Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
IBR 11/2005 - Vorwort
Liebe Leserin,
lieber Leser,
aus der besonders umfangreichen November-Ausgabe der IBR darf ich einige Beiträge hervorheben. Im Bauvertragsrecht sollte man nach den vielen BGH-Grundsatzentscheidungen aus den letzten Jahren meinen, dass es zum Thema Bausicherheiten nichts Neues mehr zu sagen gebe. Die Beiträge ab Seite 588 zeigen, dass dem nicht so ist. Schmitz zeigt in seiner Besprechung des Urteils des OLG Düsseldorf ( S. 589) wie viele Auslegungsmöglichkeiten eine Sicherungsabrede mit Verweis auf Bürgschaftsmuster bietet. Die vermeintliche Klarheit wird häufig gerade nicht erreicht. Das OLG Hamm ( S. 593) befasst sich mit der interessanten insolvenzrechtlichen Frage, ob das Aufrechnungsverbot des § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO auch für wechselseitige Ansprüche aus demselben Vertragsverhältnis gilt. Konkret: Kann der Auftraggeber gegen eine Werklohnforderung des Auftragnehmers/Insolvenzverwalters mit Mängelansprüchen aus demselben Vertrag die Aufrechnung erklären? Das OLG Hamm bejaht diese Frage unabhängig davon, wann die Fälligkeit des aufrechenbaren Mängelanspruchs eingetreten ist. Darin liege keine Bevorzugung des Auftraggebers gegenüber anderen "vertragstreuen" Insolvenzgläubigern. Die Anwendung des Aufrechnungsverbotes würde vielmehr zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung des mangelhaft Leistenden und damit "vertragsuntreuen" insolventen Auftragnehmers führen. Das letzte Wort zu diesem wichtigen Problem wird der BGH haben.
In der Rubrik Bauträger bespricht Basty eine sehr interessante Entscheidung des OLG Frankfurt ( S. 595) zu einer Frage, zu der es ebenfalls noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt: Kann der Bauträger die Auflassung verweigern, wenn ein Ratenzahlungsanspruch verjährt ist und der Käufer deshalb die Zahlung verweigert? Nach OLG Frankfurt muss der Bauträger in einem solchen Fall die Auflassung erklären. Das wird aber mit Sicherheit nicht das letzte Wort zu diesem Problem bleiben.
In der Folge des sog. Teilerfolgeurteils des BGH ( IBR 2004, 512, 513) stellt sich für Architekten und Ingenieure immer häufiger die Notwendigkeit, einzelne Grundleistungen aus den diversen Leistungsphasen zu bewerten. Ein anschauliches Beispiel bietet das OLG Celle ( S. 600). Danach muss ein Architekt, der im Rahmen der Objektüberwachung auch zur Führung eines Bautagebuches verpflichtet war, eine Honorarkürzung von 0,5% hinnehmen, wenn er dieses Bautagebuch nicht geführt hat.
Das Top-Thema im Vergaberecht ist derzeit die Frage, wie mischkalkulierte Niedrigpreise, die bekanntlich nach BGH, IBR 2004, 448 zum Ausschluss des Angebots führen, erkannt und nachgewiesen werden. Viele Vergabestellen sehen diese Nachweispflicht bei dem Bieter. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen hat im Allgemeinen Rundschreiben Straßenbau Nr. 25/2004 vom 25.11.2004 dem Bieter eine derartige "Beweislast" auferlegt. Das OLG Naumburg ( S. 619) und die Vergabekammer Sachsen ( S. 621) halten diesen Bewertungsmaßstab für vergaberechtswidrig.
Im Öffentlichen Baurecht liegt der Schwerpunkt dieser Ausgabe bei der planungsrechtlichen Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten mit allein vier Beiträgen. Im Verfahrensrecht stellt Vogel eine wichtige BGH-Entscheidung ( S. 645) zu der Frage vor, unter welchen Voraussetzungen der Auftraggeber mit Mängelansprüchen gegen den Werklohntitel des Auftragnehmers aufrechnen kann. Antwort: Der Auftraggeber kann sich immer dann in der Zwangsvollstreckung mit einer Aufrechnung verteidigen, wenn der auf Zahlung gerichtete Mängelanspruch - aus welchen Gründen auch immer - erst nach der mündlichen Verhandlung entstanden ist.
Ihrer ganz besonderen Aufmerksamkeit empfehle ich das Interview mit Prof. Dr. Kniffka (S. 653 bis S. 656). Professor Kniffka erläutert die Hintergründe und Ziele des neu gegründeten Deutschen Baugerichtstages e.V., dessen Mitinitiator und Vorsitzender er ist. Den 19./20.05.2006 sollten Sie sich freihalten, denn dann findet erstmals der Deutsche Baugerichtstag in Hamm statt.
Auch alle anderen Beiträge seien zur aufmerksamen Lektüre empfohlen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. A. Schulze-Hagen
RA und FA für Bau- und Architektenrecht