Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
IBR 3/2014 - Vorwort
Liebe Leserin,
lieber Leser,
im Bauvertragsrecht gibt es zwei grundsätzliche Möglichkeiten, die Leistung zu beschreiben: entweder detailliert mit einem Leistungsverzeichnis oder funktional mit einem Leistungsprogramm. Bei einer funktionalen Leistungsbeschreibung wird die Leistung über den zu erreichenden Erfolg beschrieben. Der Auftraggeber gibt also lediglich "das Ziel" vor und der Auftragnehmer muss sämtliche Planungs- und Bauleistungen erbringen, die für die Errichtung eines funktionstauglichen und zweckentsprechenden Bauwerks erforderlich sind. Deshalb sind Nachträge wegen notwendiger Zusatzleistungen (VOB/B § 2 Abs. 6) grundsätzlich ausgeschlossen. Demgegenüber wird dem Auftragnehmer bei detaillierter Leistungsbeschreibung quasi "der Weg" vorgegeben. Ist eine solche Leistungsbeschreibung unvollständig, sind zusätzliche Leistungen im VOB-Vertrag unter den in § 2 Abs. 6 oder Abs. 8 VOB/B genannten Voraussetzungen besonders zu vergüten. In der Praxis gibt es allerdings keine Leistungsbeschreibung, die sich ausschließlich an der Funktion orientiert oder in der sämtliche Leistungen bis ins kleinste Detail beschrieben sind. So finden sich in funktionalen Leistungsbeschreibungen in mehr oder minder großem Umfang Detailbeschreibungen und in detaillierten Leistungsbeschreibungen mitunter Funktionalpositionen wie etwa "1 psch. Wasserhaltung" (siehe BGH, IBR 1992, 349) oder "1 Stck. Behelfsbrücke". Dadurch wird das Risiko, dass die lediglich funktional beschriebene (Teil-)Leistung den statischen und konstruktiven Erfordernissen gerecht wird, in zulässiger Weise auf den Auftragnehmer verlagert. Das hat das OLG Dresden entschieden ( S. 131).
Wenngleich die anerkannten Regeln der Technik in § 633 BGB (anders als in § 13 Abs. 1 VOB/B) nicht ausdrücklich erwähnt werden, muss der Auftragnehmer diese Regeln auch im BGB-Bauvertrag einhalten. Sie gelten als werkvertraglicher Mindeststandard. Erstellt der Auftragnehmer - wie etwa im Bauträgervertrag - die Leistungsbeschreibung und will er von den anerkannten Regeln der Technik (negativ) abweichen, muss er den Auftraggeber darauf deutlich hinweisen und ihm die Folgen der geplanten Bauweise aufzeigen. Eine Baubeschreibung, die eine nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprechende Ausführungsvariante vorsieht, genügt diesen Anforderungen nicht. Sie ist nach Ansicht des OLG München insoweit widersprüchlich und verstößt gegen das Transparenzgebot ( S. 137). Das führt dazu, dass die abweichend von den anerkannten Regeln der Technik ausgeführte Leistung mangelhaft ist.
Im Recht der Architekten und Ingenieure bereitet die Beantwortung der Frage, ob die Schlussrechnung des Architekten bzw. Ingenieurs prüfbar ist, immer wieder Schwierigkeiten. Das OLG Hamm hat zur HOAI 1996 entschieden, dass Voraussetzung für die Prüfbarkeit eine Kostenermittlung nach DIN 276 ist und im Geltungsbereich der HOAI 1996 die DIN 276 in der Fassung vom April 1981 verwendet werden muss. Andernfalls ist die Honorarklage des Planers mangels Prüfbarkeit der Schlussrechnung unschlüssig und abzuweisen ( S. 153). Schwieriger ist die Beurteilung der Prüfbarkeit der anrechenbaren Kosten nach § 4 HOAI 2009 und 2013, weil die Vorschriften nicht statisch auf eine Fassung der DIN 276 verweisen, sondern "dynamisch" auf die jeweils geltenden anerkannten Regeln der Technik. Diese müssen dann in jedem Einzelfall gesondert festgestellt werden.
Im Vergaberecht hat der Bundesgerichtshof am 07.01.2014 die ihm vom OLG Jena ( IBR 2013, 697) erst Ende letzten Jahres vorgelegte Frage beantwortet, ob Nebenangebote zulässig sind, wenn der Preis das einzige Zuschlagskriterium ist. Während das Gericht in seiner Entscheidung vom 23.01.2013 die Möglichkeit einer Kombination von Nebenangebot und Niedrigstpreisvergabe tendenziell nicht ausgeschlossen hat ( IBR 2013, 362), hat es nunmehr entschieden, dass Nebenangebote grundsätzlich nicht zugelassen und gewertet werden dürfen, wenn in einem europaweiten Vergabeverfahren der Preis als alleiniges Zuschlagskriterium vorgesehen ist. Denn in der VOB/A ebenso wie in der SektVO ist lediglich bestimmt, dass die öffentlichen Auftraggeber die Mindestanforderungen festlegen müssen, denen zugelassene Nebenangebote genügen müssen. Diese Anforderungen sollen dem Bieter eine hinreichend große Variationsbreite in der Ausarbeitung von Alternativvorschlägen lassen. Eine wettbewerbskonforme Wertung der Nebenangebote ist angesichts dessen nicht möglich, wenn der Preis das alleinige Zuschlagskriterium ist. Denn in diesem Fall wäre der Auftraggeber verpflichtet, den Zuschlag auf ein den Mindestanforderungen genügendes und geringfügig billigeres Nebenangebot als das günstigste Hauptangebot zu erteilen, unabhängig davon, ob das Nebenangebot in der Qualität deutlich hinter dem Hauptangebot zurückbleibt und sich daher bei wirtschaftlicher Betrachtung gerade nicht als das günstigste Angebot erweist. Mangels geeigneter Zuschlagskriterien könnte die qualitative Diskrepanz nicht in der Wertung erfasst werden ( S. 162).
In der Rubrik Allgemeines Zivilrecht ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 03.12.2013 besonders hervorzuheben. Darin hat der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit einem Kraftfahrzeugsachschaden entschieden, dass der Geschädigte keinen Anspruch auf Zahlung der von einem Sachverständigen ermittelten Reparaturkosten hat, wenn das Fahrzeug repariert wurde und der für die Reparatur tatsächlich aufgewendete Geldbetrag niedriger ist als die vom Sachverständigen angesetzten Kosten. Jede andere Betrachtungsweise würde dazu führen, dass der Geschädigte am Schadensfall verdient, was den Grundsätzen des Schadensersatzrechts widerspricht ( S. 179). Die Entscheidung dürfte sich - worauf Weyer hinweist - auch auf das Werkvertragsrecht übertragen lassen und deshalb im Rahmen der Mängelhaftung zu beachten sein.
Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
RA Stephan Bolz
Chefredakteur