Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
IBR 12/2010 - Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
im Architekten- und Ingenieurrecht stehen wieder einmal Entscheidungen zum Preischarakter der HOAI im Vordergrund. Dabei geht es in der Regel nicht um komplizierte Abrechnungssachverhalte, sondern um die einfache Rechtsfrage, ob ein Architekt bzw. Ingenieur nach den Mindestsätzen abrechnen darf, obwohl er mit seinem Auftraggeber ein niedrigeres Honorar vereinbart hat. Grundsätzlich ist das zulässig, denn die Vereinbarung von Honoraren unterhalb der Mindestsätze ist gemäß § 4 Abs. 2 HOAI 1996/§ 7 Abs. 3 HOAI 2009 nur in Ausnahmefällen möglich. Dabei kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die von der HOAI vorgegebene ausnahmsweise Unterschreitung der Mindestsätze in der Praxis der Regelfall ist, jedenfalls wenn die Aufträge nicht von öffentlichen, sondern gewerblichen Auftraggebern (z. B. Generalunternehmer, Bauträger u. a.) erteilt werden. Vor Gericht müssen sich diese Auftraggeber, die ja selbst Fach- und HOAI-kundig sind, immer wieder dahingehend korrigieren lassen, dass ihr Regelfall gerade kein Ausnahmefall ist und der Architekt bzw. Ingenieur somit eine Abrechnung nach den Mindestsätzen verlangen kann. Das OLG Stuttgart ( S. 694) hat jetzt einen interessanten und praxisrelevanten Ausnahmefall kreiert, nämlich den der ständigen Geschäftsbeziehung. Dieser Ansatz ist vor dem Hintergrund interessant, dass der Verordnungsgeber in der Begründung des § 7 Abs. 3 HOAI 2009 sog. Rahmenverträge ausdrücklich als Ausnahmefall erwähnt hat. Zu dieser Frage hat das OLG die Revision zugelassen - die auch eingelegt wurde -, so dass der BGH dies möglicherweise abschließend klären wird (Az.: VII ZR 163/10).
Im Bauvertragsrecht behandelt das OLG Celle ( S. 680) die interessante Frage, ob auch noch nach Ablauf der Gewährleistungsfrist ein Anerkenntnis mit Neubeginn der Verjährung möglich ist. Beseitigt ein Unternehmer auf Aufforderung des Bestellers einen Mangel, so wird dies häufig ein Anerkenntnis darstellen. Dies führt nicht nur zur Hemmung, sondern auch zum Neubeginn der Verjährung gemäß § 212 Abs. 1 Ziff. 1 BGB. Welche Bedeutung aber hat ein solches Anerkenntnis, wenn es nach Ablauf der Gewährleistungsfrist erfolgt? Wird dann insoweit nochmals die gesamte Gewährleistungsfrist neu in Gang gesetzt? Nein, entscheidet das OLG Celle, der Eintritt der Verjährung kann nicht mehr beseitigt werden. Das gilt auch dann, wenn der Unternehmer irrtümlich glaubte, die Verjährung sei noch nicht abgelaufen. Allenfalls könnte man in einem solchen Vorgang den Verzicht auf die Einrede der Verjährung sehen. Das wäre aber nur dann der Fall, wenn dem Unternehmer der Ablauf der Verjährungsfrist bekannt gewesen wäre.
Im Vergaberecht hat das OLG Düsseldorf ( IBR 2010, 585) eine Diskussion angestoßen, die auch in aktuellen Beschlüssen der Vergabekammer aufgegriffen wird: Dürfen Nebenangebote berücksichtigt werden, wenn als einziges Zuschlagskriterium der Preis genannt ist? Die VK Schleswig-Holstein hat mit Beschluss vom 08.10.2009 (VK-SH 13/10, ibr-online) ausführlich ihre Ansicht dargelegt, warum die deutsche Praxis, Nebenangebote zu berücksichtigen, auch wenn der Preis einziges Zuschlagskriterium ist, dem Wortlaut der Richtlinie 2004/18/EG widerspricht. Ähnlich hat die VK Brandenburg mit Beschluss vom 08.11.2010 - VK 51/10 (ibr-online) entschieden. Beide Beschlüsse können Sie bei ibr-online abrufen.
Im Recht der Sachverständigen ist eine Entscheidung des OLG Düsseldorf ( S. 722) hervorzuheben. Immer häufiger bieten Sachverständige im Zusammenhang mit ihrer fachbezogenen Tätigkeit auch Rechtsdienstleistungen an. Das ist zulässig, wenn diese Tätigkeit einen Annex zu der eigentlichen Sachverständigentätigkeit darstellt. Entwickelt sich die Rechtsdienstleistung - also etwa die rechtliche Beurteilung von Sachverhalten - zu einer Hauptleistung des Sachverständigen, dann geht das über den Katalog der erlaubten Tätigkeiten hinaus.
Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
RA Dr. Alfons Schulze-Hagen
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
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