Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Hervorzuhebende Urteile in allen Sachgebieten
In den letzten 30 Tagen wurden folgende wichtige Entscheidungen im Volltext bei ibr-online eingestellt
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IBRRS 2024, 2787OLG Hamm, Beschluss vom 04.07.2024 - 22 U 26/24
1. Es kann nach den stets zu prüfenden Umständen des Einzelfalls keinen Sachmangel i.S.v. § 434 BGB darstellen, wenn asbesthaltige Dachschindeln auf dem Mansardendach eines Bestandsgebäudes verbaut sind und weder eine Beschaffenheitsvereinbarung noch Beschaffenheitserwartung eine Asbestfreiheit begründen (Anschluss an BGH, Urteil vom 27.03.2009 - V ZR 30/08, IBRRS 2009, 1319 = IMR 2009, 216).*)
2. Von Notaren wiederholt verwendete, nicht von einer Vertragspartei vorgegebene Vertragsklauseln in notariellen Kaufverträgen über mit Bestandsimmobilien bebaute Grundstücke stellen regelmäßig keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen dar, weil keine Vertragspartei diese Vertragsbedingungen gem. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB gestellt hat.*)
3. Die Versicherung des Verkäufers in einem notariellen Vertrag, dass ihm versteckte Mängel nicht bekannt seien, stellt keine Beschaffenheitsvereinbarung oder Garantie dar. Sie verändert bei einem vereinbarten Gewährleistungsausschluss auch nicht die Darlegungs- und Beweislast für eine Arglist des Verkäufers (§ 444 BGB), die der Käufer trägt.*)
VolltextOnline seit gestern
IBRRS 2024, 2777OLG Saarbrücken, Urteil vom 06.08.2024 - 2 U 75/23
Ein auf den nachträglichen Einbau eines zu liefernden Batteriespeichers gerichteter Vertrag stellt im Regelfall einen Kaufvertrag mit Montageverpflichtung und keinen Werkvertrag dar.*)
VolltextIBRRS 2024, 2754
VG Magdeburg, Urteil vom 09.07.2024 - 3 A 159/22
1. Sind die Fördervoraussetzungen zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, hat sich das Verwaltungsgericht bei der Rechtmäßigkeitsprüfung darauf zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ggf. ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt.
2. Entscheidend ist allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist.
3. Der öffentliche Auftraggeber verstößt gegen die Zuwendungsbedingungen, wenn er auch Angebote solcher Bieter wertet, die nicht sämtliche der geforderten Umsatzzahlen mitgeteilt oder keine vollständige Verpflichtungserklärung zur Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen abgegeben haben. Selbiges gilt für denjenigen, der sich nach Vorlage einer abgelaufenen Unbedenklichkeitsbescheinigung der Berufsgenossenschaft unter Verstoß gegen das Nachforderungsverbot eine aktuelle Bescheinigung nachreichen lässt.
4. Das bestehende Ermessen kann mit Rücksicht auf die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Haushaltsführung in der Regel nur durch die (teilweise) Aufhebung des Zuwendungsbescheides fehlerfrei ausgeübt werden kann (sog. intendiertes Ermessen).
VolltextIBRRS 2024, 2745
LG München I, Urteil vom 14.03.2024 - 1 S 8212/23 WEG
1. Für Schäden, die aufgrund der Verweigerung notwendiger Instandsetzungsmaßnahmen durch die Gemeinschaft eingetreten sind, haften nur diejenigen Wohnungseigentümer, die im Rahmen der Abstimmung über die Durchführung einer erforderlichen Instandsetzungsmaßnahme nicht für die erforderliche Maßnahme gestimmt haben, sich enthalten haben oder an der Eigentümerversammlung gar nicht teilgenommen haben.
2. Allerdings haben die Wohnungseigentümer ein pflichtwidriges Abstimmungsverhalten grundsätzlich auch nur dann zu vertreten, wenn sie mit der Einberufung der Eigentümerversammlung in hinreichend deutlicher Weise über den Instandsetzungsbedarf des Gemeinschaftseigentums und den von seinem bestehenden Zustand ausgehenden Auswirkungen auf das Sondereigentum betroffener Wohnungseigentümer in Kenntnis gesetzt worden sind.
3. Der Verwalter ist verpflichtet, die für die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Ihm obliegt eine Kontrollpflicht hinsichtlich des Zustands des Gemeinschaftseigentums und eine Pflicht zur Unterrichtung der Wohnungseigentümer sowie zur Herbeiführung einer sachgerechten Beschlussfassung.
4. Die Frage der Vorbefassung ist als Zulässigkeitsvoraussetzung der Beschlussersetzungsklage von Amts wegen zu prüfen.
5. Eine Beschlussersetzungsklage ist nur dann begründet, wenn eine notwendige Beschlussfassung unterbleibt.
6. Dies ist dann der Fall, wenn die Eigentümergemeinschaft jedenfalls hinsichtlich des "Ob" der Maßnahme kein Ermessen mehr besitzt.
7. Tritt ein Eigentümer an die Gemeinschaft mit einem Schadensersatzanspruch heran, so kann sich diese zumindest dahingehend entscheiden, ob sie diesen durch Leistung in Geld oder durch Naturalrestitution erfüllen möchte. Sie kann zudem auch, jedenfalls in den Fällen, in denen der Anspruch nicht unbestreitbar und offensichtlich ist, eine gerichtliche Klärung über die Frage des Vorliegens des Anspruches herbeiführen wollen.
VolltextIBRRS 2024, 2732
LG Stuttgart, Urteil vom 01.08.2024 - 53 O 80/24
Kann die Existenz eines Geh- und Fahrrechts nachgewiesen werden und ist dieses durch eine behördliche Nutzungsuntersagung eingeschränkt, begründet dies einen Beseitigungsanspruch.
VolltextIBRRS 2024, 2770
LG Konstanz, Urteil vom 11.12.2023 - A 61 S 37/23
Die freie Beweiswürdigung gem. § 286 ZPO erlaubt es dem Gericht, auch allein aufgrund des Parteivortrags ohne Beweiserhebung festzustellen, was es für wahr oder unwahr erachtet.
VolltextOnline seit 17. September
IBRRS 2024, 2758OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.06.2023 - 21 U 191/22
1. Der Architekt kann selbst dann auf Grundlage der getroffenen Honorarvereinbarung abrechnen, wenn diese wegen Mindestsatzunterschreitung unwirksam sein sollte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich weder Architekt noch der Auftraggeber auf die Unwirksamkeit berufen.
2. Bei einer freien Kündigung trägt der Auftraggeber die Darlegungs- und Beweislast für die Vergütung der nicht erbrachten Leistungen. Da er die Interna des Architekten nicht kennt, trifft allerdings den Architekten die Erstdarlegungslast hinsichtlich der Ersparnis und des anderweitigen Erwerbs. Genügt er dieser nicht, führt dies zu einer endgültigen Klageabweisung.
3. Der Architekt muss darlegen, wie der voraussichtliche Projektablauf gewesen wäre, wenn er das Objekt vollends zu betreuen gehabt hätte. Er muss Angaben machen, wie lange sein Büro mit welchen Leistungen bei dem Projekt befasst gewesen wäre. Des Weiteren muss er zur Ersparnis vortragen.
4. Neben projektbezogenen Sachkosten können auch Personalkosten erspart werden, die der Architekt für das Projekt gehabt hätte, wenn der Auftrag nicht gekündigt worden wäre. Grundsätzlich liegt eine Ersparnis allerdings nur dann vor, wenn diese Personalkosten infolge der Kündigung nicht mehr anfallen. Das kann z.B. der Fall sein, wenn das Personal infolge der Kündigung nicht mehr eingestellt werden muss oder bei dem Architekten nicht mehr beschäftigt wird. Auch Überstundenausgleich muss sich der Architekt anrechnen lassen.
5. Dagegen ist es grundsätzlich keine Frage der ersparten Aufwendungen, wenn das Personal weiter beschäftigt wird und für andere Aufträge eingesetzt wird. Insoweit ist der Unternehmer gehalten, den durch den Einsatz des Personals erzielten anderweitigen Erwerb in Ansatz zu bringen.
6. Beim anderweitigen Erwerb muss nicht zu allen Aufträgen vorgetragen werden, die während der voraussichtlichen Projektlaufzeit des gekündigten Objekts entgegengenommen wurden. Erheblich sind nur solche, die gleichzeitig mit dem gekündigten Auftrag bei gleicher Besetzung des Büros nicht hätten bearbeitet werden können. Wenn es solche sog. "Füllaufträge" gibt, dann muss der Gewinn aus dem zusätzlichen Auftrag von der Restvergütung abgesetzt werden.
7. Um beurteilen zu können, ob es sich um Füllaufträge oder parallel neben dem ursprünglichen Auftrag zu bearbeitende Aufträge gehandelt hat, hat der Architekt zu dem Inhalt, dem Umfang, dem Volumen und dem zeitlichen Rahmen dieser Aufträge vorzutragen oder die schriftlichen Aufträge vorzulegen.
VolltextIBRRS 2024, 2751
VK Bund, Beschluss vom 25.04.2024 - VK 1-30/24
1. Bei der Eignungsprüfung trifft der öffentliche Auftraggeber die Prognoseentscheidung, ob der Bewerber in der Lage sein wird, den Auftrag ausschreibungskonform zu erbringen. Dabei steht ihm ein Beurteilungsspielraum zu, der im Nachprüfungsverfahren nur eingeschränkt überprüft werden kann.
2. Technische Planungsleistungen weisen eine personenbezogene Komponente auf, da deren erfolgreiche Ausführung von den Fähigkeiten der für die Planung eingesetzten Personen mitbestimmt wird.
3. Bei komplexen Planungsleistungen ist es nicht beurteilungsfehlerhaft, wenn der Auftraggeber zu dem Ergebnis kommt, dass die Übernahme einzelner Personen (hier: der vorgesehenen Projektleiter), die für ein anderes Unternehmen an vergleichbaren Projekten mitgearbeitet haben, nicht hinreichend die Eignung des Bieters für die ordnungsgemäße Ausführung des Auftrags belegt. Denn damit können die betriebsorganisatorischen Fähigkeiten und Kapazitäten eines Unternehmens, die für die Erfüllung komplexer Planungsaufgaben ebenfalls und unabhängig von einzelnen Personen erforderlich sind, nicht gleichgesetzt werden.
VolltextIBRRS 2024, 2637
VGH Bayern, Beschluss vom 13.09.2023 - 12 ZB 22.1814
1. Unbelasteter Bodenaushub unterfällt nicht dem subjektivem Abfallbegriff, wenn ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an die Stelle eines früheren tritt (hier: Herstellung eines Lärmschutzwalls).
2. Auch eine mehrjährige Verzögerung der Realisierung des neuen Zwecks lässt die neue Zweckbestimmung nicht ohne Weiteres entfallen.
VolltextOnline seit 16. September
IBRRS 2024, 2761OLG Schleswig, Urteil vom 24.07.2024 - 12 U 75/23
1. Ein Unternehmer kann grundsätzlich auch dann noch eine Bauhandwerkersicherung verlangen, wenn er nur noch Mängelbeseitigungsmaßnahmen vorzunehmen hat. Wird die Sicherheit nicht gestellt, ist der Unternehmer berechtigt, die Mängelbeseitigung zu verweigern.
2. Nach Beendigung des Nacherfüllungsstadiums besteht der Vergütungsanspruch des Unternehmers jedoch nur, soweit die Leistung mangelfrei erbracht wurde. Ist die Leistung mangelhaft, hat der Unternehmer nur Anspruch auf die um den Minderwert aufgrund der Mängel gekürzte Vergütung.
3. Dieser Minderwert ist zu ermitteln anhand der auf die mangelhaften Leistungen anteilig entfallenden Vergütung, die gem. § 287 ZPO zu schätzen ist.
4. Nach Beendigung des Nacherfüllungsstadiums kann eine Nacherfüllung und folglich auch ein Vorschuss zur Mängelbeseitigung vom Besteller nicht mehr verlangt werden kann.
VolltextIBRRS 2024, 2741
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.03.2023 - Verg 24/22
1. Die Angebotswertung hat anhand der vom Auftraggeber bekanntgemachten Zuschlags- und Unterkriterien einschließlich deren Gewichtung zu erfolgen.
2. Es steht dem öffentlichen Auftraggeber frei, ein Ausschlusskriterium für den Fall zu formulieren, dass von den Bietern eine bestimmte Mindestpunktzahl nicht erreicht wird. Der Inhalt eines solchen Ausschlusskriteriums muss - ebenso wie die Vergabeunterlagen insgesamt - hinreichend klar und eindeutig formuliert sein.
3. Die Zuschlagsentscheidung muss im Vergabenachprüfungsverfahren überprüfbar sein. Die Nachprüfungsinstanzen müssen anhand der Dokumentation der Wertungsentscheidung die Einhaltung der Bewertungsgrundsätze nachvollziehen können und daraufhin kontrollieren, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wurde, keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen sind und allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet wurden.
4. Vor allem dann, wenn der Auftraggeber sich eines aus Preis und qualitativen Aspekten zusammengesetzten Kriterienkatalogs bedient, bei dem die Angebote hinsichtlich der Qualitätskriterien mittels eines Benotungssystems bewertet werden und die Bewertungsmethode des Preises nur enge Kompensationsmöglichkeiten für qualitative Abzüge erwarten lässt, muss der Auftraggeber seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind.
VolltextIBRRS 2024, 2763
OLG Dresden, Beschluss vom 12.08.2024 - 4 U 862/24
1. Bei Erstellung eines fristgebundenen Schriftsatzes hat der Rechtsanwalt auch dann die durch seine Kanzleikraft zuvor vorgenommene Fristberechnung zu überprüfen, wenn er im Home-Office tätig ist und ihm die papiergebundene Handakte dort nicht vorliegt.*)
2. Unterlässt er eine solche Prüfung, kommt eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist nicht in Betracht.*)
VolltextIBRRS 2024, 2762
BFH, Beschluss vom 27.08.2024 - VIII B 74/23
1. Wird ein Terminaufhebungs- oder -verlegungsantrag schriftlich oder per E-Mail gestellt, ist er nicht formunwirksam, wenn er nicht über das besondere elektronische Steuerberaterpostfach beim Gericht eingereicht wird (Bestätigung Beschluss des BFH vom 23.04.2024 - VIII B 31/23, IBRRS 2024, 1719 = IMRRS 2024, 0726).*)
2. Auch bei wiederholten Anträgen auf Terminverlegung aus gesundheitlichen Gründen kann die Ankündigung des Gerichts, bei weiteren Anträgen im Rahmen der Glaubhaftmachung nur noch eine amtsärztliche Begutachtung zu akzeptieren, unverhältnismäßig sein, wenn der weitere Terminverlegungsantrag auf eine neue unvorhersehbare Erkrankung (hier: Verletzungen aufgrund eines Sturzes) gestützt wird.*)
VolltextOnline seit 13. September
IBRRS 2024, 2699OLG Hamm, Urteil vom 10.07.2024 - 12 U 80/22
1. Ein nach allgemeinem Leistungsstörungsrecht bestehender Anspruch auf Schadensersatz neben der Leistung, der auf den Ersatz von Mangelfolgeschäden gerichtet ist, kann schon vor der Abnahme geltend gemacht werden.
2. Ein Werk ist auch dann mangelhaft, wenn es die vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion nur deshalb nicht erfüllt, weil die vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Leistungen anderer Unternehmer, von denen die Funktionsfähigkeit des Werks abhängt, unzureichend sind.
3. Der Unternehmer ist dann nicht für den Mangel seines Werks verantwortlich, wenn dieser auf Vorleistungen anderer Unternehmer zurückzuführen ist und der Unternehmer seine Prüf- und Hinweispflicht erfüllt hat.
4. Der Rahmen der Prüf- und Hinweispflicht und ihre Grenzen ergeben sich aus dem Grundsatz der Zumutbarkeit, wie sie sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalls darstellt. Was hiernach zu fordern ist, bestimmt sich in erster Linie durch das vom Unternehmer zu erwartende Fachwissen und durch alle Umstände, die für den Unternehmer bei hinreichend sorgfältiger Prüfung als bedeutsam erkennbar sind.
5. Der Auftraggeber schuldet dem Unternehmer grundsätzlich keine Bauaufsicht und muss sich daher ein Überwachungsverschulden der von ihm eingesetzten Bauleitung nicht anspruchsmindernd als Mitverschulden zurechnen lassen.
6. Auch mangelhafte Leistungen des Vorunternehmers sind dem Auftraggeber regelmäßig nicht im Wege des Mitverschuldens zuzurechnen, weil der Vorunternehmer nicht als Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers einzustufen ist.
VolltextIBRRS 2024, 2735
OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.05.2023 - 22 U 161/22
1. Ein anwaltliches Empfangsbekenntnis beweist das angegebene Zustellungsdatum. Dadurch ist der Beweis, dass das zuzustellende Schriftstück den Adressaten tatsächlich zu einem anderen Zeitpunkt erreicht hat, allerdings nicht ausgeschlossen.
2. Nicht ausreichend ist aber eine bloße Erschütterung der Richtigkeit der Angaben im Empfangsbekenntnis. Vielmehr muss die Beweiswirkung vollständig entkräftet, mit anderen Worten jede Möglichkeit der Richtigkeit der Empfangsbestätigung ausgeschlossen werden (BGH, Beschluss vom 07.10.2021 - IX ZB 41/20, IBRRS 2021, 3389), wobei allerdings an den Gegenbeweis keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen (BGH, Beschluss vom 14.10.2008 - VI ZB 23/08, IBRRS 2008, 3251).
VolltextOnline seit 12. September
IBRRS 2024, 2738OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.07.2021 - 23 U 108/20
1. Ein bloßer Hinweis auf die VOB/B reicht bei privaten Bauherren für deren Einbeziehung nicht ohne Weiteres aus.
2. Trotz des funktionalen Mangelbegriffs liegt kein Mangel des Werks vor, wenn dem Besteller die Funktionseinschränkung der vereinbarten Ausführung des Werks bekannt ist und er sich in Kenntnis der Funktionseinschränkung eigenverantwortlich dennoch für diese Ausführung entschieden hat.
3. Eine solche konkludente Risikoübernahme setzt grundsätzlich voraus, dass der Unternehmer den Besteller über das bestehende Risiko aufgeklärt und der Besteller sich rechtsgeschäftlich mit der Risikoübernahme einverstanden erklärt hat. Sie kann entbehrlich sein, wenn der Besteller sich des übernommenen Risikos und seiner Tragweite ohnehin bewusst ist.
4. Beauftragt der Besteller einen Sachverständigen mit der Prüfung und Begutachtung etwaiger Mängel, sind die entstehenden Kosten ersatzfähig, wenn der Besteller diese Aufwendungen für erforderlich halten durfte bzw. der Auftrag auch zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war. Dabei sind Privatgutachterkosten grundsätzlich auch dann vom Unternehmer zu erstatten, wenn das Gutachten teilweise unzutreffende Feststellungen enthält.
VolltextIBRRS 2024, 1034
BVerfG, Beschluss vom 26.02.2024 - 2 BvR 51/24
Die Aussetzung der Zwangsvollstreckung aus einem Räumungstitel gegen mehrere Vollstreckungsschuldner kommt durch einstweilige Anordnung in Betracht, wenn für einen dieser Schuldner bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde eine Verschlechterung seiner Demenzerkrankung droht und sein alleiniger Verbleib in der Wohnung ohne Hilfe der übrigen Vollstreckungsschuldner nicht möglich ist.
VolltextOnline seit 11. September
IBRRS 2024, 2720KG, Urteil vom 27.08.2024 - 21 U 128/23
1. Ordnet der Besteller eines VOB-Vertrags gegenüber dem Unternehmer an, seine Leistung vollständig oder in Teilen nicht zur vertraglich vorgesehenen Zeit, sondern später zu erbringen, und ist dem Besteller dabei erkennbar, dass dem Unternehmer dadurch Mehrkosten entstehen können, so liegt hierin eine "andere Anordnung" im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B, die eine Mehrvergütung zugunsten des Unternehmers auslösen kann.*)
2. Dies kann grundsätzlich auch dann gelten, wenn sich die Anordnung der Zeitverschiebung nicht auf den Zeitpunkt der Leistung selbst, sondern auf Vorbereitungshandlungen bezieht.*)
3. Grundlage des Mehrvergütungsanspruchs aus § 2 Abs. 5 VOB/B sind die Mehr- oder Minderkosten M, die dem Unternehmer durch die Anordnung des Bestellers tatsächlich entstanden sind.*)
4. Im Fall der zeitlichen Verschiebung der Ausführungszeit durch Anordnung gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B ergibt sich M als die Differenz zwischen den Kosten, die die Klägerin aufgrund der Verschiebung tatsächlich aufwenden musste (Kosten neu = Kosten N) und denjenigen, die ihr ohne die Verschiebung entstanden wären (Kosten alt = Kosten A).*)
5. Hingegen kann die Mehrvergütung nicht unter Außerachtlassung der Kosten A allein auf Grundlage der tatsächlichen Kosten N zuzüglich eines angemessenen Zuschlags ermittelt werden.*)
VolltextIBRRS 2024, 2017
LG Magdeburg, Urteil vom 24.05.2024 - 2 O 157/24
Die Schenkung und Übertragung des Miteigentumsanteils an einem Grundstück aus dem Schuldnervermögen ist eine anfechtbare Rechtshandlung gem. § 1Abs. 1AnfG, wenn dadurch die Befriedigungshandlung beeinträchtigt und der Gläubiger objektiv benachteiligt ist.
VolltextIBRRS 2024, 2718
OLG Hamm, Beschluss vom 06.06.2024 - 18 W 32/23
Wird im Laufe eines Verfahrens der Rechtsstreit teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt, ist der auf den erledigten Teil der Hauptsache entfallende Kostenwert nach der sog. Mehrkostenmethode zu ermitteln. Es ist eine auf den Zeitpunkt der Teilerledigung bezogene Differenzrechnung anzustellen.
VolltextOnline seit 10. September
IBRRS 2024, 2692OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.12.2021 - 23 U 81/21
1. Wer Auftraggeber und damit Vertragspartner des Architekten geworden ist (hier: Projektentwicklungsgesellschaft oder deren Tochtergesellschaft), bedarf einer Auslegung aller Umstände des Einzelfalls, wenn weder ein schriftlicher Vertrag existiert noch ein mündlicher Vertragsschluss behauptet wird. Der potenzielle Auftraggeber des Architekten hat, wenn die Unklarheiten in Bezug auf die Person des Auftraggebers aus seiner Sphäre stammen, eindeutige Verhältnisse zu schaffen.
2. Eine Beauftragung mit den Grundleistungen der Leistungsphasen 1 bis 4 kann darin zu sehen sein, dass der Auftraggeber diese Leistungen entgegennimmt und den Beginn der Leistungsphase 5 freigibt.
3. Ein Architekt, der sich zur Erstellung einer Genehmigungsplanung verpflichtet, schuldet als Werkerfolg eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung. Anderenfalls ist das Architektenwerk mangelhaft. Die Mangelhaftigkeit erfasst das gesamte Architektenwerk, das heißt auch die Leistungsphasen, die der Genehmigungsplanung vorausgehen.
4. Der Architekt hat zwar ein Recht zur Nachbesserung der nicht genehmigungsfähigen Planung. Eine Nachbesserung kommt aber nur in Betracht, wenn die Planung in der beantragten Form dauerhaft genehmigungsfähig hergestellt werden kann. Auf grundlegende Änderungen der Planung zwecks Herstellung der Genehmigungsfähigkeit muss der Auftraggeber sich nachträglich nicht einlassen.
5. Die Schlussrechnung eines Architekten muss zur Prüfbarkeit alle Angaben enthalten, die nach dem geschlossenen Vertrag und der HOAI für eine Überprüfung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit des Honorars unverzichtbar sind. Die Anforderungen richten sich nach dem Informations- und Kontrollinteressen des Auftraggebers, der in die Lage versetzt werden muss, die Richtigkeit der einzelnen Ansätze zu beurteilen. Hierzu gehören jedenfalls Angaben zu den anrechenbaren Kosten, zum Leistungsbild, zur Honorarzone, zur dazugehörigen Honorartafel und zu den erbrachten Leistungen einschließlich ihrer Bewertung.
VolltextIBRRS 2024, 2608
AG Frankfurt/Main, Urteil vom 25.04.2024 - 33067 C 42/23
1. Ist vertraglich geregelt, dass die Kaution in drei monatlichen Teilzahlungen zu zahlen ist und die erste Teilzahlung zu Beginn des Mietverhältnisses fällig ist, bedarf es keiner Mahnung, um Zahlungsverzug herbeizuführen.
2. Ist im Mietvertrag eine Einzugsermächtigung für die Miete vereinbart, aber weiter geregelt, dass die Kaution direkt auf ein Kautionskonto zu zahlen ist, kommt der Mieter bei Nichtzahlung in Verzug. Er kann sich nicht darauf berufen, der Vermieter hätte die Kaution selbst einziehen müssen.
VolltextIBRRS 2024, 2611
VG Freiburg, Urteil vom 11.07.2024 - 4 K 1957/23
1. Sieht eine städtische Abfallwirtschaftssatzung die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Abfallgebührenschuldner - hier u. a. Mieter als Wohnungsnutzer und Vermieter als Wohnungseigentümer - sowie die vorrangige Heranziehung eines Gesamtschuldners - hier des tatsächlichen Wohnungsnutzers - vor, erfordert dies nicht das Ergreifen von Vollstreckungsmaßnahmen gegen den vorrangig heranzuziehenden Gebührenschuldner.*)
2. Gebührengläubiger haben bei einer Gesamtschuldnerschaft für Kommunalabgaben grundsätzlich alle Möglichkeiten zur Durchsetzung des Abgabenanspruches zu nutzen und dürfen von der Inanspruchnahme eines - weiteren - Gesamtschuldners nicht allein schon deswegen absehen, weil für diesen Gesamtschuldner Schwierigkeiten bei der Realisierung seines Ausgleichsanspruchs im Innenverhältnis zu befürchten stehen.*)
3. Bittet ein Gesamtschuldner um die eigene vorrangige Heranziehung, um die Gebühren sodann im Innenverhältnis selbst zeitnah mit anderen Gesamtschuldnern abzurechnen - zum Beispiel in einem Mietverhältnis über die Nebenkostenabrechnung -, muss die Gebührenschuldnerin in ordnungsgemäßer Ermessensausübung regelmäßig eben diese Person vorrangig heranziehen.*)
4. Alle Gebührenschuldner haben aus dem allgemeinen Rechtssatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in Zusammenhang mit dem öffentlich-rechtlichen Gebührenschuldverhältnis einen Auskunftsanspruch über das Bestehen und die Höhe der Gebührenschuld.*)
VolltextOnline seit 9. September
IBRRS 2024, 2702BGH, Urteil vom 11.07.2024 - VII ZR 127/23
1. Fordert der Besteller eine Werklohnvorauszahlung zurück, nachdem der Unternehmer Leistungen erbracht hat, muss der Besteller schlüssig die Voraussetzungen eines Saldoüberschusses aus einer Schlussabrechnung vortragen. Ausreichend ist eine Abrechnung, aus der sich ergibt, in welcher Höhe der Besteller Voraus- und Abschlagszahlungen geleistet hat und dass diesen Zahlungen ein entsprechender endgültiger Vergütungsanspruch des Unternehmers nicht gegenübersteht. Der Besteller kann sich auf den Vortrag beschränken, der bei zumutbarer Ausschöpfung der ihm zur Verfügung stehenden Quellen seinem Kenntnisstand entspricht. Hat der Besteller nach diesen Grundsätzen ausreichend vorgetragen, muss der Unternehmer darlegen und beweisen, dass er berechtigt ist, die Voraus- und Abschlagszahlungen endgültig zu behalten (Bestätigung von BGH, Urteil vom 11.02.1999 - VII ZR 399/97, IBRRS 2024, 2702; Urteil vom 24.01.2002 - VII ZR 196/00, IBR 2002, 235; Urteil vom 22.11.2007 - VII ZR 130/06, IBR 2008, 98).*)
2. Welcher Vortrag vom Besteller im Fall der Abrechnung eines gekündigten Pauschalpreisvertrags ohne Detailpreisverzeichnis unter zumutbarer Ausschöpfung der ihm zur Verfügung stehenden Quellen verlangt werden kann, um eine Werklohnvorauszahlung zurückzufordern, richtet sich nach den Gesamtumständen, insbesondere nach dem Inhalt des Vertrags und vorvertraglicher Absprachen. Kennt der Besteller die Kalkulation des Unternehmers nicht und kann er nicht aufgrund anderer Umstände das vertragliche Preisniveau darstellen, obliegt dem Unternehmer insoweit die Darlegungslast.*)
3. Diese Darlegungslastverteilung gilt in einem Rechtsstreit zwischen dem Besteller und einem Bürgen, der sich verpflichtet hat, für einen Anspruch auf Rückzahlung der Werklohnvorauszahlung einzustehen, entsprechend. Der Bürge kann den Besteller nicht darauf verweisen, entsprechende Informationen beim Unternehmer einzufordern.*)
VolltextIBRRS 2024, 2710
VK Südbayern, Beschluss vom 04.04.2024 - 3194.Z3-3_01-23-68
1. Im Streitfall über die Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB muss die Vergabestelle den Nachweis der Tatbestandsvoraussetzungen des Ausschlussgrunds führen, nämlich dass eine erhebliche oder fortdauernde Schlechtleistung zur Kündigung oder einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat. Es genügt nicht, dass der Auftraggeber gekündigt hat, es muss vielmehr mit hinreichender Sicherheit feststehen, dass dies auch zu Recht erfolgt ist.*)
2. Im Nachprüfungsverfahren gilt der insbesondere in § 167 GWB verankerte Beschleunigungsgrundsatz. Die Vergabekammer bzw. der -senat ist daher nicht gehalten, die Rechtmäßigkeit der streitigen Kündigung selbst im Wege einer vollumfänglichen Inzidentprüfung mit unter Umständen langwieriger Beweisaufnahme wie in einem Bauprozess zu klären. Vielmehr hat die Vergabekammer anhand des Vorbringens der Beteiligten und der eingereichten Unterlagen zu prüfen, ob der öffentliche Auftraggeber den Nachweis der Tatbestandsvoraussetzungen des Ausschlussgrunds auch mit hinreichender Sicherheit führen kann.*)
3. Einem Unternehmen kann sein Verhalten bei Erfüllung eines öffentlichen Auftrags als Mitglied einer Bietergemeinschaft, an die ein Auftrag vergeben wurde, im Rahmen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB zugerechnet werden, wenn ihm ein individueller Beitrag zu den während der Vertragsausführung auftretenden Mängeln zugerechnet werden kann und dieses individuelle Verhalten fehlerhaft oder fahrlässig war.*)
4. Hat ein Auftragnehmer mit rechtlichen Schritten gedroht oder solche unternommen, die er zu diesem Zeitpunkt aufgrund einer noch ungeklärten Rechtslage für zulässig halten konnte, so ist bei der Prognoseentscheidung im Rahmen einer Ausschlussentscheidung vom öffentlichen Auftraggeber zu Gunsten des Auftragnehmers zu prüfen und zu berücksichtigen, ob dieser einer vertretbaren Rechtsauffassung folgte.*)
VolltextIBRRS 2024, 2715
OVG Niedersachsen, Urteil vom 07.08.2024 - 1 KN 161/21
1. Auch im Anwendungsbereich des § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB sind die Grundflächen mehrerer Bebauungspläne, die in einem engen sachlichen, räumlichen und zeitlichen Zusammenhang aufgestellt werden, mitzurechnen.*)
2. Auch mit Bebauungsplänen, die im Normalverfahren aufgestellt werden, kann ein Zusammenhang mit der Folge bestehen, dass die zulässigen Grundflächen zu addieren sind und das beschleunigte Verfahren nicht anwendbar ist.*)
VolltextIBRRS 2024, 2469
AG Norden, Urteil vom 10.01.2024 - 5 C 2018/23
1. Ein Beschluss über den Rückbau einer vermeintlich nicht genehmigten baulichen Veränderung genügt möglicherweise dem Bestimmtheitsgebot nicht.
2. Dieses Risiko besteht insbesondere dann, wenn nicht jedem objektiven Dritten unmissverständlich einleuchtet, welche konkreten Maßnahmen vom einzelnen Eigentümer erwartet werden.
VolltextIBRRS 2024, 2712
OLG Celle, Urteil vom 31.07.2024 - 14 U 104/23
1. Nach dem Zweck des § 531 Abs. 2 ZPO soll der entscheidungsrelevante Sach- und Streitstoff bereits in erster Instanz vollständig unterbreitet werden. Mit dieser Zweckbestimmung wäre es grundsätzlich nicht vereinbar, das Bestreiten einer in erster Instanz noch unstreitig gestellten Tatsache in der Berufungsinstanz zuzulassen, nachdem die gegnerische Partei ihrerseits das neue Vorbringen bestritten hat (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO).*)
2. Für die Erstreckung der Interventionswirkung in subjektiver Hinsicht auf Rechtsnachfolger der im Vorprozess Beteiligten gilt § 325 ZPO entsprechend. Nach § 325 Abs. 1 ZPO wirkt das rechtskräftige Urteil u. a. für und gegen die Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind. Hierunter fällt auch der Übergang des materiellen Rechts kraft Gesetzes, wie im vorliegenden Fall nach § 86 VVG.*)
3. Für die Eigenschaft einer mit Wischarbeiten in einem Hotel beschäftigten Reinigungskraft als Erfüllungsgehilfe im Rahmen eines Dienstvertrags (§ 278 Satz 1 Alt. 2, § 611 BGB) des mit der Säuberung der Hotelräumlichkeiten beauftragten Reinigungsunternehmens kommt es nicht entscheidend auf das Bestehen etwaiger (arbeits-)vertraglicher Beziehungen zwischen ihnen beiden an. Denn die Art der zwischen dem Schuldner und dem Erfüllungsgehilfen bestehenden rechtlichen Beziehung ist gleichgültig.*)
4. Maßgeblich ist allein, dass der Erfüllungsgehilfe als Hilfsperson nach den tatsächlichen Verhältnissen objektiv für den Schuldner tätig geworden ist, dass also der Schuldner sich im eigenen Interesse eines Dritten zur Erfüllung seiner eigenen Pflichten bedient hat.*)
VolltextOnline seit 5. September
IBRRS 2024, 2684OLG Schleswig, Urteil vom 17.07.2024 - 12 U 149/20
1. Die volle Vergütung für eine Leistungsphase kann auch dann geschuldet sein, wenn nicht alle Teilleistungen der jeweiligen Leistungsphase erbracht wurden. Denn ein funktionstaugliches, zweckentsprechendes Werk setzt nicht zwingend die Erbringung aller Teilleistungen voraus.
2. Eine Honorarminderung kommt nur in Betracht, wenn ein selbstständiger Arbeitserfolg nicht erbracht wird und der Tatbestand einer Regelung des allgemeinen Leistungsstörungsrechts oder des werkvertraglichen Gewährleistungsrechts erfüllt ist.
3. Eine Fortschreibung der anrechenbaren Kosten aufgrund von allgemeinen Baupreissteigerungen oder Ausschreibungsergebnissen ist grundsätzlich nicht möglich. Bei der Berechnung der anrechenbaren Kosten ist auf denjenigen Planungsstand abzustellen, welcher der jeweils maßgebenden Kostenermittlung zu Grunde zu legen ist.
4. Wird nach dem Abschluss der Entwurfsplanung und Vorliegen der Kostenberechnung vom Auftraggeber eine Kostenreduzierung gefordert oder ändert er seine Anforderungen an Qualität, Quantität oder Zeit und damit die Leistungsziele, kann dies nach § 10 HOAI zu einer Honoraranpassung führen.
5. In welchem Umfang der Architekt zu "optimieren" hat, also wie oft er Planungsleistungen nach unterschiedlichen Anforderungen im Sinne von Varianten/Alternativen vergütungsneutral erbringen muss, ist eine Frage des Einzelfalls und der Zumutbarkeitsgrenze. Als vergütungsfähige Änderungsleistungen sind insofern Planungsleistungen zu verstehen, die vom Architekten auf Veranlassung des Auftraggebers und nach vollständigem oder teilweisem Abschluss der Planung erbracht werden, ohne dass der Architekt dies zu vertreten hat.
6. Ein wichtiger Kündigungsgrund kann in einer schweren schuldhaften Verletzung oder einer sonstigen Zerstörung des vertraglichen Vertrauensverhältnisses bestehen, die eine Fortsetzung des Vertrags für den Auftraggeber unzumutbar macht. Ein vertragswidriges Verhalten des Auftragnehmers reicht regelmäßig noch nicht aus.
7. Allgemeine Geschäftskosten eines Architekturbüros stellen keine ersparten Aufwendungen dar, weil sie auch nach Kündigung eines Projekts weiter zu entrichten sind. Dazu gehören Gehälter der ständigen Mitarbeiter, Miete, Versicherungen, allgemeine Sachkosten des Bürobetriebs etc.
8. Ein anderweitiger Erwerb liegt nur dann vor, wenn der Architekt infolge der Kündigung einen Füllauftrag annehmen konnte.
VolltextIBRRS 2024, 2682
OLG Celle, Beschluss vom 27.08.2024 - 13 Verg 3/24
Wenn eine gemeinnützige GmbH, die ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie betreibt, Erlöse aus Krankenhausleistungen, Wahlleistungen und ambulanten Leistungen erzielt, handelt es sich nicht um eine öffentliche Finanzierung im Sinne des § 99 Nr. 2 a GWB, sondern um Entgelte für spezifische Gegenleistungen für die Behandlung von Patienten.*)
VolltextIBRRS 2024, 2677
OLG Naumburg, Urteil vom 29.01.2024 - 12 U 75/23
1. Bebauungsvorschriften, die nachbarschützenden Charakter besitzen, stellen gleichzeitig Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB dar.*)
2. Die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 2 BauO-SA zur Standsicherheit hat nachbarschützende Wirkung.*)
3. Sie gilt nicht nur für die Errichtung, sondern auch für den Abriss einer baulichen Anlage.*)
VolltextOnline seit 4. September
IBRRS 2024, 2680BGH, Urteil vom 25.07.2024 - VII ZR 84/21
Die durch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22.08.2013 (IBR 2014, 49) veranlasste ergänzende Vertragsauslegung im Verhältnis des leistenden Bauunternehmers zum Leistungsempfänger (Bauträger) wird nicht dadurch beeinflusst, dass es - etwa wegen eingetretener Festsetzungsverjährung - nicht mehr zu einer Steuerfestsetzung kommen wird und der Bauunternehmer daher keine Umsatzsteuer mehr an den Fiskus abführen muss.*)
VolltextIBRRS 2024, 2676
OLG Rostock, Beschluss vom 18.07.2024 - 17 Verg 1/24
1. Das Absehen von der Losaufteilung kommt nur dann in Betracht, wenn sich der Auftraggeber im Einzelnen mit dem grundsätzlichen Gebot der Fachlosvergabe einerseits und den im konkreten Fall dagegen sprechenden Gründen auseinandersetzt und sodann eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange trifft, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden technischen und wirtschaftlichen Gründe überwiegen müssen. Objektiv zwingender Gründe für die zusammenfassende Vergabe bedarf es demgegenüber nicht.*)
2. Bei der Prognose der Vor- und Nachteile der Losvergabe, deren Gewichtung und der Abwägung steht dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu.*)
3. Bei der Abwägung der für und gegen die Losaufteilung sprechenden Gründe sind die typischen Vor- und Nachteile mit der vom Gesetzgeber vorgegebenen Gewichtung zu berücksichtigen und um die im Einzelfall bestehenden Besonderheiten zu ergänzen.*)
Online seit 3. September
IBRRS 2024, 2647OLG Frankfurt, Urteil vom 20.06.2024 - 15 U 230/22
1. Nur eine zulässige Streitverkündung führt zum Eintritt der Verjährungshemmung.
2. Eine Streitverkündungsschrift ist ein bestimmender Schriftsatz, so dass der Schriftsatz ein Rubrum enthalten soll.
3. Zur Annahme der Wirksamkeit einer Streitverkündung ist zumindest erforderlich, dass identifizierbar ist, wer Partei des Prozesses ist, dem beigetreten werden soll und wer die streitverkündende Partei ist.
VolltextOnline seit 2. September
IBRRS 2024, 2643OLG Schleswig, Urteil vom 28.08.2024 - 12 U 15/24
1. Bruchteilseigentümer können zu Zwecken der Errichtung eines Bauvorhabens mit anschließender Ferienwohnungsvermietung eine GbR errichten. Diese ist als Außen-GbR auch partei- und prozessfähig hinsichtlich der Geltendmachung von Ansprüchen gegen den von ihr mit der Planung und Bauüberwachung beauftragten Architekten.
2. Für die ordnungsgemäße Klagerhebung genügt die Bezeichnung des Namens der GbR, wenn eine ausreichende Identifizierung möglich ist. Die Bezeichnung der gesetzlichen Vertreter gehört nicht zum zwingenden Inhalt der Klageschrift.
3. Veräußern die Bruchteilseigentümer das Grundstück nebst Bauvorhaben, führt dies nicht zur Beendigung oder Auflösung der GbR, wenn der Zweck der Gesellschaft noch nicht erreicht ist. So, wenn von der GbR noch Gewährleitungsrechte verfolgt werden.
VolltextOnline seit 30. August
IBRRS 2024, 2399OLG Köln, Beschluss vom 08.05.2023 - 17 U 70/22
1. Der Unternehmer kann eine Bauhandwerkersicherheit unabhängig davon verlangen, ob Ansprüche auf Vergütung oder Abschlagszahlung fällig sind.
2. Das Sicherungsverlangen ist nicht an eine bestimmte Form gebunden. Dass mit dem Sicherungsverlangen nicht zugleich die Kostenübernahme angeboten wird, ist ebenso unschädlich wie der Umstand, dass die Art der Sicherheit offengelassen wird.
3. Ein überhöhtes Sicherheitsverlangen begründet nicht dessen Unwirksamkeit. Vielmehr ist es dann grundsätzlich am Besteller, eine angemessene Sicherheit zu leisten.
4. Das Verlangen einer Bauhandwerkersicherheit ist nicht wegen Übersicherung unwirksam, wenn der Unternehmer zuvor im Wege der einstweiligen Verfügung die Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek erwirkt hat. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Hypothek vollwertig ist.
5. ...
VolltextOnline seit 29. August
IBRRS 2024, 2634OLG Schleswig, Urteil vom 12.04.2024 - 1 U 66/22
1. Ein Architekt, der sich zur Erstellung einer Genehmigungsplanung verpflichtet, schuldet als Werkerfolg eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung. Daran fehlt es, wenn die Verwendung von Materialien entgegen der Baugenehmigung im Leistungsverzeichnis geplant wird und diese Materialien verbaut werden.
2. Wird ein Architekt (auch) mit der Objektbetreuung entsprechend der Leistungsphase 9 des § 33 HOAI 2009 beauftragt, muss ihm innerhalb des fünfjährigen Zeitraums nach der Abnahme auffallen, dass das verwendete Bodenbelags- und Dämmmaterial nicht der erteilten Baugenehmigung entsprach.
3. Ein Bauherr ist bei der Mängelbeseitigung nicht gehalten, die ursprüngliche Planung beizubehalten, um Schadensersatz in Höhe der Mängelbeseitigungskosten geltend machen zu können. Unter der Voraussetzung, dass dabei die Mängel beseitigt werden, kann er den Arbeiten eine abweichende Planung zu Grunde legen, etwa dem Bauwerk eine neue Gestaltung geben. Eine fiktive Schadensberechnung liegt nicht vor. Die Höhe des Schadensersatzes ist aber auf den Betrag beschränkt, der bei der Mängelbeseitigung nach der alten Planung angefallen wäre.*)
4. Es gehört zu den Pflichten des Architekten, dem Bauherrn im Rahmen seines jeweils übernommenen Aufgabengebiets bei der Untersuchung und Behebung von Baumängeln zur Seite zu stehen. Als Sachwalter des Bauherrn schuldet er die unverzügliche und umfassende Aufklärung der Ursachen sichtbar gewordener Baumängel sowie die sachkundige Unterrichtung des Bauherrn vom Ergebnis der Untersuchung und von der sich daraus ergebenden Rechtslage. Das gilt auch dann, wenn die Mängel ihre Ursache auch in Planungs- oder Aufsichtsfehlern des Architekten haben.
5. Verletzt der Architekt schuldhaft diese Untersuchungs- und Beratungspflicht, ist er dem Bauherrn zum Schadensersatz verpflichtet (sog. Sekundärhaftung). Dieser Schadensersatzanspruch geht dahin, dass die Verjährung der gegen ihn gerichteten werkvertraglichen Ansprüche als nicht eingetreten gilt.
6. Es spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Bauherr innerhalb der Verjährungsfrist verjährungshindernde Maßnahmen gegen den Architekten eingeleitet hätte, wenn dieser seine Untersuchungs- und Beratungspflicht erfüllt und den Bauherrn auf eine etwaige eigene Haftung hingewiesen hätte.
VolltextIBRRS 2024, 2629
BVerwG, Beschluss vom 23.07.2024 - 4 B 20.23
1. Das allgemeine Rechtsstaatsprinzip verlangt für die hinreichende Bestimmtheit einer Baugenehmigung, dass sie Inhalt, Reichweite und Umfang der getroffenen Regelung eindeutig erkennen lässt, damit der Bauherr die Bandbreite der für ihn zulässigen Nutzungen und Drittbetroffene das Maß der für sie aus der Baugenehmigung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können.
2. Eine dem Bestimmtheitsgebot genügende Regelung muss der Baugenehmigung selbst, gegebenenfalls durch Auslegung, entnommen werden können, wobei die mit einem Zugehörigkeitsvermerk versehenen Bauvorlagen bei der Ermittlung des objektiven Erklärungsinhalts der Baugenehmigung heranzuziehen sind.
3. Ist der Regelungsgehalt einer Baugenehmigung - auch durch Auslegung - nicht eindeutig feststellbar, ist sie rechtswidrig.
VolltextIBRRS 2024, 2599
AG Gelnhausen, Urteil vom 04.03.2024 - 52 C 76/24
Der Grundstückseigentümer kann von dem Nachbarn bereits die Unterlassung der Überwachung seines Grundstücks verlangen, wenn es möglich ist, dass diese das Grundstück erfassen oder auf dieses geschwenkt werden kann.*)
VolltextIBRRS 2024, 2534
OLG Koblenz, Beschluss vom 09.02.2022 - 2 U 619/21
1. Die Verjährung wird u. a. durch die Erhebung der Klage auf Feststellung des Anspruchs gehemmt. Gegenstand der Klage muss das Bestehen eines Anspruchs und nicht lediglich die Feststellung eines diesem zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses sein.
2. Der Versicherer kann vor seiner Leistung nicht auf Feststellung seines (künftigen) Anspruchs klagen, sondern nur auf Feststellung der Ersatzpflicht des Schädigers gegenüber dem Versicherungsnehmer. Denn der Anspruchsübergang nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG findet nur statt, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt.
3. Das festzustellende Rechtsverhältnis muss nicht unmittelbar zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestehen, vielmehr ist jedes zwischen einer Partei und einem Dritten bestehende Rechtsverhältnis einer Feststellung zugänglich, wenn und soweit die Klagepartei gerade gegenüber dem Beklagten ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung nachzuweisen vermag.
4. Mit der Klage auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses zwischen dem Schädiger und dem Versicherungsnehmer (hier: Schadensersatzanspruch) werden nicht nur sämtliche Schadensersatzansprüche des Versicherungsnehmers, sondern auch die zu einem späteren Zeitpunkt auf den Versicherer übergegangenen Ansprüche gehemmt.
5. Das Feststellungsinteresse des Versicherers kann in der Hemmung der Verjährung begründet liegen.
VolltextOnline seit 28. August
IBRRS 2024, 2619OLG Schleswig, Urteil vom 03.07.2024 - 12 U 63/22
1. Bei einer Dusche in einer Nische ist die Breite von erheblicher Bedeutung für die Benutzung. Eine Abweichung zwischen Planung (87 cm lichte Breite) und Ausführung (79,4 cm lichte Breite) von ca. 10% stellt sich als so erheblich dar, dass sie nicht mehr im Rahmen bauüblicher Toleranzen liegt.
2. Der Unternehmer kann die Mängelbeseitigung wegen Unverhältnismäßigkeit verweigern, wenn nach den Umständen des Einzelfalls ein objektiv geringes Interesse des Bestellers an einer mangelfreien Werkleistung einem ganz erheblichen und vergleichsweise unangemessenen Kostenaufwand gegenübersteht (hier bejaht für die Ausführung eines Drempels in 1,57 m Höhe statt der vereinbarten 1,70 m Höhe).
VolltextIBRRS 2024, 2627
OLG Düsseldorf, Urteil vom 03.07.2024 - 18 U 63/23
1. Ist ein Vertrag von Anfang an unwirksam, weil der Auftraggeber entweder gegen seine Informations- und Wartepflicht verstoßen hat oder einen öffentlichen Auftrag unmittelbar an ein Unternehmen erteilt, ohne andere Unternehmen am Vergabeverfahren zu beteiligen und ohne dass dies aufgrund Gesetzes gestattet ist, steht dem Auftraggeber ein Anspruch auf Rückzahlung einer an den Unternehmer gezahlten sog. Ausgleichszahlung zu, wenn der Vergaberechtsverstoß in einem Vergabenachprüfungsverfahren festgestellt worden ist.
2. Der Anspruch des öffentlichen Auftraggebers auf Rückerstattung ist mit dem objektiven Wert der vom Unternehmer im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vertrags erbrachten Leistungen zu verrechnen, wenn der Auftraggeber die erlangten Leistungen wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht herausgeben kann.
3. Zur Schätzung des Werts erbrachter Verkehrsdienstleistungen.
IBRRS 2024, 2448
AG Frankfurt/Main, Urteil vom 12.07.2024 - 33052 C 89/24
1. Ein defektes und daher offenstehendes Ausfahrtstor der Tiefgarage stellt einen Mangel dar, der eine Minderung zu 50% rechtfertigt, da ein funktionierendes Tor ein Mehr an Sicherheit für die abgestellten Fahrzeuge gewährleistet.
2. Dies gilt ungeachtet dessen, dass es sich um eine Tiefgarage für eine Vielzahl von Fahrzeugen mit einer Vielzahl von Nutzern handelt. Denn bei abgeschlossenem Tor kann eben nicht jeder sich ungehindert Zugang verschaffen.
3. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob es in dem Zeitraum, in dem die Tiefgarage offenstand, tatsächlich zu Eigentumsdelikten gekommen ist oder nicht. Denn bereits die erhöhte Gefahr hierfür stellt einen Mangel dar.
VolltextIBRRS 2024, 2581
AG München, Urteil vom 17.05.2024 - 1295 C 19815/23 WEG
1. Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschlussersetzungsklage besteht nur dann, wenn zuvor versucht wurde, eine Entscheidung der Wohnungseigentümerversammlung als dem primär zuständigen Beschlussorgan zu erreichen.
2. Die "Beseitigung" des Negativbeschlusses ist keine Voraussetzung für eine erfolgreiche Beschlussersetzungsklage.
3. Eine Ermessensentscheidung gem. § 44 WEG darf das Selbstbestimmungsrecht der Wohnungseigentümer nur insoweit beschränken, wie dies aufgrund der zu regelnden Angelegenheit und zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes unbedingt nötig ist. Das Gericht hat deshalb immer vorrangig zu prüfen, ob und auf welche Weise es den Wohnungseigentümern - unter Beachtung des Rechtsschutzinteresses des Klägers - ermöglicht werden kann, noch selbst in eigener Verantwortung eine Entscheidung zu treffen.
4. Sofern eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums durch einen Eigentümer ohne einen Beschluss der Gemeinschaft erfolgt ist, hat jeder Miteigentümer unabhängig von einer Beeinträchtigung einen Anspruch darauf, dass die Gemeinschaft sich mit der Situation befasst und im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung ihr Ermessen sachgerecht ausübt.
VolltextOnline seit 27. August
IBRRS 2024, 2622OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.09.2022 - 23 U 209/21
1. Bei der Objektüberwachung handelt es sich um eine besonders wichtige Aufgabe des Architekten. Der Architekt übernimmt die Verpflichtung, das Bauwerk frei von Mängeln entstehen zu lassen, und dadurch das ihm Zumutbare beizutragen.
2. An den Architekten sind bei der Erfüllung der Objektüberwachung erhebliche Anforderungen zu stellen. Die Aufsicht durch den Architekten selbst oder zuverlässiger Mitarbeiter ist daher stets erforderlich, wenn es sich um wichtige Bauvorgänge handelt, die für die Erreichung der Bauaufgabe von wesentlicher Bedeutung sind.
3. Bei der Ausführung von Dach- und Dachdeckerarbeiten, insbesondere bei den damit in Zusammenhang stehenden Abdichtungs- und Isolierungsarbeiten, handelt es sich um besonders gefahrenträchtige Arbeiten, die erfahrungsgemäß ein hohes Mängelrisiko aufweisen und die daher der erhöhten Aufmerksamkeit und intensiven Wahrnehmung der Bauaufsicht durch den bauüberwachenden Architekten bedürfen.
4. Schwer wiegende Ausführungsfehler muss der bauüberwachende Architekt bei ordnungsgemäßer Sichtkontrolle typischerweise erkennen bzw. erkennen können.
5. Liegen schwer wiegende Ausführungsfehler vor, spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine Überwachungspflichtverletzung des Architekten. In einem solchen Fall braucht der Bauherr nicht anzugeben, inwieweit es der Architekt im Einzelnen an der erforderlichen Überwachung hat fehlen lassen. Vielmehr ist es Sache des Architekten, den Beweis des ersten Anscheins dadurch auszuräumen, dass er seinerseits darlegt, was er an Überwachungsmaßnahmen geleistet hat.
VolltextIBRRS 2024, 2475
BGH, Beschluss vom 26.06.2024 - VII ZR 195/22
1. Das Gericht ist zur Gewährung des Anspruchs auf rechtliches Gehör u. a. verpflichtet, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen - und soweit er eine zentrale Frage des Verfahrens betrifft - zu bescheiden.
2. Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung des Gerichts nur den Schluss zulässt, das sie auf einer allenfalls den Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht.
3. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt auch dann vor, wenn das Gericht die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben (hier bejaht).
VolltextOnline seit 26. August
IBRRS 2024, 2508OLG Stuttgart, Urteil vom 18.09.2023 - 10 U 15/23
1. Wird der Auftragnehmer mit der Herstellung des Kanalanschlusses, der Versorgungsanschlüsse, des Revisionsschachts sowie der zugehörigen Erdarbeiten beauftragt, umfasst seine werkvertragliche Herstellungspflicht den Bau einer durchgehenden, funktionstüchtigen Grundleitung von der Hausaußenkante bis zum öffentlichen Abwasserkanal und zwar ohne Unterscheidung, von welchen weiteren Nutzern das Abwasserrohr oder Teilstrecken davon noch benutzt wird.
2. Die Funktionsfähigkeit kann schon dann beeinträchtigt und das Werk mangelhaft sein, wenn das Risiko eines Gefahreintritts besteht. Der Auftragnehmer muss daher eine Grundleitung, die ausschließlich für das Nachbargebäude angelegt wird, so errichten, dass Gefahren aus dieser Leitung für die Entwässerung des Auftraggebers ausgeschlossen werden.
3. Das Gericht darf und muss sich nach § 286 ZPO für die Gewinnung der vollen Überzeugung von der Wahrheit behaupteter Tatsachen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Eine mathematische, jede Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ausschließende, von niemandem mehr anzweifelbare Gewissheit ist nicht erforderlich. Rein theoretische und lediglich spekulative Möglichkeiten können für die Überzeugungsbildung keine maßgebliche Bedeutung haben.
VolltextOnline seit 23. August
IBRRS 2024, 2572OLG Frankfurt, Urteil vom 26.10.2022 - 29 U 62/21
1. Die Klausel in einem vom Bauträger vorformulierten Bauträgervertrag, wonach der Erwerber dem Bauträger bei Überschreitung des vereinbarten Fertigstellungstermins eine angemessene Nachfrist von zumindest zwei Monaten schriftlich zu setzen hat, ist intransparent und benachteiligt den Erwerber angesichts des kalendarisch bestimmten Leistungszeitpunkts unangemessen.
2. Um einen Annahmeverzug des Erwerbers mit einer fertig gestellten Leistung darzulegen, muss der Bauträger vortragen, wann welcher Leistungsstand erreicht wurde. Der Vortrag, die Leistung sei abnahmereif, reicht jedenfalls dann nicht aus, wenn der Erwerber durch Privatgutachten zahlreiche Mängel der Bauleistung dokumentiert hat.
3. Im Bauträgervertrag trägt der Bauträger das Baugrundrisiko. Wird das Bauvorhaben nicht termingerecht fertig gestellt, entlastet das Vorhandensein von felsigem Baugrund den Bauträger deshalb nicht.
IBRRS 2024, 2516
LG Berlin II, Urteil vom 16.05.2024 - 64 S 198/22
1. Zweck des Schriftformerfordernisses nach § 550 BGB ist es nicht, dem Erwerber durch die Urkunde selbst Gewissheit darüber zu verschaffen, ob der Vertrag besteht, sondern lediglich darüber, wie die Vertragsbedingungen lauten, in die er eintritt, falls der Vertrag besteht.
2. Eine Mietvertragsergänzung dahin, dass eine Eigenbedarfskündigung ausgeschlossen wird, ist kein Vertrag zu Lasten Dritter (hier Erwerber). Denn die Mietvertragsergänzungsvereinbarung begründet lediglich vertragliche Pflichten der Mietvertragsparteien. Die Rechte und Pflichten des Erwerbers ergeben sich erst aufgrund der Rechtsnachfolge nach § 566 BGB, nicht unmittelbar durch die vertragliche Regelung.
4. Ein Recht zur regelmäßigen (anlasslosen) Wohnungsbesichtigung kann dem Vermieter nicht zugebilligt werden.
5. Eine Wohnungsbesichtigung setzt stets einen besonderen Anlass des Vermieters zur Besichtigung voraus, der dem Interesse des Mieters auf Ungestörtheit in der von ihm angemieteten Wohnung im Einzelfall vorgeht.
6. Eigenbedarf berechtigt nicht zur Besichtigung der Räume durch den nutzungswilligen Familienangehörigen. Es obliegt dem wegen Eigenbedarfs Kündigenden, sich über die Frage der Eignung der Wohnung für die Zwecke des Eigenbedarfs schon vor der Eigenbedarfskündigung Gedanken zu machen.
7. Nachteilige Veränderungen des Dekorationszustands des Mietobjekts bzw. durch den vertragsgemäßen Gebrauch ausgelöste Substanzveränderungen, die durch einen vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache durch den Mieter hervorgerufen wurden, muss der Mieter nur dann beseitigen, wenn er sich wirksam zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet hat oder bei einer ungewöhnlichen Dekoration der Mieträume, mit der der Vermieter nicht zu rechnen brauchte und die eine Verletzung von Rücksichtnahmepflichten gegenüber dem Vermieter darstellt.
8. Ein Aufkleber an einem Fenster, Blümchen-Vinyltapete an den Wänden sowie ein großer Aufkleber und fünf Haken am Fliesenspiegel in der Küche sind kein atypisches Nutzungsverhalten des Mieters.
VolltextOnline seit 22. August
IBRRS 2024, 2575LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.03.2024 - 7 Sa 56/23
1. Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis eines selbstständig Tätigen durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit des Verpflichteten. Die Begriffe der Weisungsgebundenheit und Fremdbestimmung sind eng miteinander verbunden und überschneiden sich teilweise.
2. Eine weisungsgebundene Tätigkeit ist in der Regel zugleich fremdbestimmt. Die Weisungsbindung ist das den Vertragstyp im Kern kennzeichnende Kriterium. Es kann, muss aber nicht gleichermaßen Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen.
3. Fehlt es an jedweder Weisungsgebundenheit, liegt in der Regel kein Arbeitsverhältnis vor.
4. Zur Beantwortung der Frage, ob ein technischer Systemplaner, der für ein Planungsbüro Entwürfe erstellt hat und in der Leistungsphase 3 nach HOAI in verschiedenen Projekten tätig war, über die der Auftraggeber abschließend "drüber geschaut" hat, in einem Arbeitsverhältnis stand oder als (selbstständiger) Subplaner tätig war.
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