Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
364 Entscheidungen insgesamt
Online seit 23. Oktober
IBRRS 2024, 3080LAG Düsseldorf, Urteil vom 11.06.2024 - 8 SLa 174/24
1. Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist das Bestehen einer Regelungslücke. Von einer planwidrigen Regelungslücke kann nur gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrundeliegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrags eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen ist.
2. An die Stelle der lückenhaften Vertragsbestimmung tritt diejenige Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn diesen die Lückenhaftigkeit des Vertrags bekannt gewesen wäre.
3. Bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen orientiert sich die ergänzende Vertragsauslegung an einem objektiv generalisierenden, am Willen und Interesse der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise ausgerichteten Maßstab.
4. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung und Bewertung des mutmaßlichen Parteiwillens und der Interessenlage ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, denn die ergänzende Vertragsauslegung schließt eine anfängliche Regelungslücke rückwirkend.
VolltextOnline seit 3. September
IBRRS 2024, 2668LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.12.2023 - L 3 U 142/21
1. Voraussetzung einer "Wie-Beschäftigung" ist, dass eine einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht wird, die ihrer Art nach von Personen verrichtet werden könnte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen.
2. Eine "Wie-Beschäftigung" setzt nicht voraus, dass alle Voraussetzungen eines Beschäftigungsverhältnisses erfüllt sind. Insbesondere braucht keine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom unterstützten Unternehmen vorzuliegen, ebenso wenig ist eine Eingliederung in das unterstützte Unternehmen zwingend erforderlich.
3. Die "Wie-Beschäftigung" ist von der unternehmerähnlichen Tätigkeit und von der Sonderbeziehung abzugrenzen.
4. ...
VolltextOnline seit 20. August
IBRRS 2024, 2565BAG, Urteil vom 23.04.2024 - 5 AZR 212/23
Körperreinigungszeiten gehören zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit, wenn sich der Arbeitnehmer bei seiner geschuldeten Arbeitsleistung so sehr verschmutzt, dass ihm ein Anlegen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause ohne eine vorherige Reinigung des Körpers im Betrieb nicht zugemutet werden kann.*)
VolltextOnline seit Juli
IBRRS 2024, 2182LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.06.2023 - L 18 AL 72/20
1. Die Winterbeschäftigungsumlage nach § 354 SGB III wird von Betrieben des Baugewerbes erhoben. Erbringt ein Betrieb Bauleistungen auf dem Baumarkt, so wird vermutet, dass er ein Betrieb des Baugewerbes i.S.v. § 101 Abs. 2 Satz 1 SGB III ist, es sei denn es wird der Nachweis geführt, dass Bauleistungen arbeitsrechtlich nicht überwiegen, Satz 2.*)
2. Bei der Widerlegung der Vermutung ist auf die Mehrzahl der Arbeitsstunden für Bauleistungen abzustellen.*)
3. Dem Arbeitgeber kommt hinsichtlich der nachzuweisenden Umstände eine besondere Mitwirkungsobliegenheit i.S.v. § 21 Abs. 2 Satz 1 SGB X zu.*)
VolltextIBRRS 2024, 2177
LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 09.08.2023 - L 2 AL 35/18
1. Der Anspruch des Bauunternehmers auf Gewährung von Zuschuss-Wintergeld nach § 102 Abs. 1, 2 SGB III setzt u. a. voraus, dass der geltend gemachte Zeitraum innerhalb der sog. Schlechtwetterzeit liegt und das Unternehmen dem Baugewerbe zuzurechnen ist.*)
2. Für dessen Bewilligung gilt gem. § 325 Abs. 3 SGB III eine Ausschlussfrist von drei Monaten.*)
3. Hat der Bauunternehmer mit seiner Antragstellung die Mindestinhalte entsprechend § 323 Abs. 2 Satz 4 SGB III gegenüber dem Leistungsträger angegeben, so ist ihm das geltend gemachte Zuschuss-Wintergeld zu bewilligen.*)
VolltextIBRRS 2024, 2163
LAG Düsseldorf, Urteil vom 09.04.2024 - 14 Sa 1133/23
1. Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche können gem. § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG eine Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten festlegen.*)
2. Eine Tarifkollision i.S.v. § 4a Abs. 2 Satz 2 TVG liegt bereits dann vor, wenn sich die Geltungsbereiche nicht inhaltsgleicher Tarifverträge verschiedener Gewerkschaften überschneiden. Auf die Regelungsgegenstände kommt es nicht an.*)
3. Regelungen des Minderheitstarifvertrags werden nicht verdrängt, wenn aus einer objektivierten Perspektive neben dem anwendbaren Tarifvertrag weitere inhaltliche Regelungen anwendbar bleiben sollen. Davon ist auszugehen, wenn Tarifleistungen nicht erkennbar untereinander verknüpft sind, weil sie zu ganz verschiedenen Regelungskomplexen gehören. Danach bleibt die Überlassungshöchstdauer für Zeitarbeitnehmer, die in § 2 Nr. 3 Satz 2 des mit der Christlichen Gewerkschaft Metall geschlossenen Tarifvertrags zur Regelung der Zeitarbeit in den Elektrohandwerken vom 30.06.2018 geregelt ist, im Hinblick auf die mit der IG Metall geschlossenen Tarifverträge für das elektrotechnische Handwerk anwendbar.*)
VolltextIBRRS 2024, 2073
BAG, Urteil vom 05.03.2024 - 9 AZR 204/23
Die Erfüllung der Offenlegungspflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 5 AÜG und der Konkretisierungspflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 6 AÜG setzt das Bestehen eines formwirksamen Arbeitnehmerüberlassungsvertrags im Zeitpunkt des Überlassungsbeginns voraus.*)
VolltextOnline seit Juni
IBRRS 2024, 1982LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.01.2024 - L 8 R 335/17
1. Eine abhängige Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt.
2. Eine selbstständige Tätigkeit ist maßgeblich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
3. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.
VolltextOnline seit April
IBRRS 2024, 0920BSG, Urteil vom 20.07.2023 - B 12 R 15/21 R
Die Tätigkeit eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer Ein-Mann-GmbH für einen Dritten (Einsatzunternehmen) begründet nach der im Sozialversicherungsrecht herrschenden Eingliederungstheorie ein Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Einsatzunternehmen und der überlassenen Person, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung vorliegen.
VolltextOnline seit Februar
IBRRS 2024, 0715OLG Schleswig, Urteil vom 04.04.2023 - 12 U 3/23
1. Bei einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung ist das Vertragsverhältnis der Parteien nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 AÜG unwirksam und sind die wechselseitig empfangenen Leistungen nach Bereicherungsrecht zurückzugewähren.*)
2. In Abgrenzung zu einem Dienst- oder Werkvertrag liegt eine Arbeitnehmerüberlassung vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen (vgl. dazu im Einzelnen: OLG Schleswig, Urteil vom 29.05.2019 - 12 U 102/18, IBRRS 2019, 4242).*)
3. Für eine ordnungsgemäße Arbeitnehmerüberlassung ist gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 AÜG eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis erforderlich. Diese entfaltet zudem gem. § 1 Abs. 1 Sätze 5, 6 AÜG ihre legalisierende Wirkung nur dann, wenn die Vertragsbeziehung und der konkrete Personaleinsatz ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung bezeichnet werden.*)
4. Rechtsfolge des Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 Nr. 1 AÜG ist die Unwirksamkeit des Vertrags zwischen den Parteien wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot, sodass der Kläger nicht die vereinbarte Vergütung verlangen kann, sondern lediglich Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Beklagten geltend machen kann (OLG Schleswig, a.a.O., unter Verweis auf BGH, Urteil vom 18.07.2000 - X ZR 62/98, IBRRS 2000, 1894; BeckOK Arbeitsrecht – Motz, 66. Aufl., AÜG § 12, Rn. 17).*)
5. Erfüllt zudem ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag nicht die Voraussetzungen der Schriftform, was hier der Fall sein dürfte, ist der Vertrag im Zweifel ebenfalls insgesamt nichtig, §§ 125, 139 BGB (vgl. BeckOK Arbeitsrecht – Motz, 66. Aufl., AÜG § 12, Rn. 14). In einem solchen Fall erfolgt die Rückabwicklung auch nach Bereicherungsrecht.*)
6. Bei einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung liegt die Bereicherung des Beklagten in den Vergütungsaufwendungen, die er erspart hat, indem er die Arbeitnehmer nicht selbst beschäftigt hat (ebenso OLG Schleswig, a.a.O.).*)
7. Dem Zahlungsanspruch steht nicht entgegen, dass der Beklagte sich auf Erfüllung durch Zahlung der Bauabzugssteuer oder ein Zurückbehaltungsrecht wegen fehlender Freistellungsbescheinigung gemäß § 48b EStG berufen hat, da es hier nicht um Bauleistungen, sondern um Arbeitnehmerüberlassung geht (so bereits OLG Schleswig, a.a.O.).*)
VolltextOnline seit Januar
IBRRS 2024, 0318LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 02.11.2023 - 5 Sa 14/23
1. Fordert der Arbeitgeber nach § 280 Abs. 1, § 619a BGB Schadensersatz vom Arbeitnehmer, hat er sowohl die Pflichtverletzung als auch Vorsatz oder Fahrlässigkeit sowie den Schaden und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den Schaden darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.*)
2. Kommt ein Leiharbeitnehmer den Weisungen des Entleihers schuldhaft nicht nach und hat der Verleiher aufgrund dessen keinen Vergütungsanspruch gegenüber dem Entleiher, kann dadurch ein Schaden in Form eines entgangenen Gewinns entstehen.*)
VolltextIBRRS 2024, 0132
LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29.03.2023 - 7 Sa 172/22
1. Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis eines selbstständig Tätigen durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit des Verpflichteten. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.
2. Die Begriffe der Weisungsgebundenheit und Fremdbestimmung sind eng miteinander verbunden und überschneiden sich teilweise. Eine weisungsgebundene Tätigkeit ist in der Regel zugleich fremdbestimmt.
3. In die Beurteilung, ob der - für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses erforderliche - Grad der persönlichen Abhängigkeit erreicht ist, ist die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit einzubeziehen.
4. Bestimmte Tätigkeiten lassen sich sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch in einem Werk- oder freien Dienstvertrag verrichten. Bei untergeordneten einfachen Arbeiten besteht eher eine persönliche Abhängigkeit als bei gehobenen Tätigkeiten. Ein Arbeitsverhältnis kann aber auch bei Diensten höherer Art gegeben sein, selbst wenn dem Dienstverpflichteten ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und fachlicher Selbstständigkeit verbleibt.
5. Ein Widerspruch zwischen Vertragsbezeichnung und Vertragsdurchführung wird durch gesetzliche Anordnung zu Gunsten letzterer aufgelöst. Für die Bestimmung des Vertragstyps ist dann allein die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses maßgeblich.
VolltextOnline seit 2023
IBRRS 2023, 3495LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.09.2023 - 5 Sa 15/23
1. Der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers entfällt ganz oder teilweise, wenn der Arbeitnehmer seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht oder nicht in vollem Umfang nachkommt, es sei denn, die Vergütung ist aus anderen Rechtsgründen fortzuzahlen, z. B. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.*)
2. Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast, dass und in welchem Umfang der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht nicht erfüllt hat. Auf den entsprechenden Prozessvortrag des Arbeitgebers hat der Arbeitnehmer sodann substanziiert zu erwidern. Das gilt auch bei Arbeitsleistungen im Homeoffice.*)
VolltextIBRRS 2023, 2780
LG München II, Urteil vom 30.09.2022 - 2 O 2661/21
1. Bei Bauarbeiten ist grundsätzlich der Bauherr als Veranlasser des Bauvorhabens verkehrssicherungspflichtig und als solcher auch deliktisch einstandspflichtig. Er ist es, der die Gefahrenquelle eröffnet.
2. Der Bauherr hat dafür zu sorgen, dass von seinem Bauvorhaben keine Gefahren ausgehen, durch die Dritte Schäden erleiden können. Das gilt jedoch im Verhältnis des Bauherrn zu dem von ihm beauftragten Unternehmer und dessen Mitarbeitern nicht uneingeschränkt, soweit es um die Sicherheit der Baustelle geht.
3. Für die Sicherheit der Baustelle ist in erster Linie der Unternehmer verantwortlich. Die Unfallverhütungsvorschriften wenden sich nur an ihn.
4. Mitarbeiter eines von dem Bauherrn beauftragten Unternehmers, die bei der Ausführung von Bauarbeiten infolge der Nichtbeachtung von Unfallverhütungsvorschriften zu Schaden kommen, können den Bauherrn dafür regelmäßig nicht haftbar machen.
VolltextIBRRS 2023, 2592
LAG Hessen, Urteil vom 16.06.2023 - 10 Sa 1616/22
1. Ein Betrieb, der überwiegend Trocknungs-, Trockenbau-, Abbruch- und Fliesenarbeiten erbringt, erfüllt die Voraussetzungen der Rückausnahme nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 6 VTV, weil alle diese Tätigkeiten in § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV genannt sind.*)
2. Was ein "Baubetrieb" i.S.d. § 1 Ziff. 2 Abs. 4 RTV-Maler ist, bestimmt sich nach den einschlägigen Tarifverträgen im Baugewerbe. Ein Betrieb, der die Anforderungen nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 6 VTV zugunsten von Malerbetrieben nicht erfüllt, wird auch nicht - vorbehaltlich der Sonderregeln in § 1 Ziff. 2 Abs. 5 bis 7 RTV-Maler, von den Malertarifverträgen erfasst. Auf eine Innungsmitgliedschaft in der Malerinnung kommt es dann nicht (mehr) an.*)
3. Trocknungsarbeiten werden durch § 1 Ziff. 2 RTV-Maler nicht erfasst.*)
VolltextIBRRS 2023, 2583
LAG Hessen, Urteil vom 27.05.2022 - 10 Sa 1222/21
1. Schweißarbeiten an Rohrleitungen an industriellen Anlagen gehören zum Rohrleitungsbau nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV.*)
2. Arbeiten an sonstigen Teilen einer industriellen Anlage sind - sofern es nicht um bauliche Einhausungen wie Industriehallen o. ä. geht - grundsätzlich als baufremd anzusehen und dem Anlagenbau zuzurechnen. Dies gilt z. B. für Schweiß- und Instandsetzungsarbeiten an Trichtern und Luftvorwärmern, aber auch an Unterkonstruktionen wie Tragsystemen.*)
3. Der betriebliche Geltungsbereich des VTV ist nicht eröffnet, wenn der überwiegende betriebliche Zweck in der Arbeitnehmerüberlassung besteht. Für solche Konstellationen haftet der Verleiher auf den Beitrag des Urlaubsverfahrens nach § 8 Abs. 3 AEntG.*)
VolltextIBRRS 2023, 2582
BAG, Urteil vom 25.07.2023 - 9 AZR 278/22
1. Zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer kommt ein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der Arbeitsvertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer unwirksam ist. Das ist regelmäßig der Fall, wenn die Arbeitnehmerüberlassung nicht ausdrücklich als solche bezeichnet und die Person des Leiharbeitnehmers nicht konkretisiert worden ist.
2. Eine Arbeitnehmerüberlassung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt. Von der Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags.
3. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher als zustande gekommen gilt. Die Grundsätze der sekundären Darlegungslast können jedoch eine Abstufung der Darlegungs- und Beweislast verlangen.
VolltextIBRRS 2023, 2337
LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.10.2022 - 7 Sa 32/22
1. Der Arbeitnehmer hat gegen seinen Arbeitgeber Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Entgelts für die im Klagezeitraum tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Im Arbeitsverhältnis gilt der Grundsatz "ohne Arbeit kein Lohn".
2. Verlangt der Arbeitnehmer Arbeitsvergütung hat er darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet hat oder dass einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt.
3. Die Arbeitsvergütung ist, wenn sie nach Zeitabschnitten bemessen ist, nach dem Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten. Der Arbeitnehmer ist vorleistungspflichtig. Erbringt der Arbeitnehmer die von ihm geschuldete Arbeitsleistung nicht, wird er seines Anspruchs auf die Vergütung verlustig.
4. Kommt der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers in Verzug, kann der Arbeitnehmer für die infolge des Verzugs nicht erbrachte Arbeitsleistung die vereinbarte Vergütung verlangen.
5. Der Arbeitgeber kommt in Annahmeverzug, wenn er im erfüllbaren Arbeitsverhältnis die ihm vom Arbeitnehmer angebotene Leistung nicht annimmt. Im bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung tatsächlich anbieten.
6. Die Arbeitsleistung ist so anzubieten, wie sie zu bewirken ist, also am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen bzw. deren Konkretisierung kraft Weisung.
VolltextIBRRS 2023, 2101
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.05.2023 - L 8 BA 2807/22
1. Bei der Erbringung von Architektur- und Planungsleistungen liegt dann keine abhängige, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vor, wenn Grund der Beauftragung eine Spezialisierung und Nutzung einer eigenen patentgeschützten Software ist und die Leistungen ganz überwiegend in den Büroräumen des Auftragnehmers erbracht wurden. Dass die Auftraggeberin die vom Auftragnehmer erstellten Leistungen auf die Erfüllung der gesetzten Vorgaben kontrolliert hat, entspricht dem üblichen Vorgehen bei einem Werkvertrag, bei dem das Werk im Rahmen der Abnahme auf die Erfüllung der vereinbarten Eigenschaften und Zielvorgaben geprüft wird.*)
2. Die vereinzelte Wahrnehmung von Terminen am Firmensitz der Auftraggeberin zum Zwecke der Koordinierung führt nicht per se zur Eingliederung in den Betrieb. Derartige Besprechungen sind bei großen Arbeitsaufträgen mit mehreren Gewerken üblich und erforderlich, um die verschiedenen Teilleistungen zeitlich zu koordinieren und in den gegenüber dem Kunden der Auftraggeberin vereinbarten Zeitplan einzupflegen (im vorliegenden Fall Fassadenplanung beim Bau einer U-Bahn-Station). Das Kriterium der Eingliederung bedarf bei komplexen Planungsleistungen mit mehreren Gewerken und Unternehmern insoweit der Fortentwicklung an die Gegebenheiten der modernen Arbeitswelt.*)
3. Ein Unternehmerrisiko ist bei Planungsleistungen, bei denen wesentlich die eigene (geistige) Arbeitskraft zum Einsatz kommt, zu bejahen, wenn Investitionen in Hochleistungsrechner und Spezialdrucker sowie die Entwicklung einer eigenen Spezial-Simulationssoftware getätigt wurden, um am Markt durch besondere Expertise und Spezialisierung einen eigenen Kundenstamm aufzubauen. Dass die Abrechnung der Leistungen nach Stunden erfolgt, steht in einem solchen Fall der Annahme eines Unternehmerrisikos nicht entgegen.*)
VolltextIBRRS 2023, 2027
BAG, Urteil vom 30.03.2023 - 8 AZR 120/22
Geschäftsführer einer GmbH haften gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der GmbH nicht deshalb auf Schadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB, weil sie im Einzelfall nach § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG für Verstöße der GmbH gegen ihre Verpflichtung aus § 20 MiLoG, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zu zahlen, bußgeldrechtlich verantwortlich sind. Der Bußgeldtatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 20 MiLoG stellt - ungeachtet des § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG - kein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB zu Gunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der GmbH in ihrem Verhältnis zu dem/den Geschäftsführer/n der Gesellschaft dar.*)
VolltextIBRRS 2023, 1736
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.04.2023 - L 9 U 619/22
1. Ein Unternehmer des Baugewerbes, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt, haftet für die Erfüllung der Zahlungspflichten des Unternehmers wie ein selbstschuldnerischer Bürge.
2. Eine Haftung kommt aber erst ab einem geschätzten Gesamtwert aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen von 275.000 Euro in Betracht. Maßgeblich ist insoweit der Wert der vom Hauptunternehmer an Nachunternehmer fremdvergebenen Aufträge über Bauleistungen.
3. Die Haftung entfällt, wenn der Unternehmer nachweist, dass er ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass der Nachunternehmer seine Zahlungspflicht erfüllt (sog. Exkulpation).
4. Der Nachweis ist vom Hauptunternehmer zu erbringen, dass er bei der Auswahl des Nachunternehmens die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns aufgewandt hat. Die Beweislast für das Nichtvorliegen der Haftung trägt der Hauptunternehmer.
VolltextIBRRS 2023, 1564
KG, Beschluss vom 17.05.2023 - 7 W 5/23
Arbeitnehmerähnliche Personen i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG müssen einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig sein. Hieran fehlt es, wenn ein Werkunternehmer zur Ausführung der von ihm geschuldeten Werkleistungen zwar keine Arbeitnehmer, aber Nachunternehmer beschäftigt. Damit tritt er selbst als Auftraggeber auf; dieser Einsatz von Nachunternehmern spricht in gleichem Maße wie die Beschäftigung eigener Arbeitnehmer für selbstständiges Unternehmertum.*)
VolltextIBRRS 2023, 0734
LSG Hessen, Urteil vom 26.01.2023 - L 8 BA 51/20
Stellen Bauarbeiter im Wesentlichen nur ihre Arbeitskraft zur Verfügung und tragen keinerlei Unternehmerrisiko, sind sie ungeachtet eines “Nachunternehmervertrags“ als abhängig beschäftigt einzustufen. In einem solchen Fall ist davon auszugehen, dass der Vertrag lediglich die tatsächlichen Verhältnisse verschleiern soll, um den gesetzlichen Sozialabgabepflichten zu entgehen.
VolltextIBRRS 2023, 0130
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.09.2022 - 1 Sa 39 öD/22
1. Mit der Änderung des Dienstplans eines Mitarbeiters übt der Arbeitgeber diesem gegenüber sein Direktionsrecht aus. Die Änderung muss dem Mitarbeiter zugehen, da es sich bei der Ausübung des Direktionsrechts um eine empfangsbedürftige Gestaltungserklärung handelt.*)
2. Ein Mitarbeiter ist nicht verpflichtet, sich in seiner Freizeit zu erkundigen, ob sein Dienstplan geändert worden ist. Er ist auch nicht verpflichtet, eine Mitteilung des Arbeitgebers - etwa per Telefon - entgegenzunehmen oder eine SMS zu lesen. Nimmt er eine Information über eine Dienstplanänderung nicht zur Kenntnis, geht ihm diese erst bei Dienstbeginn zu.*)
3. Ob der Mitarbeiter verpflichtet ist, eine Dienstplanänderung zu berücksichtigen und den geänderten Dienst anzutreten, wenn ihn die Mitteilung über die Dienstplanänderung tatsächlich erreicht, bedurfte hier keiner Entscheidung.*)
VolltextOnline seit 2022
IBRRS 2022, 3722BAG, Urteil vom 05.07.2022 - 9 AZR 323/21
1. Eine Überlassung zur Arbeitsleistung i.S.d. § 1 Abs. 1 AÜG liegt vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und nach dessen Weisungen beschäftigt werden. Davon zu unterscheiden sind Arbeitnehmer, die nach Weisungen des Unternehmers zur Ausführung von Dienst- oder Werkverträgen als Erfüllungsgehilfe bei Dritten eingesetzt werden.
2. Der Werkbesteller oder Auftraggeber von Dienstleistungen kann dem Werkunternehmer oder Dienstleister bzw. dessen Erfüllungsgehilfen bestimmte Anweisungen zur Ausführung der Dienste bzw. des Werks erteilen. In diesen Fällen ist die arbeitsrechtliche, personenbezogene und verfahrensorientierte Weisungsbefugnis von der projekt- und sachbezogenen ergebnisorientierten Anweisung abzugrenzen.
3. Sprechen einige Kriterien für die Annahme, der Arbeitnehmer sei als Erfüllungsgehilfe im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags tätig geworden und andere für das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung, hat das Tatsachengericht eine umfassende Abwägung aller in die Entscheidung einzustellenden Gesichtspunkte vorzunehmen und das Ergebnis seiner Gesamtbetrachtung nachvollziehbar zu erläutern.
VolltextIBRRS 2022, 3627
BAG, Urteil vom 25.08.2022 - 6 AZR 499/21
Ein als Word-Dokument übermittelter Schriftsatz ist nicht i.S.v. § 46c Abs. 2 Satz 1 ArbGG a.F. für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und damit formunwirksam eingereicht. Das gilt auch, wenn das Gericht ein IT-System nutzt, das im konkreten Fall die Bearbeitung eines solchen Dokuments zulässt.
VolltextIBRRS 2022, 3431
LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 10.05.2022 - L 3 BA 30/20
1. Fehlt es an einem vertraglich festgelegten abgrenzbaren, dem Auftragnehmer als eigene Leistung zurechenbaren und abnahmefähigen Werk, kommt ein Werkvertrag kaum in Betracht, weil der „Auftraggeber“ dann durch weitere Weisungen den Gegenstand der vom „Auftragnehmer“ zu erbringenden Leistung erst bestimmen und damit Arbeit und Einsatz erst bindend organisieren muss.
2. Ist angesichts eines geringen Stundenlohns der Aufbau einer eigenen Alterssicherung nicht möglich, spricht dies für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis.
VolltextIBRRS 2022, 2686
BAG, Urteil vom 26.04.2022 - 9 AZR 139/21
1. Voraussetzung eines Arbeitsverhältnisses ist grundsätzlich die arbeitsvertragliche Begründung der Arbeitspflicht. Die lediglich tatsächliche Erbringung von Arbeitsleistungen und Eingliederung in den Betrieb lassen für sich betrachtet nicht auf den konkludenten Abschluss eines Arbeitsvertrags schließen.*).
2. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG a.F. fingiert ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer, wenn der Vertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer gem. § 9 Nr. 1 AÜG a.F. unwirksam ist. Das gesetzlich fingierte Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher kompensiert den durch § 9 Nr. 1 AÜG a.F. eingetretenen Verlust des Arbeitsverhältnisses zum Verleiher.*).
3. Der Eintritt der Fiktion des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG a.F. setzt zwingend voraus, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Verleiher nach § 9 Nr. 1 AÜG a.F. unwirksam ist. Dies gilt auch in Fällen mit Auslandsbezug, in denen ein Leiharbeitnehmer von einem Verleiher im Ausland an einen im Inland ansässigen Entleiher überlassen wird.*).
4. Die Verletzung der Erlaubnispflicht des § 1 AÜG a.F. führt nicht zur Unwirksamkeit des Leiharbeitsvertrags nach § 9 Nr. 1 AÜG a.F., wenn das Leiharbeitsverhältnis dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union unterliegt. In diesem Fall ist das Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nicht vom Anwendungsbereich des § 9 Nr. 1 AÜG a.F. umfasst. Dieser bestimmt sich einheitlich nach dem Statut des Arbeitsvertrags zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Verleiher. Ein Nebeneinander eines im Inland fingierten Arbeitsverhältnisses und eines im Ausland fortbestehenden Leiharbeitsverhältnisses sieht § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG a.F. nicht vor.*)
5. Bei einer Arbeitnehmerüberlassung aus dem Ausland findet § 9 Nr. 1 AÜG a.F. auf das im Ausland begründete Vertragsverhältnis nicht unabhängig von dem nach Art. 8 Rom I-VO zu bestimmenden Arbeitsvertragsstatut aufgrund vorrangig zu beachtender allgemeiner oder spezieller Kollisionsnormen Anwendung.*)
6. Die vorrangige Anwendung des § 9 Nr. 1 AÜG a.F. folgt weder aus Art. 23 Rom I-VO i.V.m. Art. 3 Abs. 1 d Richtlinie 96/71/EG a.F. bzw. der diesen in nationales Recht umsetzenden Bestimmung des § 2 Nr. 4 AEntG a.F. noch aus Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO. Die Unwirksamkeitsanordnung des § 9 Nr. 1 AÜG a.F. zählt nicht zu den "Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften" i.S.v. Art. 3 Abs. 1 d Richtlinie 96/71/EG a.F. und § 2 Nr. 4 AEntG a.F. Es handelt sich dabei auch nicht um eine Eingriffsnorm i.S.v. Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO.*).
7. Der Begriff der Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG a.F. ist nicht auf die Überlassung solcher Personen beschränkt, die die Voraussetzungen des Arbeitnehmerbegriffs im Sinne des nationalen Rechts erfüllen. Die Vorschrift ist unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass sie nicht nur auf Arbeitnehmer Anwendung findet, die mit einem Leiharbeitsunternehmen einen Arbeitsvertrag geschlossen haben, sondern auch auf Personen, die mit einem solchen Unternehmen ein "Beschäftigungsverhältnis" eingegangen sind, aufgrund dessen sie während einer bestimmten Zeit für eine andere Person nach deren Weisungen Leistungen erbringen, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhalten und aufgrund der zu erbringenden Arbeitsleistung geschützt sind.*)
VolltextIBRRS 2022, 1284
BGH, Urteil vom 10.03.2022 - III ZR 51/21
Zur "angemessenen Vergütung" i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 2 AÜG.*)
VolltextIBRRS 2022, 1661
LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29.03.2022 - 5 TaBV 12/21
Die Anordnung eines Arbeitgebers, dass Rauchen nur in den festgelegten Pausen gestattet ist, unterliegt regelmäßig nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, da die Anordnung die Einhaltung der Arbeitszeit sicherstellen soll und somit nicht das Ordnungsverhalten, sondern das Arbeitsverhalten betrifft.*)
VolltextIBRRS 2022, 1213
LAG München, Urteil vom 28.10.2021 - 3 Sa 362/21
Eine per WhatsApp übermittelte außerordentliche Kündigung erfüllt nicht das Schriftformerfordernis und ist nichtig.*)
VolltextIBRRS 2022, 1004
LSG Bayern, Beschluss vom 12.01.2022 - L 7 BA 90/21 B ER
1. Zur Abgrenzung zwischen selbständiger unternehmerischer Tätigkeit und einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis.
2. Die Anmeldung eines Gewerbes durch den Auftragnehmer allein kann keine selbständige Tätigkeit begründen.
3. Für die Annahme selbständiger Tätigkeiten genügt es auch nicht, wenn der Auftragnehmer noch für weitere Auftraggeber tätig ist. Denn jedes Auftragsverhältnis ist gesondert für sich dahingehend zu prüfen, ob insoweit eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit gegeben ist.
VolltextIBRRS 2022, 0702
LSG Thüringen, Urteil vom 23.09.2021 - L 3 R 418/19
1. Eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wird als nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis definiert. Beschäftigung meint in erster Linie die Abgrenzung zu einer selbstständigen Tätigkeit. Die versicherten Personen werden im Gesetz nicht im Detail definiert, sondern ausgehend vom Normalfall in der Form eines Typus beschrieben.
2. Der Typus des versicherungspflichtigen Arbeitnehmers ist von einem Arbeitgeber persönlich abhängig. Das Beschäftigungsverhältnis ist dadurch geprägt, dass jemand im Dienste eines anderen eine Leistung in weisungsgebundener, fremdbestimmter Art in persönlicher Abhängigkeit erbringt. Die (vertraglich geschuldete) Leistung ist im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen.
3. Die selbstständige Tätigkeit wird durch das Unternehmerrisiko und durch das Recht und die Möglichkeit gekennzeichnet, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei zu verfügen. In Zweifelsfällen kommt es darauf an, welche Merkmale im Einzelfall überwiegen.
4. Für Tätigkeiten, die sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses erbracht werden können, gilt der Grundsatz, dass bei untergeordneten, einfachen Arbeiten eher eine Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation anzunehmen ist als bei gehobenen Tätigkeiten.
VolltextIBRRS 2022, 0438
BGH, Urteil vom 09.12.2021 - VII ZR 170/19
Ein Rückgriffsanspruch des gesetzlichen Unfallversicherers gegen den Unternehmer gem. § 110 Abs. 1 SGB VII setzt voraus, dass der Unternehmer, dessen Haftung nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII beschränkt ist, selbst oder durch eine in § 111 Satz 1 SGB VII genannte, in Ausführung der ihr zustehenden Verrichtungen handelnde, vertretungsberechtigte Person den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Eine Zurechnung des Verschuldens sonstiger Personen, die den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht haben, gem. § 278 BGB kommt im Rahmen des Rückgriffsanspruchs gem. § 110 Abs. 1 SGB VII nicht in Betracht.*)
VolltextOnline seit 2021
IBRRS 2021, 3426BAG, Urteil vom 14.07.2021 - 10 AZR 190/20
1. Ein Betrieb unterfällt dem betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes, wenn in ihm überwiegend die in § 1 Abs. 2 Abschn. I bis V der Verfahrenstarifverträge genannten Leistungen erbracht werden. Um dies zu beurteilen, kommt es grundsätzlich auf die arbeitszeitlich überwiegend versehene Tätigkeit der Arbeitnehmer an. Dafür ist sowohl die Arbeitszeit der gewerblichen Arbeitnehmer als auch die der Angestellten zu berücksichtigen.*)
2. Ein Betrieb, in dem die Arbeitnehmer arbeitszeitlich überwiegend Grundstücke entwickeln, beplanen, durch Subunternehmen bebauen lassen, vermarkten und veräußern, wird als Bauträgerbetrieb nicht von den Verfahrenstarifverträgen der Bauwirtschaft erfasst. Die versehenen Tätigkeiten sind nicht baugewerblicher Natur im Sinn der Verfahrenstarifverträge.*)
VolltextIBRRS 2021, 2705
LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.06.2021 - L 28 BA 122/18
Bei als Subunternehmern beauftragten Bauhilfskräften handelt es sich um Scheinselbständige, wenn, mangels schriftlicher Verträge und aussagekräftiger Rechnungen, diesen ein konkret von ihnen zu erbringendes Werk nicht zugeordnet werden kann.*)
VolltextIBRRS 2021, 2562
LAG Hessen, Urteil vom 24.01.2020 - 10 Sa 71/19
1. Führen Arbeitnehmer Tätigkeiten aus, die sowohl baulicher Natur als auch einem der ausgenommenen Gewerke des § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV zuzuordnen sind, kommt es darauf an, welches Gepräge diese "Sowohl-als-auch-Tätigkeiten" dem Betrieb geben. Entscheidend ist in erster Linie der Charakter der überwiegend ausgeführten Tätigkeiten. Die Abgrenzung richtet sich insbesondere danach, ob die "Sowohl-als-auch-Tätigkeiten" von Fachleuten des ausgenommenen Gewerks angeleitet und verrichtet werden. Werden sie von Fachleuten eines Baugewerbes oder von ungelernten Arbeitskräften durchgeführt, ist regelmäßig eine Ausnahme vom Geltungsbereich des VTV abzulehnen (Anschluss an BAG, 27.03.2019 - 10 AZR 512/17 - Rn. 27, NZA 2019, 1508).*)
2. Diese Grundsätze bedürfen der Modifikation in denjenigen Fällen, in denen zu einem erheblichen arbeitszeitlichen Anteil - mindestens 50 % - für das Handwerk typische Arbeiten, bei einem Malerbetrieb also Maler- und Tapezierarbeiten, erbracht worden sind. In einem solchen Fall erscheint die Zuordnung zu den Betrieben des Baugewerbes nicht zweifelsfrei. Für die Abgrenzung kommt es in einem ersten Schritt - wie sonst auch - darauf an, ob die Arbeitnehmer durch eine Fachaufsicht beaufsichtigt worden sind. In einem zweiten Schritt bedarf es einer abschließenden wertenden Entscheidung anhand aller Umstände des Einzelfalls, ob die Zuordnung zu dem Handwerksbereich gerechtfertigt ist.*)
VolltextIBRRS 2021, 1422
LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09.11.2020 - L 17 U 487/19
1. Sowohl bei Wegen nach und vom Ort der Tätigkeit als auch bei einem direkt von der Wohnung aus angetretenen Betriebsweg (Dienstweg oder Dienstreise) beginnt die versicherte Tätigkeit erst mit dem Durchschreiten der Haustür des Gebäudes (Mehr- oder Einfamilienhaus), in dem sich die Wohnung des Versicherten befindet.
2. Die Annahme eines Betriebswegs scheidet aus, wenn sich der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Unfalls auf dem Weg in sein Arbeitszimmer zur erstmaligen Aufnahme seiner versicherten Tätigkeit am Unfalltag befand.
VolltextIBRRS 2021, 1320
ArbG Köln, Urteil vom 15.04.2021 - 8 Ca 7334/20
1. Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wegen einer behördlich angeordneten häuslichen Quarantäne des Arbeitnehmers zum Zwecke des Infektionsschutzes aufgrund der Covid-19-Pandemie ist auch außerhalb der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes regelmäßig rechtsunwirksam.*)
2. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber aufgrund des verzögerten Eingangs einer schriftlichen behördlichen Bestätigung der Quarantäne diese bezweifelt und den Arbeitnehmer insofern der Drucksituation aussetzt, entweder gegen die behördliche Quarantäne zu verstoßen oder aber seinen Arbeitsplatz zu verlieren.*)
VolltextIBRRS 2021, 0973
ArbG Emden, Urteil vom 24.09.2020 - 2 Ca 144/20
1. Durch das Urteil des EuGH vom 14.05.2019 ("CCOO", IBR 2019, 430) wird die Darlegungslast im Überstundenprozess modifiziert. Die vom Bundesarbeitsgericht bisher (vgl. BAG, Urteil vom 10.04.2013 - 5 AZR 122/12, NZA 2013, 1100) geforderte - positive - Kenntnis als Voraussetzung für eine "Duldung" der Leistung etwaiger Überstunden und damit für eine Zurechenbarkeit bzw. arbeitgeberseitige Veranlassung ist infolge des genannten Urteils des EuGHs jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn die Arbeitgeberin sich die Kenntnis der Arbeitszeiten der Arbeitnehmerin durch Einsichtnahme in die Arbeitszeiterfassung, zu deren Einführung, Überwachung und Kontrolle die Arbeitgeberin verpflichtet ist, hätte verschaffen können.*)
2. Dem Einwand, Folgerungen für vergütungsrechtliche Fragen könnten sich aus dem Urteil des EuGH vom 14.05.2019, a.a.O., nicht ergeben, weil die Europäische Union in vergütungsrechtlichen Fragen keine Regelungskompetenz habe, ist nicht zu folgen (vgl. zu Einzelheiten EuGH, Urteile vom 15.4.2008 - Rs. C-268/06, "Impact", NZA 2008, 581, sowie vom 21.02.2018, Rs. C-518/15, "Matzak", NJW 2018, 1073).*)
3. Arbeitszeitaufzeichnungen, die (jedenfalls in erster Linie) den Zweck haben, die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften zu dokumentieren und zu überwachen, können auch vergütungsrechtliche Bedeutung entfalten (vgl. BAG, Urteil vom 28.08.2019 - 5 AZR 425/18, NZA 2019, 1645).*)
4. ...
VolltextIBRRS 2021, 0820
ArbG Emden, Urteil vom 20.02.2020 - 2 Ca 94/19
1. Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einrichtung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems zur Arbeitszeiterfassung (vgl. EuGH, IBR 2019, 430) ergibt sich aus einer unmittelbaren Anwendung von Art. 31 Abs. 2 EuGRC.*)
2. Die in Leitsatz 1 genannte Verpflichtung trifft den Arbeitgeber, ohne dass es hierzu einer Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber oder einer richtlinienkonformen Auslegung des § 16 Abs. 2 ArbZG bedürfte.*)
3. Bei der Verpflichtung des Arbeitgebers, ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen, handelt es sich auch um eine vertragliche Nebenpflicht gem. § 241 Abs. 2 BGB. Verletzt der Arbeitgeber diese vertragliche Nebenpflicht, gilt der unter Vorlage von Eigenaufzeichnungen geleistete Vortrag des Arbeitnehmers, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat, regelmäßig gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.*)
4. Die im Rahmen eines sog. Bautagebuchs in Anwendung der Regelungen der HOAI vom Arbeitgeber vorgenommenen Aufzeichnungen genügen den Anforderungen eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems zur Arbeitszeiterfassung regelmäßig nicht.*)
VolltextIBRRS 2021, 0477
BAG, Urteil vom 18.12.2019 - 10 AZR 141/18
1. Eine mit Bedienungspersonal vermietete Baumaschine wird "zur Erbringung baulicher Leistungen" i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschn. 5 Nr. 39 der Verfahrenstarifverträge im Baugewerbe eingesetzt, wenn mit ihrer Hilfe Tätigkeiten i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschn. 1 bis Abschn. 5 der Verfahrenstarifverträge oder damit im Zusammenhang stehende Arbeiten ausgeführt werden.
2. Die Vermietung von Kettenbaggern mit Baggerführern an ein Abbruchunternehmen erfüllt das Tätigkeitsbeispiel des § 1 Abs. 2 Abschn. 5 Nr. 39 der Verfahrenstarifverträge im Baugewerbe, auch wenn damit lediglich das Abbruchgut auf der Baustelle zur fachgerechten Entsorgung aufbereitet wird.
3. Die rückwirkende Erstreckung der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe durch § 7 Abs. 3 bis Abs. 7 i.V.m. den Anlagen 28 bis 32 SokaSiG ist verfassungsrechtlich unbedenklich.
VolltextOnline seit 2020
IBRRS 2020, 3534BAG, Urteil vom 15.07.2020 - 10 AZR 337/18
Eine Tätigkeit, die zu dem Berufsbild eines Raumausstatters gehört, kann baugewerblicher Natur sein. Sie unterfällt dann dem Geltungsbereich der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe.*)
VolltextIBRRS 2019, 3159
BAG, Urteil vom 24.09.2019 - 9 AZR 481/18
1. Der gesetzliche Urlaubsanspruch für den Zeitraum der Altersteilzeit ist nach § 3 Abs. 1 BUrlG jahresbezogen nach der Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht zu berechnen.*)
2. Mit der Entscheidung, das Arbeitsverhältnis als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell fortzuführen, treffen die Arbeitsvertragsparteien eine Vereinbarung über die Verteilung der Arbeitszeit für den Gesamtzeitraum der Altersteilzeit, die den Arbeitnehmer allein in der Arbeitsphase zur Arbeitsleistung verpflichtet und ihn in der Freistellungsphase von vornherein von der Arbeitspflicht entbindet.*)
3. Einem Arbeitnehmer, der sich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befindet, steht mangels Arbeitspflicht kein gesetzlicher Anspruch auf Erholungsurlaub zu. Vollzieht sich der Wechsel von der Arbeits- zur Freistellungsphase im Verlauf des Kalenderjahres, ist der gesetzliche Urlaubsanspruch nach Zeitabschnitten entsprechend der vertraglich vorgesehenen Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht zu berechnen.*)
VolltextIBRRS 2020, 0189
VG Freiburg, Beschluss vom 17.12.2019 - 4 K 4800/19
1. Zur Rechtmäßigkeit eines arbeitsschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots bei niedrigen Raumtemperaturen und zur Erforderlichkeit einer Gefährdungsbeurteilung.*)
2. Bei einem behördlichen Beschäftigungsverbot liegt schon keine vertretbare Handlung vor, die sich im Wege der Ersatzvornahme vollstrecken ließe, da im Kern vielmehr eine Unterlassung gefordert wird, die nur vom Pflichtigen erbracht werden kann.*)
VolltextIBRRS 2019, 3158
BAG, Urteil vom 21.08.2019 - 7 AZR 452/17
Nach Ablauf von 22 Jahren seit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kann bei der erneuten Einstellung des Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber in der Regel eine Befristung ohne Sachgrund vereinbart werden. In einem solchen Fall ist es geboten, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift nicht anzuwenden, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die die Anwendung des Verbots dennoch gebieten könnten.*)
VolltextOnline seit 2019
IBRRS 2019, 2097BAG, Urteil vom 16.05.2019 - 6 AZR 329/18
Der Arbeitgeber darf bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs eine unternehmerische Entscheidung treffen, welche den bisherigen Arbeitsplatz eines schwerbehinderten Menschen durch eine Organisationsänderung entfallen lässt. Die in § 164 Abs. 4 SGB IX (bis 31.12.2017: § 81 Abs. 4 SGB IX a.F.) vorgesehenen Ansprüche schwerbehinderter Menschen sind lediglich bei der Prüfung einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu berücksichtigen.*)
VolltextIBRRS 2019, 4242
OLG Schleswig, Urteil vom 29.05.2019 - 12 U 102/18
1. Die Abgrenzung einer (hier unerlaubten) Arbeitnehmerüberlassung gegenüber einem Dienst- oder Werkvertrag erfolgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der auch für das übrige Zivilrecht zu folgen ist, nach folgenden Kriterien (vgl. zuletzt LAG Niedersachen, Urteil vom 19.01.2015 - 8 SA 643/14, BeckRS 2015, 70003, mit zahlreichen Nachweisen aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung):
- Eine Überlassung zur Arbeitsleistung i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AÜG liegt vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen. Notwendiger Inhalt eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags ist die Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher, diesem zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Die Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher endet, wenn er den Arbeitnehmer ausgewählt und ihn dem Entleiher zur Verfügung gestellt hat.
- Von der Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags. In diesen Fällen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der in dem Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich. Die zur Ausübung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen.
- Über die rechtliche Einordnung des Vertrags zwischen dem Dritten und dem Arbeitgeber entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung, die dem tatsächlichen Geschäftsinhalt nicht entspricht.*)
2. Eine Arbeitnehmerüberlassung ist gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 AÜG unerlaubt, wenn die Klägerin selbst vorträgt, zur Arbeitnehmerüberlassung nicht berechtigt zu sein.*)
3. Sie ist auch gemäß dem zum 01.04.2017 eingeführten § 1 Abs. 1 Satz 3 AÜG als sog. Kettenüberlassung verboten, wenn zwischen der Klägerin als Verleiherin und den ausgeliehenen Arbeitnehmern kein Arbeitsverhältnis besteht.*)
4. Rechtsfolge schon des Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 Nr. 1 AÜG ist, dass der Vertrag zwischen den Parteien unwirksam ist und die Klägerin nicht die vereinbarte Vergütung verlangen, sondern lediglich Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Beklagten geltend machen kann (vgl. nur BGH, Urteil vom 18.07.2000 - X ZR 62/98, IBRRS 2000, 1894).*)
5. Dabei stellt der Senat nicht auf einen Wertersatz für die von den Leiharbeitnehmern beim Beklagten geleisteten Dienste ab, denn ein solcher Wertersatz soll dem (unerlaubten) Verleiher ausdrücklich nicht zustehen (vgl. BGH, Urteil vom 25.06.2002 - X ZR 83/00, IBRRS 2002, 0916).*)
6. In den vom BGH entschiedenen Fällen (vgl. auch BGH, Urteil vom 08.11.1979 - VII ZR 337/78, NJW 1980, 452) ging es stets um eine "einstufige" Arbeitnehmerüberlassung, bei der § 10 AÜG das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer fingiert. Bei der "einstufigen" Überlassung - so der BGH - soll es dem Verleiher nicht verwehrt sein, die Vergütung, die er selbst anstelle des Entleihers an den Leiharbeitnehmer gezahlt hat, von dem Entleiher zurückzuverlangen, weil dieser sonst ungerechtfertigt bereichert wäre.*)
7. Vergleichbar aber zu den Aufwendungen, die der Entleiher bei einer „einstufigen“ Arbeitnehmerüberlassung gehabt hätte, hat aber auch der Beklagte im Rahmen der hier vorliegenden Ketten-Arbeitnehmerüberlassung Vergütungsaufwendungen erspart, nämlich diejenigen, die er - hätte er selbst direkt die eingesetzten Mitarbeiter ausgeliehen - an den ursprünglichen Verleiher hätte zahlen müssen. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Beklagte für die erhaltene Arbeitsleistung nicht wenigstens diese ersparten Aufwendungen zahlen sollte, während die Klägerin anderenfalls nicht nur keine Werkvergütung erhielte, sondern zusätzlich auch noch zur Zahlung der Vergütung für die Leiharbeitnehmer an die Verleihfirma verpflichtet wäre. Eine übermäßige Sanktionierung des (unerlaubten) Verleihers im Verhältnis zum Entleiher entspricht nicht der Gesetzesintention entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 08.11.1979 - VII ZR 337/78, NJW 1980, 452). Diese Bereicherung durch ersparte Aufwendungen kann die Klägerin von dem Beklagten verlangen.*)
8. Betreffend die Feststellung zum Vorliegen einer vorsätzlich unerlaubten Handlung (hier: Eingehungsbetrug gemäß § 263 StGB) rechtfertigt die Abgabe der Vermögensauskunft gem. § 802c ZPO durch den Beklagten grundsätzlich den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit auch im Zeitpunkt der Beauftragung der Klägerin wenige Monate später. Zwar ist es grundsätzlich Sache der Klägerin, die Zahlungsunfähigkeit des Beklagten im Zeitpunkt der Beauftragung zu beweisen. Darlegungsbelastet dafür, dass seine Vermögensverhältnisse sich in den Monaten nach der Vermögensauskunft derart entwickelt haben, dass er wieder zahlungsfähig war, war allerdings der Beklagte. Dafür hätte er als derjenige, der im Gegensatz zur Klägerin über die erforderlichen Kenntnisse verfügt, sich so dezidiert einlassen müssen, dass die Klägerin auch die Chance gehabt hätte, ihrer Beweislast nachzukommen (vgl. KG, Urteil vom 21.11.2008 - 7 U 47/08, IBRRS 2009, 0338, und AG Bremen, Urteil vom 05.02.2009 - 5 C 88/08, BeckRS 2009, 21327).*)
VolltextIBRRS 2019, 3199
BAG, Urteil vom 16.05.2019 - 8 AZR 315/18
Die besondere Pflicht nach § 82 Satz 2 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung (a.F.), schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, trifft nur öffentliche Arbeitgeber i.S.v. § 71 Abs. 3 SGB IX a.F. Hierzu zählt nach § 71 Abs. 3 Nr. 4 SGB IX a.F. auch jede sonstige Körperschaft, Anstalt und Stiftung des öffentlichen Rechts. Die besondere rechtliche Stellung der Körperschaft des öffentlichen Rechts i.S.v. § 71 Abs. 3 Nr. 4 SGB IX a.F. setzt einen entsprechenden staatlichen Hoheitsakt, nämlich die Verleihung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts voraus.*)
VolltextIBRRS 2019, 2110
BAG, Urteil vom 16.05.2019 - 8 AZR 530/17
Nach § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX (in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung) kann der Arbeitgeber verpflichtet sein, an einer stufenweisen Wiedereingliederung eines/einer schwerbehinderten Beschäftigten in das Erwerbsleben dergestalt mitzuwirken, dass er diese(n) entsprechend den Vorgaben eines Wiedereingliederungsplans beschäftigt.*)
Volltext