Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Hervorzuhebende Urteile in allen Sachgebieten
Folgende wichtige Entscheidungen wurden ab dem 10.10.2025 im Volltext bei ibr-online eingestellt
Online seit heute
IBRRS 2025, 2654
OLG Stuttgart, Urteil vom 12.08.2025 - 10 U 149/24
1. Haben die Parteien eines VOB-Bauvertrags sich darauf geeinigt, dass die vertraglichen Leistungen nach Einheitspreisen abzurechnen sind (Einheitspreisvertrag), ist auch die Vergütung für geänderte oder ergänzende Werkleistungen grundsätzlich nach Einheitspreisen abzurechnen.*)
2. Das gilt auch dann, wenn die Parteien im Bauvertrag vorsorglich Taglohnarbeiten dem Grunde nach ohne Zuordnung einer Bauleistung vereinbart haben; diese betreffen bei einem Einheitspreisvertrag lediglich ergänzende zusätzlichen Arbeiten in einem geringen Umfang, bei denen der Stunden- und/oder Material- und Geräteaufwand schwer abschätzbar ist.*)

IBRRS 2025, 2637

OLG Dresden, Beschluss vom 28.08.2025 - Verg 1/25
1. Das objektive Fehlen von Wettbewerb aus technischen Gründen ist vom öffentlichen Auftraggeber darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.
2. Vor einer Vergabe ohne Wettbewerb bedarf es einer belastbaren Prüfung des Auftraggebers, ob alternative wettbewerbliche Lösungen unter Einbeziehung bekannter Bewerber oder Bieter im Wege eines Mini-Wettbewerbs in Betracht kommen. Wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass noch weitere Unternehmen für die Auftragsdurchführung in Frage kommen, muss ausgeschrieben werden.
3. Eine wirksame, freiwillige ex-ante-Transparenzbekanntmachung setzt unter anderem voraus, dass der öffentliche Auftraggeber bei seiner Bewertung, den Auftrag ohne vorherige Bekanntmachung vergeben zu dürfen, sorgfältig gehandelt hat und ob er insofern der Ansicht sein durfte, dass die (in einer Ausnahmevorschrift) hierfür geltenden Voraussetzungen tatsächlich erfüllt waren (hier verneint).

Online seit gestern
IBRRS 2025, 2625
OLG Schleswig, Urteil vom 04.04.2025 - 1 U 38/24
Enthält ein Werkvertrag Regelungen, die dazu dienen, dass der Unternehmer seine sich aufgrund des Vertrags ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt, ist der Vertrag nichtig, wenn der Besteller den vorsätzlichen Verstoß des Unternehmers kennt und bewusst zum eigenen Preisvorteil ausnutzt. Eine Kenntnis des Bestellers liegt nahe, wenn der Unternehmer ihn auffordert, Werklohnzahlungen gestückelt auf verschiedene Konten, z. B. auch solche von Familienangehörigen zu leisten, und keine Rechnung ausgestellt wird. Die Nichtigkeit des Vertrags hat zur Folge, dass dem Unternehmer keine Zahlungs-, dem Besteller keine Gewährleistungs- und keine Rückzahlungsansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung zustehen.*)

IBRRS 2025, 2638

VK Bund, Beschluss vom 07.08.2025 - VK 2-59/25
1. Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beantwortung der Frage, ob ein Vorhaben im Sinne von § 99 Nr. 4 GWB "zu mehr als 50 Prozent subventioniert" wird, ist der Zeitpunkt der Bewilligung der Subvention.
2. Der öffentliche Auftraggeber ist bei der Vorgabe von Leitfabrikaten verpflichtet, die Gründe zu dokumentieren, welche die Gleichwertigkeit von Produkten mit dem vorgegebenen Leitfabrikat begründen.
3. Liegt diese Dokumentation nicht vor, muss aufgrund der negativen Beweiskraft des Vergabevermerks davon ausgegangen werden, dass eine Gleichwertigkeitsprüfung nicht stattgefunden hat.
4. Die Nachholung einer Dokumentation durch schriftsätzlichen Vortrag im Nachprüfungsverfahren ist vergaberechtlich nur insoweit zulässig, als fehlende Details einer bereits vorhandenen Dokumentation nachträglich präzisiert und ergänzt werden. Eine Nachholung ist indes nicht zulässig, wenn eine Dokumentation gänzlich fehlt.

IBRRS 2025, 2567

AG Brakel, Urteil vom 09.01.2025 - 7 C 223/23
Bei der Umlage verbrauchsunabhängiger Betriebskosten (hier: Müllabfuhr) hat der Vermieter im Verhältnis zur Gesamtheit der Mieter im Regelfall den Kostenanteil zu tragen, der auf leerstehende Wohnungen entfällt, da er das Vermietungsrisiko trägt.

IBRRS 2025, 2486

AG Bad Homburg, Urteil vom 19.12.2024 - 218 C 760/24
1. Dass Kosten im Rahmen von Bauarbeiten immer gewissen Schwankungen unterliegen, weil im Zuge der Arbeiten - gerade auch bei der Sanierung von älteren Gebäuden - unvorhersehbare Zusatzkosten entstehen können, ist allgemein bekannt. Dementsprechend können Angebote die angebotene Summe nicht garantieren.
2. Ist mit gravierenden Folgeschäden am Gemeinschafts- und Sondereigentum zu rechnen bei einem Zurückstellen der Sanierungsmaßnahme, entspricht nur die Vornahme dieser Sanierungsmaßnahme billigem Ermessen.
3. Sind die Dachterrassen über 40 Jahre alt und treten seit mehreren Jahren regelmäßig Wassereintritte in den unter den Dachterrassen gelegenen Wohnungen auf, so entspricht ein Beschluss, keine Leckortung und Reparatur, sondern eine umfassende Sanierung durchzuführen, ordnungsmäßiger Verwaltung.

IBRRS 2025, 2648

OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.06.2025 - 80 N 1/25
1. Ein Rechtsanwalt kann das Recht, nicht-qualifiziert elektronisch signierte Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden, nicht auf andere Personen übertragen (§ 23 Abs. 3 Satz 5 RAVPV).*)
2. Ein Rechtsanwalt handelt nicht ohne Verschulden, wenn er die Nutzungsbedingungen für das beA nicht kennt bzw. nicht beachtet.

IBRRS 2025, 2643

LAG Niedersachsen, Beschluss vom 06.06.2025 - 4 Ta 114/25
1. Eine per E-Mail eingereichte Beschwerdeschrift wahrt die nach Maßgabe des (…) § 130a ZPO zulässige elektronische Form der Einreichung nicht.*)
2. Auch wenn das der E-Mail angefügte Dokument eine Unterschrift aufweist und Bestandteil der elektronischen Akte geworden ist, ist die Schriftform nach (…) § 569 Abs. 2, § 130 Nr. 6 ZPO nicht gewahrt.*)

Online seit 13. Oktober
IBRRS 2025, 2518
OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.07.2025 - 19 U 128/24
Wird die Auszahlung des Sicherheitseinbehalts gemäß § 650m Abs. 2 Satz 1 BGB in einer für den Verbraucher nicht nachvollziehbaren Weise in die Ratenzahlungsvereinbarung eines Bauträgervertrages integriert, so kann dies sowohl einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (Intransparenz) als auch gegen § 3 Abs. 2 MaBV (8 Teilbeträge) zur Folge haben.*)

IBRRS 2025, 2612

VK Bund, Beschluss vom 23.04.2025 - VK 1-18/25
1. Ein öffentlicher Auftraggeber darf jedenfalls dann auf die Richtigkeit einer ihm vorgelegten offiziellen Bescheinigung einer Zertifizierungsstelle vertrauen, wenn keine objektive Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit des Zertifikats vorliegen (hier: Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001).
2. Beabsichtigt der Bieter, für die Auftragsausführung Ressourcen Dritter in Anspruch zu nehmen, muss er eine Verpflichtungserklärung des Dritten vorlegen, andernfalls die Eignung zu verneinen ist.
3. Referenzen eines anderen Unternehmens können einem Bieter grundsätzlich (nur) dann als Eigenreferenzen zugerechnet werden, wenn die Organisation des übernommenen Unternehmens im Wesentlichen unverändert geblieben ist und wenn die für den Referenzauftrag maßgeblichen Erfahrungen und Ressourcen mit übergegangen sind. Etwas anderes kann gelten, wenn und soweit die Betriebsmittel und die Betriebsstrukturen für die referenzierte Leistung ohne Bedeutung sind.
4. Auch wenn einem öffentlichen Auftraggeber bei der Wertung der Angebote ein von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zusteht, muss dieser daher seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind.
5. Analog zum im allgemeinen Prozessrecht anerkannten Institut der gewillkürten Prozessstandschaft ist auch im Vergabenachprüfungsverfahren ein Antragsteller befugt, eine Verletzung fremder Bewerber- oder Bieterrechte im eigenen Namen geltend zu machen, sofern er dazu vom Berechtigten ermächtigt worden ist und ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Durchführung des Nachprüfungsverfahrens im eigenen Namen hat.

IBRRS 2025, 2628

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.06.2025 - 7 B 412/25
Eine Duldung ist erst dann anzunehmen, wenn die zuständige Baubehörde in Kenntnis der formellen und gegebenenfalls materiellen Illegalität eines Vorhabens zu erkennen gibt, dass sie sich mit dessen Existenz abzufinden gedenkt. Angesichts des Ausnahmecharakters und der weitreichenden Folgen einer solchen sog. „aktiven Duldung“, bei der die Behörde an der Beseitigung rechtswidriger Zustände gehindert ist, muss den entsprechenden Erklärungen der Behörde mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sein, ob, in welchem Umfang und gegebenenfalls über welchen Zeitraum die Duldung des illegalen Zustands erfolgen soll.

IBRRS 2025, 2294

BVerfG, Beschluss vom 21.07.2025 - 1 BvR 1428/24
1. Der Eigentumsschutz des Mieters steht gerichtlichen Entscheidungen entgegen, die die Bedeutung und Tragweite von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG für die Rechtsposition des Mieters verkennen.
2. Dies kann der Fall sein, wenn Fachgerichte Wohnenden die eigenverantwortliche Entscheidung darüber absprechen, wie sie ihr Wohnen gestalten wollen.
3. Zum Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit von Wohnraummietern gehört grundsätzlich, die eigene Wohnung so einzurichten und so zu leben, wie sie es für richtig halten.
4. Es ist mit Art. 14 Abs. 1 GG nicht vereinbar, wenn ohne Feststellungen dazu, welche konkreten Nachteile dem Vermieter aus dem Wohnverhalten des Mieters erwachsen, dessen Interessen der Vorrang gegeben wird, ohne entgegenstehende Belange des Mieters einzustellen.

IBRRS 2025, 2489

AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 18.08.2025 - 980b C 18/25 WEG
1. Die Kosten einer sog. Erstmahnung sind nicht ersatzfähig.
2. Wird ein Beschluss im Umlaufverfahren mit abgesenkter Mehrheit gefasst, kommt der Beschluss erst mit der Feststellung und einer an alle Wohnungseigentümer gerichteten Mitteilung des Beschlussergebnisses zu Stande.
3. Dies ist jedoch nicht im Sinne des Zugangs der Mitteilung bei jedem einzelnen Eigentümer zu verstehen, sondern es genügt jede Form der Unterrichtung, die den internen Geschäftsbereich des Feststellenden verlassen hat, und bei der den gewöhnlichen Umständen nach mit einer Kenntnisnahme durch die Wohnungseigentümer gerechnet werden kann.
4. Das Wesen eines Umlaufbeschlusses mit abgesenkter Mehrheit bringt es mit sich, dass die Wohnungseigentümer im Anschluss an die Versammlung, in der dieser gefasst wird, einen weiteren (Sach-)Beschluss fassen können, aber nicht - und erst recht nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt - fassen müssen.
5. Der Wohnungseigentümer ist im Rahmen des Zumutbaren nicht verpflichtet, von sich aus in regelmäßigen Zeitabständen bei der Verwaltung nachzufragen, ob und wann diese mit dem Umlaufverfahren begonnen hat bzw. wann mit der Mitteilung eines Beschlussergebnisses zu rechnen ist.
6. In Bezug auf die Möglichkeit, sich anwaltlicher Hilfe zur Durchsetzung offener Wohngeldforderungen gegen säumige Wohnungseigentümer zu bedienen, verbleibt im Hinblick auf eine Erstattung der Rechtsverfolgungskosten als Verzugsschaden im Fall eines Umlaufbeschlusses mit abgesenkter Mehrheit der Verwaltung der Gemeinschaft eine vorherige Mahnung des Schuldners.

Online seit 10. Oktober
IBRRS 2025, 2636
OLG Köln, Urteil vom 17.09.2025 - 11 U 125/23
Die für die Kündigung wegen nicht gestellter Sicherheit nach § 648a Abs. 5 BGB a.F. (§ 650f Abs. 5 BGB n.F.) erforderliche Fristsetzung ist unwirksam, wenn die Höhe der Sicherheit für den Besteller nicht nachvollziehbar ist, auch auf seine Nachfrage vom Unternehmer nicht erläutert wird und der Besteller die aus seiner Sicht zutreffende Sicherheit anbietet.*)

IBRRS 2025, 2610

VK Bund, Beschluss vom 19.02.2025 - VK 1-2/25
1. Jedenfalls bei einem Abstand von mehr als 20% zwischen dem Angebotspreis des Bestbieters zum nächsten Angebot ist der öffentliche Auftraggeber verpflichtet, die Angebotspreise zu überprüfen.
2. Mitbieter haben einen Anspruch darauf, dass diese Prüfung vergaberechtskonform erfolgt.
3. Der öffentliche Auftraggeber muss seine für die abschließende Wertungsentscheidung maßgeblichen Erwägungen so dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, wie die Überprüfung der Angebotspreise und deren Kalkulation vorgenommen wurde (hier verneint).

IBRRS 2025, 2487

LG München I, Urteil vom 08.05.2024 - 14 S 7162/21
1. Bei separat abgeschlossenen Mietverträgen über einen Wohnraum und einen Stellplatz gilt regelmäßig eine tatsächliche Vermutung für die rechtliche Selbstständigkeit der Verträge.
2. Diese tatsächliche Vermutung der rechtlichen Selbständigkeit kann aber widerlegt werden.
3. Befinden sich Stellplatz und Wohnraum auf demselben Grundstück, ist in der Regel ein beidseitiger Parteiwille zur Einbeziehung des Stellplatzmietvertrags in den Wohnraummietvertrag und damit ein Wille zur einheitlichen Behandlung beider Mietverträge anzunehmen.
4. Eine Klausel, wonach der Mietvertrag für den Stellplatz automatisch mit der Beendigung des Mietvertrags über die Wohnung endet, spricht dafür, dass die Parteien den Stellplatzvertrag in den Wohnraummietvertrag einbeziehen wollen und die Parteien den Willen haben, dass die beiden Verträge gerade nicht losgelöst voneinander bestehen sollen.

IBRRS 2025, 2626

OLG Schleswig, Beschluss vom 11.06.2025 - 15 WF 30/22
1. Der Honoraranspruch des Sachverständigen besteht unabhängig davon, ob das von ihm erstellte Gutachten objektiv richtig ist und wie die Beteiligten oder das Gericht das Gutachten bewerten.*)
2. Soweit das Gericht das Gutachten des Sachverständigen berücksichtigt, gilt die Leistung des Sachverständigen gem. § 8a Abs. 2 Satz 2 JVEG als verwertbar.*)
3. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die vom Sachverständigen angegebene Zeit richtig ist und für die Gutachtenerstellung auch erforderlich war. Dementsprechend findet grundsätzlich lediglich eine allgemeine Plausibilitätsprüfung der Kostenrechnung anhand allgemeiner Erfahrungswerte statt. Anlass zur Nachprüfung besteht nur dann, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung außergewöhnlich hoch erscheint.*)
4. Eine Hinweispflicht des Sachverständigen gem. § 30 Abs. 1 FamFG, § 8a Abs. 3 JVEG, § 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO besteht jedenfalls in den von Amts wegen zu führenden Kindschaftssachen nicht.*)
