Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Aktuelle Urteile in allen Sachgebieten
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IBRRS 2023, 0397
OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.01.2023 - 22 U 300/21
1. Wird der Auftragnehmer mit der Betonsanierung und Beschichtung (hier: eines Belebungsbeckens in einer Kläranlage) beauftragt, müssen die verwendeten Bauprodukte sowohl den Normen für die Betonsanierung als auch den Normen für die Beschichtung entsprechen.
2. Ein Bauprodukt, das weder über eine CE-Zulassung noch über eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung verfügt, darf nicht verwendet werden.
3. Der Vorschussanspruch ist nach den voraussichtlich anfallenden erforderlichen Aufwendungen zu bemessen. Maßgeblich sind die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entstehenden Kosten.
4. Besteht Streit über die Frage, ob der Vorschuss nach einer günstigeren oder teureren Mängelbeseitigungsmethode zu bemessen ist, muss Beweis darüber erhoben werden, ob der Mangel nur mit der teureren Methode behoben werden kann. Dieser Streit darf nicht dem Verfahren über die Abrechnung des Vorschusses vorbehalten bleiben.

IBRRS 2023, 0396

BayObLG, Beschluss vom 11.01.2023 - Verg 2/21
1. Die Aufzählung der fakultativen Ausschlussgründe in § 124 GWB ist abschließend.*)
2. Bei richtlinienkonformer Auslegung steht allerdings der in § 97 Abs. 2 GWB normierte Gleichbehandlungsgrundsatz einer Berücksichtigung von Angeboten miteinander verbundener Unternehmen entgegen, die zwar getrennt abgegeben wurden, aber weder eigenständig noch unabhängig sind.*)
3. Die Vergabestelle ist verpflichtet, unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände zu prüfen, ob die Angebote miteinander verbundener Unternehmen eigenständig und unabhängig voneinander erstellt worden sind. Dies folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.*)
4. Die Eröffnung der sog. "zweiten Chance" durch eine Zurückversetzung des Vergabeverfahrens kommt nur in Betracht, wenn aufgrund der Sach- und Rechtslage am Schluss der (letzten) mündlichen Verhandlung feststeht, dass ein vergaberechtskonformer Zuschlag unmöglich ist und sich daran auch durch bloße Fortsetzung des Vergabeverfahrens nichts mehr ändern kann.*)

IBRRS 2023, 0371

VGH Bayern, Beschluss vom 04.01.2023 - 1 CS 22.1971
1. Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt, kann diese Nutzung untersagt werden.
2. Bei einem genehmigungspflichtigen Vorhaben genügt für eine Nutzungsuntersagung die sog. formelle Illegalität, wenn also eine Nutzung bzw. Nutzungsänderung vorliegt, die die Variationsbreite einer vorliegenden Baugenehmigung verlässt.
3. Es entspricht regelmäßig pflichtgemäßer Ermessensausübung, wenn die Bauaufsichtsbehörde eine formell illegale Nutzung durch den Erlass einer Nutzungsuntersagung unterbindet.
4. Eine formell illegale Nutzung darf nur dann nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist. Dies ist nur der Fall, wenn ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung beurteilt werden kann, ob die geänderte Nutzung zulässig ist.

IBRRS 2023, 0202

OLG Brandenburg, Urteil vom 06.12.2022 - 3 U 132/21
Die Schönheitsreparatur-Klausel
"Der Mieter ist nicht befugt, ohne Zustimmung des Vermieters von der bisherigen Ausführungsart abzuweichen"
ist auch im Gewerberaummietverhältnis unwirksam.

IBRRS 2023, 0385

AG Köln, Urteil vom 17.01.2023 - 215 C 58/22
Eine nachträgliche Erhöhung der Verwaltervergütung im laufenden Vertragsverhältnis entspricht nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn besondere Gründe vorliegen.

IBRRS 2023, 0402

OLG Hamm, Beschluss vom 13.01.2023 - 20 U 306/22
Will der Versicherer bei Verletzung einer vertraglich wirksam vereinbarten Obliegenheit (vollständige oder teilweise) Leistungsfreiheit in Anspruch nehmen, setzt dies eine wirksame vertragliche Vereinbarung nicht nur der Obliegenheit selbst, sondern auch der Rechtsfolge voraus.

IBRRS 2023, 0389

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 05.08.2022 - 4 U 6/22
1. Der Meistbietende hat gegen den Verkehrswertgutachter einen Anspruch auf Schadensersatz, wenn das Verkehrswertgutachten unrichtig ist.
2. Unrichtig ist ein Sachverständigengutachten, wenn es nicht der objektiven Sachlage entspricht. Das ist insbesondere der Fall, wenn es von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgeht oder aus dem festgestellten Sachverhalt falsche Schlüsse zieht.
3. Für das Verkehrswertgutachten ist zu berücksichtigen, dass es der Feststellung des Verkehrswerts des Versteigerungsobjekts dient und gerade in dieser Hinsicht "unrichtig" sein muss.
4. Auch wenn ein Verkehrswertgutachten unrichtig ist, kann der Meistbietende keinen Schadensersatz verlangen, wenn ihm ein schwerwiegender Verursachungs- und Verantwortungsbeitrag anzulasten ist, weil er aus mehreren Gründen massive Zweifel an der Richtigkeit des Verkehrswertgutachtens haben muss.

IBRRS 2023, 0400

BGH, Urteil vom 16.12.2022 - V ZR 34/22
Ist ein nach § 53 Abs. 1 JustG-NW vorgeschriebenes Schlichtungsverfahren vor Klageerhebung durchgeführt worden, macht ein im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens vorgenommener Parteiwechsel auf Beklagtenseite keinen neuen Schlichtungsversuch erforderlich (Fortführung von Senat, Urteil vom 18.06.2010 - V ZR 9/10, IBRRS 2010, 2794 = NJW-RR 2010, 1726).*)

IBRRS 2023, 0399

LG München I, Urteil vom 12.01.2023 - 2 O 2151/22
1. Der allgemeine Gerichtsstand einer Person wird gem. § 13 ZPO durch den Wohnsitz bestimmt.
2. Einen für den Fall einer negativen Feststellungsklage generell anzunehmenden ungeschriebenen besonderen oder allgemeinen Gerichtsstand am Wohnort der Klagepartei gibt es nicht.

Online seit gestern
IBRRS 2023, 0369
OLG Brandenburg, Urteil vom 11.01.2023 - 4 U 136/21
1. Der Eigenbesitzer eines Grundstücks haftet, wenn durch den Einsturz eines Gebäudes oder eines anderen mit dem Grundstück verbundenen Werks oder durch die Ablösung von Teilen des Gebäudes oder des Werks der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt wird und der Einsturz oder die Ablösung die Folge fehlerhafter Errichtung oder mangelnder Unterhaltung ist.
2. "Werk" ist ein einem bestimmten Zweck dienender, von Menschenhand nach den Regeln der Baukunst oder der Erfahrung unter Verbindung mit dem Erdkörper hergestellter Gegenstand. Eine Bautreppe aus Holz ist ein "anderes mit dem Grundstück verbundenes Werk".
3. Lässt ein Generalunternehmer eine Bautreppe errichten, um den weiteren am Bau Beteiligten während der Bauzeit und bevor die endgültige Treppe eingebaut ist, den Zugang zu dem Dachgeschoß des zu errichtenden Wohnhauses zu ermöglichen und die dort anfallenden Bauarbeiten durchzuführen, steht die Bautreppe in seinem Eigenbesitz.

IBRRS 2023, 0336

LG Bonn, Urteil vom 26.10.2022 - 1 O 161/22
1. Einem Unternehmen steht gegen den öffentliche Auftraggeber ein Unterlassungsanspruch zu, wenn dieser Schutzpflichten aus einem vorvertraglichem Schuldverhältnis verletzt.
2. In einem Vergabeverfahren entsteht das vorvertragliche Schuldverhältnis bereits mit Interessenbekundung des Unternehmens (hier: durch eine Rüge) an der Ausschreibung.
3. Die sich aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis ergebende Schutzpflicht gegenüber dem Unternehmen wird verletzt, wenn kein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren nach den Regeln der einschlägigen Vergabeverordnung durchgeführt wird (hier verneint).
4. Der öffentliche Auftraggeber hat die Leistungsbeschreibung in einer Weise zu fassen, dass sie allen Unternehmen den gleichen Zugang zum Vergabeverfahren gewährt.
5. In der Leistungsbeschreibung darf u. a. nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren, das die von einem bestimmten Unternehmen bereitgestellten Produkte charakterisiert, verwiesen werden. Solche Verweise sind nur zulässig, wenn sie durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt sind.
6. Der öffentliche Auftraggeber ist nicht gehalten, die Ausschreibung so zuzuschneiden, dass sie zum Unternehmens- oder Betriebskonzept eines jeden möglichen Bieters passt.

IBRRS 2023, 0381

OVG Niedersachsen, Beschluss vom 19.01.2023 - 1 ME 132/22
1. Ob in einem festgesetzten reinen Wohngebiet die Wohnnutzung überhaupt eine Dimension erreichen kann, dass Quantitiät in Qualität umschlägt und das Gebot der Rücksichtnahme verletzt ist, erscheint fraglich, ist jedoch bei einem Mehrfamilienhaus mit 11 Wohneinheiten fernliegend (vgl. für ein Mehrfamilienhaus mit 11 Wohneinheiten in einem faktischen Dorfgebiet Senatsbeschluss vom 12.09.2022 - 1 ME 48/22 -, IBR 2022, 589; für ein Mehrfamilienhaus mit 5 Wohneinheiten in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet Senatsbeschluss vom 28.05.2014 - 1 ME 47/14 -, IBR 2014, 575).*)
2. Milieuschutz dahingehend, den Charakter eines Gebiets als Ein- oder Zweifamillienhausgebiet zu bewahren, vermittelt § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO nicht; allein der Plangeber kann entsprechende Regelungen treffen (§ 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB).*)
3. Betrifft eine Befreiung eine nicht nachbarschützende Vorschrift, führt nicht jeder Fehler bei der Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB zur Aufhebung der Baugenehmigung. Erforderlich ist, dass die zuständige Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung nicht die gebotene Rücksicht auf die Interessen des Nachbarn genommen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.07.1998 - 4 B 64.98, IBRRS 2003, 1686 = BauR 1998, 1206).*)

IBRRS 2023, 0384

VG Mainz, Urteil vom 10.01.2023 - 3 K 121/22
Auch eine im Nebenerwerb inhabergeführte Kfz-Werkstatt mit Betrieb an nur einem Tag in der Woche ist bauplanungsrechtlich in einem allgemeinen Wohngebiet unzulässig.

IBRRS 2023, 0324

LG Berlin, Beschluss vom 22.09.2022 - 66 S 162/22
Eine Kündigung des Vermieters ist nicht gerechtfertigt, wenn der Mieter nach seinem Urlaub einen Wasserschaden in seiner Wohnung mit einer Wasserpfütze in der Küche entdeckt und die darüber liegende leer stehende Wohnung gewaltsam öffnet, um die Ursache festzustellen und weitere Schäden zu verhindern.

IBRRS 2023, 0386

AG Eutin, Urteil vom 17.01.2023 - 29 C 43/21
1. Die Einladung zu einer Wohnungseigentümerversammlung und deren Durchführung in einer Gaststätte als Versammlungsort unter Geltung der dort landesrechtlich vorgeschriebenen sog. 3-G-Regelung verletzt nicht die zum Kernbereich des Wohnungseigentums gehörenden Mitglieder- und Teilnahmerechte von Wohnungseigentümern.
2. Auf einer solchen Versammlung gefasste Beschlüsse sind nicht nichtig.

IBRRS 2023, 0370

OLG Nürnberg, Beschluss vom 16.01.2023 - 8 U 2921/22
Zu den Voraussetzungen des Versicherungsanspruchs in der Betriebshaftpflichtversicherung, insbesondere bei Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens gegen den Versicherungsnehmer (Anschluss an BGH, NJW-RR 2004, 1261 = r+s 2004, 411).*)

IBRRS 2023, 0368

OVG Sachsen, Beschluss vom 19.01.2023 - 3 A 368/21
1. Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung des Urteils ist öffentlich. „Öffentlich“ ist eine Verhandlung, wenn sie in Räumen stattfindet, die während der Dauer der Verhandlung grundsätzlich für jedermann zugänglich sind. Dies umfasst auch, dass der Sitzungssaal eine solche Größe aufweist, dass Zuhörerplätze in einer Mindestzahl vorhanden sind.
2. Wird der Sitzungssaal so gewählt, dass jedenfalls zu Beginn der Sitzung kein Vertreter der Öffentlichkeit im Sitzungssaal Platz finden kann, weil sämtliche vorhandene Plätze durch die Verfahrensbeteiligten sowie Dolmetscher und Zeuge belegt sind, wird die Öffentlichkeit faktisch ausgeschlossen.
3. Die Mindestabstandsvorgaben einer Corona-Verordnung rechtfertigen den faktischen Ausschluss der Öffentlichkeit nicht.

Online seit 3. Februar
IBRRS 2023, 0316
OLG München, Urteil vom 11.02.2022 - 9 U 7233/20 Bau
1. Weist ein ÖPP-Projektvertrag werk-, dienst- und darlehensvertragliche Elemente auf, steht dem Auftraggeber nach Ablauf von zehn Jahren kein Sonderkündigungsrecht aus § 489 BGB zu.
2. Vereinbaren die Parteien eines ÖPP-Projektvertrags für die nächsten 20 Jahre ein festes Zahlungsziel für die einzelnen Tilgungs- und Zinsleistungen, ist der Auftraggeber nicht dazu berechtigt, die noch offenen Tilgungsraten jederzeit zurückzuzahlen.

IBRRS 2023, 0335

KG, Beschluss vom 17.10.2022 - Verg 7/22
1. Dem Auftraggeber steht das Bestimmungsrecht zu, ob und was er beschaffen will. Solange er dabei die Grenzen beachtet und nicht - offen oder versteckt - ein bestimmtes Produkt bevorzugt und andere Anbieter diskriminiert, ist er bei dieser Bestimmung im Grundsatz weitgehend frei. Er bestimmt, welche konkrete Leistung seinem Beschaffungsbedarf am besten entspricht.
2. Vergabeunterlagen müssen klar und verständlich sein. Aus den Vergabeunterlagen muss für Bieter oder Bewerber eindeutig und unmissverständlich hervorgehen, was von ihnen verlangt wird. Die Vergabestellen trifft die Pflicht, die Vergabeunterlagen klar und eindeutig zu formulieren und Widersprüchlichkeiten zu vermeiden.
3. Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Grundlage dafür ist eine Bewertung des öffentlichen Auftraggebers, ob und inwieweit das Angebot die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllt.
4. Das wirtschaftlichste Angebot bestimmt sich nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Zu dessen Ermittlung können neben dem Preis oder den Kosten auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden.
5. Bei der Bestimmung der Kriterien für das wirtschaftlichste Angebot ist der Auftraggeber weitgehend ungebunden, bestimmten Faktoren eine Bedeutung beizumessen.

IBRRS 2023, 0365

OVG Niedersachsen, Beschluss vom 24.01.2023 - 1 ME 133/22
1. Ist ein aufgrund seiner künstlerischen Bedeutung unter Schutz gestelltes Baudenkmal an einem Bauplatz errichtet worden, der schon zu seiner Entstehungszeit eine "Einmauerung" durch - nicht notwendig mit künstlerischem Anspruch errichtete - Nachbargebäude erwarten ließ, bedarf es bedeutender baulicher "Missgriffe", um in der Ausgestaltung der Seitenfassaden der Nachbargebäude eine (erhebliche) Beeinträchtigung des Denkmalwerts zu sehen.*)
2. Die ihm gegenüber eingetretene Wirksamkeit und Unanfechtbarkeit von Festsetzungen der Geländehöhe nach § 5 Abs. 9 NBauO kann dem Miteigentümer eines Grundstücks auch dann entgegengehalten werden, wenn diese anderen Miteigentümern nicht wirksam bekannt gegeben worden sind. Der Erwerb von deren Miteigentumsanteilen lässt die Anfechtungsmöglichkeiten des Miteigentümers, dem gegenüber der Bescheid bekannt gegeben worden ist, nicht wiederaufleben.*)
3. Das Erfordernis des Sachbescheidungsinteresses für eine Baugenehmigung ist nicht nachbarschützend.*)

IBRRS 2023, 0013

AG Berlin-Mitte, Urteil vom 02.11.2022 - 123 C 77/22
1. Der Berliner Mietspiegel 2019 kann jedenfalls als einfacher Mietspiegel zur Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete herangezogen werden.
2. Die §§ 556d bis 556g BGB sind nur auf die Ausgangsmiete einer Indexmietvereinbarung anzuwenden.
3. Auch bei einem Verstoß gegen die Mietpreisbremse ist eine später erklärte Indexmieterhöhung wirksam.

IBRRS 2023, 0318

LG München I, Urteil vom 08.12.2022 - 36 S 3944/22 WEG
1. Das Gericht gibt einer zulässigen Beschlussersetzungsklage statt, wenn der vom Kläger begehrte Beschluss im Sinne des Gesetzes "notwendig" ist. Ein Beschluss ist notwendig, wenn der Kläger im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf den Beschluss hat.
2. Für Maßnahmen der Barrierereduzierung, der Elektromobilität, des Einbruchsschutzes und des Glasfaserausbaus braucht es nicht den Willen der Mehrheit. Jeder Eigentümer kann sie auf seine Kosten verlangen. Derartige Maßnahmen liegen nach Ansicht des Gesetzgebers nicht nur im besonderen Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers, sondern im gesamtgesellschaftlichen Interesse.
3. Barrierereduzierung i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG ist weit zu verstehen und erstreckt sich auf alle Maßnahmen, die für eine Nutzung durch körperlich oder geistig eingeschränkte Personen auch nur förderlich sind. Auf die individuelle Betroffenheit des Wohnungseigentümers, seiner Angehörigen oder Mieter kommt es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht an. Barrierereduzierende Maßnahmen können anlasslos verlangt werden. Damit soll einerseits Streitigkeiten über die Notwendigkeit im Einzelfall vermieden und andererseits dem gesamtgesellschaftlichen Bedürfnis nach barriereduziertem Wohnraum Rechnung getragen werden.
4. Hinter dem Verbot der grundlegenden Umgestaltung i.S.v. § 20 Abs. 4 WEG liegt der Gedanke, dass der Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums wegen der Beschlusskompetenz des § 20 Abs. 1 WEG zwar nicht mehrheitsfest ist, es aber einen Kernbereich gibt, den jeder Wohnungseigentümer auch gegen den Willen der Mehrheit verteidigen kann. Unter den Begriff der grundlegenden Umgestaltung kann der Anbau eines Außenaufzugs etwa dann subsumiert werden, wenn dadurch die Fassade eines Stuckaltbaus zerstört oder erheblich umgestaltet wird.

IBRRS 2023, 0366

OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 21.12.2022 - 2 MB 4/21
1. Bei der als Ereignisfrist ausgestalteten Frist des § 12 Abs. 5 Nr. 2 Satz 1 VOB/B ist der Sonnabend zu Werktagen in diesem Sinne hinzuzurechnen.*)
2. Ändern sich die Eigentumsverhältnisse nach dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht bedarf es für eine rechtmäßige (anteilige) Heranziehung des neuen Eigentümers an entstandenen Ausbaubeiträgen an einer dem Bestimmtheitsgrundsatz genügenden Satzungsbestimmung.*)

IBRRS 2023, 0367

OLG Schleswig, Beschluss vom 20.12.2022 - 2 AR 21/22
1. Der Grundsatz der Bindungswirkung von Verweisungsbeschlüssen gem. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO wird lediglich in eng begrenzten, verfassungsrechtlich gebotenen Ausnahmefällen durchbrochen, namentlich bei einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder des aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitenden Willkürverbots (vgl. BGH, Beschluss vom 10.06.2003 - X ARZ 92/03, NJW 2003, 3201, und BGH, Beschluss vom 6. Oktober 1993 - XII ARZ 22/93, NJW-RR 1994, 126).*)
2. Objektiv willkürlich, weil offensichtlich unhaltbar und nicht mehr verständlich ist ein Verweisungsbeschluss auch dann, wenn das verweisende Gericht Akteninhalt unbeachtet lässt, aus dem sich die Zuständigkeit des verweisenden Gerichts geradezu aufdrängt und daher zwingend zu prüfen war. Dies ist der Fall, wenn sich das verweisende Gericht mit der Zuständigkeit gem. § 21 ZPO nicht auseinandersetzt, obwohl sich eine Prüfung aufgedrängt hätte: Der streitgegenständliche Gegenstand wurde in einer Niederlassung der Beklagten erworben, die im Bezirk des verweisenden Amtsgerichts liegt, wie sich aus der als Anlage K1 der Klage beigefügten Rechnung ergibt.*)
3. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird auch dann verletzt, wenn sich ein Gericht mit Vorbringen einer Partei, das für die Zuständigkeitsfrage entscheidungserheblich ist, nicht auseinandersetzt, weil es den Eindruck erweckt, als habe es das Vorbringen einer Partei überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder jedenfalls bei seiner Entscheidung nicht erwogen. Wird ein Verweisungsbeschluss unter anderem damit begründet, die Klägerseite habe zu einer örtlichen Zuständigkeit - auch nach entsprechendem Hinweis des Gerichts - nicht vorgetragen, obwohl eine Partei ausdrücklich zur Zuständigkeit vorgetragen hat, handelt es sich um ein derart eklatantes Übergehen von Parteivortrag (in Form eines ausdrücklichen Negierens), dass der darin liegende Gehörsverstoß zum Entfall der Bindungswirkung führt. Dies gilt unabhängig davon, ob man eine Zuständigkeit des verweisenden Gerichts entsprechend der Argumentation in dem Parteivortrag (hier gem. § 29 ZPO) im Ergebnis bejaht oder nicht, solange die von der Partei vertretene Zuständigkeit zumindest in Betracht zu ziehen war.*)

Online seit 2. Februar
IBRRS 2023, 0257
OLG Schleswig, Beschluss vom 15.01.2021 - 1 U 66/20
1. Der Architekt verletzt regelmäßig seine Vertragspflichten, wenn er ohne verlässliche Kenntnis von den wirtschaftlichen Möglichkeiten des privaten Auftraggebers die Planung eines Wohnhauses vornimmt (BGH, IBR 2013, 284).
2. Jeder Bauherr ist gut beraten, die Kosten des Bauvorhabens zuvor zu kalkulieren und einen Puffer einzuplanen. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass es ihm darauf ankommt die genannten Baukosten einzuhalten.
3. An der Verursachung eines Schadens durch eine fehlerhafte Kostenschätzung oder Kostenkontrolle des Architekten fehlt es, wenn der Bauherr trotz ansteigender Baukosten an der Verwirklichung des unveränderten Vorhabens festhält oder gar Mehrkosten verursacht.

IBRRS 2023, 0332

VK Bund, Beschluss vom 07.12.2022 - VK 1-95/22
1. Die Wertungsentscheidung kann vom Auftraggeber nicht auf Dritte delegiert werden. Es handelt sich um eine eigenverantwortlich zu treffende Entscheidung des Auftraggebers.
2. Zieht der Auftraggeber - was grundsätzlich zulässig ist - externen Sachverstand bei der Angebotsbewertung hinzu, muss die Wertungsentscheidung dennoch vom Auftraggeber selbst getragen werden.
3. An den "billigenden Prüfvermerk", mit dem sich der Auftraggeber die Angebotswertungen des externen Dienstleisters zu eigen machen kann, sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Der Vermerk "inhaltlich richtig" oder "einverstanden" auf dem Vergabevermerk reicht bereits aus.

IBRRS 2023, 0334

OVG Sachsen, Beschluss vom 02.01.2023 - 1 A 447/22
In einer bauplanungsrechtlichen Gemengelage besteht kein Gebietserhaltungsanspruch.

IBRRS 2023, 0320

AG Kreuzberg, Urteil vom 26.04.2022 - 11 C 191/21
1. Seiner Pflicht, bei der Berufung auf den Ausnahmetatbestand der Erstvermietung nach umfassender Modernisierung den Mieter bei Mietvertragsabschluss auf diesen Umstand hinzuweisen, kann der Vermieter auch durch Übergabe eines entsprechend gestalteten Exposés nachkommen; dabei ist weder eine Erläuterung des Begriffs der umfassenden Modernisierung noch eine Beschreibung der Arbeiten erforderlich.
2. Hat der Vermieter diesen Hinweis erteilt, ist er nicht verpflichtet, weitere Auskünfte (betreffend Höhe der Vormiete, Mieterhöhungen innerhalb des letzten Jahres vor Beendigung des Vormietverhältnisses und Modernisierungsmaßnahmen in den letzten drei Jahren vor Beginn des Mietverhältnisses) zu erteilen.
3. Zur Auslegung des Begriffs "umfassende Modernisierung".

IBRRS 2023, 0281

AG Köln, Urteil vom 17.01.2023 - 215 C 48/22
1. Eine Verweigerung der Belegeinsicht vor der Eigentümerversammlung führt nicht zur Anfechtbarkeit des Beschlusses über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse.*)
2. Solange dem anfechtenden Wohnungseigentümer Belegeinsicht verweigert wird, muss die Wohnungseigentümergemeinschaft im Rechtsstreit die Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses jedenfalls darlegen.*)
3. Es kann ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, einen Teil der Erhaltungsrücklage in eine Liquiditätsrücklage umzuwidmen, auch wenn Erhaltungsmaßnahmen anstehen, deren voraussichtliche Kosten den Betrag der vorhandenen Erhaltungsrücklage deutlich übersteigen.*)

IBRRS 2023, 0208

OLG Rostock, Beschluss vom 24.10.2022 - 3 W 82/22
1. Das Sondereigentum gem. § 3 Abs. 2 WEG in der seit dem 01.12.2020 geltenden Fassung kann auf einen außerhalb des Gebäudes liegenden Teil des Grundstücks, wie z. B. Gartenflächen, erstreckt werden, es sei denn, die Wohnung oder die Räume bleiben dadurch wirtschaftlich nicht die Hauptsache.*)
2. Die Hauptsacheeigenschaft der Wohnung bzw. der Räume wird grundsätzlich vermutet, insbesondere bei - wie hier - Verbindung einer Wohnung mit einem Garten.*)
3. Eine Prüfung durch das Grundbuchamt hat nur bei konkreten anderweitigen Anhaltspunkten zu erfolgen.*)

IBRRS 2022, 3706

LG Traunstein, Beschluss vom 16.05.2022 - 4 T 1275/21
1. Die Einstellung der Räumungsvollstreckung scheidet aus, wenn der Gesundheitsgefahr durch ärztliche Maßnahmen begegnet werden kann.
2. Auch eine Unterrichtung der zuständigen Sicherheitsbehörden (Landratsamt) über die Zurückweisung/Nichteinstellung kann genügen.
3. Zum (geringen) Schutzbedürfnis des verschwiegenen Mitbesitzers.

IBRRS 2023, 0348

OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.12.2022 - 26 Sch 4/22
Ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public international kann nicht damit begründet werden, dass ein Schiedsgericht bei einer Beweiswürdigung nicht angibt, welchen konkreten Beweiswert es einzelnen Indizien beigemessen hat.*)

IBRRS 2023, 0347

BFH, Beschluss vom 22.11.2022 - XI B 1/22
Erörtert das Finanzgericht im Anschluss an die Beweisaufnahme und vor Erlass seines Urteils nicht erneut den Sach- und Streitstand und, soweit bereits möglich, das Ergebnis der Beweisaufnahme mit den Beteiligten, verletzt es deren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Folgeentscheidung zum EuGH-Urteil vom 14.04.2021 - Rs. C-108/20 - Finanzamt Wilmersdorf, DStR 2021, 1477).*)

IBRRS 2023, 0321

LG Karlsruhe, Urteil vom 06.12.2022 - 11 S 135/21
Auch in verwalterlosen Zweiergemeinschaften kann der einzelne Eigentümer den Anspruch für den Verband auf Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung des Wohnungseigentums nach Inkrafttreten des WEMoG nicht direkt geltend machen.*)

Online seit 1. Februar
IBRRS 2023, 0337
BGH, Urteil vom 16.12.2022 - V ZR 263/21
Nach dem seit dem 01.12.2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht trifft die Pflicht zur Durchführung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer nicht mehr den Verwalter, sondern die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (Abgrenzung zu Senat, IMR 2018, 332).*)

IBRRS 2023, 0263

OLG Schleswig, Beschluss vom 18.03.2022 - 8 U 24/21
1. Beide Vertragsparteien können den (Bau- bzw. Werk-)Vertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur Fertigstellung des Werks nicht zugemutet werden kann.
2. Die Fortsetzung des (Bau- bzw. Werk-)Vertrags kann insbesondere dann unzumutbar sein, wenn eine Vertragspartei das für die Durchführung des Vertrags erforderliche Vertrauensverhältnis massiv erschüttert und damit den Vertragszweck erheblich und auf Dauer gefährdet.
3. Bezahlt der Besteller entgegen den getroffenen Vereinbarungen mehrere fällige Abschlagszahlungen nicht, obwohl der von ihm beauftragte Projektleiter diese geprüft und freigegeben hat, kann der Unternehmer den Vertrag aus wichtigem Grund kündigen.

IBRRS 2023, 0292

OLG Schleswig, Beschluss vom 15.08.2022 - 54 Verg 5/22
1. Nach der Rücknahme des Nachprüfungsantrags entspricht es regelmäßig der Billigkeit, dass der Antragsteller die Kosten trägt, da er sich durch die Rücknahme in die Rolle des Unterlegenen begibt.
2. Eine Reduzierung der Gebühren kommt nicht in Betracht, wenn die Rücknahme erst nach der Entscheidung der Vergabekammer erklärt wurde.

IBRRS 2023, 0309

VGH Bayern, Beschluss vom 12.01.2023 - 1 ZB 22.1764
1. Ein Bebauungsplan kann funktionslos werden, wenn sich die Sach- oder Rechtslage nachträglich so verändert hat, dass ein Planvollzug auf unüberschaubare Zeit ausgeschlossen erscheint.
2. Bloße Zweifel an der Verwirklichungsfähigkeit eines Plans führen nicht zur seiner Funktionslosigkeit; er tritt nur außer Kraft, wenn offenkundig ist, dass er als Instrument für die Steuerung der städtebaulichen Entwicklung nicht mehr tauglich ist.
3. Die bloße Änderung der Planungsabsichten - darunter fällt auch die Abkehr von einer planerischen Grundkonzeption - kann nicht schon zur Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans führen. Ursächlich für das Außerkrafttreten eines Bebauungsplans wegen Funktionslosigkeit kann nur ein in der tatsächlichen Entwicklung eingetretener Zustand sein, der es auf unabsehbare Zeit ausschließt, die planerische Gesamtkonzeption oder das mit einer Festsetzung verfolgte Planungsziel zu verwirklichen.

IBRRS 2023, 0333

OLG Bremen, Urteil vom 09.12.2022 - 4 U 20/21
1. Eine Individualvereinbarung und keine Allgemeinen Geschäftsbedingung liegt vor, wenn zwischen den Parteien Verhandlungen stattgefunden haben, bei denen beide Parteien die Möglichkeit hatten, ihre Prioritäten deutlich zu machen, bei denen verschiedene Vertragsteile zueinander ins Verhältnis gesetzt wurden und die in Rede stehende vorformulierte Klausel letztlich abgeändert worden ist.*)
2. Ein Vertragsstrafeversprechen, das für den Fall des Verzugs der Übergabe einer erst noch zu errichtenden Gewerbeimmobilie die Verwirkung einer täglichen Summe vorsieht, ist auch ohne Vereinbarung einer Obergrenze zulässig. Es muss jedoch im Einzelfall geprüft werden, ob eine zeitliche Grenze erreicht ist, jenseits derer sich das Verlangen nach Fortzahlung der Vertragsstrafe nach § 242 BGB als treuwidrig erweisen würde (im Anschluss an BGH, IBR 2003, 1112 - nur online).*)
3. Das Recht auf Herabsetzung der Vertragsstrafe setzt nach § 343 setzt voraus, dass die verfallene Vertragsstrafe unverhältnismäßig hoch ist. Für die Angemessenheit der Strafe sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere Schwere, Art und Ausmaß der Zuwiderhandlung, Grad des Verschuldens, die wirtschaftliche Lage des Schuldners, die Funktion der Strafe als Druck- und Sicherungsmittel und dass diese den Gläubiger im Falle der Zuwiderhandlung von der Notwendigkeit des Schadensnachweises entheben soll. Allein das Fehlen eines Schadens rechtfertigt die Herabsetzung der Strafe nicht. Entscheidend ist, welchen Schaden der Vertragsbruch hätte herbeiführen können.*)

IBRRS 2023, 0118

AG München, Urteil vom 20.12.2022 - 411 C 10539/22
1. Die Aufnahme von Flüchtlingen stellt kein mieterbezogenes berechtigtes Interesse gem. § 553 Abs. 1 BGB dar, sondern ein (Fremd-)Interesse Dritter.
2. Dieses Interesse ist auch nicht nachträglich entstanden, weil es bereits vor Mietvertragsabschluss Flüchtlinge - auch ukrainische - gab.

IBRRS 2023, 0207

AG Riesa, Urteil vom 28.10.2022 - 6 C 407/21 WEG
1. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG ist jeder Wohnungseigentümer gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichtet, das Betreten seines Sondereigentums und andere Einwirkungen auf dieses (...) zu dulden, die den Vereinbarungen oder Beschlüssen entsprechen (...).
2. Dies gilt auch (oder gerade) für die Umsetzung beschlossener privilegierter baulicher Veränderungen, die jeder Wohnungseigentümer als angemessene bauliche Veränderung verlangen kann.

IBRRS 2023, 0022

AG Bottrop, Urteil vom 16.09.2022 - 20 C 21/22
Die Einladung zur Versammlung durch eine nicht zuständige Person führt zur Anfechtbarkeit aller auf der Versammlung gefassten Beschlüsse.

IBRRS 2023, 0019

OLG München, Beschluss vom 23.08.2022 - 8 U 1186/22
1. Dem Nießbraucher obliegt die gewöhnliche Unterhaltung der Sache. Dazu zählen solche Maßnahmen, die bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung regelmäßig, und zwar wiederkehrend innerhalb kürzerer Zeitabstände zu erwarten sind. Dazu gehört auch die gewöhnliche Unterhaltung der Heizung und Warmwasserbereitung.
2. Den Nießbraucher treffen die öffentlichen Lasten, die auf der Sache ruhen. Hierzu zählen neben den Gebühren für Kanalisation, Müllabfuhr, Kaminkehrer und Straßenreinigung insbesondere die Grund- und Gebäudesteuern. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese öffentlichen Lasten bereits bei der Bestellung des Nießbrauchs auf der Sache ruhten oder erst später entstanden sind.
3. Die Kostentragungspflicht für die Haftpflicht-, Gebäude- und Gebäudebrandversicherung folgt aus § 1045 Abs. 2 BGB.

IBRRS 2023, 0295

BGH, Urteil vom 01.12.2022 - III ZR 54/21
1. Wenn und soweit die öffentlich-rechtliche Unterhaltungspflicht einer Verkehrssicherungspflicht inhaltlich gleichkommt, hat sie drittschützenden Charakter i.S.v. § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB (Weiterentwicklung von Senat, Urteile vom 24.02.1994 - III ZR 4/93, IBRRS 1994, 0425 = BGHZ 125, 186, 188 und vom 25.02.1993 - III ZR 9/92, IBRRS 1993, 0423 = BGHZ 121, 367, 374).*)
2. Die Gewässerschau dient der Prüfung der ordnungsgemäßen Unterhaltung oberirdischer Gewässer. Fallen bestimmte Anlagen nicht in die Unterhaltungslast des mit der Gewässerschau betrauten Unterhaltungsverpflichteten, sind sie auch nicht von seiner Schaupflicht erfasst. Stellt eine solche Anlage aber eine ganz offensichtliche für den Gewässerunterhaltungspflichtigen ohne Weiteres zu erkennende Gefahrenquelle dar, kann dieser gleichwohl verpflichtet sein, an der Beseitigung der (drohenden) Gefahr mitzuwirken.*)
3. Wie oft ein bestimmtes Gewässer zu beschauen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.*)
IBRRS 2023, 0313

VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.01.2023 - A 2 S 363/22
1. Gemäß § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 2 ZPO sind die wesentlichen Verhandlungsvorgänge in das Protokoll aufzunehmen. Was wesentlich ist, hängt maßgeblich vom Verhandlungsgegenstand und vom Verhandlungsverlauf ab. In das Protokoll ist alles aufzunehmen, was das Rechtsmittelgericht für die Entscheidungs- und Verfahrenskontrolle benötigt. Dazu zählen u. a. Prozessanträge wie etwa ein Antrag auf Gewährung einer Schriftsatzfrist oder prozessleitende Verfügungen bzw. Beschlüsse des Gerichts, mit denen beispielsweise eine Schriftsatzfrist gewährt oder abgelehnt wurde. Gleiches gilt, wenn ein Gericht für den Fall einer Änderung seiner vorläufigen Rechtsauffassung ein weiteres Schriftsatzrecht zusichert und damit sozusagen ein "bedingtes" Schriftsatzrecht gewährt.*)
2. Gerichtliche Hinweise - hier zur vorläufigen Rechtsauffassung des Gerichts -, die in der mündlichen Verhandlung erteilt werden, sind in der Regel als wesentliche Vorgänge im Sinne des § 160 Abs. 2 ZPO in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen. Schweigt das Protokoll hierzu, ist im Hinblick auf § 173 VwGO i.V.m. § 415 ZPO davon auszugehen, dass der Hinweis nicht erfolgt ist.*)

IBRRS 2023, 0269

LG Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.2022 - 25 T 182/22
Auch nach der WEG-Reform 2020 ist der Streitwert für die Anfechtung des Beschlusses über die Jahresabrechnung grundsätzlich nach dem Gesamtbetrag der abgerechneten Kosten (Abrechnungssumme) zu bemessen.

Online seit 31. Januar
IBRRS 2023, 0288
KG, Urteil vom 13.01.2023 - 21 U 50/22
1. Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Architekt oder Ingenieur bei Verhandlungen über den Abschluss eines Architektenvertrags die einschlägige Vorstrafe einer Person ungefragt offenbaren muss, die mit maßgeblichem Einfluss an der Vertragserfüllung mitwirken soll.*)
2. In Verhandlungen über den Abschluss eines Architektenvertrags ist die frühere Verurteilung des Architekten zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe wegen Bestechlichkeit jedenfalls dann eine einschlägige Vorstrafe, wenn Leistungen der Leistungsphasen 7 und 8 gemäß HOAI Gegenstand des Architektenvertrags sein sollen.*)

IBRRS 2023, 0291

OLG Schleswig, Beschluss vom 06.07.2022 - 54 Verg 4/22
1. Eine zum zwingenden Ausschluss des Angebots führende Änderung der Vergabeunterlagen liegt vor, wenn der Bieter manipulativ in die Vergabeunterlagen eingreift, indem er ein von den Vorgaben abweichendes Angebot macht, das bei einem Wegdenken der Abweichungen unvollständig bleibt.
2. Dazu ist keine körperliche Veränderung etwa im Sinne einer Änderung der vorgegebenen Leistungsmengen oder -beschreibungen notwendig. Es reicht, dass der Bieter bei der Ausfüllung von Berechnungsschemata von den Vorgaben abweicht.
3. Eine Änderung der Vergabeunterlagen liegt auch vor, wenn das Angebot von den Leistungsvorgaben in der Ausschreibung abweicht.
4. Der Auftraggeber muss das Angebot eines Bieters darauf prüfen, ob dieser die Leistungszusage einhalten kann, wenn konkrete Tatsachen dessen Leistungsversprechen nicht plausibel erscheinen lassen.

IBRRS 2023, 0308

VGH Bayern, Beschluss vom 13.12.2022 - 15 ZB 22.2149
1. Ein 1,55 m hoher und 26,29 m langer Sichtschutzzaun entfaltet keine gebäudeähnliche Wirkung. Eine solche Wirkung einer Anlage ist im Einzelfall unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des Abstandsflächenrechts zu bestimmen.
2. Unterer Bezugspunkt für die Bestimmung der abstandsflächenrelevanten Wandhöhe ist die Geländeoberfläche. Im Hinblick auf Geländeveränderungen kommt es maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls an. Es muss vermieden werden, dass durch Manipulation des Geländes die gesetzlichen Regelungen unterlaufen werden.
3. Fragen der Standsicherheit sind nicht Gegenstand der präventiven Prüfung im vereinfachten Genehmigungsverfahren.

IBRRS 2023, 0279

AG Köln, Urteil vom 09.01.2023 - 203 C 144/22
1. § 566 BGB findet auf die Erbauseinandersetzung weder unmittelbare noch entsprechende Anwendung.
2. Eine Vereinbarung zum Übergang von Lasten und Nutzen berechtigt nicht zur Eigenbedarfskündigung.
