Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Aktuelle Urteile in allen Sachgebieten
Online seit 22. April
IBRRS 2024, 1281OLG Nürnberg, Urteil vom 20.06.2023 - 6 U 3395/22
1. Sofern ein gemeinsames Aufmaß nicht vorliegt und infolge Nacharbeiten ein solches auch nicht mehr genommen werden kann, genügt der Auftragnehmer für den Umfang der erbrachten Leistungen seiner Darlegungslast, wenn er Tatsachen vorträgt, die dem Gericht die Möglichkeit eröffnen, gegebenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen die für die Errichtung des Bauvorhabens angefallene Mindestvergütung zu schätzen. Zur Darlegung genügt grundsätzlich die Vorlage der Schlussrechnung mit dem Beweisantritt durch Sachverständigengutachten.
2. Hat der Auftraggeber die einseitig ermittelten Massen des Auftragnehmers bestätigt und ist aufgrund nachfolgender Arbeiten eine Überprüfung dieser Mengen nicht mehr möglich, muss der Auftraggeber zum Umfang der von ihm zugestandenen Mengen vortragen und beweisen, dass diese nicht zutreffen.
3. Die Berechtigung des Auftraggebers, den noch nicht vollendeten Teil der Leistung zu Lasten des Auftragnehmers durch einen Dritten ausführen zu lassen, setzt eine schriftliche Kündigung voraus.
4. Zur Ermittlung der kündigungsbedingten Fertigstellungsmehrkosten muss der darlegungs- und beweisbelastete Auftraggeber von seinen aufgewendeten Ersatzvornahmekosten den Werklohnanspruch des Auftragnehmers abziehen, den dieser bei vollständiger Erfüllung erhalten hätte, da der Auftraggeber diese Kosten "sowieso" gehabt hätte.
5. Der Auftraggeber muss über die Fertigstellungsmehrkosten prüfbar abrechnen und den Auftragnehmer in die Lage versetzen, die vom Auftraggeber aufgewendeten Kosten seinen ursprünglich geschuldeten Leistungen zuzuordnen und dabei zu prüfen, welche Einheitspreise bzw. Mengen und Massen abgerechnet wurden oder ob zusätzliche oder geänderte Leistungen bzw. Mängelbeseitigungsarbeiten vorlagen. Sofern der Auftraggeber den Drittunternehmer auf Stundenbasis für die Restarbeiten beauftragt, schließt dies zwar eine Erstattungsfähigkeit der Mehrkosten nicht aus. Allerdings ist eine prüfbare Abrechnung der Mehrkosten damit regelmäßig nicht möglich.
VolltextIBRRS 2024, 1329
LG Frankenthal, Urteil vom 25.01.2024 - 7 O 13/23
1. Ein Energieberatungsvertrag über die Beratung in fachlicher Hinsicht zu den Möglichkeiten der energetischen Modernisierung des Objekts, deren Wirtschaftlichkeit und Förderungsfähigkeit sowie die Unterstützung bei der Fördermittelbeantragung ist kein Werkvertrag, sondern eine entgeltliche Geschäftsbesorgung.
2. Ein Architekt, der bei energetischen Gebäudesanierungen seinen Auftraggeber nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch zum Erhalt von Fördermitteln berät, muss für Schäden einstehen, wenn er die Fördervoraussetzungen fehlerhaft einschätzt.
3. Die beratende Tätigkeit eines Architekten zur Erlangung der (persönlichen) eigentumsmäßigen Voraussetzungen zur Erlangung der Förderfähigkeit ist eine unzulässige Rechtsdienstleistung.
4. Der Architekt wie auch der Energieberater muss den Auftraggeber darauf hinweisen, dass ihm eine rechtsberatende Tätigkeit nicht erlaubt ist und sich der Auftraggeber insoweit an einen Rechtsanwalt zu wenden hat.
VolltextIBRRS 2024, 1334
OLG Brandenburg, Urteil vom 21.03.2024 - 12 U 195/22
1. Ein öffentlicher Auftrag ist im sog. Oberschwellenbereich von Anfang an unwirksam, wenn dem öffentlichen Auftraggeber ein Vergabeverstoß gem. § 134 GWB oder § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB vorzuwerfen ist und dieser Verstoß in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt worden ist, wobei die Geltendmachung in einem Nachprüfungsverfahren nicht später als sechs Monate nach Vertragsschluss erfolgen darf.
2. Im Anwendungsbereich der Unterschwellenvergabeverordnung (UVgO) ist ein Verstoß gegen Vergaberechtsvorschriften nach der Erteilung des Auftrags unbeachtlich.
VolltextIBRRS 2024, 1271
VGH Bayern, Urteil vom 11.03.2024 - 15 N 23.83
Ein Plangeber, der ein Mischgebiet festsetzt, muss zumindest sicher voraussehen, dass sich in dem fraglichen Gebiet eine solche Durchmischung einstellt. Ist eine solche Entwicklung nicht zu erreichen, weil die bebaubare Fläche zu klein ist und im Eigentum eines einzigen Eigentümers mit konträren Bauabsichten steht und auch die getroffenen Festsetzungen eher dagegen sprechen, dass sich im Plangebiet Nutzungen im Sinne des § 6 Abs. 2 BauNVO in nennenswertem Umfang verwirklichen können, stellt die Festsetzung des Mischgebiets einen städtebaulich nicht gerechtfertigten "Etikettenschwindel" dar.*)
VolltextIBRRS 2024, 1319
LG Berlin II, Beschluss vom 11.03.2024 - 67 S 289/23
1. Bei der gerichtlichen Überprüfung einer Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB erfordert die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "erheblich" nicht anders als bei § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB die Berücksichtigung und Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Dazu zählen nicht nur die "grundsätzlichen", sondern auch die konkreten Interessen des Mieters am Fortbestand des Mietverhältnisses (Anschluss an BVerfG, Beschluss vom 12.11.2003 - 1 BvR 1424/02, ZMR 2004, 95).*)
2. Zur Berücksichtigung fehlender Bemühungen des Vermieters um Abmilderung der - sozialen und wirtschaftlichen - Kündigungsfolgen durch Unterbreitung eines an den Mieter gerichteten und bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unwiderruflichen Angebots zur Anmietung von Ersatzwohnraum.*)
VolltextIBRRS 2024, 0992
AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 12.01.2024 - 980b C 21/23 WEG
1. Ein Rechtsschutzbedürfnis auf Änderung des Versammlungsprotokolls ist nur gegeben, wenn die Protokollberichtigung das Ziel hat, die Auslegung von Beschlüssen zu beeinflussen.
2. Das Versammlungsprotokoll dient nicht dazu, Erklärungen Einzelner, die für einen Wohnungseigentümer in eigener Sache Beweisrelevanz und/oder -wert haben könnten, zu dokumentieren.
VolltextIBRRS 2024, 1311
BGH, Urteil vom 15.03.2024 - V ZR 224/22
Die Verjährungsfrist für synallagmatisch verbundene Ansprüche aus einem Vertragsverhältnis beginnt erst mit der Fälligkeit des jeweiligen Anspruchs. Für den Anspruch des Käufers auf Eigentumsverschaffung an einem Grundstück, der nach den vertraglichen Bedingungen nicht sofort fällig ist, beginnt die Verjährungsfrist nicht schon mit Vertragsschluss, sondern erst mit der Fälligkeit. Erst dann ist der Eigentumsverschaffungsanspruch im Sinne von § 200 BGB entstanden (Abgrenzung zu Senat, Urteil vom 19.06.2006 - V ZR 40/05, IBRRS 2006, 1813 = IMRRS 2006, 1126 = NJW 2006, 2773).*)
VolltextIBRRS 2024, 1318
LG Mannheim, Urteil vom 20.10.2023 - 14 O 14/23
Händler dürfen ein Produkt (hier Türschloss) nicht mit einem Testurteil der Stiftung Warentest bewerben, wenn dieses durch die Stiftung Warentest aufgrund der Produktwarnung des BSI wegen bekanntgewordener Sicherheitslücken des Produkts zurückgezogen worden ist.
VolltextIBRRS 2024, 1252
OLG Köln, Beschluss vom 13.10.2023 - 4 W 31/23
1. Der Gläubiger einer vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidung ist berechtigt, alle von der Rechtsordnung gebilligten Handlungen zur Herbeiführung und zum Nachweis eines Eintritts des Annahmeverzugs des Titelschuldners vorzunehmen.
2. Der Nachweis des Annahmeverzugs kann auch im Rahmen einer einheitlichen Urkunde erfolgen, in der nicht nur das Angebot des Titelgläubigers enthalten ist (§ 294 BGB), sondern die Erklärung des Titelschuldners durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht beurkundet wird; dies gilt jedenfalls dann, wenn sichergestellt ist, dass ein über den Eintritt des Annahmeverzugs und dessen urkundlichen Nachweis hinausgehender Nachteil nicht zu besorgen ist.
3. Es kann dahinstehen, ob ein Auftreten als Vertreter ohne Vertretungsmacht eine Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 677 BGB ist und eine Pflichtverletzung aus einem Schuldverhältnis begründet. Jedenfalls führt eine Beurkundung zum Zweck des Nachweises des Annahmeverzugs nicht zu einem Eingriff in schutzwürdige Rechte in Gestalt einer Vermögenseinbuße oder deren Gefährdung.
VolltextIBRRS 2024, 1330
OLG Hamm, Urteil vom 06.03.2024 - 12 U 127/22
1. Ist ein Zivilgericht aufgrund von Indizien davon überzeugt, dass die Parteien eine sog. Ohne-Rechnung-Abrede getroffen haben, hat es die daraus folgende Nichtigkeit gem. § 134 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG auch dann von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn die Parteien übereinstimmend vortragen, eine solche Abrede habe es nicht gegeben.*)
2. Die Dispositionsmaxime des Zivilrechts findet in den Fällen ihre Grenze, in denen die Parteien gemeinsam vorsätzlich gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen. Die Folgen dieses Verstoßes können nicht durch übereinstimmenden wahrheitswidrigen Parteivortrag umgangen werden.*)
3. Es ist den Parteien nicht möglich, die Folgen des Gesetzes mit Hilfe zivilprozessualer Vorschriften nachträglich zu umgehen, wenn ein Zivilgericht von den Tatsachen überzeugt ist, die einen Verstoß gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG begründen.*)
VolltextIBRRS 2024, 1233
LG Itzehoe, Beschluss vom 24.05.2023 - 11 T 46/22
Bei der Anfechtungsklage gegen einen Nichtbeschluss beschränkt sich die gerichtliche Prüfung auf die Feststellung, dass ein Beschluss nicht gefasst wurde. Eine auch nicht potentielle inhaltliche Prüfung des von dem "Nichtbeschluss" erfassten Streitgegenstands erfolgt nicht. Damit ist lediglich der Mindeststreitwert anzusetzen.
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