Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
IBR 11/2011 - Vorwort
Liebe Leserin,
lieber Leser,
führt der Auftragnehmer Leistungen ohne Auftrag oder unter eigenmächtiger Abweichung vom Vertrag aus, werden diese gemäß § 2 Abs. 8 Nr. 1 Satz 1 VOB/B nicht vergütet. Nach § 2 Abs. 8 Nr. 2 Satz 1 VOB/B steht dem Auftragnehmer jedoch eine Vergütung zu, wenn der Auftraggeber solche Leistungen nachträglich anerkennt. Ein derartiges Anerkenntnis bedarf nicht der Schriftform und kann sowohl durch ausdrückliches als auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Nimmt der Auftraggeber diese Leistungen ab, stellt sich die Frage, ob darin ein Anerkenntnis gesehen werden kann. Hierfür spricht, dass unter Abnahme die Entgegennahme der Leistung und ihre Anerkennung als im Wesentlichen vertragsgemäß verstanden wird. In seinem Urteil vom 25.08.2011 hat das OLG Brandenburg allerdings klargestellt, dass das jedenfalls dann nicht gelten kann, wenn der Auftraggeber zum Zeitpunkt der Abnahme nicht erkennt, dass eine andere als die vertraglich vereinbarte Leistung ausgeführt worden ist ( S. 627).
Das Thema Vertragsstrafe spielt in der Praxis nach wie vor eine große Rolle. Die meisten mit öffentlichen oder gewerblichen Auftraggebern geschlossenen Bauverträge enthalten eine Vertragsstrafenregelung für den Fall, dass der Auftragnehmer nicht innerhalb der vorgesehenen Frist erfüllt. Zur Mehrfachverwendung vorgesehene Vertragsstrafenklauseln unterfallen bekanntermaßen einer gesetzlichen AGB-Kontrolle. Diese erstreckt sich nicht nur auf die Überprüfung der Tagessatz- und Gesamthöhe der Vertragsstrafe, sondern auch auf die hinreichende Transparenz der gesamten Vertragsstrafenregelung. Nach Ansicht des LG Osnabrück verstößt die Verwendung des Begriffs "Auftragssumme" bzw. "Endbetrag der Auftragssumme" gegen das Transparenzgebot, so dass die Vertragsstrafenvereinbarung insgesamt unwirksam ist ( S. 629).
Im Bauträgerrecht ist auf die Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 27.09.2011 hinzuweisen. Da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jeder einzelne Wohnungseigentümer durch den Erwerbsvertrag einen Anspruch auf mangelfreies Gemeinschaftseigentum hat und den sog. Nachzüglern deshalb für die Dauer von fünf Jahren ab "ihrer" Abnahme Ansprüche wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum zustehen, versuchen Bauträger in den von ihnen vorformulierten Bauträgerverträgen immer wieder, das Gemeinschaftseigentum für sämtliche Erwerber durch einen Sachverständigen abnehmen zu lassen. Solche Regelungen benachteiligen die Erwerber dem Gericht zufolge unangemessen und sind unwirksam ( S. 641).
Im Recht der Architekten und Ingenieure hat das OLG Düsseldorf entschieden, dass sich die Bindung eines Architekten an eine Pauschalhonorarvereinbarung bei Unterschreitung der Mindestsätze nach dessen gesamten Verhalten vom Abschluss des Vertrags über die Durchführung bis hin zur Abrechnung richtet. Rechnet der Architekt die vereinbarte Pauschale ab, führt dies nicht automatisch zu einer Bindungswirkung. Entscheidend ist auch, ob der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Pauschalhonorarvereinbarung vertrauen durfte und auf Veranlassung welcher Partei es zur Mindestsatzunterschreitung gekommen ist ( S. 646).
Im Vergaberecht ist der Beschluss des OLG Frankfurt vom 30.08.2011 hervorzuheben. Kann ein Vertrag nur mit einem bestimmten Auftragnehmer geschlossen werden, weil dieser über ein Ausschließlichkeitsrecht verfügt, ist ein Verhandlungsverfahren ohne öffentliche Vergabebekanntmachung oder eine freihändige Vergabe an diesen Auftragnehmer zulässig ( S. 653)
Nach der Rechtsprechung zahlreicher Vergabekammern (u. a. VK Sachsen, IBR 2011, 536) darf im Rahmen einer VOL/A-Vergabe den Bietern kein ungewöhnliches Wagnis überbürdet werden, obwohl die VOL/A in ihrer Fassung 2009 ein derartiges Verbot nicht mehr enthält. Dieser Sichtweise hat sich nunmehr auch das OLG Dresden angeschlossen ( S. 656).
Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
RA Dr. Alfons Schulze-Hagen
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
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