Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Aktuelle Urteile in allen Sachgebieten
Online seit 19. August
IBRRS 2025, 2119
OLG Schleswig, Urteil vom 22.07.2025 - 7 U 74/24
1. Für die Ermittlung eines künftigen Verdienstausfallschadens gelten § 252 BGB und § 287 ZPO; die Anforderungen dürfen nicht überspannt werden.*)
2. Wird im angefochtenen Urteil zwar einleitend die korrekte Vorschrift des § 287 ZPO angeführt, sodann allerdings – ohne die „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ als einschlägigen Beweismaßstab zu benennen – ausgeführt, das Gericht habe sich „nicht davon überzeugen“ können, dass der Kläger „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ befördert worden wäre, bzw. die Aussage eines Zeugen sei „nicht ausreichend“, um eine Beförderung „für sehr wahrscheinlich zu halten“, liegt dem Urteil offenbar die Anwendung eines unrichtigen Beweismaßstabes zugrunde. Darin liegt ein wesentlicher Mangel des Verfahrens i. S. d. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.*)
3. Ist aufgrund eines wesentlichen Verfahrensmangels die Vernehmung von fünf Zeugen – davon drei erneut und zwei erstmals – durch das Berufungsgericht notwendig, handelt es sich um eine umfangreiche Beweisaufnahme i. S. d. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die die Zurückverweisung der Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges rechtfertigt.*)

Online seit 18. August
IBRRS 2025, 2041
OLG Koblenz, Urteil vom 04.04.2024 - 2 U 68/23
1. Der Werklohn wird auch ohne Abnahme fällig, wenn der Besteller endgültig keine Erfüllung mehr verlangt oder aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht verlangen kann.
2. Tritt der Bauträger seine Kaufpreisansprüche aus dem Bauträgervertrag mit dem Erwerber an einen Dritten ab und schließt der Bauträger später mit dem Erwerber einen Vergleich (hier: Zahlung eines Abgeltungsbetrags gegen Eigentumsumschreibung), in dem der Bauträger zu Lasten des Dritten auf einen Teil der Vergütungsforderungen verzichtet, entfaltet dieser Verzicht gegenüber dem Dritten keine Rechtswirkung, wenn der Erwerber Kenntnis von der Abtretung hatte.

IBRRS 2025, 2156

VK Südbayern, Beschluss vom 03.06.2025 - 3194.Z3-3_01-25-23
1. Der Ausschluss eines vorbefassten Bieters nach § 124 Abs. 1 Nr. 6 GWB ist immer nur letztes Mittel und kommt nur dann in Betracht, wenn die Chancengleichheit aller Bieter nicht auch auf andere Weise sichergestellt werden kann.*)
2. Auch wenn bei der Vergabe von Bauaufträgen die Namen der Bieter und die Endbeträge der Angebote nach § 14 EU Abs. 6 VOB/A 2019 bekanntgegeben werden, handelt es sich bei den Angaben zur Kalkulation in den Formblättern 221 bis 223 des Vergabehandbuchs um vertrauliche Angebotsinhalte i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 2 VgV, die der öffentliche Auftraggeber vertraulich zu behandeln hat.*)
3. Der öffentliche Auftraggeber darf solche Angebotsinhalte nach § 5 Abs. 1 Satz 1 VgV auch nicht an für ihn tätige Planungsbüros herausgeben, wenn ihm durch Rüge bekannt wird, dass diese mit konkurrierenden Bauunternehmen personell und gesellschaftsrechtlich eng verflochten sind.*)
4. Der Ausschlussgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 9b GWB kann erfüllt sein, wenn ein Unternehmen die entgegen § 5 Abs. 1 und 2 VgV erlangte Kenntnis vertraulicher Angebotsinhalte von direkten Konkurrenten aus anderen Vergabeverfahren bei der Erstellung des eigenen Angebots nutzt.*)

IBRRS 2025, 2162

VGH Bayern, Beschluss vom 14.07.2025 - 15 CS 25.1102
Ist ein nachträglich errichteter Lager- und Abstellplatz nach dem Betriebskonzept und der Nutzung des Bauherrn einem vorhandenen Betrieb räumlich und funktional zugeordnet, handelt es sich nicht um einen nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 15 Buchst. b BayBO verfahrensfreien, selbständigen Lager- und Abstellplatz, sondern um eine Erweiterung des vorhandenen Betriebes und einen unselbständigen Lager- und Abstellplatz.*)

IBRRS 2025, 2069

LG München I, Urteil vom 05.02.2025 - 14 S 9406/23
1. Eine Vorfälligkeitsklausel ist unwirksam, wenn zudem eine Aufrechnungsbeschränkung für eine Mietzahlung vorliegt, die sich wegen eines Mangels gemindert hat.
2. Der zeitnahe Ausgleich eines Betriebskostenrückstands nach der Kündigung lässt den Kündigungsgrund nicht entfallen.
3. Eine Mängelanzeige beim Hausverwalter der WEG ist dem Vermieter nicht zuzurechnen, dieser ist auch weder Empfangsvertreter noch Empfangsbote.
4. Nach Beendigung des Mietverhältnisses mindert sich die Nutzungsentschädigung nicht, wenn ein Mangel erst während der Zeit der Vorenthaltung auftritt.

IBRRS 2025, 2112

AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 08.08.2025 - 980a C 11/25 WEG
1. Regelungen in einer Teilungserklärung sind - wie alle im Grundbuch eingetragenen Vereinbarungen - objektiv-normativ auszulegen. Maßgebend sind ihr Wortlaut und Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt, weil sie auch etwaige Sonderrechtsnachfolger binden, und Umstände außerhalb der Eintragung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne Weiteres erkennbar sind.
2. Ist in der Teilungserklärung nur von Wohnungseigentümern die Rede, ist daraus nicht zu folgern, dass Teileigentümer davon nicht betroffen sind, wie ein Vergleich mit § 16 WEG zeigt, in dem ebenfalls nur von Wohnungseigentümern die Rede ist, aber auch die Teileigentümer gemeint sind. Der Begriff "Wohnungseigentümer" ist daher entsprechend den gesetzlichen Regelungen in einem umfassenden Sinne als Synonym für "Sondereigentümer" zu verstehen.
3. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Gemeinschaftsordnung ausdrücklich die Teileigentumseinheiten von ihrem Regelungsbereich ausnehmen wollte.
4. Abweichungen von der gesetzlichen Verteilung der Kosten müssen klar und eindeutig aus der Gemeinschaftsordnung hervorgehen.
IBRRS 2025, 2174

BGH, Urteil vom 23.07.2025 - VIII ZR 240/24
Enthält ein Kaufvertrag über einen Oldtimer im Zusammenhang mit der Beschreibung des Erhaltungszustands die Angabe einer Zustandsnote, ist im Hinblick auf die erhebliche rechtliche und praktische Bedeutung von Zustandsnoten im Bereich des Kaufs von Oldtimern regelmäßig - auch im Fall des Verkaufs eines Oldtimers durch einen privaten Verkäufer - von einer Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB aF auszugehen, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände gegen die Vereinbarung eines der Zustandsnote entsprechenden Erhaltungszustands als Beschaffenheit des Fahrzeugs sprechen.*)

IBRRS 2025, 2157

OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.07.2025 - 1 AR 17/25
Eine vom Verwender gestellte Klausel, die einen ausschließlichen Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dem geschlossenen Vertrag festlegt, ist im unternehmerischen Rechtsverkehr wirksam.

IBRRS 2025, 2121

OLG Köln, Urteil vom 12.06.2025 - 24 U 92/24
Die von der Sekretärin des Beklagtenvertreters auf der Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift vorgenommene qualifizierte elektronische Signatur genügt dem Formerfordernis nicht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beklagtenvertreter sich den Inhalt der an das Gericht übermittelten elektronischen Dokumente zu eigen gemacht hat.

IBRRS 2025, 2074

BGH, Beschluss vom 17.07.2025 - I ZB 52/25
1. Eine Berufung kann auch ausschließlich mit neuen Angriffs- oder Verteidigungsmitteln begründet werden; in einem solchen Fall bedarf es keiner Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils.
2. Wird die Berufung ausschließlich hierauf gestützt, sind die in § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO genannten Angaben erforderlich; fehlen diese, kann die Berufung ohne weiteres zurückgewiesen werden. Das gilt auch dann, wenn sie später unstreitig werden könnten.

IBRRS 2025, 2153

OLG Frankfurt, Urteil vom 27.03.2025 - 16 U 9/23
1. Ein nicht signiertes elektronisches Dokument (hier: xhtml-Dateien und digitalisierte Ausdrucke von Chatverläufen) kann nur den Beweis des Augenscheinobjekts erbringen.
2. Der Beweiswert nicht signierter privater elektronischer Dokumente, d.h. ob die in ihnen enthaltene Erklärung vom behaupteten Urheber stammt, ist nach den allgemeinen Grundsätzen frei zu würdigen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich elektronische Dokumente leicht und für den Laien oft nicht erkennbar fälschen lassen.
3. Die Überzeugungskraft kann sich im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung durch begleitende Umstände oder andere Beweismittel (bspw. Zeugen) erhöhen.
