaus richtig sein kann, aber nicht immer sein muss, zeigt das Urteil des OLG München vom 11.02.2014. In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt hatte es der Auftragnehmer vertraglich übernommen, einen Stollen in "allen Bodenarten und -schichten des Quartärs" im Schildvortrieb auszubrechen. In einer solchen Konstellation besteht beim Auftreten von Rollkieslagen aus dem Quartär kein Anspruch auf Mehrvergütung ( S. 114).
Im Recht der Bausicherheiten ist die (nicht rechtskräftige) Entscheidung des LG Lübeck vom 10.11.2014 hervorzuheben. Dem Gericht zufolge ist der Auftraggeber dazu verpflichtet, eine Gewährleistungssicherheit herauszugeben, wenn die der Sicherheitsvereinbarung zu Grunde liegenden Mängelansprüche verjährt sind. Beachtlich ist das deshalb, weil der Bundesgerichtshof dies mit Urteil vom 21.01.1993 ( IBR 1993, 139) noch anders entschieden hat. Das LG Lübeck ist jedoch - entgegen einer weitverbreiteten Meinung in der baurechtlichen Kommentarliteratur - der Auffassung, dass sich die vom Bundesgerichtshof zu § 17 Nr. 8 Satz 2 VOB/B 1981 aufgestellten Grundsätze nicht auf die aktuelle Rechtslage übertragen lassen ( S. 136). Da die Rechtssache wegen der weitgehenden Verwendung der VOB/B grundsätzliche Bedeutung hat, wurde die Revision zugelassen. Sie ist beim Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen VII ZR 5/15 anhängig.
Im Recht der Architekten und Ingenieure hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 18.12.2014 die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, welche HOAI-Fassung bei stufen- oder phasenweiser Beauftragung von Architektenleistungen auf die nach dem Abruf noch zu erbringenden Leistungen Anwendung findet, dahingehend beantwortet, dass nicht der Zeitpunkt des Abschlusses des Ausgangsvertrags maßgebend ist, sondern wann der Vertrag über die weiteren Leistungen letztlich geschlossen wird ( S. 144).
Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge lassen sich Fehler bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen nicht immer vermeiden. Es stellt sich dann die Frage, welche Möglichkeiten der Auftraggeber hat, etwaige Fehler vergaberechtskonform zu korrigieren. Denn ein öffentlicher Auftraggeber muss einen Auftrag nicht auf der Grundlage einer fehlerhaften Ausschreibung erteilen. Nach Ansicht des OLG Düsseldorf unterliegt die Entscheidung, wie und in welchem Umfang der Ausschreibungsfehler behoben wird, der Gestaltungsfreiheit des Auftraggebers. Neben einer Verfahrensaufhebung oder einer vollständigen Zurückversetzung des Verfahrens besteht auch die Möglichkeit, die Zurückversetzung auf einzelne Teilpositionen zu beschränken. Voraussetzung ist allerdings, dass diese Teilpositionen die Preisstruktur des Gesamtangebots nicht in relevanter Weise beeinflussen, was nicht anhand einer starren prozentualen "Geringfügigkeitsschwelle" zu bestimmen ist, sondern sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet ( S. 154).
Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
RA Stephan Bolz
Chefredakteur