Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Hervorzuhebende Urteile in allen Sachgebieten
Folgende wichtige Entscheidungen wurden ab dem 10.09.2025 im Volltext bei ibr-online eingestellt
Online seit gestern
IBRRS 2025, 2407
BGH, Urteil vom 18.07.2025 - V ZR 76/24
1. Bei der Beschlussfassung über die Beauftragung eines Rechtsanwalts müssen keine Alternativangebote anderer Rechtsanwälte vorliegen; dies gilt auch dann, wenn der Abschluss einer Honorarvereinbarung beabsichtigt ist. Entsprechendes gilt bei der Beauftragung von Gutachtern.*)
2. Es steht im Ermessen der Wohnungseigentümer, im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung eine von dem Verwalter ohne Beschluss veranlasste Maßnahme nachträglich zu genehmigen. Eine derartige Genehmigung ist jedenfalls dann rechtmäßig, wenn die Maßnahme selbst ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.*)

IBRRS 2025, 2317

OLG Schleswig, Urteil vom 25.07.2025 - 1 U 16/24
1. Nimmt der Besteller den Werkunternehmer auf Leistung Zug um Zug gegen Werklohnzahlung in Anspruch, so hindert die Rechtskraft des stattgebenden Urteils den Besteller nicht daran, von dem Werkunternehmer weiterhin die von diesem nach materiellem Recht geschuldete Vorleistung zu verlangen. Soweit die Zug-um-Zug-Verurteilung nicht auf der Abweisung eines unbeschränkten Antrags auf Leistung beruht, umfasst die Rechtskraft des Urteils die Pflicht des Bestellers zur Gegenleistung nicht.*)
2. Eine Regelung in vorformulierten Vertragsbedingungen des Werkunternehmers über die Lieferung und Montage einer Küche, wonach der Besteller seine Leistung vor dem Einbau der Küche zu erbringen hat, stellt eine unangemessene Benachteiligung des Bestellers dar.*)

IBRRS 2025, 2380

VK Nordbayern, Beschluss vom 12.02.2025 - RMF-SG21-3194-9-45
1. Für die rechtliche Wirksamkeit der Entscheidung über die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens (hier: Änderung des Leistungsverzeichnisses wegen produktspezifischer Vorgaben) ist es grundsätzlich unerheblich, ob diese Entscheidung sich auf einen Aufhebungsgrund stützen kann und deshalb rechtmäßig erfolgt ist.
2. Unwirksam mit der Folge einer Pflicht zur Verfahrensfortsetzung ist eine Aufhebung bzw. Zurückversetzung nur dann, wenn für diese Entscheidung kein sachlicher Grund besteht, die Entscheidung damit diskriminierend oder willkürlich ist bzw. bloß zum Schein erfolgt.
3. Über den Wortlaut der normierten Aufhebungsgründe hinaus ist es erforderlich, dass Aufhebungsgründe nicht auf den Auftraggeber zurückzuführen sind.

Online seit 11. September
IBRRS 2025, 2369
OLG Naumburg, Urteil vom 07.06.2023 - 2 U 24/22 (Hs)
1. Eine Abweichung von der üblichen Verjährungsfrist nach § 634a Abs. 3 BGB wegen des arglistigen Verschweigens eines offenbarungspflichtigen Mangels (hier bei der Ausführung der Herstellung einer Unterdeckenkonstruktion im Hinblick auf das Brandschutzkonzept) setzt voraus, dass der Auftragnehmer diese Mängel (hier u.a. Vorlage nicht passender Prüfzeugnisse) kannte oder hätte wahrnehmen und erkennen müssen und diese Umstände zumindest bedingt vorsätzlich gegenüber dem Auftraggeber verschwiegen hätte (hier: verneint).*)
2. Eine der Arglist gleichstehende Verletzung der sog. Organisationsobliegenheit kommt nicht schon bei jedem Fehler des Auftragnehmers bei der Auswahl seines Personals bzw. seiner Nachauftragnehmer in Betracht, sondern der Fehler muss ein solches Gewicht besitzen, dass es gerechtfertigt ist, den Auftragnehmer demjenigen Unternehmen gleichzustellen, welches einen Mangel arglistig verschweigt. Das ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn er Personal zur Erfüllung seiner Offenbarungspflicht einsetzt, von dem er weiß, dass es dieser Pflicht nicht nachgekommen wird oder nicht nachkommen kann.*)

IBRRS 2025, 2397

BayObLG, Beschluss vom 10.09.2025 - Verg 6/25
1. Hat ein öffentlicher Auftrag sowohl Bau- als auch Liefer- und Dienstleistungen zum Gegenstand hat, ist der Hauptgegenstand des Auftrags anhand der rechtlichen und wirtschaftlichen Gesamtumstände zu ermitteln. Die Wertanteile haben dabei nur eine Orientierungs- und Kontrollfunktion.
2. Ein Vorrang zugunsten einer Einordnung als öffentlicher Bauauftrag ergibt sich auch dann nicht, wenn der Wert der Bauleistungen über 40 % des Auftragsvolumens ausmacht. Trotz eines hohen Anteils der Bauleistungen am Gesamtauftrag kann der Hauptgegenstand des Vertrags angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls dennoch auf den Liefer- und Dienstleistungen liegen.
3. Ist eine Fachlosbildung möglich, weil für die Leistungen ein eigener Markt besteht, kommt eine Gesamtvergabe nur ausnahmsweise in Betracht. Der Auftraggeber hat sich, wenn ihm eine Ausnahme von dem Grundsatz der losweisen Vergabe aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen erforderlich erscheint, mit dem Gebot einer Fachlosvergabe und den dagegensprechenden Gründen intensiv auseinanderzusetzen. Er hat eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange vorzunehmen, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden Gründe nicht nur anerkennenswert sein, sondern überwiegen müssen.
4. Der mit einer Fachlosvergabe allgemein verbundene Ausschreibungs-, Prüfungs- und Koordinierungsaufwand sowie ein höherer Aufwand bei der Gewährleistung kann eine Gesamtvergabe für sich allein nicht rechtfertigen.
5. Der Umstand, dass die Losaufteilung zu einer Verzögerung von mehreren Monaten führt, vermag eine Gesamtvergabe allein nicht zu begründen. Gleiches gilt für das mit einer die Losaufteilung verbundene Kostenrisiko.
6. Die Gründe, aufgrund derer mehrere Teil- oder Fachlose zusammen vergeben wurden, sind im Vergabevermerk (umfassend) zu dokumentieren.

IBRRS 2025, 2394

AG Charlottenburg, Urteil vom 18.07.2025 - 73 C 51/25
Regelt ein Beschluss, dass ein Eigentümer ein Teil des Gemeinschaftseigentums (hier: Treppenhaus) mit seiner Wohnung verbinden darf, ohne dass die Gemeinschaft hierfür eine Kompensation erhält und ohne dass sich die deutliche Vergrößerung der Nutzfläche der Wohnung in einem größeren Anteil der Wohnung an den laufenden Kosten niederschlägt, so widerspricht dieser Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung.

IBRRS 2025, 2184

LG Baden-Baden, Urteil vom 30.07.2025 - 2 O 156/24
1. Wird eine ersichtlich unzulässige Klage erhoben und diese nach - aus anderen Gründen erfolgter - Klageabweisung in erster Instanz auch im Berufungsverfahren weiterverfolgt, liegt hierin eine schuldhafte Pflichtverletzung des Anwaltsvertrags.
2. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist auch im Fall einer aus nur zwei Parteien bestehenden Gemeinschaft selbst prozessführungsbefugt, sie wird nur durch den nicht auf der Gegenseite am Rechtsstreit beteiligten Wohnungseigentümer vertreten.
3. Wird eine Klage in Namen eines Eigentümers erhoben, obwohl die Wohnungseigentümergemeinschaft prozessführungsbefugt ist, liegt hierin eine schuldhafte Pflichtverletzung des Anwaltsvertrags.

Online seit 10. September
IBRRS 2025, 2368
OLG Naumburg, Urteil vom 07.06.2024 - 2 U 93/23 (Hs)
1. Erstreckt sich eine Vertragsklausel über den vorübergehenden Ausschluss des Zugangs zum Rechtsschutz auf sämtliche Streitigkeiten der Vertragsparteien "über die Auslegung und Abwicklung dieses Ingenieurvertrages", sind damit auch etwaige Streitigkeiten über die Höhe der Vergütung - als eine Hauptpflicht des Auftraggebers - und über die Erfüllung der primären Leistungspflichten - als eine Hauptpflicht des Auftragnehmers - erfasst. Gleiches gilt für sekundäre Leistungspflichten (hier: vermeintliche Gewährleistungspflichten des Auftragnehmers).*)
2. Eine als Allgemeine Geschäftsbedingung gestellte Klausel über den vorübergehenden Ausschluss des Rechtsweges ist auch im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen Intransparenz unwirksam, wenn sie das Erfordernis der vorherigen Durchführung eines Schlichtungs- oder Mediationsverfahrens festlegt, ohne hinsichtlich der Ausgestaltung des Verfahrens (z.B. Auswahl und Gewährleistung der Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und beruflichen Qualifikation des Mediators, Gewährleistung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, Bestehen eines Vorschlagsrechts des Mediators und Gewährleistung einer ausreichenden Bedenkzeit, angemessene Dauer des Verfahrens, Zulässigkeit der Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes, Regelungen zur Vertraulichkeit einschließlich der Einräumung eines Zeugnisverweigerungsrechts des Mediators, Regelungen zur Kostentragung und zur Schaffung von Vollstreckungstiteln) nähere Bestimmungen zu treffen oder auf eine allgemein zugängliche oder anerkannte Verfahrensordnung zu verweisen.*)
3. Vereinbaren die Vertragsparteien ausdrücklich, dass eine Kündigung aus wichtigem Grund die Benennung und Erläuterung des zur Kündigung Veranlassung gebenden Grundes (bzw. der Gründe) beinhalten müsse, so genügt der im Kündigungsschreiben angegebene Grund, dass die Fortführung des Vertrages für den Auftraggeber unzumutbar sei, weil der Auftragnehmer keine oder allenfalls unzureichende Maßnahmen ergriffen habe, um den Bauablauf zu optimieren, nicht. Nutzt der Auftraggeber die - hier im Vertrag sogar ausdrücklich vorgesehene - Möglichkeit des Nachschiebens der Benennung und Erläuterung des Kündigungsgrundes innerhalb angemessener Frist nicht, so ist die Kündigung als Kündigung aus wichtigem Grunde unwirksam und u.U. in eine sog. freie Kündigung umzudeuten.*)

IBRRS 2025, 2321

VK Saarland, Beschluss vom 30.01.2025 - 3 VK 5/24
1. Versieht der Bieter in seinem Teilnahmeantrag die anzugebende Referenzbausumme, die sich auf die Kostengruppen 200 bis 600 der DIN 276 zu erstrecken hat, mit dem Zusatz "nur TGA", handelt es sich um eine Änderung der Vergabeunterlagen, die zum Ausschluss des Teilnahmeantrags führt.
2. Referenzen zu einem Teilnahmeantrag, bei dem nicht lediglich unternehmensbezogen die Eignung geprüft wird, sondern die mit einer Bepunktung in die Wertung mit einfließen, indem anhand der Relation der referenzierten Aufträge im Vergleich zu den Gesamtbaukosten eine Auswahl der geeigneten Bieter erfolgen soll, sind wie auftragsbezogene Unterlagen zu bewerten. Demnach scheidet eine Nachforderung aus.
3. Eine Aufklärung, die grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Auftraggebers liegt, setzt voraus, dass Zweifel am Inhalt des Angebots bzw. des Teilnahmeantrags bestehen, die sich durch Auslegung nicht ausräumen lassen (hier verneint).

IBRRS 2025, 2300

LG Regensburg, Beschluss vom 16.06.2025 - 21 S 25/25
1. Der Begriff des Gebäudes i.S.d. § 573a BGB bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung, nicht nach der Ausweisung im Grundbuch als einheitliches Gebäude. Danach werden Reihenhäuser oder Doppelhaushälften als (selbstständige) Gebäude angesehen.
2. Der Annahme eines einheitlichen Gebäudes steht nicht entgegen, wenn es an einem gemeinsamen Treppenhaus und einem gemeinsamen Hauseingang oder sonstigen gemeinschaftlich zu nutzenden Flächen fehlt und deshalb von einem erhöhten Konfliktpotenzial nicht auszugehen ist.

IBRRS 2025, 2265

AG Hamburg, Urteil vom 11.06.2025 - 9 C 448/24
1. Gegen das apodiktische Erfordernis von mindestens drei Vergleichsangeboten spricht schon, dass die Wohnungseigentümer - auch nach Einholung der Vergleichsangebote - nicht verpflichtet sind, das billigste oder günstigste Angebot, wie man es bei einer Ausschreibung kennt, anzunehmen und zu realisieren.
2. Das Fehlen solcher drei Angebote darf nicht grundsätzlich und undifferenziert dazu führen, dass Instandsetzungsmaßnahmen gegen den Willen der sanierungswilligen Mehrheit verschleppt werden, wenn ein Sanierungsbedarf objektiv vorhanden und auch hinreichend durch technischen Sachverstand abgesichert ist.
3. Statt der gelegentlich zu Unrecht als zwingend angenommenen drei Vergleichsangebote sind entscheidende Faktoren etwa das Auftragsvolumen, die Bedeutung der Maßnahmen bzw. deren Unterlassung für die Bausubstanz, die Anfrage bei Unternehmen, die letztlich keine Angebote abgeben, sowie individuelle Faktoren.

IBRRS 2025, 2387

OLG Schleswig, Urteil vom 21.07.2025 - 16 U 64/24
1. Die Bestimmung "Das Gebäude ist nicht länger als 6 Monate ununterbrochen unbewohnt" ist als Gefahrerhöhungstatbestand in einer Deklaration im Versicherungsschein bzw. in den Bedingungen einer Wohngebäudeversicherung im Hinblick auf die Steigerung des Brandrisikos unwirksam. Eine Erhöhung der Brandgefahr kann erst dann bejahen sein, wenn zu dem Leerstehen weitere Umstände hinzukommen (Anschluss an BGH, Urteil vom 13.01.1982 - IVa ZR 197/80, IBRRS 1982, 0536 = IMRRS 1982, 0002).*)
2. Steht ein Haus langjährig leer, sind darin erst während der Besitzzeit des Versicherungsnehmers regelmäßig Unbefugte eingedrungen, haben sie sich davon auch nicht durch den wiederholten Verschluss der Türen abhalten lassen, haben sie sich, wie sich aus verbliebenen Überresten erschließt, dort auch länger aufgehalten, befördert auch durch den Umstand, dass in dem Haus Strom vorhanden war, so liegt in einem Brandschadenfall im Hinblick auf die Nichtanzeige eines Versicherungsnehmers, dem all dies bekannt ist, mehr als ein nur mittelgradiges Verschulden vor, das eine Leistungskürzung wegen Nichtanzeige einer Gefahrerhöhung um 60% rechtfertigt.*)
