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Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

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OLG Schleswig, Urteil vom 25.06.2025 - 12 U 67/24
1. Gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB beträgt die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche wegen Mängeln an Bauwerken gegen den Architekten fünf Jahre. Die Vorschrift ist nicht nur bei der Neuherstellung eines Bauwerks anwendbar. Vielmehr gilt sie auch, wenn Planungs- und Überwachungsleistungen bei der grundlegenden Erneuerung eines Gebäudes erbracht werden sollen (vgl. BGH, IBR 2019, 203).*)
2. Die Verjährungsfrist beginnt mit der Abnahme des Werks zu laufen, § 634a Abs. 2 BGB, die auch konkludent erfolgen kann.*)
3. Eine konkludente Abnahme setzt ‒ wie die ausdrückliche Abnahme ‒ ein vom Willen des Auftraggebers getragenes Verhalten voraus (Abnahmewillen). Daher ist eine stillschweigend erklärte und damit schlüssige Abnahme immer dann gegeben, wenn der Auftragnehmer durch sein Verhalten zum Ausdruck bringt, dass er die Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht ansieht (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Aufl., Rn. 1776). Ein solches Verhalten kann auch in der Zahlung der Schlussrechnung zu sehen sein, sofern zu diesem Zeitpunkt keine wesentlichen Mängel erkennbar sind. Unbekannte Mängel sowie bekannte unwesentliche Mängel oder Restarbeiten stehen einer konkludenten Abnahme nicht entgegen (vgl. Grüneberg/Retzlaff, BGB, 84. Aufl., § 640 Rn. 9 m.w.N.).*)
4. Die Abnahme der Architektenleistungen hängt dabei nicht grundsätzlich davon ab, dass die bei Abnahme der Bauunternehmerleistungen festgestellten Mängel beseitigt sind. Dies gilt nur dann, wenn der Architekt nach seinem Vertrag neben der "Mitwirkung bei der Abnahme der Leistungen" auch das "Überwachen der Beseitigung der bei der Abnahme der Leistungen festgestellten Mängel" schuldet (vgl. BGH, IBR 2019, 203).*)
5. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der mit der Planung und Bauüberwachung beauftragte Architekt dem Bauherrn aber auch unabhängig von einer ausdrücklichen vertraglichen Verpflichtung nach Beendigung seiner eigentlichen Tätigkeit bei der Behebung von Baumängeln zur Seite zu stehen (vgl. grundlegend BGH, IBR 1996, 201). Aufgrund seiner Betreuungsaufgaben hat er dabei nicht nur die Rechte des Bauherrn gegenüber den Bauunternehmen zu wahren; ihm obliegt vielmehr auch die objektive Klärung von Mängelursachen, selbst wenn hierzu eigene Planungs- oder Aufsichtsfehler gehören (vgl. BGH, Urteil vom 26.09.1985 - VII ZR 50/84, IBRRS 1985, 0544).*)
6. Voraussetzung dafür ist weiter, dass die Mängel und deren Aufklärung Im Rahmen seines jeweils übernommenen Aufgabengebiets liegen, er insbesondere die Leistungsphase 8 nach der HOAI oder zumindest die Bauüberwachung übernommen hat. In dem Fall schuldet er als Sachwalter des Bauherrn die unverzügliche und umfassende Aufklärung der Ursachen sichtbar gewordener Baumängel sowie die sachkundige Unterrichtung des Bauherrn vom Ergebnis der Untersuchung und der sich daraus ergebenden Rechtslage (vgl. BGH, Urteil vom 04.10.1984 - VII ZR 342/83, IBRRS 1984, 0562).*)
7. Eine Sekundärhaftung kommt dabei nur hinsichtlich solcher Mängel in Betracht, die sich bereits vor Ablauf der Verjährung der Primäransprüche gezeigt haben (vgl. Werner/Pastor, a.a.O., Rn. 1986, unter Hinweis auf KG, IBR 2008, 36).*)
8. Verletzt der Architekt schuldhaft diese Untersuchungs- und Beratungspflicht, so ist er dem Bauherrn zum Schadensersatz verpflichtet. Er kann sich ihm gegenüber dann auch nicht auf die Einrede der Verjährung berufen (= Sekundärhaftung; vgl. BGH, Urteil vom 04.10.1984 - VII ZR 342/83, IBRRS 1984, 0562).*)
9. Von der Ursächlichkeit der Verletzung dieser Untersuchungs- und Beratungspflicht für den eingetretenen Schaden ist auszugehen, wenn der Auftraggeber bei entsprechender Aufklärung rechtzeitig gegen den Architekten vorgegangen wäre. Hierfür spricht eine tatsächliche Vermutung (vgl. BGH, IBR 2007, 85).*)
