Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
IMR 10/2021 - Vorwort
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
im kürzlich stattgefundenen „Triell“ der Bewerber und Bewerberin für das Kanzleramt haben alle drei Befragten einen neuerlichen „Lock-Down“ mit Bestimmtheit ausgeschlossen, so dass begründete Hoffnung besteht, dass die dadurch ausgelösten Probleme der Vergangenheit angehören. Im Bereich der Gewerberaummiete scheint sich die Rechtsprechung – mit Unterstützung des Gesetzgebers durch Einführung des Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB am 22.12.2020 – darauf „eingenordet“ zu haben, dass die Beschränkungen durch die diversen „COVID-Verordnungen“ der Länder weder Mangel der Mietsache sind noch zur Unmöglichkeit der Leistungserfüllung führen, sondern die Regelungen über den Fortfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) anzuwenden sind. Hier wird immer eine Einzelfallentscheidung zur Frage der „Unzumutbarkeit“ des Festhaltens am unveränderten Vertrag zu fällen sein (siehe etwa LG Münster, IMR 2021, 195).
Im Bereich des Wohnungseigentums, namentlich bei der Frage, ob und wie eine Eigentümerversammlung bei entsprechenden behördlichen Beschränkungen stattfinden kann, ist die Rechtsprechung noch uneinheitlich. Teilweise werden Beschlüsse in Eigentümerversammlungen während der Corona-Pandemie als anfechtbar (z. B. AG Dortmund, IMR 2021, 170), zum Teil als nichtig (z. B. AG München, IMR 2021,169) angesehen. Entscheidend scheint es hierbei auf die Wortwahl bei der Einladung zur Versammlung anzukommen. Wird etwa zu einer „Vertreterversammlung“ in das Verwalterbüro eingeladen mit dem Hinweis, dass die Versammlung nur in Anwesenheit des Verwalters und eines Verwaltungsbeirats stattfinden kann, weshalb Vollmacht an eine dieser Personen erteilt werden solle, um sich auf diese Weise an der Entscheidungsfindung zu beteiligen, wird wohl von Nichtigkeit der in dieser „Vertreterversammlung“ gefassten Beschlüsse auszugehen sein. Doch selbst wenn das „Einladungsschreiben“ nicht derart offensichtlich als „Ausladung“ verstanden werden muss, besteht weiterhin das Risiko, dass in einer derartigen Versammlung gefasste Beschlüsse nicht nur als anfechtbar, sondern als nichtig angesehen werden (so etwa AG Bad Schwalbach, IMR 2021, 250). Um hier nicht im „luftleeren Raum“ der stets zu berücksichtigenden Nichtigkeit stehen zu bleiben, empfiehlt sich dringlich, in einer solchen Versammlung gefasste Beschlüsse nochmals in einer ordentlich geladenen Präsenz-Versammlung zur Abstimmung zu stellen.
Eine Entscheidung des BGH, die alles verändern könnte, steht in beiden Fallkonstellationen aus.
Herzliche Grüße
Beate Müller