Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Hervorzuhebende Urteile zum Öffentlichen Bau- & Umweltrecht
Folgende wichtige Entscheidungen wurden ab dem 12.01.2021 im Volltext bei ibr-online eingestellt
Online seit 24. Februar
IBRRS 2021, 0574
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 18.02.2021 - 1 LA 97/19
Ist einem klar und gradlinig begrenzten Siedlungsbereich ein einzelnes Wohnhaus in einigem Abstand (hier rund 90 m) vorgelagert, hat dieses nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich nicht am Bebauungszusammenhang des Siedlungsbereichs (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB) teil, wenn nicht im Einzelfall besondere Gründe dafür streiten.*)

Online seit 19. Februar
IBRRS 2021, 0534
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.11.2020 - 7 B 1499/20
Ein zweiter Rettungsweg muss auch im Brandfall funktionsfähig bleiben.

Online seit 17. Februar
IBRRS 2021, 0530
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.02.2021 - 2 B 1964/20
1. Das Wohnen in einem Mehrfamilienhaus (hier: 5-Familien-Haus) ist bauplanungsrechtlich hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht anders zu werten sei als das Wohnen in Ein- oder Zweifamilienhäusern. In beiden Fällen handelt es sich um in einem - entweder festgesetzten oder faktischen - reinen Wohngebiet zulässiges "Wohnen".
2. In bebauten innerstädtischen Gebieten müssen Nachbarn regelmäßig hinnehmen, dass Grundstücke innerhalb des baurechtlich vorgegebenen Rahmen genutzt werden, auch wenn es dadurch zu Einsichtsmöglichkeiten (selbst in Wohnräume) kommt, wie sie in einem bebauten Gebiet üblich sind.
3. Die im Rahmen einer genehmigten Nutzung einer Terrasse bzw. Dachterrasse typischerweise entstehenden Lebensäußerungen haben die Nachbarn regelmäßig zu dulden.

Online seit 15. Februar
IBRRS 2021, 0475
OVG Sachsen, Urteil vom 20.08.2020 - 1 A 1194/17
1. Ein Nachbar hat einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten, wenn die bauliche Anlage nicht durch eine wirksame Baugenehmigung gedeckt wird, die Anlage materiell rechtswidrig ist und ihn in seinen Rechten verletzt, der Nachbar seine Abwehrrechte nicht verwirkt hat und das Ermessen der Behörde auf Null reduziert ist.
2. Eine Wärmepumpe steht nicht mit materiellem Baurecht in Übereinstimmung, wenn sie zwar bauplanungsrechtlich zulässig ist, die erforderlichen Abstandsflächen zum Grundstück des Nachbarn aber nicht eingehalten werden.
3. Verstößt ein Vorhaben gegen nachbarschützende Vorschriften, ist ein Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde auf Antrag des Nachbarn geboten, wenn nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen, die ein Absehen vom Einschreiten rechtfertigen können. Das Ermessen ist beim Vorliegen eines Verstoßes gegen nachbarschützende Vorschriften nicht frei, sondern ein auf die Beseitigung der Störung gerichtetes sog. intendiertes Ermessen.

Online seit 12. Februar
IBRRS 2021, 0473
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.01.2021 - 3 S 3606/20
Die denkmalschutzrechtliche Generalklausel des § 7 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 DSchG-BW besteht unabhängig von der Befugnis der Bauaufsichtsbehörde, auf Grundlage von § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 LBO-BW konkrete Maßnahmen der Gefahrenabwehr vorzusehen. Mangels einer Subsidiaritätsklausel besteht zwischen beiden Rechtsgrundlagen eine „echte“ Normenkonkurrenz.*)

Online seit 29. Januar
IBRRS 2021, 0237
OLG Schleswig, Urteil vom 26.11.2020 - 7 U 61/20
1. Die Verkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers für den Bereich einer Baustelle kann nicht vollständig auf die bauausführende Firma übertragen werden. Es verbleiben eigene Aufsichts- und Überwachungspflichten.*)
2. Das Verweisungsprivileg aus § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB (subsidiäre Haftung) kommt bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten im Straßenraum grundsätzlich nicht zum Zuge.*)
3. Für die örtliche Zuständigkeit verschiedener Baulastträger untereinander wird grundsätzlich auf den Ort des Vorliegens der Straßenbeeinträchtigung abgestellt. Für Kreuzungen von Bundes- und Gemeindestraßen gilt, dass den Träger der höheren Straßengruppe (Land) die Unterhaltungspflicht für die Breite seiner Straße trifft und nur im Übrigen der Träger der kreuzenden Straße (Gemeinde) zuständig ist.*)
4. Die Warnfunktion eines Baustellenschilds gilt solange fort, bis sie entweder durch eine Beschilderung aufgehoben wurde oder der äußere Anblick der Straße eindeutig die Beendigung der Baustelle indiziert.*)
5. Die Verkehrssicherungspflicht erstreckt sich auch auf die Kontrolle ordnungsgemäßer Reinigungsarbeiten (hier die Beseitigung von Rollsplitt) nach Beendigung einer Baustelle. Es genügt nicht, im Zuge von Reinigungsarbeiten auf einer Landesstraße den vorhandenen Rollsplitt im Bereich von Einmündungen/Kreuzungen auf die benachbarte Gemeindestraße zu fegen. Ein Verweis des Landes auf die mangelnde örtliche Zuständigkeit für die in diesem Fall betroffene Gemeindestraße übersieht, dass es nicht um die Zustandshaftung für die Straße eines anderen Baulastträgers geht, sondern um die mangelhafte Kontrolle von Reinigungsarbeiten der eigenen Straße.*)

Online seit 28. Januar
IBRRS 2021, 0258
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.01.2021 - 8 B 548/20
1. Die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan hat nachbarschützende Funktion zu Gunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet. Ein Nachbar im Baugebiet kann sich dabei auch dann gegen die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung wenden, wenn er selbst durch sie nicht unzumutbar beeinträchtigt wird.
2. In Bezug auf die Gewährung von bauplanungsrechtlichem Nachbarschutz ist dem Eigentümer gleichzustellen, wer in eigentumsähnlicher Weise an einem Grundstück dinglich berechtigt ist, wie etwa der Inhaber eines Erbbaurechts.
3. Bauschuttrecyclinganlagen weisen im Hinblick auf den verursachten Lärm, Staub und Erschütterungen regelmäßig ein hohes Störpotential auf, das gegen ihre bauplanungsrechtliche Zulässigkeit in Gewerbegebieten spricht.
4. Bei der Gesamtbeurteilung des Störungspotentials als typisch oder atypisch kann auch von Bedeutung sein, ob die Betriebseinheiten, die in besonderem Maße zur Entstehung von erheblichen Belästigungen beitragen, eingehaust sind.
5. Verhaltensbezogene Auflagen sind dagegen regelmäßig nicht geeignet, eine atypische Betriebssituation zu begründen. Bei ihnen besteht das Risiko, dass Beschäftigte oder Dritte aus Unachtsamkeit oder Unwissen dagegen verstoßen, und für die Behörde besteht ein schwer lösbares Überwachungsproblem.

Online seit 27. Januar
IBRRS 2021, 0226
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2020 - 10 S 3000/18
1. Ein auf § 1 Abs. 2 LIFG gestütztes Informationsbegehren auf Einsicht in die Bauakten des Nachbargrundstücks, soweit diese Angaben zur Statik des Gebäudes enthalten, betrifft im Sinne des Artikels 4 Nr. 1 DS-GVO personenbezogene Daten der betroffenen Eigentümer des Nachbargrundstücks.*)
2. Bei der Abwägung nach § 5 Abs. 1 LIFG müssen die im Einzelfall kollidierenden Interessen identifiziert und konkretisiert sowie gewichtet und zueinander ins Verhältnis gesetzt werden; die behördliche Abwägungsentscheidung ist gerichtlich voll überprüfbar.*)
3. Der Gesetzgeber hat in § 5 Abs. 1 LIFG dem Datenschutz einen relativen Vorrang eingeräumt; zu dessen Überwindung muss das öffentliche Informationsinteresse überwiegen.*)
4. Für ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 LIFG an der ausnahmsweise zulässigen Offenbarung der an sich geschützten personenbezogenen Informationen genügt grundsätzlich weder das allgemeine, in § 1 Abs. 1 LIFG ausgedrückte öffentliche Interesse an einem „freien Zugang zu amtlichen Informationen“, noch das generelle (vom jeweiligen Einzelfall unabhängige) Interesse an einer öffentlichen Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.*)
5. Ist im Einzelfall das schutzwürdige Interesse der Betroffenen an einem Ausschluss des Zugangs zu ihren personenbezogenen Daten als sehr gering zu bewerten, so kann von einem überwiegenden öffentlichen Informationsinteresse ausgegangen werden, wenn Verdachtsmomente oder Unsicherheiten im Hinblick auf eine mögliche polizeiliche Gefahr vorliegen, die eine Aufklärung des Sachverhalts unter Berücksichtigung der begehrten Informationen als vernünftig erscheinen lassen.*)

Online seit 26. Januar
IBRRS 2021, 0202
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.11.2020 - 10 N 68/20
Rechtmäßig bestehende Gebäude im Sinne der abstandsflächenrechtlichen Privilegierung des § 6 Abs. 9 Satz 1 BauO-BE sind solche, die rechtmäßig errichtet wurden. Dies sind vorhandene Gebäude, die zu irgendeinem früheren Zeitpunkt formell aufgrund einer bauaufsichtlichen Genehmigung oder sonst im Einklang mit materiellem Recht legal errichtet wurden und daher Bestandsschutz genießen.*)

Online seit 25. Januar
IBRRS 2021, 0170
OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15.12.2020 - 8 A 10621/20
1. Die Bauaufsichtsbehörde kann eine Ausnahme von der Veränderungssperre zulassen, wenn überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Dabei sind mit öffentlichen Belangen diejenigen Gründe gemeint, die den Erlass der Veränderungssperre legitimiert haben, also das Interesse an der Sicherung der Planung.
2. Wurde im Planaufstellungsbeschluss das Ziel formuliert, im Plangebiet Bordelle und bordellähnliche Betriebe auszuschließen, kann ein solcher Betrieb nicht ausnahmsweise zugelassen werden.

Online seit 21. Januar
IBRRS 2021, 0169
VGH Bayern, Beschluss vom 02.11.2020 - 15 B 19.2210
1. Wurde ein Gebäude im Jahr 1912 baupolizeilich genehmigt und wurde die Baugenehmigung weder zurückgenommen noch widerrufen oder anderweitig aufgehoben, kommt wegen der formellen Rechtmäßigkeit des Gebäudes der Erlass einer Beseitigungsanordnung nicht in Betracht.
2. Das Bauordnungsrecht kennt keine Rechtspflicht zur Fortsetzung einer genehmigten Nutzung. Allein die (auch langjährige) Nichtweiterführung einer genehmigten Nutzung reicht daher in der Regel nicht aus, um auf eine „Erledigung“ der genehmigten Nutzung durch dauerhaften Verzichtswillen schließen zu können.
3. Die Wiederaufnahme einer genehmigten Nutzung bedarf auch im Falle einer Unterbrechung der Nutzung für einen längeren Zeitraum grundsätzlich keiner erneuten Genehmigung, solange kein „Verfall“ der baulichen Anlage festzustellen ist.

Online seit 18. Januar
IBRRS 2021, 0119
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 03.12.2020 - 2 L 41/19
1. Was als Grundstücksgrenze i.S.d. § 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BauO-SA anzusehen ist, bestimmt sich von dem Grundstück her, auf dem das Grenzgebäude errichtet werden soll.*)
2. Es bleibt offen, ob die Regelung des § 7 BauO-SA über die Teilung von Grundstücken entsprechend auf die Löschung einer Vereinigungsbaulast anzuwenden ist, wenn hierdurch rechtswidrige Verhältnisse entstehen.*)
