Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
VPR 02/2017 - Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Beantwortung der Frage, ob ein Mitbewerber sich darauf berufen kann, dass der für den Zuschlag vorgesehene Bestbieter ein ungewöhnlich niedriges Angebot abgegeben hat, ist umstritten und war höchstrichterlich bislang nicht geklärt. Von manchen Vergabekammern und -senaten wurde sie mit der Begründung verneint, dass die maßgeblichen Vorschriften in den Vergabeordnungen – wie z. B. § 16 Abs. 6 VOL/A 2009, wonach auf ein Angebot, dessen Preis in offenbarem Missverhältnis zur Leistung steht, der Zuschlag nicht erteilt werden darf – in erster Linie dem Schutz des öffentlichen Auftraggebers dienen würden. Etwas anderes könne bei Unterpreisangeboten gelten, die in Marktverdrängungsabsicht abgegeben worden seien (siehe z. B. VK Bund, VPR 2016, 248). Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof jetzt entschieden, dass die Mitbewerber verlangen können, dass die Vergabestelle in die vorgesehene nähere Prüfung der Preisbildung eintritt, wenn ein Angebotspreis aufgrund des signifikanten Abstands zum nächstgünstigeren Gebot oder ähnlicher Anhaltspunkte, wie etwa der augenfälligen Abweichung von preislichen Erfahrungswerten aus anderen Beschaffungsvorgängen, ungewöhnlich niedrig erscheint ( S. 42).
Hinzuweisen ist zudem auf zwei Entscheidungen der Oberlandesgerichte Düsseldorf und Dresden, die sich mit der Angebotswertung nach Schulnoten befassen. Derartigen Wertungssystemen haftet der „Makel“ der Intransparenz an (siehe z. B. OLG Düsseldorf, VPR 2016, 127). Beide Gerichte weisen jedoch übereinstimmend darauf hin, dass das nicht per se gilt. Wird das Wertungssystem durch Unterkriterien ausgefüllt ( S. 44) oder können die Bieter ohne Weiteres erkennen, worauf es dem Auftraggeber ankommt ( S. 45), liegt kein Verstoß gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot vor.
Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.
Mit den besten Grüßen
Ihr
Stephan Bolz
Rechtsanwalt
Schriftleiter der VPR