Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Aktuelle Urteile in allen Sachgebieten
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IBRRS 2025, 1827
OLG Frankfurt, Urteil vom 27.06.2025 - 21 U 19/24
1. Bei der Befristung einer Vertragserfüllungsbürgschaft kann es sich auch dann um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handeln, wenn ein bestimmtes Datum angegeben wird (hier bejaht).
2. Der Bürge, von dem das Bürgschaftsformular stammt, ist im Verhältnis zum Besteller auch dann Verwender, wenn die konkret in Rede stehende Formulierung der Befristung auf Initiative des Unternehmers als Hauptschuldner zurückzuführen ist.
3. Bereits der Umstand, dass eine Klausel nicht abgeändert wird, schließt ein "Aushandeln" und damit die Annahme einer Individualvereinbarung aus.
4. Die Befristung einer Bürgschaft im Rahmen eines VOB/B-Vertrags ist überraschend und benachteiligt den Auftraggeber (hier) zudem unangemessen.

IBRRS 2025, 1847

BVerwG, Beschluss vom 02.06.2025 - 4 B 31.24
1. Einer einzelhandelsbeschränkenden Festsetzung muss nach den konkreten Gegebenheiten im Plangebiet und den hiernach realistischerweise zu erwartenden Entwicklungen ein Förderpotenzial hinsichtlich des normativ vorgegebenen Ziels der Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche zukommen; dies muss in der Begründung des Bebauungsplans dargelegt werden.
2. Unter welchen Voraussetzungen ein auf ein bestehendes Einzelhandels- und Zentrenkonzept aufsattelnder Bebauungsplan mit einem umfassenden (nicht-zentrenrelevante Sortimente einschließenden) Einzelhandelsausschluss dem Abwägungs- und/oder dem Ermittlungs- und Bewertungsgebot genügt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

IBRRS 2025, 1854

AG Charlottenburg, Urteil vom 17.04.2025 - 202 C 245/24
Verfügt die im Bad vorhandene und zum Duschen vorgesehene Badewanne über keinen zusätzlichen Spritzwasserschutz, etwa in Form eines Duschvorhangs oder von Glasabtrennungen, so steht das Fehlen eines Spritzwasserschutzes nach der dem Berliner Mietspiegel 2024 beigefügten Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung – im Gegensatz zu den vorangegangenen Mietspiegeln – ausdrücklich einer gänzlich fehlenden Duschmöglichkeit gleich.

IBRRS 2025, 1566

AG Essen, Urteil vom 19.06.2024 - 196 C 10/24
1. Bei der Bestellung des Verwalters, bei der die Eigentümer eine Prognose darüber anstellen müssen, ob der Bestellte das ihm anvertraute Amt ordnungsgemäß ausüben wird, haben die Eigentümer einen Beurteilungsspielraum. Dieser ist erst überschritten, wenn es objektiv nicht mehr vertretbar erscheint, dass sie den Verwalter ungeachtet der gegen ihn sprechenden Umstände bestellen.
2. Ein Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung liegt vor, wenn ein wichtiger Grund in der Person des Kandidaten gegen seine Bestellung zum Verwalter spricht.

IBRRS 2025, 1833

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.04.2025 - 24 U 166/23
1. Das Dienstvertragsrecht kennt keine Schlechtleistung. Einem anwaltlichen Gebührenanspruch kann jedoch ein Schadensersatzanspruch in Höhe des Honorars, mit dem der Mandant belastet werden soll, entgegenstehen.*)
2. Auch im Prozesskostenhilfeverfahren hat der Rechtsanwalt das Gebot des "sichersten Weges" zu beachten. Wird dem Mandanten durch eine unzureichende Beratung des Rechtsanwalts trotz Bedürftigkeit die Prozesskostenhilfe verweigert, dann ist der Rechtsanwalt darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass der Kostenschaden auch durch einen anderen Umstand (Reserveursache) herbeigeführt worden wäre.*)
3. Ein Rechtsanwalt muss sich nach ordnungsgemäßer Aufklärung über die Vor- und Nachteile vor dem Abschluss eines Vergleichs der Zustimmung des Mandanten versichern. Dies gilt auch im Falle eines ausdrücklichen gerichtlichen Vergleichsvorschlags. Eine daraus resultierende Pflichtverletzung ist indes nicht kausal für einen eingetretenen Schaden, wenn sich der Vergleichsschluss unter den gegebenen Umständen als sachgerecht und interessengerechte Handlungsalternative darstellt.*)
4. Die heimliche Aufzeichnung eines Gesprächs ohne Zustimmung und Kenntnis des Gesprächspartners kann einen Vertrauensverlust begründen, der die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen vermag.*)

IBRRS 2025, 1828

OLG Frankfurt, Urteil vom 28.05.2025 - 4 EK 13/24
1. Verzögerungen durch vertretbare Entscheidungen, welche auf der Grundlage eines Bewertungs- und Abwägungsprozesses getroffen werden, der je nach Gewichtung einzelner Kriterien unterschiedlich ausfallen kann, sind unter Berücksichtigung der richterlichen Unabhängigkeit nicht unangemessen im Sinne von § 198 GVG.*)
2. Dies gilt auch betreffend einen im Beschwerdeverfahren später aufgehobenen Aussetzungsbeschluss. Maßgeblich ist daher die Frage, ob die Aussetzung im konkreten Fall unvertretbar war (entgegen Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 20.9.2017 - L 6 SF 10/16 EK U).*)

IBRRS 2025, 1841

OLG München, Beschluss vom 02.06.2025 - 32 W 643/25 WEG
Das wirtschaftliche Interesse eines Wohnungseigentümers, dessen Klage auf Beseitigung einer baulichen Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums abgewiesen worden ist, ist grundsätzlich nach dem Wertverlust, den sein Wohnungseigentum durch die bauliche Veränderung erleidet, zu bemessen.*)

Online seit gestern
IBRRS 2025, 1831
KG, Urteil vom 04.07.2025 - 21 U 129/23
1. Trägt ein Bauunternehmer im Rahmen seiner Sicherungsklage aus § 650f BGB selbst schlüssig vor, den Bauvertrag gem. § 643 BGB bzw. § 9 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B beendet zu haben, ist die Bemessungsgrundlage seines Sicherungsanspruchs die Kündigungsvergütung aus § 645 Abs. 1 BGB.*)
2. Hat ein Unternehmer einen Werkvertrag wirksam gem. § 643 BGB beendet und ist er aus diesem Grund gezwungen, einem Nachunternehmer ohne wichtigen Grund zu kündigen und gem. § 648 BGB auch für nicht erbrachte Leistungen zu vergüten, handelt es sich hierbei um eine Auslage des Unternehmers, die der Besteller gemäß § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB zu erstatten hat.*)
3. Beansprucht ein Unternehmer die Kündigungsvergütung gem. § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB und hat die daneben erstattungsfähigen Auslagen dem Besteller schon vorprozessual zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung gestellt, ist dies angesichts des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 28.11.2024 (IBR 2025, 60) in einem zivilrechtlichen Rechtsstreit nicht zu beanstanden.*)
4. Ein gekündigter Bauunternehmer hat eine Leistung nur dann erbracht, wenn sie sich physisch auf dem Baugrundstück verkörpert.*)
5. Der von der großen Kündigungsvergütung gem. § 648 BGB abzuziehende anderweitige Erwerb, den der Unternehmer mit seinen Arbeitskräften erzielt (AWE), kann nach der Formel AWE = T x A berechnet werden.*)
6. Der Faktor T ist die Summe der Arbeitsstunden, in denen der Unternehmer seine Arbeitskräfte anstelle für den gekündigten Vertrag für einen anderen Auftrag einsetzen konnte. Trägt der Unternehmer nichts Abweichendes vor, ist T mit der Gesamtdauer in Stunden der kündigungsbedingt entfallenen Arbeitslast gleichzusetzen.*)

IBRRS 2025, 1836

EuGH, Urteil vom 03.07.2025 - Rs. C-534/23
1. Ein Bieter darf in sein Angebot keine Hyperlinks zu Unterlagen aufzunehmen, die auf einer auch nach Ablauf der Angebotsfrist unter seiner Kontrolle stehenden Website zugänglich sind und die daher nach Ablauf der Angebotsfrist technisch geändert werden könnten.
2. Die Methode des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses erfordert einen objektiven Vergleich des relativen Wertes der Angebote.
3. Vom öffentlichen Auftraggeber kann nicht verlangt werden, dass er einem Bieter, dessen Angebot nicht ausgewählt wurde, zum einen neben den Gründen für die Ablehnung des Angebots eine detaillierte Zusammenfassung, in der jedes Detail seines Angebots im Hinblick auf dessen Bewertung berücksichtigt wurde, und zum anderen im Rahmen der Mitteilung der Merkmale und Vorteile des ausgewählten Angebots eine detaillierte vergleichende Analyse des ausgewählten Angebots und des Angebots des abgelehnten Bieters übermittelt.

IBRRS 2025, 1720

VGH Bayern, Beschluss vom 06.06.2025 - 1 ZB 23.1783
1. "Ortsteil" ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist.
2. Wird eine Bebauung durch eine Bundesstraße getrennt, kann dies der Annahme eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils entgegenstehen (hier bejaht).
3. Für die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich kommt es allein auf die tatsächlich vorhandene Bebauung an. Dass die Gemeinde und die Baugenehmigungsbehörde die Fläche bisher als dem Innenbereich zugehörig haben, bindet das Gericht nicht.
4. Ob eine dem Außenbereich wesensfremde und damit die Eigenart der Landschaft beeinträchtigende Bebauung anzunehmen ist, hängt weder vom Ausmaß der auf einer bislang unbebauten Fläche geplanten Bebauung noch von den von ihr ausgehenden Lärmimmissionen ab.

IBRRS 2025, 1097

BGH, Urteil vom 09.04.2025 - VIII ZR 145/24
1. Eine rechtzeitige Schonfristzahlung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB heilt nur die fristlose Kündigung, nicht jedoch eine ordentliche Kündigung, die auf denselben Zahlungsrückstand gestützt ist.
2. Die Regelung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB ist weder unmittelbar noch analog auf eine ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB anwendbar.

IBRRS 2025, 1819

LG Konstanz, Urteil vom 28.03.2024 - 3 O 43/23
1. Eine Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft in der Form, dass einzelne Teilhaber "ausgeschlossen" werden, ist nicht möglich.
2. Wollen die übrigen Teilhaber die Gemeinschaft fortsetzen, so bestehen nur zwei Möglichkeiten: Entweder der "ausscheidende" Teilhaber erklärt sich freiwillig bereit, seinen Anteil auf die übrigen Teilhaber anteilmäßig zu übertragen, oder die übrigen Teilhaber ersteigern aufgrund einer entsprechenden Verabredung im Aufhebungsverfahren den Gegenstand gemeinsam.
3. Ist der Gegenstand in Natur teilbar, so können die zur Fortsetzung bereiten Teilhaber die Gemeinschaft hinsichtlich der bei der Teilung nach § 752 BGB auf sie entfallenden realen Teile fortsetzen; das bedarf aber entsprechender schuldrechtlicher und dinglicher Vereinbarungen zwischen ihnen.

IBRRS 2025, 1826

OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.07.2026 - 30 W 92/25
1. Die bloße Anzeige der Verteidigungsbereitschaft stellt keinen Sachantrag in Sinne von VV RVG Nr. 3101 Nr. 1 dar. Sie führt daher nur zur Entstehung einer 0,8-fachen Verfahrensgebühr, die sich aus dem Wert der Hauptsache berechnet.*)
2. Der Kostenantrag nach § 269 Abs. 3, 4 ZPO stellt einen Sachantrag im Sinne von VV RVG Nr. 3101 Nr. 1 dar. Dieser lässt die 1,3-fache Verfahrensgebühr nach VV RVG Nr. 3100 entstehen. Diese Gebühr berechnet sich aus dem Wert der bis zur Klagerücknahme angefallenen Kosten.*)
3. Beide Verfahrensgebühren entstehen nebeneinander und sind unter Beachtung der Begrenzung nach § 15 Abs. 3 RVG zu addieren.*)

IBRRS 2025, 1807

KG, Beschluss vom 09.04.2025 - 21 U 108/22
1. Die Auferlegung einer besonderen Verzögerungsgebühr gemäß § 38 GKG kommt auch dann in Betracht, wenn nach Erlass eines Versäumnisurteils aufgrund des Einspruchs der säumigen Partei ein neuer Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt werden muss.*)
2. Da die Verzögerungsgebühr Strafcharakter hat und eine Sanktion für ein prozesswidriges Verhalten einer Partei oder ihres Vertreters darstellt, kann sie nicht verhängt werden, wenn die Partei oder ihr Vertreter zwar das Verfahren verzögert, sich dabei aber prozessordnungsgemäß verhält.*)
3. Ein Verstoß gegen die Prozessförderungspflicht kann vorliegen, wenn eine Partei den Termin zur mündlichen Verhandlung mutwillig nicht wahrnimmt.*)
4. Ein nach § 38 GKG sanktionsfähiges Verhalten kann vorliegen, wenn eine Partei zur Terminsstunde feststellt, dass ihr die Einwahldaten für eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung gemäß § 128a ZPO nicht vorliegen und sie den Termin einfach verstreichen lässt.*)
5. Die Verzögerungsgebühr nach § 38 GKG dient ihrem Sinn und Zweck nach in erster Linie dazu, den Mehraufwand des Gerichts abzugelten, der aufgrund des Fehlverhaltens einer Partei oder eines Vertreters ausgelöst wird.*)

IBRRS 2025, 1838

OLG München, Beschluss vom 30.05.2025 - 32 W 201/25 WEG
1. Der Streitwert der Anfechtung eines Grundlagenbeschlusses über Erhaltungsmaßnahmen richtet sich grundsätzlich nach den Gesamtkosten der Maßnahme als Gesamtinteresse i.S.v. § 49 Satz 1 GKG. Das Einzelinteresse des Klägers i.S.v. § 49 Satz 2 GKG richtet sich nach der anteiligen Kostenlast des Klägers.*)
2. Wenn es bei der Anfechtung eines Beschlusses über Erhaltungsmaßnahmen nur um den erforderlichen Aufwand oder die richtige Auswahl unter Sanierungsvarianten geht, richtet sich das Gesamtinteresse nur nach der bloßen Kostendifferenz.*)
3. In Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist das Interesse nur mit einem Bruchteil des Hauptsachewertes zu beziffern. Dabei ist in der Regel der Ansatz von 1/3 des Hauptsachewertes angemessen.*)

Online seit 15. Juli
IBRRS 2025, 1782
OLG Köln, Urteil vom 09.07.2025 - 11 U 59/24
1. Die Angabe einer Honorarsumme in einem Zuschlagsschreiben genügt für sich genommen nicht zur Begründung einer Pauschalhonorarvereinbarung.
2. Sieht der geschlossene Vertrag eine Honorarermittlung nach der HOAI vor und darüber hinaus, dass die vereinbarten Leistungen nach der "Kostenschätzung" abzurechnen sind, ergibt die Auslegung (hier), dass damit nicht die im Vergabeverfahren vom Auftraggeber vorgelegte "Kostenschätzung", sondern die von Architekten im Zuge der Leistungsphase 2 zu erstellende Kostenschätzung gemeint ist.

IBRRS 2025, 1714

VG Regensburg, Beschluss vom 11.06.2025 - 7 S 25.1158
1. Ob eine Anlage oder Einrichtung eine gebäudeähnliche Wirkung hat, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung des Zwecks des Abstandsflächenrechts, vor allem eine ausreichende Belichtung und Belüftung des Baugrundstücks und der Nachbargrundstücke zu gewährleisten, zu entscheiden (hier verneint für Gerätehaus aus Metall mit einer Firsthöhe von 1,45 m).
2. Vorschriften der landesrechtlichen Garagen- und Stellplatzverordnungen, die eine Mindestlänge von Zu- und Abfahrten zwischen Garagen und öffentlichen Verkehrsflächenfestlegen, sind nicht nachbarschützend.
3. Gleiches gilt für bauordnungsrechtliche Regelungen, nach denen die (Gesamt-)Grenzbebauung entlang aller Nachbargrenzen 15 Meter nicht überschreiten darf ("Längenbegrenzung").
4. Grundstückseigentümer haben keinen Rechtsanspruch darauf, dass Nachbarn ihre baulichen Anlagen so situieren, dass eine Ausfahrt aus dem eigenen Grundstück mit möglichst freier Sicht gegeben ist.

IBRRS 2025, 1541

AG Brandenburg, Urteil vom 05.06.2025 - 30 C 17/24
1. Nach Zugang einer Erklärung über die Erhöhung der Vorauszahlungen kann auch ein gewerblicher Mieter Klage auf Feststellung erheben, dass er den erhöhten Betrag nicht schuldet.
2. Ein gesetzliches Recht zur einseitigen Änderung von Vorauszahlungen der Betriebskosten besteht bei einen Gewerberaum-Mietvertragsverhältnis zwar nicht; ein solches kann aber vereinbart werden - und zwar auch in Vermieter-AGB.
3. Betriebskosten-Vorauszahlungen dürfen auch bei Geschäftsraummietverträgen nur in angemessener Höhe vereinbart werden.
4. Eine Klausel in gewerblichen Mietverträgen hinsichtlich der Erhöhung der Betriebskosten ist grundsätzlich nur insoweit wirksam, als dass der Vermieter auf der Grundlage einer Betriebskostenabrechnung über den letzten Abrechnungszeitraum eine Erhöhung der vereinbarten Betriebskostenvorauszahlung auch tatsächlich verlangen kann.
5. Eine Vereinbarung über eine Erhöhung der Betriebskosten in AGB kann nicht rückwirkend, sondern nur für künftige Vorauszahlungen gelten gemacht werden.
6. Ein Vermieter hat grundsätzlich die Möglichkeit der Aufrechnung von Betriebskostenguthaben des Mieters mit rückständigen Mieten.
7. Vorprozessuale Rechtsanwaltskosten sind als Verzögerungsschaden nur ersatzfähig, wenn der Schuldner vor der anwaltlichen Tätigkeit gemahnt und damit erfolgreich in Verzug gesetzt wurde.

IBRRS 2025, 1815

AG Bielefeld, Urteil vom 25.01.2024 - 5 C 24/23
Die Anwesenheit Dritter in der Wohnungseigentümerversammlung ist ausnahmsweise im Individualinteresse zulässig, dann nämlich, wenn der einzelne Wohnungseigentümer im Einzelfall ein berechtigtes Interesse an der Hinzuziehung eines Beraters oder eines Beistands hat, das gewichtiger ist als das Interesse der anderen Wohnungseigentümer, die Wohnungseigentümerversammlung auf den Kreis der Wohnungseigentümer zu beschränken. Ein überwiegendes Interesse eines Eigentümers an Begleitung kann sich etwa aus einem in seiner Person liegenden beachtlichen Grund (z.B. hohes Lebensalter oder Krankheit) ergeben.

IBRRS 2025, 1663

OLG Oldenburg, Beschluss vom 11.06.2025 - 12 W 68/25
1. Für eine Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit kommt es darauf an, ob bei einer Gesamtbetrachtung des Einzelfalles vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus genügend objektive Gründe vorliegen, die vernünftigerweise geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erwecken.
2. Teilt gerichtlich beauftragte Sachverständige mit, es sei "unumgänglich", dass er den am Verfahren nicht beteiligten Hersteller der streitgegenständlichen technischen Anlage, mit dem er gute Zusammenarbeit unterhalte, zur Beurteilung einschalte, ob diese "einen Mangel hat oder falsch eingebaut wurde", sowie um auszuloten, ob es Möglichkeiten gebe, diese Anlage nach technischer Veränderung zu belassen, kann dies aus der Perspektive des Bestellers berechtigte Zweifel an der unparteiischen Begutachtung auslösen.

IBRRS 2025, 1820

BGH, Beschluss vom 24.06.2025 - VI ZB 19/23
Die Überwachungspflicht des Rechtsanwalts, dem die Handakten zwecks Fertigung der Berufungsschrift vorgelegt werden, beschränkt sich nicht nur auf die Prüfung, ob die Berufungsfrist zutreffend notiert ist, sondern erstreckt sich auch auf die ordnungsgemäße Notierung der Berufungsbegründungsfrist (st. Rspr. vgl. nur BGH, IBR 2017, 712).*)

IBRRS 2025, 1802

BGH, Beschluss vom 03.06.2025 - VIII ZA 17/24
Der mit der Anhörungsrüge geltend gemachte Umstand, dass das Gericht sich in der angegriffenen Entscheidung nicht zu sämtlichen von einer Partei vorgebrachten Punkten ausdrücklich geäußert hat, rechtfertigt nicht den Vorwurf der Gehörsverletzung. Die Gerichte sind zwar verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des Parteivortrags in den Gründen der Entscheidung auch ausdrücklich zu bescheiden.

Online seit 14. Juli
IBRRS 2025, 1764
OLG Brandenburg, Urteil vom 19.06.2025 - 12 U 110/24
1. Knüpft bei einem Vertrag über die Lieferung und Montage von Bausatzteilen die vereinbarte Vertragsstrafe an einen "Liefertermin" an, ist dies dahingehend auszulegen, dass nicht allein die Lieferung, sondern auch die Montage der einzelnen Bausatzteile zum "Liefertermin" geschuldet wird.
2. Bei einer vereinbarten Frist von "ca. drei bis vier Monaten ab der ersten Anzahlung" handelt es sich nicht um eine nach dem Kalender bestimmte oder bestimmbare Frist, deren Überschreitung verzugsbegründend ist.
3. Enthält ein Verbrauchervertrag entgegen § 650k Abs. 3 BGB keine verbindlichen Angaben zum Fertigstellungszeitpunkt, muss der Unternehmer so schnell leisten, wie ihm das nach objektiven Maßstäben und unter Berücksichtigung der erforderlichen Vorbereitungsarbeiten und Ausführungszeiten möglich ist. Er muss also alsbald nach Vertragsschluss mit den geschuldeten Leistungen beginnen und diese in angemessener Zeit ohne schuldhaftes Zögern beenden.
4. Der Unternehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er den Fertigstellungsverzug nicht zu vertreten hat.

IBRRS 2025, 1787

VK Bund, Beschluss vom 16.05.2025 - VK 1-32/25
1. Die Aufforderung zur Abgabe eines verbindlichen Angebots in einem Verhandlungsverfahren ist unter Berücksichtigung der Bewerbungsbedingungen sowie unter Beachtung der einschlägigen Vorschriften der VgV auszulegen.
2. Der öffentliche Auftraggeber hat sicherzustellen, dass alle Bieter bei den Verhandlungen gleichbehandelt werden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz schließt auch eine Verpflichtung zur Transparenz ein.
3. Der Grundsatz der Transparenz bedeutet, dass alle für das richtige Verständnis der Ausschreibung oder der Vergabeunterlagen maßgeblichen Informationen allen an der Ausschreibung beteiligten Bieter zur Verfügung gestellt werden, so dass zum einen alle gebührend informierten und mit der üblichen Sorgfalt handelnden Bieter die genaue Bedeutung dieser Informationen verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können.
4. Die Aufforderung zur Abgabe eines verbindlichen Angebots mit einem Zielpreis "von 10,9 Mio. EUR" ist intransparent, weil aus Sicht eines objektiven Bieters die Angabe 10,9 Mio. EUR nicht mit exakt 10.900.000,00 EUR gleichzusetzen ist.

IBRRS 2025, 1716

VG Schleswig, Beschluss vom 15.05.2025 - 8 B 7/25
1. Das Gebot der Rücksichtnahme ist auch nicht hinsichtlich des Baukörpers und seiner Wirkung auf das Grundstück des Antragstellers rücksichtslos. Soweit ein Bauvorhaben die landesrechtlichen Abstandvorschriften einhält, scheidet die Verletzung des bauplanungsrechtlichen Gebotes der Rücksichtnahme hinsichtlich der Wirkungen des Baukörpers im Regelfall aus.*)
2. Auch soweit tatsächlich eine Photovoltaikanlage auf der westlichen Dachseite geplant war oder ist und diese nun nicht mehr so rentabel sein sollte, liegen keine Umstände vor, welche die Regelvermutung der ausreichenden Besonnung bei Einhaltung der Abstandsflächen rechtfertigen. Insbesondere besteht regelmäßig kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass ein bestehender Lagevorteil für Photovoltaikanlage fortbestehen wird. Selbst wenn man von einer gewissen finanziellen Einbuße bei der Stromerzeugung ausgeht, führt dies nicht zur Rücksichtslosigkeit des Vorhabens. Solche mit der Situationsänderung verbundenen Einbußen können eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots nicht begründen, da ein Anspruch des Einzelnen darauf, vor jeglicher Wertminderung bewahrt zu bleiben, nicht besteht. Der Nachbar, der sich seine Bauwünsche erfüllt hat, hat es nicht in der Hand, durch die Art und Weise seiner Bauausführung unmittelbaren Einfluss auf die Bebaubarkeit anderer Grundstücke zu nehmen. Die Baugenehmigung schafft keine Grundlage dafür, weitere Vorhaben mit dem Argument abzuwehren, für das behördlich gebilligte eigene Baukonzept sei von ausschlaggebender Bedeutung gewesen, dass der Eigentümer des angrenzenden Grundstücks die Nutzungsmöglichkeiten, die das Baurecht an sich eröffnet, nicht voll ausschöpft. Eine optimale Ausnutzung einer Photovoltaikanlage ist mit Blick auf die Bebauung der Nachbargrundstücke lediglich eine Chance und steht von vornherein unter dem Vorbehalt einer rechtmäßigen Bebauung des Nachbargrundstücks.*)

IBRRS 2025, 1564

OLG München, Beschluss vom 13.01.2025 - 32 U 3042/24
1. übernimmt der Vermieter von Büroflächen auch noch die Betriebspflicht für eine Kantine, so hat diese Pflicht einen überwiegend dienstvertraglichen Charakter. Es liegt somit aufgrund der zusätzlich übernommenen Betriebspflicht zum Betreiben einer Kantine ein gemischt-typischer Vertrag vor.
2. Bei einem gemischt-typischen Vertrag, der Elemente verschiedener Vertragstypen vereint, richtet sich das Kündigungsrecht nach dem Recht des Vertragstyps, der den Schwerpunkt des Vertrags bildet. Dies bedeutet, dass der Vertrag als einheitliches Ganzes betrachtet wird und nicht in seine Bestandteile zerlegt wird, um unterschiedliche Rechtsnormen anzuwenden.
3. Wird vereinbart, dass der Vermieter für die Dauer des Mietverhältnisses den Kantinenbetrieb im Gebäude aufrechterhält, und sichert er dem Mieter eine Nutzungsmöglichkeit der Kantine zur täglichen und abwechslungsreichen gastronomischen Versorgung zu, so übernimmt der Vermieter eine Betriebspflicht für die Kantine.
4. Wird weiter darauf abgestellt, dass die Betreiberpflicht des Vermieters eingeschränkt oder vorübergehend ausgesetzt werden kann, wenn der Kantinenbetrieb aus nicht von ihm zu vertretenden Gründen nicht möglich, nicht zumutbar bzw. nicht zulässig ist, sind die dort gefundenen Regelungen ersichtlich darauf zugeschnitten, (nur) Einschränkungen des Kantinenbetriebs aufgrund von höherer Gewalt, insbesondere behördlicher Schließungen oder sonstiger behördlich angeordneter Einschränkungen des Gastronomiebetriebs abzufedern.
5. Ein Food-Truck stellt keine angemessene und gleichwertige Ersatzversorgung gegenüber dem Betrieb einer Kantine dar.
6. Auch die Verletzung von Nebenpflichten kann unter bestimmten Umständen einen wichtigen Grund für die Kündigung darstellen, wenn die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Kündigenden im konkreten Fall unzumutbar ist.
7. Dies ist zu bejahen, wenn der Vermieter die Betriebspflicht für eine Kantine übernimmt und diese nicht einhält und die Kantine für den Mieter erkennbar von besonderer Wichtigkeit war.

IBRRS 2025, 1565

LG Dortmund, Urteil vom 13.12.2024 - 17 S 147/23
1. Der Verwaltervertrag hat durchaus auch werkvertragliche Elemente. Diese prägen das Vertragsverhältnis aber nicht in einem Maße, das es gerechtfertigt erscheinen ließe, den Vertrag als Werkvertrag einzuordnen. Vielmehr bilden die dienstvertraglichen Elemente den Schwerpunkt des Vertrags, so dass er insgesamt den dienstvertraglichen Regelungen zu unterstellen ist.
2. Der Dienstvertrag sieht einen Entfall oder eine Minderung der vereinbarten Grundvergütung für den Fall der Nicht- oder Schlechtleistung nicht vor.
3. Sieht der Verwaltervertrag vor, dass eine Sondervergütung für Zusatzleistungen nur anfällt, wenn diese auch tatsächlich erbracht werden, so sind unberechtigte Zahlungen nach Bereicherungsrecht zurückzugewähren.

IBRRS 2025, 1777

OLG München, Beschluss vom 08.07.2025 - 31 W 239/21
1. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 JVEG werden für den zweiten und jeden weiteren Abzug oder Ausdruck eines Fotos, das nicht Teil des schriftlichen Gutachtens ist, 0,50 EUR erstattet. In Abgrenzung hierzu werden Fotografien, die Teil des schriftlichen Gutachtens sind, mit 2,00 EUR pro Stück abgegolten. Zusätzliche Kosten für den Ausdruck werden nicht nach § 12 JVEG ersetzt, sondern lediglich im Rahmen der Erstattung der Kopiekosten nach § 7 Abs. 2 JVEG.
2. Das "schriftliche Gutachten" gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 JVEG ist ein einheitliches Gesamtdokument, das aus dem Gutachtentext und seinen Anlagen besteht. Aus diesem Grund sind Fotos auch dann "Teil des schriftlichen Gutachtens", wenn sie im Anhang zu diesem abgedruckt sind.

IBRRS 2025, 1775

OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.07.2025 - 9 U 73/24
1. Die Postzustellungsurkunde begründet als öffentliche Urkunde nach den §§ 418, 415 ZPO den vollen Beweis für die darin beurkundeten Tatsachen der ordnungsgemäßen Ersatzzustellung.*)
2. Beginnt durch die Zustellung die Frist gemäß §§ 700 Abs. 1, 339 Abs. 1 ZPO, ist zur Führung des Gegenbeweises nach § 418 Abs. 2 ZPO der volle Beweis der Urkundenunrichtigkeit erforderlich. Eine Glaubhaftmachung genügt nicht.*)

Online seit 11. Juli
IBRRS 2025, 0008
OLG München, Beschluss vom 20.11.2023 - 28 U 2254/23 Bau
1. Vereinbaren die Parteien eines Bauvertrags, dass der Auftraggeber auf die "mögliche Inanspruchnahme der Vertragsstrafe" verzichtet, wenn festgestellte Mängel "vollständig beseitigt sind, und auch die Mieterin die Übernahme des Objekts nicht wegen Mängeln verweigert", handelt es sich um einen bedingten Erlassvertrag.
2. Die Auslegung dieser Vereinbarung ergibt, dass der Erlass (nur) durch die Abnahme der Leistungen und die Mieterübernahme bedingt ist. Auf die Abnahmereife im Sinne einer vollständigen Mängelbeseitigung kommt es indessen nicht an.

IBRRS 2025, 1772

VK Bund, Beschluss vom 22.04.2025 - VK 1-24/25
1. Der öffentliche Auftraggeber darf den Zuschlag auf ein Angebot ablehnen, wenn er nach der Prüfung die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten nicht zufriedenstellend aufklären kann.
2. Die Feststellung, dass ein Preis ungewöhnlich niedrig ist, kann sich aus dem Preis- und Kostenabstand zu den Konkurrenzangeboten ergeben, aus Erfahrungswerten des Auftraggebers oder aus dem Abstand zur Auftragswertschätzung.
3. Bei einem Preisabstand von 20 % zum nächsthöheren Angebot erreicht ist der Auftraggeber in der Regel dazu verpflichtet, in eine nähere Prüfung der Preisbildung des fraglichen Angebots einzutreten. Im Bereich zwischen 10 % und 20 % kann eine Nachforschung im Ermessen des Auftraggebers.
4. Die Aufklärung der Angemessenheit der Preise ist im Wege elektronischer Kommunikation durchzuführen. Eine mündliche Kommunikation ist nicht zulässig, soweit sie die Preisaufklärung betrifft.
5. Dem Bieter kann zur Aufklärung der Angemessenheit seiner Preise eine zumutbare Frist zur Beantwortung gesetzt werden. Die Zumutbarkeit der Frist richtet sich im Einzelfall einerseits nach dem Beschleunigungsgebot für das Vergabeverfahren, andererseits nach der Zeit, die der Bieter zur ordnungsgemäßen Beantwortung der Fragen benötigt.

IBRRS 2025, 1711

VGH Bayern, Beschluss vom 18.06.2025 - 9 CS 25.763
1. Die Bauaufsichtsbehörde kann die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden und wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.
2. Ablagerungen in Gestalt von Abfällen, insbesondere Bauschutt, Altholz, Dachpappen, asbesthaltigen Bauabfällen, Altmetall und Bodenaushub stellen unabhängig von einer Befestigung eine bauliche Anlage im Sinne des Bauordnungsrechts dar.

IBRRS 2025, 1495

AG Düsseldorf, Beschluss vom 03.12.2024 - 46 C 279/24
Dem Vermieter steht ein Zurückbehaltungsrecht an der Kaution bis zum Eingang der Nebenkostenabrechnung der Hausverwaltung bei ihm zu. Die Höhe richtet sich nach einer Prognose auf Grundlage der vergangenen Abrechnungen.

IBRRS 2025, 1779

LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.05.2025 - L 10 KO 679/25
1. Ein Anspruch auf Vergütung besteht auch dann, wenn der Sachverständige das Gutachten aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht fertigstellen konnte. Vergütungsfähig sind alle erforderlichen Vorbereitungsarbeiten und erbrachten Teilleistungen.*)
2. Beim Zeitaufwand für die Aktendurchsicht sind im Rahmen der Akteneinsicht über das Akteneinsichtsportal doppelt eingestellte Akten nicht zweimal zu berücksichtigen. Erforderlich und ausreichend ist insoweit die Berücksichtigung des Zeitaufwands zum Bemerken und zur Kontrolle des Vorliegens einer tatsächlichen Doppelung.*)

IBRRS 2025, 1785

BGH, Beschluss vom 24.06.2025 - VI ZB 91/23
Bei einfacher Signatur gem. § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO muss die Namenswiedergabe so entzifferbar sein, dass sie von den Empfängern des Dokuments ohne Sonderwissen oder Beweisaufnahme einer bestimmten Person als Verantwortlicher zugeordnet werden kann (Anschluss an BGH, IBR 2023, 106).*)

IBRRS 2025, 1770

LAG Niedersachsen, Urteil vom 26.05.2025 - 2 SLa 442/24
1. Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist.*)
2. Die richterliche Überzeugung muss mit den Denk-, Natur- und Erfahrungssätzen in Einklang stehen. Zu den wissenschaftlichen Erfahrungssätzen zählen die Erkenntnisse der Aussagenpsychologie.*)
3. Die Erkenntnisse der Aussagenpsychologie sind nicht auf strafrechtliche Verfahren beschränkt, sondern auch im Arbeitsgerichtsverfahren zu beachten.*)

Online seit 10. Juli
IBRRS 2025, 1780
BGH, Urteil vom 12.06.2025 - VII ZR 14/24
Die Heilung inhaltlicher Mängel einer Streitverkündungsschrift nach § 73 Satz 1 ZPO durch "rügelose Einlassung" des auf Seiten des Streitverkünders beigetretenen Streitverkündungsempfängers gem. § 295 Abs. 1 ZPO mit Wirkung für die Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB in der auf diesen Beitritt folgenden mündlichen Verhandlung scheidet aus.*)

IBRRS 2025, 1763

OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.06.2025 - 12 U 130/24
1. Der Auftraggeber eines Verbraucherbauvertrags wird nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt, wenn die Widerrufsbelehrung keine Telefonnummer, sondern nur eine Faxnummer des Auftragnehmers enthält. Gleiches gilt, wenn die Widerrufsbelehrung den Eindruck erweckt, dass eine Widerrufserklärung lediglich in Textform zulässig ist.
2. Mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen. Das Widerrufsrecht erlischt in diesem Fall 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss, wobei für den Vertragsschluss (hier) auf den Zeitpunkt des Zugangs des beidseitig unterzeichneten Vertrags beim Auftraggeber abzustellen ist.
3. Die Verwirkung eines Widerrufsrechts kommt nur in Betracht, wenn sich der Auftragnehmer wegen der Untätigkeit des Auftraggebers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, sodass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (hier verneint).
4. Der Auftragnehmer kann im Falle eines wirksamen Widerrufs Wertersatz verlangen, wenn die Rückgewähr der bis zum Widerrufs erbrachten Leistungen ihrer Natur nach ausgeschlossen ist (hier bejaht für verwertete Planungsleistungen).

IBRRS 2025, 1769

VK Bund, Beschluss vom 22.05.2025 - VK 1-34/25
1. Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Dem öffentlichen Auftraggeber steht bei der Festlegung der Kriterien für die Zuschlagserteilung ein Entscheidungsspielraum zu. Er kann festlegen, worauf es ihm bei dem zu vergebenden Auftrag ankommt und was er als wirtschaftlich ansieht.
2. Dem Bestimmungsrecht des öffentlichen Auftraggebers unterliegen sowohl die Kriterien, anhand derer die Angebote bewertet werden, als auch die Methode, wie ein Wertungsergebnis ermittelt wird. Dabei steht dem Auftraggeber ein großer Ermessensspielraum zu. Dieser kann nur auf die Einhaltung vergaberechtlicher Grenzen kontrolliert werden.
3. Soll der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot ergehen, unterliegt der Kontrolle nicht nur die Beachtung des Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatzes durch den Auftraggeber, sondern auch, ob die Kriterien dem mit ihrer Bestimmung verfolgten Zweck, das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln, zuwiderlaufen, sachfremde Erwägungen angestellt werden oder der Auftraggeber bei der Festlegung von unzutreffenden tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist.

IBRRS 2025, 1766

OVG Niedersachsen, Beschluss vom 15.05.2025 - 4 LA 57/23
1. Ob an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts ernstliche Zweifel bestehen, wird allein anhand der Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung sowie der vom Rechtsmittelführer zur Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes vorgetragenen Gesichtspunkte beurteilt; vom Rechtsmittelführer nicht genannte Umstände können nur dann berücksichtigt werden, wenn die Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils offensichtlich ist.*)
2. Dem Darlegungserfordernis ist nicht Genüge getan, wenn der Zulassungsantragsteller sich darauf beschränkt, die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung allgemein oder unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens anzuzweifeln.*)
3. Eine durch die Verschattungswirkung eines unter den Schutz einer Baumsschutzsatzung fallenden Baumes befürchtete Ertragsminderung einer auf einem Dach eines Wohngebäudes zu errichtenden Photovoltaikanlage stellt keine "wesentliche Beschränkung" der nach baurechtlichen Vorschriften zulässigen Nutzung des Grundstücks dar. Art. 14 GG verleiht kein Recht auf die optimale und erträglichste Grundstücksnutzung.*)
4. Den in § 2 Satz 2 EEG 2023 festgelegten Belangen der erneuerbaren Energien könne andere öffentliche Interessen entgegenstehen, wenn sie mit einem dem Art. 20a GG vergleichbaren verfassungsrechtlichen Rang gesetzlich verankert bzw. gesetzlich geschützt sind. Ein öffentliches Interesse besteht auch für den Baumschutz, der als Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen selbst in Art. 20a GG verankert ist.*)

IBRRS 2025, 1718

VG Karlsruhe, Beschluss vom 12.02.2025 - 2 K 6818/24
1. Ein sog. Paternoster-Parksystem fällt in den Anwendungsbereich des § 12 Abs. 1 BauNVO.*)
2. Die in der Rechtsprechung entwickelte Einschränkung vom Anwendungsbereich der TA-Lärm für notwendige Stellplätze und Garagen in Wohngebieten ist auch auf Misch- und Kerngebiete anwendbar, sofern es sich um für die dortige Wohnnutzung notwendige Stellplätze handelt.*)
3. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärmimmissionen eines Parksystems ist zwischen nicht-vorhabenspezifischen, mit jedem Parkvorgang verbundenen Geräuscheinwirkungen einerseits und vorhabenspezifischen Geräuscheinwirkungen, die auf die konkrete Ausführung des Parksystems zurückzuführen sind, andererseits zu unterscheiden.*)

IBRRS 2025, 1747

AG Paderborn, Urteil vom 24.10.2024 - 50b C 91/24
Körperverletzungen und Tätlichkeiten gegenüber dem Vermieter sind i.d.R. geeignet, eine fristlose Kündigung nach § 543 BGB ohne vorherige Abmahnung zu rechtfertigen.

IBRRS 2025, 1745

AG München, Urteil vom 30.01.2025 - 1293 C 19323/24 WEG
1. Fundamentale Baumaßnahmen wie solche zur statischen Ertüchtigung von Gebäuden können im Rahmen einer Gemeinschaftsordnung als Instandsetzungsmaßnahmen zu qualifizieren sein, sofern die Gemeinschaftsordnung den quantitativen Umfang der Maßnahmen nicht beschränkt.
2. Eine Klausel in einer Gemeinschaftsordnung, die einen Schadensersatz für Maßnahmen ausschließt, die zur Instandhaltung, Instandsetzung und zur Werterhaltung des Gemeinschaftseigentums erforderlich sind oder zweckmäßig erscheinen, kann auch den sog. Aufopferungsanspruch i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 WEG a.F. umfassen (ebenso LG München I, Urteil vom 16.09.2013 - 1 S 21191/12 WEG).
3. Der bis zum 30.11.2020 geltende § 14 Nr. 4 Halbs. 2 WEG a.F. ist von dem seit dem 01.12.2020 geltenden § 14 Abs. 3 WEG n.F. mitumfasst. Dies führt dazu, dass ein in einer Gemeinschaftsordnung vereinbarter Ausschluss von Schadensersatzansprüchen i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 WEG a.F. auch für den seit dem 01.12.2020 geltenden § 14 Abs. 3 WEG n.F. gelten kann.

IBRRS 2025, 1730

BGH, Beschluss vom 28.05.2025 - XII ZB 65/25
Das Gericht muss sich mit einem vorgelegten Privatgutachten kritisch auseinandersetzen und begründen, warum es dem Sachverständigengutachten den Vorzug gibt.

IBRRS 2025, 1677

OLG Brandenburg, Beschluss vom 13.06.2025 - 11 W 12/25
Die sofortige Beschwerde gegen einen die weitere Beweiserhebung ablehnenden Beschluss ist unzulässig. Das gilt auch im selbständigen Beweisverfahren.

Online seit 9. Juli
IBRRS 2025, 1439
KG, Urteil vom 20.05.2025 - 21 U 73/24
1. Lässt ein Bauträgervertrag offen, aus welchen Teilbeträgen gemäß § 3 Abs. 2 S. 2 MaBV sich die sieben Raten zusammensetzen, die der Bauträger dem Erwerber im Verlauf der Vertragsdurchführung höchstens in Rechnung stellen darf, ist dies unbedenklich und führt insbesondere nicht zur Nichtigkeit der Ratenzahlungsvereinbarung des Vertrags.*)
2. Die folgenden Regelungen in einem Bauträgervertrag stellen keine Abweichung von § 3 Abs. 2 MaBV zu Lasten des Erwerbers dar und führen deshalb ebenfalls nicht zur Nichtigkeit der Ratenzahlungsvereinbarung:
a) Eine Regelung die regelt bzw. "klarstellt", dass Mängel unbeschadet gesetzlicher Zurückbehaltungsrechte grundsätzlich nichts am Erreichen eines bestimmten Bautenstandes und der dadurch eintretenden Fälligkeit einer Rate ändern.
b) Eine Regelung, nach der der Erwerber verpflichtet ist, das ihm zur Übergabe angebotene bezugsfertige Sondereigentum und das Gemeinschaftseigentum, soweit es ausschließlich im Bereich seines Sondereigentums liegt, im Gegenzug abzunehmen.*)
3. Die Pflicht des Bauträgers aus einem Bauträgervertrag, dem Erwerber das Sondereigentum zu übergeben oder im Fall der Vermietung die Ansprüche aus dem Mietvertrag an ihn abzutreten, ist keine Geldschuld im Sinne von § 288 Abs. 1 BGB. Der Verzug des Bauträgers mit Übergabe oder Abtretung führt daher für sich genommen nicht dazu, das Verzugszinsen anfallen.*)

IBRRS 2025, 1741

LG Frankfurt/Main, Urteil vom 31.10.2024 - 2-32 O 13/24
1. Zur schlüssigen Darlegung eines nach Zeitaufwand abzurechnenden Vergütungsanspruchs bedarf es - auch bei Geltendmachung eines Anspruchs auf Leistung einer Bauhandwerkersicherheit - grundsätzlich nur der Angabe der für die Vertragsleistung aufgewendeten Stunden. Es kommt nicht auf die im Vertrag angegebene voraussichtliche Gesamthöhe an.
2. Das Sicherheitsverlangen ist nicht schon schon deshalb unwirksam, dass die tatsächlich abgerechneten Stunden etwa doppelt so hoch sind wie die zunächst geschätzten.
3. Die Zulässigkeit eines Teilurteils über den (entscheidungsreifen) Anspruch auf Leistung einer Bauhandwerkersicherheit lässt sich daher mit einem möglichen Widerspruch zur noch ausstehenden Klärung der Höhe des Vergütungsanspruchs verneinen.

IBRRS 2025, 1757

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.08.2024 - 1 VK 38/24
1. Bei der Prüfung der Unangemessenheit des Preises wird Bezug genommen auf das nächsthöhere Angebot. Der Auftraggeber hat nur dann eine Preisprüfung durchzuführen hat, wenn die sog. Aufgreifschwelle von 20 % erreicht ist.
2. Der Auftraggeber darf das wertungsrelevante Leistungsversprechen eines Bieters ungeprüft akzeptieren, soweit keine konkreten Tatsachen vorliegen, die den Rückschluss auf die beabsichtigte zukünftige Nichteinhaltung der mit Angebotsabgabe eingegangenen Verpflichtungen zulassen.
3. Auch wenn an Rügen ein großzügiger Maßstab anzulegen ist, sind ins Blaue hinein gestellte Rügen unzulässig und unbeachtlich. Ein Mindestmaß an Substantiierung ist einzuhalten, reine Vermutungen zu eventuellen Vergaberechtsverstoßen reichen nicht aus.
4. Formulierungen wie "nach unserer Kenntnis" oder "nach unserer Informationslage" genügen für eine ordnungsgemäße Rüge in der Regel nicht. Gleiches gilt für das Vorbringen von "Marktkenntnis" ohne weitere Anknüpfungspunkte.

IBRRS 2025, 1740

VG Düsseldorf, Urteil vom 24.04.2024 - 4 K 1421/23
1. Der Schattenwurf von Bäumen auf Photovoltaikanlagen ist im Geltungsbereich einer Baumschutzsatzung als typische Belastung hinzunehmen.
2. Ohne gesetzliche Solarpflicht ergibt sich allein aus § 2 EEG kein öffentliches Interesse an der Beseitigung von Bäumen zu Gunsten einer Photovoltaikanlage.

IBRRS 2025, 1754

BVerwG, Beschluss vom 15.05.2025 - 9 B 52.24
1. Auch für planersetzende Abwägungsentscheidung bei Erschließungsanlagen sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.
2. Die Vorschrift des § 125 Abs. 2 BauGB enthält lediglich materiell-rechtliche, aber keine formalen Vorgaben, sodass besondere Anforderungen an eine Dokumentation des Abwägungsvorgangs fehlen.
3. Ein etwaiger Mangel im Abwägungsvorgang ist nur erheblich, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Entscheidung ohne den Mangel im Ergebnis anders ausgefallen wäre.
4. Eine planersetzende Abwägungsentscheidung kann auch der Begründung eines (vollständig) unwirksamen Bebauungsplans entnommen werden.
