Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
IBR 11/2008 - Vorwort
Liebe Leserin,
lieber Leser,
die ersten Beiträge dieses Heftes beschäftigen sich mit dem neuen Forderungssicherungsgesetz. Bei näherem Hinsehen zeigt sich, wo sich Klärungsbedarf ergeben wird. Da ist in erster Linie an die neue Abschlagszahlungsregelung des § 632a BGB n.F. zu denken. Nachdem die misslungene Regelung der alten Fassung aus dem Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen in der Praxis leerlief, sollten die Neuregelungen im Wesentlichen in einer Anpassung an den § 16 VOB/B bestehen. Was mit "Wertzuwachs", an dem der Anspruch auf Abschlagszahlungen gebunden ist, zu verstehen ist, wird man mit Rückgriff auf die Preisvereinbarung im Bauvertrag klären können. Hoch problematisch ist aber, dass es Abschlagszahlungen nur für vertragsgemäße - also frei von wesentlichen Mängeln - Leistungen geben soll. Im Extremfall hat dies zur Folge, dass bei einer wegen wesentlicher Mängel verweigerten Abnahme der Unternehmer weder einen Anspruch auf Abschlags- noch auf Schlusszahlung hätte. Das weicht nicht nur von dem als Vorbild dienenden § 16 Nr. 1 VOB/B, sondern auch von der ständigen Rechtsprechung des BGH ab. Danach bleibt der Anspruch auf Abschlagszahlungen auch bei Vorliegen wesentlicher Mängel grundsätzlich bestehen, dem Auftraggeber steht allenfalls ein Leistungsverweigerungsrecht in Höhe des mindestens zweifachen Betrags der Mängelbeseitigungskosten zu (BGH vom 21.04.1988 - VII ZR 65/87; BGH, IBR 2000, 479). Ob mit dieser Regelung, die ja wohl beansprucht, gesetzliches Leitbild zu sein, eine Besserstellung des Unternehmers erreicht wird, erscheint fraglich.
Auf der anderen Seite enthält das Forderungssicherungsgesetz durchaus wirkungsvolle Ansätze zum Schutz des vorleistungspflichtigen und damit im Vorfinanzierungsrisiko stehenden Bauunternehmers. In erster Linie ist an die Reduzierung des regelmäßigen Druckfaktors bei Mängeleinbehalten auf das Zweifache (BGB n.F. § 641 Abs. 3), an die weitgehende Neufassung des § 648a Abs. 1 und Abs. 5 BGB sowie an die nicht zu unterschätzende Ausweitung des Baugeldbegriffs in § 1 Abs. 3 Ziff. 2 BauFordSiG zu denken. Ob diese Maßnahmen allerdings zu der erhofften Verbesserung der schlechten Zahlungsmoral der Bauauftraggeber führen wird, sei dahingestellt. Auffallend ist, dass der Gesetzgeber selbst die Bruchstückhaftigkeit dieser Neuregelungen erkennt und die Schaffung eines gesetzlichen Bauvertragsrechts ins Auge fasst. Wenn man bedenkt, dass die VOB/B mit der teils gesetzlich verordneten, teils faktischen Beendigung der Privilegierung ihre Leitbildfunktion zunehmend verliert, wird man das Forderungssicherungsgesetz nur richtig verstehen, wenn man es als Auftakt zur Schaffung eines Bauvertragsgesetzes sieht.
Aus dem Rechtsprechungsteil dieses Heftes sei die Entscheidung des BGH ( S. 640) zu den bauvertraglichen Leistungtsketten herausgehoben: Der Bauträger, der von seinem Erwerber die Rückzahlung eines Vorschusses auf Mängelbeseitigungsleistungen verlangen kann, kann gleichwohl Schadensersatz von seinem Nachunternehmer verlangen, bis feststeht, dass er den Rückzahlungsanspruch gegen den Erwerber realisiert hat und weiter feststeht, dass er vom Erwerber künftig wegen dieser Mängel nicht mehr in Anspruch genommen werden kann. Damit setzt der BGH seine Rechtsprechung zur Vorteilsanrechnung in bauvertraglichen Leistungsketten fort (vgl. IBR 2007, 472; IBR 2007, 607).
Im Vergaberecht hat das OLG Düsseldorf dem EuGH die Frage vorgelegt, ob deutsche Städten und Gemeinden beim Verkauf ihrer Grundstücke an private Bauinvestoren die Regeln des Vergaberechs einhalten müssen ( S. 667). Die nun anstehende Entscheidung des EuGH berührt auch die aktuelle Vergaberechtsreform. Für den 01.01.2009 ist bislang eine Veränderung des Auftragsbegriffs im GWB vorgesehen, damit Grundstücksverkäufe mit Blick auf die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf ( IBR 2008, 107; IBR 2008, 169) nicht mehr dem EG-Vergaberecht unterfallen. Diese vorgesehene gesetzliche Änderung könnte dem Gemeinschaftsrecht widersprechen.
Bemerkenswert ist auch eine Entscheidung des OLG Celle vom 02.10.2008 ( S. 673). Darin rückt das OLG von dem Grundsatz ab, dass beim Fehlen von Preisen und geforderten Erklärungen ein Angebot zwingend auszuschließen ist. Dies soll ausnahmsweise dann nicht gelten, wenn die Unvollständigkeit eine unbedeutende und eine sich auf den Wettbewerb nicht auswirkende Position betrifft. Der Grundsatz von Treu und Glauben soll vor dem reinen Formalismus Gültigkeit haben.
Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.
Mit freundlichen Grüßen
RA Dr. Alfons Schulze-Hagen
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
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