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IBR 12/2023 - Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

in dieser IBR-Ausgabe geht es gleich in mehreren Beiträgen um das Thema „allgemein anerkannte Regeln der Technik“. Was unter den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu verstehen ist, hat bereits das Reichsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahr 1891 (Urteil vom 26.06.1891 – IV D. 1621/91) im Zusammenhang mit dem Straftatbestand der Baugefährdung (heute § 319 StGB) ausgesprochen: „Der Begriff der allgemein anerkannten Regeln der Baukunst ist nicht schon dadurch erfüllt, dass sich eine Regel bei völliger wissenschaftlicher Erkenntnis als richtig und unanfechtbar darstellt, sondern sie muss auch allgemein anerkannt, d. h. durchweg in den betreffenden Kreisen der betreffenden Techniker bekannt und als richtig anerkannt sein.“ Anders ausgedrückt sind „allgemein anerkannte Regeln der Technik (…) die Summe der im Bauwesen anerkannten wissenschaftlichen, technischen und handwerklichen Erfahrungen, die durchweg bekannt und als richtig und notwendig anerkannt sind (…). Sie müssen in der Wissenschaft anerkannt und damit theoretisch richtig sein und sich in der Praxis durchgesetzt haben.“ (OLG Hamm, Urteil vom 04.11.1993 – 17 U 187/91, IBRRS 1993, 0737). Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 VOB/B hat die Leistung zur Zeit der Abnahme (auch) den anerkannten Regeln der Technik zu entsprechen. Das gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gleichermaßen im Werk- und Bauvertragsrecht nach BGB. Denn der Unternehmer sichert üblicherweise die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik stillschweigend bei Vertragsschluss zu. Entspricht die (Werk-)Leistung dem nicht, liegt regelmäßig ein Mangel vor (BGH, Dokument öffnen IBR 2011, 399).

Im Bauvertragsrecht hat das OLG Köln dementsprechend entschieden, dass die Leistung eines Bauunternehmers nur mangelfrei ist, wenn sie zum Zeitpunkt der Abnahme die vereinbarte Beschaffenheit hat, den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht und funktionstauglich ist. Eine Zustimmung des Auftraggebers zu einer hinter den allgemein anerkannten Regeln der Technik zurückbleibenden Ausführung kommt regelmäßig nur in Betracht, wenn der Auftragnehmer auf die damit verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen (Dokument öffnen S. 616). Das OLG Brandenburg sieht das in seinem Urteil vom 28.09.2023 – zu Unrecht – anders. Es ist der Ansicht, ein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik stelle keinen Mangel dar, wenn sich der Verstoß nicht nachteilig auswirke und keine Gebrauchsnachteile erkennbar seien (Dokument öffnen S. 617), und verkennt dabei, dass bei einem Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik auch dann ein Mangel vorliegt, wenn noch kein Mangelsymptom aufgetreten oder keine Funktionsbeeinträchtigung eingetreten ist (OLG Stuttgart, Dokument öffnen S. 630; OLG Schleswig, Dokument öffnen IBR 2018, 255). In der Nichtbeachtung der allgemein anerkannten Regeln der Technik liegt der Schaden.

Im Recht der Architekten und Ingenieure weist das OLG Stuttgart in seinem Urteil vom 28.03.2023 darauf hin, dass der planende Architekt eine Planung für ein den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechendes Gebäude schuldet. Nach den Feststellungen des Gerichts war ein sog. „Warmdach“ mit einer Dicht-Dicht-Konstruktion nach der DIN 4108-3 zwar bis zum Erscheinen ihrer Neufassung im Jahr 2014 grundsätzlich möglich, jedoch entsprach diese DIN-Norm schon Jahre zuvor aufgrund einer Vielzahl bekannter Schadensfälle nicht mehr den allgemein anerkannten Regeln der Technik (Dokument öffnen S. 629).

Im Vergaberecht geht es nicht um die allgemein anerkannten Regeln der Technik, sondern um das Thema Marktanalyse. Die VK Südbayern hebt in diesem Zusammenhang in ihrem Beschluss vom 05.06.2023 hervor, dass ein öffentlicher Auftrag zwar ohne vorherige europaweite Bekanntmachung im EU-Amtsblatt vergeben werden kann, wenn der Auftrag nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht oder bereitgestellt werden kann. Allerdings ist der öffentliche Auftraggeber darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass der bezuschlagte Bieter das einzige Unternehmen ist, das seine Anforderungen erfüllen kann. Hierfür sind stichhaltige Belege bei-zubringen. Der vom öffentlichen Auftraggeber zu führende Nachweis des objektiven Fehlens von Wettbewerb muss durch eine umfassende Marktanalyse auf europäischer Ebene erfolgen (Dokument öffnen S. 641).

In der Rubrik Prozessuales wiederum spielen die allgemein anerkannten Regeln der Technik nochmals eine Rolle. Nach § 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 ZPO kann eine Partei, auch wenn ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist, durch Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass der Zustand einer Sache oder die Ursache eines Mangels festgestellt wird. Der Antrag muss u. a. die Bezeichnung der Tatsachen enthalten, über die Beweis erhoben werden soll (§ 487 Nr. 2 ZPO). Werden Baumängel behauptet, hat der Antragsteller das äußere Erscheinungsbild der Mängel, also die Bezeichnung und Lokalisierung der Schadstellen, und die Nennung und Beschreibung der aufgetretenen Schäden darzulegen (OLG Naumburg, Dokument öffnen IBR 2022, 439). Der Antrag auf Klärung einer Rechtsfrage ist hingegen unzulässig (OLG Frankfurt, Dokument öffnen IBR 2011, 500). Man könnte sich durchaus auf den Standpunkt stellen, dass es sich bei der Frage, ob eine Leistung den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht, um eine (unzulässige) Rechtsfrage oder um eine (ebenfalls unzulässige) Ausforschungsfrage handelt (siehe LG Köln, Beschluss vom 11.09.1991 – 10 T 235/91, IBRRS 1991, 0804). Das sieht u. a. das OLG Karlsruhe nicht so. Es hat am 04.09.2023 entschieden, dass weder die Formulierung der Beweisbehauptung in Frageform noch die Frage nach der Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik einer Beweiserhebung entgegenstehen (Dokument öffnen S. 659).

Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.

Mit den besten Grüßen
Ihr
Dr. Stephan Bolz
Rechtsanwalt
Verleger und Schriftleiter der IBR

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