Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Hervorzuhebende Urteile zum Architekten- & Ingenieurrecht
In den letzten 30 Tagen wurden folgende wichtige Entscheidungen im Volltext bei ibr-online eingestellt
Online seit 10. September
IBRRS 2024, 2692OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.12.2021 - 23 U 81/21
1. Wer Auftraggeber und damit Vertragspartner des Architekten geworden ist (hier: Projektentwicklungsgesellschaft oder deren Tochtergesellschaft), bedarf einer Auslegung aller Umstände des Einzelfalls, wenn weder ein schriftlicher Vertrag existiert noch ein mündlicher Vertragsschluss behauptet wird. Der potenzielle Auftraggeber des Architekten hat, wenn die Unklarheiten in Bezug auf die Person des Auftraggebers aus seiner Sphäre stammen, eindeutige Verhältnisse zu schaffen.
2. Eine Beauftragung mit den Grundleistungen der Leistungsphasen 1 bis 4 kann darin zu sehen sein, dass der Auftraggeber diese Leistungen entgegennimmt und den Beginn der Leistungsphase 5 freigibt.
3. Ein Architekt, der sich zur Erstellung einer Genehmigungsplanung verpflichtet, schuldet als Werkerfolg eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung. Anderenfalls ist das Architektenwerk mangelhaft. Die Mangelhaftigkeit erfasst das gesamte Architektenwerk, das heißt auch die Leistungsphasen, die der Genehmigungsplanung vorausgehen.
4. Der Architekt hat zwar ein Recht zur Nachbesserung der nicht genehmigungsfähigen Planung. Eine Nachbesserung kommt aber nur in Betracht, wenn die Planung in der beantragten Form dauerhaft genehmigungsfähig hergestellt werden kann. Auf grundlegende Änderungen der Planung zwecks Herstellung der Genehmigungsfähigkeit muss der Auftraggeber sich nachträglich nicht einlassen.
5. Die Schlussrechnung eines Architekten muss zur Prüfbarkeit alle Angaben enthalten, die nach dem geschlossenen Vertrag und der HOAI für eine Überprüfung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit des Honorars unverzichtbar sind. Die Anforderungen richten sich nach dem Informations- und Kontrollinteressen des Auftraggebers, der in die Lage versetzt werden muss, die Richtigkeit der einzelnen Ansätze zu beurteilen. Hierzu gehören jedenfalls Angaben zu den anrechenbaren Kosten, zum Leistungsbild, zur Honorarzone, zur dazugehörigen Honorartafel und zu den erbrachten Leistungen einschließlich ihrer Bewertung.
VolltextOnline seit 5. September
IBRRS 2024, 2684OLG Schleswig, Urteil vom 17.07.2024 - 12 U 149/20
1. Die volle Vergütung für eine Leistungsphase kann auch dann geschuldet sein, wenn nicht alle Teilleistungen der jeweiligen Leistungsphase erbracht wurden. Denn ein funktionstaugliches, zweckentsprechendes Werk setzt nicht zwingend die Erbringung aller Teilleistungen voraus.
2. Eine Honorarminderung kommt nur in Betracht, wenn ein selbständiger Arbeitserfolg nicht erbracht wird und der Tatbestand einer Regelung des allgemeinen Leistungsstörungsrechts oder des werkvertraglichen Gewährleistungsrechts erfüllt ist.
3. Eine Fortschreibung der anrechenbaren Kosten aufgrund von allgemeinen Baupreissteigerungen oder Ausschreibungsergebnissen ist grundsätzlich nicht möglich. Bei der Berechnung der anrechenbaren Kosten ist auf denjenigen Planungsstand abzustellen, welcher der jeweils maßgebenden Kostenermittlung zugrunde zu legen ist.
4. Wird nach dem Abschluss der Entwurfsplanung und Vorliegen der Kostenberechnung vom Auftraggeber eine Kostenreduzierung gefordert oder ändert er seine Anforderungen an Qualität, Quantität oder Zeit und damit die Leistungsziele, kann dies nach § 10 HOAI zu einer Honoraranpassung führen.
5. In welchem Umfang der Architekt zu "optimieren" hat, also wie oft er Planungsleistungen nach unterschiedlichen Anforderungen im Sinne von Varianten/Alternativen vergütungsneutral erbringen muss, ist eine Frage des Einzelfalls und der Zumutbarkeitsgrenze. Als vergütungsfähige Änderungsleistungen sind insofern Planungsleistungen zu verstehen, die vom Architekten auf Veranlassung des Auftraggebers und nach vollständigem oder teilweisem Abschluss der Planung erbracht werden, ohne dass der Architekt dies zu vertreten hat.
6. Ein wichtiger Kündigungsgrund kann in einer schweren schuldhaften Verletzung oder einer sonstigen Zerstörung des vertraglichen Vertrauensverhältnisses bestehen, die eine Fortsetzung des Vertrages für den Auftraggeber unzumutbar macht. Ein vertragswidriges Verhalten des Auftragnehmers reicht regelmäßig noch nicht aus.
7. Allgemeine Geschäftskosten eines Architekturbüros stellen keine ersparten Aufwendungen dar, weil sie auch nach Kündigung eines Projektes weiter zu entrichten sind. Dazu gehören Gehälter der ständigen Mitarbeiter, Miete, Versicherungen, allgemeine Sachkosten des Bürobetriebs etc.
8. Ein anderweitiger Erwerb liegt nur dann vor, wenn der Architekt infolge der Kündigung einen Füllauftrag annehmen konnte.
VolltextOnline seit 2. September
IBRRS 2024, 2643OLG Schleswig, Urteil vom 28.08.2024 - 12 U 15/24
1. Bruchteilseigentümer können zu Zwecken der Errichtung eines Bauvorhabens mit anschließender Ferienwohnungsvermietung eine GbR errichten. Diese ist als Außen-GbR auch partei- und prozessfähig hinsichtlich der Geltendmachung von Ansprüchen gegen den von ihr mit der Planung und Bauüberwachung beauftragten Architekten.
2. Für die ordnungsgemäße Klagerhebung genügt die Bezeichnung des Namens der GbR, wenn eine ausreichende Identifizierung möglich ist. Die Bezeichnung der gesetzlichen Vertreter gehört nicht zum zwingenden Inhalt der Klageschrift.
3. Veräußern die Bruchteilseigentümer das Grundstück nebst Bauvorhaben, führt dies nicht zur Beendigung oder Auflösung der GbR, wenn der Zweck der Gesellschaft noch nicht erreicht ist. So, wenn von der GbR noch Gewährleitungsrechte verfolgt werden.
VolltextOnline seit 29. August
IBRRS 2024, 2634OLG Schleswig, Urteil vom 12.04.2024 - 1 U 66/22
1. Ein Architekt, der sich zur Erstellung einer Genehmigungsplanung verpflichtet, schuldet als Werkerfolg eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung. Daran fehlt es, wenn die Verwendung von Materialien entgegen der Baugenehmigung im Leistungsverzeichnis geplant wird und diese Materialien verbaut werden.
2. Wird ein Architekt (auch) mit der Objektbetreuung entsprechend der Leistungsphase 9 des § 33 HOAI 2009 beauftragt, muss ihm innerhalb des fünfjährigen Zeitraums nach der Abnahme auffallen, dass das verwendete Bodenbelags- und Dämmmaterial nicht der erteilten Baugenehmigung entsprach.
3. Ein Bauherr ist bei der Mängelbeseitigung nicht gehalten, die ursprüngliche Planung beizubehalten, um Schadensersatz in Höhe der Mängelbeseitigungskosten geltend machen zu können. Unter der Voraussetzung, dass dabei die Mängel beseitigt werden, kann er den Arbeiten eine abweichende Planung zu Grunde legen, etwa dem Bauwerk eine neue Gestaltung geben. Eine fiktive Schadensberechnung liegt nicht vor. Die Höhe des Schadensersatzes ist aber auf den Betrag beschränkt, der bei der Mängelbeseitigung nach der alten Planung angefallen wäre.*)
4. Es gehört zu den Pflichten des Architekten, dem Bauherrn im Rahmen seines jeweils übernommenen Aufgabengebiets bei der Untersuchung und Behebung von Baumängeln zur Seite zu stehen. Als Sachwalter des Bauherrn schuldet er die unverzügliche und umfassende Aufklärung der Ursachen sichtbar gewordener Baumängel sowie die sachkundige Unterrichtung des Bauherrn vom Ergebnis der Untersuchung und von der sich daraus ergebenden Rechtslage. Das gilt auch dann, wenn die Mängel ihre Ursache auch in Planungs- oder Aufsichtsfehlern des Architekten haben.
5. Verletzt der Architekt schuldhaft diese Untersuchungs- und Beratungspflicht, ist er dem Bauherrn zum Schadensersatz verpflichtet (sog. Sekundärhaftung). Dieser Schadensersatzanspruch geht dahin, dass die Verjährung der gegen ihn gerichteten werkvertraglichen Ansprüche als nicht eingetreten gilt.
6. Es spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Bauherr innerhalb der Verjährungsfrist verjährungshindernde Maßnahmen gegen den Architekten eingeleitet hätte, wenn dieser seine Untersuchungs- und Beratungspflicht erfüllt und den Bauherrn auf eine etwaige eigene Haftung hingewiesen hätte.
VolltextOnline seit 27. August
IBRRS 2024, 2622OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.09.2022 - 23 U 209/21
1. Bei der Objektüberwachung handelt es sich um eine besonders wichtige Aufgabe des Architekten. Der Architekt übernimmt die Verpflichtung, das Bauwerk frei von Mängeln entstehen zu lassen, und dadurch das ihm Zumutbare beizutragen.
2. An den Architekten sind bei der Erfüllung der Objektüberwachung erhebliche Anforderungen zu stellen. Die Aufsicht durch den Architekten selbst oder zuverlässiger Mitarbeiter ist daher stets erforderlich, wenn es sich um wichtige Bauvorgänge handelt, die für die Erreichung der Bauaufgabe von wesentlicher Bedeutung sind.
3. Bei der Ausführung von Dach- und Dachdeckerarbeiten, insbesondere bei den damit in Zusammenhang stehenden Abdichtungs- und Isolierungsarbeiten, handelt es sich um besonders gefahrenträchtige Arbeiten, die erfahrungsgemäß ein hohes Mängelrisiko aufweisen und die daher der erhöhten Aufmerksamkeit und intensiven Wahrnehmung der Bauaufsicht durch den bauüberwachenden Architekten bedürfen.
4. Schwer wiegende Ausführungsfehler muss der bauüberwachende Architekt bei ordnungsgemäßer Sichtkontrolle typischerweise erkennen bzw. erkennen können.
5. Liegen schwer wiegende Ausführungsfehler vor, spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine Überwachungspflichtverletzung des Architekten. In einem solchen Fall braucht der Bauherr nicht anzugeben, inwieweit es der Architekt im Einzelnen an der erforderlichen Überwachung hat fehlen lassen. Vielmehr ist es Sache des Architekten, den Beweis des ersten Anscheins dadurch auszuräumen, dass er seinerseits darlegt, was er an Überwachungsmaßnahmen geleistet hat.
VolltextOnline seit 22. August
IBRRS 2024, 2575LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.03.2024 - 7 Sa 56/23
1. Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis eines selbstständig Tätigen durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit des Verpflichteten. Die Begriffe der Weisungsgebundenheit und Fremdbestimmung sind eng miteinander verbunden und überschneiden sich teilweise.
2. Eine weisungsgebundene Tätigkeit ist in der Regel zugleich fremdbestimmt. Die Weisungsbindung ist das den Vertragstyp im Kern kennzeichnende Kriterium. Es kann, muss aber nicht gleichermaßen Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen.
3. Fehlt es an jedweder Weisungsgebundenheit, liegt in der Regel kein Arbeitsverhältnis vor.
4. Zur Beantwortung der Frage, ob ein technischer Systemplaner, der für ein Planungsbüro Entwürfe erstellt hat und in der Leistungsphase 3 nach HOAI in verschiedenen Projekten tätig war, über die der Auftraggeber abschließend "drüber geschaut" hat, in einem Arbeitsverhältnis stand oder als (selbstständiger) Subplaner tätig war.
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