Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Aktuelle Urteile zum Vergaberecht
Online seit gestern
IBRRS 2025, 1497
VK Berlin, Beschluss vom 28.04.2025 - VK B 1-73/24
1. Zwischen Nachforderungen und Aufklärung des Angebotsinhalts ist streng zu unterscheiden.
2. Eine Nachforderung ist nur für leistungsbezogene Unterlagen, die nicht die Wirtschaftlichkeitsbewertung betreffen, und unternehmensbezogene Unterlagen zulässig. Die Korrektur fehlerhafter Unterlagen ist nur für unternehmensbezogene Unterlagen zulässig.
3. Die Aufklärung wiederum erlaubt keine Änderung des Angebots, also keine Nachreichung von Unterlagen und auch weder die Anforderung fehlender Bestandteile des Angebots noch die Korrektur von Angebotsunterlagen.
4. Die Aufklärung setzt eine konkrete Aufforderung zur Klarstellung einer durch den Auftraggeber eindeutig zu benennenden und tatsächlich bestehenden Unklarheit voraus.
5. Ob in der Erläuterung eines Angebots durch den Bieter zugleich eine ausschlusswürdige Änderung des Angebots darstellt, ist durch Auslegung aus der Perspektive eines objektiven Empfängers zu ermitteln (hier verneint). Bei Unklarheiten kann der Auftraggeber zur Aufklärung berechtigt und verpflichtet sein.

Online seit 12. Juni
IBRRS 2025, 1494
VK Berlin, Beschluss vom 04.04.2025 - VK B 1-3/25
1. Ein Auftrag über die die "Errichtung einer VDI-Infrastruktur, Lieferung und Montage von Rechenzentrumscontainern" ist kein Bauauftrag, sondern ein Dienstleistungsauftrag.
2. Die Nichtbeantwortung von Bieterfragen ist vergaberechtswidrig und verletzt den Bieter in seinen Rechten. Es besteht keine Bieterobliegenheit, den öffentlichen Auftraggeber an die Beantwortung von Bieterfragen zu erinnern.
3. Die 30-Tages-Frist zur Feststellung der Unwirksamkeit des öffentlichen Auftrags ist nicht anwendbar, wenn die Information der Bieter durch den öffentlichen Auftraggeber unzureichend ist.
4. Im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren besteht keine aktive Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA). Die Vorschrift des § 130d ZPO ist im Vergabenachprüfungsverfahren nicht (analog) anwendbar.

Online seit 11. Juni
IBRRS 2025, 1477
VK Thüringen, Beschluss vom 13.08.2024 - 5090-250-4003/476
Eine Gestattung der vorzeitigen Zuschlagserteilung darf nur in besonderen Ausnahmefällen erfolgen, in denen ein dringendes Interesse des Auftraggebers und der Allgemeinheit an einer sofortigen Erteilung des Zuschlags besteht, welches deutlich das Interesse an einer ordnungsgemäßen Durchführung des Nachprüfungsverfahrens übersteigt (hier verneint).

Online seit 10. Juni
IBRRS 2025, 1476
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.06.2024 - 2 VK LSA 10/24
1. Eine Annahme mit Änderungen ist nur dann nicht als neues Angebot zu werten, wenn der Erklärende deutlich zum Ausdruck bringt, dass er nur unverbindliche Änderungswünsche äußert und der Vertrag unabhängig von deren Erfüllung zustande kommen soll.
2. Öffentliche Auftraggeber haben die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu informieren. Ein etwaiger Verstoß dagegen berührt die Zuschlagsaussichten der Antragstellerin nicht.
3. Vergleichbar ist eine Leistung dann, wenn sie der ausgeschriebenen Leistung nahekommt und entsprechend ähnelt. Die Referenzen müssen quantitativ und qualitativ vergleichbare Leistungen betreffen und den Schluss zulassen, der Bieter werde in der Lage sein, die ausgeschriebene Leistung vertragsgemäß durchzuführen.

Online seit 6. Juni
IBRRS 2025, 1468
VG Düsseldorf, Urteil vom 10.04.2025 - 6 K 4798/21
1. Ein Zuwendungsgeber ist zum Widerruf der gewährten Zuwendung berechtigt, wenn ein schwerer Verstoß gegen Vergaberecht vorliegt. Ein derartiger Verstoß liegt bei fehlender eindeutiger und erschöpfender Leistungsbeschreibung vor (wie Runderlasses des Finanzministeriums vom 18.12.2003 - I 1-0044-3/8).*)
2. Zur Abgrenzung zwischen konstruktiver Leistungsbeschreibung (= Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis) und (teil-)funktionaler Leistungsbeschreibung (Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm).*)
3. Eine Leistungsbeschreibung ist eindeutig, wenn aus Sicht eines durchschnittlichen und mit der Art der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Bieters klar ersichtlich ist, welche Leistung der Auftragnehmer zu welcher Zeit, in welchem Umfang und in welcher Qualität zu erbringen hat und welche Anforderungen und Bedingungen an die vom Auftraggeber geforderte Leistung gestellt werden.*)

Online seit 5. Juni
IBRRS 2025, 1453
VK Nordbayern, Beschluss vom 11.11.2024 - RMF-SG21-3194-9-34
1. Ein Nachprüfungsantrag ist auch dann unzulässig, wenn die Bekanntmachung den Hinweis enthält, dass die Vergabekammer für die Überprüfung der Vergabeentscheidung zuständig sei. Eine falsche Angabe kann keine Zuständigkeit der Vergabekammer begründen.
2. Setzt die Vergabestelle durch eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung den Rechtsschein, dass ein Nachprüfungsverfahren zulässig ist, entspricht es der Billigkeit, ihr nach der Rücknahme des Nachprüfungsantrags die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Online seit 4. Juni
IBRRS 2025, 1434
OLG Naumburg, Beschluss vom 02.09.2024 - 6 Verg 2/24
1. Auskunftsrechte in einem Vergabenachprüfungsverfahren gehen nicht über die Reichweite des materiellen Begehrens hinaus. Der Umfang der Akteneinsicht ist wegen der Akzessorietät dieses Verfahrensrechts begrenzt auf diejenigen Inhalte "der Akten" der Vergabestelle, die erforderlich sind, um dem Antragsteller ausreichend Gelegenheit zu geben, seine Rechte zu wahren.
2. Daneben ist zu berücksichtigen, dass - ungeachtet der gesondert vorzunehmenden Prüfung der Beeinträchtigung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen anderer Teilnehmer des Vergabeverfahrens durch die Gewährung von Akteneinsicht - auch die Gesichtspunkte der Verhältnismäßigkeit (geringstmöglicher Eingriff in Rechte Dritter) und insbesondere des Beschleunigungsgrundsatzes im Verfahren eine Beschränkung der Akteneinsicht rechtfertigen können.

Online seit 3. Juni
IBRRS 2025, 1422
VK Niedersachsen, Beschluss vom 21.11.2024 - VgK-24/2024
1. Der öffentliche Auftraggeber muss die Wertung so durchführen, dass sie nachträglich in einer nachvollziehbaren Weise erläutert werden kann. Er verstößt gegen das Transparenzgebot (§ 97 Abs. 1 GWB), wenn er die Angebote in einer Weise wertet, die es nicht zulässt, die Erwägungen nachzuvollziehen.
2. Die Vorgabe abstrakter Wertungskriterien ist zulässig, wenn ihre Anwendung durch eine konkrete Dokumentation nachvollziehbar wird (BGH, IBR 2017, 387 = VPR 2017, 121).
3. Der Einwand eines unzureichenden Informationsschreibens nach § 134 GWB erledigt sich regelmäßig durch die fristgerechte Einreichung des Nachprüfungsantrags, spätestens mit Antragserwiderung oder Akteneinsicht.

Online seit 2. Juni
IBRRS 2025, 1347
VG Düsseldorf, Beschluss vom 11.02.2025 - 20 K 1167/24
1. Die Natur eines durch Vertrag begründeten Rechtsverhältnisses bestimmt sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist. Für die Zuordnung ist maßgeblich, ob die Vereinbarungen mit ihrem Schwerpunkt öffentlich- oder privatrechtlich ausgestaltet sind und welcher Teil dem Vertrag das entscheidende Gepräge gibt.
2. Die von der öffentlichen Hand abgeschlossenen Grundstückskaufverträge gehören in aller Regel ausschließlich dem Privatrecht an. Dies gilt auch dann, wenn die Gemeinde mit dem Grundstücksverkauf einen öffentlichen Zweck verfolgt und der Hoheitsträger freiwillig den Weg einer öffentlichen Ausschreibung wählt.

Online seit 28. Mai
IBRRS 2025, 1392
VK Westfalen, Beschluss vom 12.03.2025 - VK 1-9/25
1. Hat sich das Nachprüfungsverfahren durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung oder durch Einstellung des Vergabeverfahrens oder in sonstiger Weise erledigt, stellt die Vergabekammer auf Antrag eines Beteiligten fest, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat.
2. Erklärt der Antragsteller (= Bieter) das Vergabenachprüfungsverfahren für erledigt und schließt sich der Antragsgegner (= öffentlicher Auftraggeber) der Erledigungserklärung an, ist dessen Antrag, festzustellen, dass der Antragsteller durch das vom Antragsgegner durchgeführte Verfahren nicht in seinen Rechten verletzt war, unzulässig.

Online seit 27. Mai
IBRRS 2025, 1385
VG Schwerin, Urteil vom 10.04.2025 - 3 A 1671/20
1. Einzelfall von Verstößen gegen Auflagen der Ausschreibung eines öffentlich-rechtlichen Trägers; hier insbesondere gegen Auflagen nicht produktbezogen auszuschreiben.*)
2. Das Entschließungsermessen im Rahmen des § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG-MV ist aufgrund des Unionsrechts (hier aufgrund des Art. 35 Abs. 2 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 640/2014) intendiert.*)
3. Das Auswahlermessen der Behörde wird durch die COCOF-Leitlinien der EU-Kommission intendiert.*)

Online seit 23. Mai
IBRRS 2025, 1360
VK Niedersachsen, Beschluss vom 28.11.2024 - VgK-26/2024
1. Der öffentliche Auftraggeber verstößt gegen das vergaberechtliche das Transparenzgebot, wenn er die Angebote in einer Weise wertete, die es nicht zulässt, die Erwägungen nachzuvollziehen. Er muss die Wertung so durchführen, dass sie den Bietern oder einer Nachprüfungsinstanz nachträglich in einer nachvollziehbaren Weise erläutert werden kann.
2. Die Vorgabe abstrakter Wertungskriterien ist zulässig, wenn die Anwendung der abstrakten Kriterien durch eine konkrete Dokumentation für Nachprüfungsinstanzen nachvollziehbar wird (BGH, IBR 2017, 387 = VPR 2017, 121).
3. Zur Herstellung der Transparenz bedarf es bei abstrakten Wertungskriterien einer vertieften Dokumentation.

Online seit 22. Mai
IBRRS 2025, 1341
BayObLG, Beschluss vom 07.05.2025 - Verg 8/24
1. Auch wenn dem Auftraggeber bei der Bewertung und Benotung ein Beurteilungsspielraum zustehen muss, sind seine diesbezüglichen Bewertungsentscheidungen insbesondere auch daraufhin überprüfbar, ob die jeweiligen Noten im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden.
2. Bei der Überprüfung der Auswahlentscheidung können alle Tatsachen berücksichtigt werden, die in der Vergabedokumentation enthalten sind und der Auswahlentscheidung der Vergabestelle zu Grunde liegen, auch soweit diese zur Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Zuschlagsprätendenten nicht offenbart werden dürfen.
3. Ein Bieter kann sich nur dann auf eine fehlende oder unzureichende Dokumentation stützen, wenn sich die diesbezüglichen Mängel auf seine Rechtsstellung im Vergabeverfahren nachteilig ausgewirkt haben.
4. Die Bewertung von Konzepten fällt in den Kernbereich der Tätigkeit der Vergabestelle, so dass es zur Rechtsverteidigung nicht ohne Weiteres eines anwaltlichen Beistands bedarf.

Online seit 21. Mai
IBRRS 2025, 1317
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 07.05.2025 - 1 Verg 1/25
1. Öffentlicher Auftraggeber i.S.d. § 99 Nr. 1 GWB sind nur die Gebietskörperschaften und nicht die für sie handelnden Behörden.
2. Wissensvorsprünge, die ein Bieter aus einer früheren Kooperation mit dem öffentlichen Auftraggeber hat, begründen grundsätzlich keinen auszugleichenden Wettbewerbsvorteil.
3. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt in Betracht, wenn der Wissensvorsprung auf den öffentlichen Auftraggeber selbst zurückzuführen ist, weil er ausschreibungsrelevante Daten nur einzelnen Bietern zur Verfügung stellt.
4. Gleiches gilt, wenn ein Bieter solche Daten in einem anderen Projekt für den öffentlichen Auftraggeber erstellt hat und dieser sie im exklusiven Zugriffsbereich dieses Bieters belässt, obwohl er selbst bereits über die Daten verfügt oder sie zumindest von dem betroffenen Bieter herausverlangen kann.

Online seit 20. Mai
IBRRS 2025, 1292
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.07.2024 - Verg 2/24
1. Hersteller- und Produktvorgaben sind nur dann durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt, wenn vom Auftraggeber nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, solche Gründe tatsächlich vorhanden sind und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.
2. Eine sachliche Rechtfertigung für eine Produktvorgabe kann anzunehmen sein bei zu erwartenden Kompatibilitätsproblemen, die die Funktionalität in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigen würden und einen unverhältnismäßigen Mehraufwand entstehen ließen (hier bejaht).
3. Es besteht keine Pflicht des öffentlichen Auftraggebers zur Durchführung einer umfassenden Markterkundung.
4. Einer Fachlosvergabe und damit der Prüfung des Vorliegens eines (wirtschaftlichen oder technischen) Rechtfertigungsgrundes für eine Gesamtlosvergabe bedarf es nur, wenn es sich überhaupt um getrennte Märkte handelt.

Online seit 19. Mai
IBRRS 2025, 1291
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.07.2024 - Verg 11/24
1. Ein Vertrag - als notwendiges Merkmal eines öffentliches Auftrags - kann nicht angenommen werden, wenn eine Partei weder im Hinblick auf die Ausführung des Auftrags noch im Hinblick auf die für die Leistungen geltenden Gebühren über irgendeinen Spielraum verfügt. Eine solche Bindung kann sich aus einem bestehenden Vertragsverhältnis ergeben.
2. Die Unwirksamkeit eines ohne vorherige Ausschreibung vergebenen Auftrags muss binnen sechs Monaten nach Vertragsschluss geltend gemacht werden. Mit Fristablauf ist der Vertrag - unabhängig davon, wann und ob überhaupt die Betroffenen Kenntnis von einem Verstoß des Auftraggebers erlangt haben - endgültig wirksam.

Online seit 16. Mai
IBRRS 2025, 1290
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.08.2023 - Verg 6/23
1. Über die Notwendigkeit eines Verfahrensbeteiligten, einen Rechtsanwalt zuzuziehen, ist nicht schematisch, sondern auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalls zu entscheiden. Bei einer Hinzuziehung durch die Behörde ist die Notwendigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen anzunehmen.
2. Sofern im Mittelpunkt des Nachprüfungsverfahrens auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen stehen, spricht im Allgemeinen mehr dafür, dass der öffentliche Auftraggeber die erforderlichen Sach- und Rechtskenntnisse in seinem originären Aufgabenkreis ohnehin organisieren muss und daher auch im Nachprüfungsverfahren nicht notwendig eines anwaltlichen Bevollmächtigten bedarf.
3. Umgekehrt kann die Beteiligung eines Rechtsanwalts notwendig sein, wenn sich im Nachprüfungsverfahren darüber hinaus nicht einfach gelagerte Rechtsfragen, insbesondere verfahrensrechtlicher oder solcher Art stellen, die auf einer höheren Rechtsebene als jener der Vergabeordnungen zu entscheiden sind.
