Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Hervorzuhebende Urteile zum Vergaberecht
In den letzten 30 Tagen wurden folgende wichtige Entscheidungen im Volltext bei ibr-online eingestellt
Online seit 14. Februar
IBRRS 2025, 0410
OLG Naumburg, Beschluss vom 01.11.2024 - 6 Verg 3/24
1. Im nationalen deutschen Recht sehen weder das allgemeine Zivilrecht noch das Vergaberecht eine Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers vor, ein von ihm eingeleitetes Vergabeverfahren mit einem Zuschlag abzuschließen. Auch der fiskalisch handelnde öffentliche Auftraggeber kann sich auf die zivilrechtliche Privatautonomie berufen.*)
2. Bei der Entscheidung über eine Aufhebung der Ausschreibung - sei es vollständig oder teilweise, sei es in Form einer zeitlichen Zurückversetzung in ein früheres Stadium des Verfahrens oder in Form eines endgültigen Verzichts - sind die in § 97 GWB normierten Grundsätze des Vergabeverfahrens zu beachten, d. h. insbesondere der Wettbewerbsgrundsatz (Abs. 1 Satz 1), der Gleichbehandlungsgrundsatz (Abs. 2) sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Abs. 1 Satz 2).*)
3. Ein öffentlicher Auftraggeber ist bei der Entscheidung über die Beendigung des Vergabeverfahrens ohne Zuschlag stets verpflichtet, das Für und Wider einer Fortsetzung bzw. einer Beendigung des Verfahrens gegeneinander sorgsam abzuwägen und insoweit eine Ermessensentscheidung zu treffen. Aus der fortlaufenden Vergabedokumentation müssen eine sachgemäße Entscheidungsfindung plausibel und substanziell nachvollziehbar hervorgehen sowie durch sie Willkür und Manipulationsgefahr ausgeschlossen sein. Gleichwohl sind die von der Vergabestelle im Nachprüfungsverfahren vorgebrachten Umstände und Gesichtspunkte, mit denen eine angefochtene Entscheidung nachträglich verteidigt werden soll, von der Nachprüfungsinstanz auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen.*)

Online seit 6. Februar
IBRRS 2025, 0328
OLG Rostock, Beschluss vom 10.01.2025 - 17 Verg 4/24
1. Allein die Erklärung eines Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren, er werde im Falle eines Unterliegens sein Beschaffungsvorhaben aufgeben, lässt die Antragsbefugnis nicht entfallen, solange nicht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen feststeht, dass eine Beschaffung ausgeschlossen ist.*)
2. Zu den Anforderungen an die Begründung einer Gesamtvergabe von Planung und Bauleistung (Festhaltung Senat, Beschluss vom 18.07.2024 – 17 Verg 1/24, IBR 2024, 532).*)
3. Zur Abgrenzung zwischen Leistungsbestimmungsrecht und Entscheidung über die Losvergabe.*)

Online seit 4. Februar
IBRRS 2025, 0230
VK Bund, Beschluss vom 20.12.2024 - VK 2-105/24
Öffentliche Auftraggeber verstoßen bei Ausübung ihres Leistungsbestimmungsrechts gegen den vergaberechtlichen Grundsatz des transparenten und chancengleichen Wettbewerbs, wenn sie eine auf unterschiedliche Leistungsinhalte gerichtete Nachfrage ausschreiben, auf die es nicht möglich ist, vergleichbare Angebote abzugeben.

Online seit 30. Januar
IBRRS 2025, 0250
OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.11.2024 - 11 Verg 5/24
Sofern in einem Nachprüfungsverfahren in erster Linie eine unzureichende Preisprüfung des Angebots des Bestbieters durch die Vergabestelle (hier: ein Landesbetrieb für Bau und Immobilien, der eine eigene Zentrale Vergabestelle betreibt) bemängelt wird und sich aus der Zurückweisung der vorangegangenen Rüge entnehmen lässt, dass sich die Vergabestelle bereits ausführlich mit dem rechtlich gebotenen Prüfungsumfang, der Preisprüfung und dem Vorwurf der Bezuschlagung eines unangemessenen niedrigen Preisangebots auseinandergesetzt hat, spricht dies dafür, dass der öffentliche Auftraggeber selbst die notwendige Sach- und Fachkenntnis hatte, um sich gegen den Nachprüfungsantrag zu verteidigen, und dass daher die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten für den Antragsgegner im Verfahren vor der Vergabekammer nicht notwendig gewesen ist.*)

Online seit 29. Januar
IBRRS 2025, 0256
EuGH, Urteil vom 16.01.2025 - Rs. C-424/23
1. Art. 42 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24/EU (...) ist dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung enthaltene Aufzählung der Methoden der Formulierung technischer Spezifikationen abschließend ist - unbeschadet mit dem Unionsrecht vereinbarer zwingender nationaler technischer Vorschriften im Sinne dieser Bestimmung und unbeschadet von Art. 42 Abs. 4 dieser Richtlinie.*)
2. Art. 42 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 ist dahin auszulegen, dass die öffentlichen Auftraggeber in den technischen Spezifikationen eines öffentlichen Bauauftrags ohne Hinzufügen des Zusatzes "oder gleichwertig" nicht angeben können, aus welchen Materialien die von den Bietern angebotenen Waren bestehen müssen, es sei denn, die Verwendung eines bestimmten Materials ergibt sich zwangsläufig aus dem Auftragsgegenstand, da keine auf einer anderen technischen Lösung beruhende Alternative in Betracht kommt.*)
3. Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 ist dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung enthaltene Verpflichtung, Wirtschaftsteilnehmern den gleichen Zugang zu den Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge zu gewähren, und das ebenfalls darin enthaltene Verbot, die Öffnung der öffentlichen Beschaffungsmärkte für den Wettbewerb in ungerechtfertigter Weise zu behindern, zwangsläufig verletzt werden, wenn ein öffentlicher Auftraggeber durch eine technische Spezifikation, die nicht mit den Regeln in Art. 42 Abs. 3 und 4 dieser Richtlinie vereinbar ist, bestimmte Unternehmen oder bestimmte Waren ausschließt.*)

Online seit 28. Januar
IBRRS 2025, 0204
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.04.2024 - Verg 24/23
1. Es besteht keine anlasslose Prüfpflicht des öffentlichen Auftraggebers im Hinblick auf die Bieterangaben zu leistungsbezogenen Zuschlagskriterien.
2. In der Wahl seiner Überprüfungsmittel ist der öffentliche Auftraggeber im Grundsatz frei. Das gewählte Mittel muss jedoch geeignet und die Mittelauswahl frei von sachwidrigen Erwägungen getroffen worden sein.
3. Zwar kann einer unzutreffenden oder unterbliebenen Schätzung des Auftragswerts auch bei der Prüfung von unangemessenen Preisen Bedeutung zukommen, insoweit begründet das Unterbleiben der Schätzung allein aber noch keine Rechtsverletzung.
4. Die Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ist im Zweifel höher zu gewichten als das Interesse des Bieters an einer Akteneinsicht.

Online seit 24. Januar
IBRRS 2025, 0202
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.05.2024 - Verg 35/23
1. Die Zuschlagskriterien spiegeln wider, wie der Auftraggeber im jeweiligen Vergabeverfahren das Preis-Leistungs-Verhältnis bewerten möchte, wenn sich bei den Angebotspreisen einerseits und der Qualität des Angebots andererseits unterschiedliche Rangfolgen ergeben. Hierfür ist ihm ein weiter Beurteilungs- und Handlungsspielraum eröffnet.
2. Der Auftraggeber verstößt gegen das Gebot, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen, wenn er bezüglich eines Kriteriums vorsieht, dass der Bewerber mit dem besten Wertungsergebnis in diesem Kriterium 5 Punkte und der Bewerber mit dem schlechtesten Wertungsergebnis 0 Punkte erhält - unabhängig davon, welchen Punkteabstand sein Angebot zu dem am besten bewerteten Angebot hat.
3. Das gilt nicht nur dann, wenn zwei Angebote eingegangen sind, sondern auch, wenn das Bewertungssystem unabhängig von der Anzahl der eingegangenen Angebote die Bewertung des schlechtesten Angebots mit null Punkten vorsieht und diese Bewertung mit null Punkten unabhängig davon erfolgt, welchen Punkteabstand dieses Angebot zu den anderen Angeboten hat.
4. Auch Wertungssysteme, welche null Punkte für den schlechtesten Bieter in einem Wertungskriterium vorsehen, können eine transparente und wettbewerbskonforme Auftragsvergabe gewährleisten. Voraussetzung dafür ist aber, dass nicht das schlechteste Angebot völlig unabhängig von seinem Punkteabstand zu den anderen Angeboten mit null Punkten bewertet wird.

Online seit 22. Januar
IBRRS 2025, 0084
OLG Jena, Beschluss vom 07.05.2024 - Verg 3/24
1. Für den Lauf der Präklusionsfrist ist nicht auf einen möglicherweise zu erwartenden Verstoß gegen Vergabevorschriften abzustellen, sondern auf den bereits eingetretenen oder vollzogenen Verstoß. Ebenso wenig wie einen vorsorglichen Nachprüfungsantrag gibt es eine Obliegenheit zu einer vorsorglichen Rüge, die zur Verhinderung bevorstehender Vergabeverstöße anzubringen wäre.
2. Zwischenentscheidungen, die geeignet sind, mit Blick auf die Auftragschancen der Bewerber oder Bieter Rechtswirkungen zu entfalten, sind rügefähig. Lediglich vorbereitende Handlungen des Auftraggebers unterfallen nicht der Rügeobliegenheit (hier bejaht für ein "Anhörungsschreiben" wegen beabsichtigten Ausschlusses).

Online seit 21. Januar
IBRRS 2025, 0109
OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.06.2023 - 2 U 1/22 (Kart)
1. Eine Gemeine darf keine Konzessionsvergabe an ein Unternehmen befürworten, das auf Grund gesicherter Erkenntnisse nicht fachkundig und/oder nicht leistungsfähig oder aus rechtlichen Gründen gehindert ist, die vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen.
2. Mit der Pflicht der konzessionsvergebenden Gemeinde zur Eignungsprüfung korrespondiert das Recht, die Vorlage von Eignungsnachweisen eigenverantwortlich festzulegen. Dabei ist es den Bewerbern grundsätzlich zuzugestehen, Leistungen des Netzbetriebs durch ein Tochter- oder Drittunternehmen erbringen zu lassen und insofern auch eine Eignungsleihe vorzunehmen.
3. Seine Eignungsprognose darf der öffentliche Auftraggeber in der Regel auf Eigenerklärungen stützen. Er ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Richtigkeit der Eigenerklärungen zu überprüfen. Nur wenn sich objektiv begründete und konkrete Zweifel an der Richtigkeit von Eigenerklärungen ergeben, ist der öffentliche Auftraggeber gehalten, weitere Nachforschungen anzustellen und in eine erneute Eignungsprüfung einzutreten.
4. Umstände, die Zweifel an der Eignung des Bewerbers oder Bieters begründen, sind grundsätzlich bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens, also bis zur (rechtswirksamen) Zuschlagserteilung, berücksichtigungsfähig. Wenn neue Tatsachen auftreten oder bekannt werden, die Zweifel an der Eignung eines Bieters begründen, ist die Vergabestelle nicht gehindert, sondern unter Umständen sogar verpflichtet, (erneut) in die Prüfung der Eignungsanforderungen und Ausschlussgründe einzutreten.
5. Eine Verpflichtungserklärung bietet keine hinreichende Gewähr der Beauftragung, wenn die erforderliche Beauftragung erst in einem öffentlichen Vergabeverfahren ausgeschrieben werden muss.

Online seit 20. Januar
IBRRS 2025, 0146
VK Rheinland, Beschluss vom 07.10.2024 - VK 32/24
1. Besteht in einem Angebot ein Widerspruch zwischen einer vorformulierten Erklärung des Bieters und von ihm dem Angebot beigefügten, inhaltlich von den Vergabebedingungen abweichenden Unterlagen, ist eine Aufklärung seitens des Auftraggebers insbesondere dann geboten, wenn dieser es für überwiegend wahrscheinlich halten muss, dass die Abweichung auf einem Missverständnis oder auf Nachlässigkeit beruht.*)
2. Nach Ablauf der Bewerbungsfrist kann ein Teilnahmeantrag inhaltlich nicht mehr verändert werden, selbst wenn die Vergabebedingungen eine solche Möglichkeit vorsehen sollten.*)
3. Der Wortlaut von Vergabebedingungen darf zur Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Transparenzgebots weder erweiternd noch einengend ausgelegt werden, sofern nicht ausnahmsweise die ausdrücklich getroffene Regelung ersichtlich sinnlos ist.*)
4. Für die Auslegung von Vergabeunterlagen sind bieterspezifische Vorkenntnisse aus einem vorangegangenen Vergabeverfahren ohne Bedeutung.*)
5. Wegen des Gebots effektiven Rechtsschutzes können Vergabeunterlagen die auftraggeberseitige Zulassung eines Bewerbers zur Angebotsabgabe nicht zu Lasten eines Konkurrenten dem Primärrechtsschutz entziehen, jedenfalls sofern nicht die Eignung des Bewerbers in Rede steht.*)
6. Zum Aufgreifen von Vergabeverstößen durch die Vergabe-Nachprüfungsinstanzen von Amts wegen.*)
