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IBR 05/2024 - Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

im Bauvertragsrecht ist zunächst auf einen Beschluss des OLG München hinzuweisen, der sich mit der Berechnung der Mehrvergütung für eine zusätzliche Leistung i.S.v. § 2 Abs. 6 VOB/B befasst. Das KG hat erst kürzlich entschieden, dass die Vergütungshöhe solcher Leistungen trotz der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 08.08.2019 (Dokument öffnen IBR 2019, 535; Dokument öffnen IBR 2019, 536) weiterhin auf der Grundlage der Urkalkulation zu berechnen ist (Dokument öffnen IBR 2024, 111). Das sieht das OLG München anders, weil die bei einer zusätzlichen Leistung vorzunehmende Preisanpassung unter der Prämisse steht, dass das Äquivalenzprinzip gewahrt wird. Die Höhe der Vergütung bemisst sich deshalb nach den tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge, wenn sich die Parteien nicht über die Nachtragshöhe einigen können. Der Auftragnehmer muss zu den tatsächlich angefallenen Mehrkosten substanziiert vortragen. Das gilt auch dann, wenn der Auftragnehmer mit seinem Nachunternehmer einen Pauschalpreisvertrag geschlossen hat, der auch andere Arbeiten umfasst (Dokument öffnen S. 222).

In einem BGB-Bauvertrag hat der Unternehmer gem. § 650c Abs. 3 BGB die Möglichkeit, mit einer Abschlagsrechnung 80% der in einem vorgelegten Nachtragsangebot genannten Mehrvergütung anzusetzen, wenn die Parteien sich während einer 30-tägigen Verhandlungsphase nicht auf die Höhe der Mehrvergütung einigen konnten und der Besteller die Änderung in Textform angeordnet hat (§ 650b Abs. 2 BGB). Diesen Mehrvergütungsanspruch kann der Unternehmer mittels einstweiliger Verfügung (§ 650d BGB) durchsetzen. In der VOB/B ist das so nicht geregelt. Das wirft die Frage auf, ob auch der Auftragnehmer eines VOB/B-Vertrags bei Nachtragsstreitigkeiten diesen Weg gehen kann. Nach einer „brandneuen“ Entscheidung des OLG München ist die Vorschrift des § 650c Abs. 3 BGB ebenso wie § 650d BGB im VOB/B-Vertrag anwendbar. Will der Auftragnehmer nach § 650c Abs. 3 Satz 1 BGB vorgehen, müssen aber auch im VOB/B-Vertrag die Voraussetzungen des § 650b BGB gegeben sein (Dokument öffnen S. 223).

Über das richtige Verhalten bei einer Nachtragsstreitigkeit hatte auch der Bundesgerichtshof zu befinden. Er weist in seinem Urteil vom 01.02.2024 darauf hin, dass der Auftraggeber eines VOB/B-Vertrags die Kündigung erklären kann, wenn eine verbindliche Vertragsfrist für den Beginn der Ausführung vereinbart wurde, zu der der Auftragnehmer mit den ihm obliegenden Arbeiten nicht begonnen hat, und der Auftraggeber zuvor erfolglos eine Frist zur Vertragserfüllung, verbunden mit der Androhung einer Kündigung des Auftrags, gesetzt hat. Auch wenn der Auftragnehmer mehrfach schriftlich Bedenken gegen die Ausführung der Leistung mitgeteilt hat, scheidet ein Leistungsverweigerungsrecht aus, wenn der Auftraggeber den Auftragnehmer ausdrücklich angewiesen hat, mit den Arbeiten zu beginnen, und der Auftraggeber dadurch das Risiko einer mangelhaften Ausführung übernommen hat (Dokument öffnen S. 226).

Besonders hervorzuheben ist zudem das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15.02.2024, demzufolge eine vom Auftraggeber vorformulierte Vertragsstrafenregelung in einem Einheitspreisvertrag, wonach der Auftragnehmer bei einer Überschreitung der Fertigstellungsfrist eine auf 5% der Netto-Auftragssumme „gedeckelte“ Vertragsstrafe zu zahlen hat, den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt und unwirksam ist, weil im Fall einer Verringerung der tatsächlich ausgeführten Mengen die Vertragsstrafe die Grenze von 5% der Netto-Auftragssumme überschreiten kann (Dokument öffnen S. 227).

Im Recht der Architekten und Ingenieure hat der Bundesgerichtshof eine weitere Lücke im Zusammenhang mit dem ehemals zwingenden Preisrecht der HOAI geschlossen: Die verbindlichen Mindestsätze können auch gegenüber öffentlichen Auftraggebern weiterhin geltend gemacht werden, sofern der Vertrag dem zwingenden Preisrecht der HOAI 2013 unterliegt (Dokument öffnen S. 240). Zu dieser Klarstellung sah sich der VII. Senat offenbar veranlasst, nachdem sich die bisherigen Entscheidungen (BGH, Dokument öffnen IBR 2022, 408, im Anschluss an EuGH, Dokument öffnen IBR 2022, 74) auf Rechtsstreitigkeiten zwischen „Privatpersonen“ bezogen – zum Leidwesen der öffentlichen Auftraggeber, deren letzte Hoffnungen der Bundesgerichtshof damit begraben hat.

Auch die obergerichtliche Rechtsprechung wartet mit interessanten Entscheidungen auf, darunter ein facettenreiches und praxisrelevantes Urteil des OLG Celle. Dieses hatte zum einen über die praktisch äußerst bedeutsame Frage zu befinden, wann der Architekt ein zusätzliches Honorar für Planungsänderungen verlangen kann (Dokument öffnen S. 242). Zum anderen beschäftigt sich die Entscheidung mit der nicht minder bedeutsamen Frage, ob zwingend alle vereinbarten Grundleistungen zu erbringen sind, um den Honoraranspruch nach der HOAI in voller Höhe zu verdienen – und verneint dies (Dokument öffnen S. 241).

Im Vergaberecht betont das OLG Schleswig in seinem Beschluss vom 28.03.2024, dass das Verfahren über die Nachforderung von Unterlagen – wie das gesamte Vergabeverfahren – zu dokumentieren ist. Eine unterlassene Dokumentation kann zwar geheilt werden. Das gilt allerdings nicht, wenn die Gefahr einer Manipulation der nachgereichten Dokumentation nicht ausgeschlossen werden kann (Dokument öffnen S. 250).

Änderungen an den Vergabeunterlagen führen grundsätzlich (zu einer Ausnahme siehe BGH, Dokument öffnen IBR 2019, 571) zum Angebotsausschluss. Eine Änderung der Vergabeunterlagen liegt vor, wenn ein Bieter etwas anderes anbietet als der öffentlichen Auftraggeber verlangt. Dieser Abgleich erfordert sowohl eine Auslegung der Vergabeunterlagen als auch des Angebots. Ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang, dass einem Bieter offenkundig nur ein Rechen- oder Schreibfehler unterlaufen ist, der schon seinem Erklärungsinhalt nach keine inhaltliche Änderung der Vergabeunterlagen darstellt, ist dies nach Ansicht der VK Thüringen unschädlich. Offenkundige und marginale Eintragungsfehler kann der öffentliche Auftraggeber, soweit das möglich ist, sogar selbst berichtigen (Dokument öffnen S. 254).

Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.

Mit den besten Grüßen
Ihr
Dr. Stephan Bolz
Rechtsanwalt
Verleger und Schriftleiter der IBR

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