Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Aktuelle Urteile in allen Sachgebieten
Online seit 23. Juli
IBRRS 2025, 1812
OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.07.2025 - 24 U 54/24
1. Ein privatrechtlich ausgestaltetes Nutzungsverhältnis (hier: Miete) über einen Bootsliegeplatz in einem Hafen als öffentlicher Einrichtung unterliegt in Anwendung der Zwei-Stufen-Theorie der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit (§ 13 GVG), wenn das "Wie" (hier: Nutzungsdauer) im Streit steht.*)
2. Die Miete eines Bootsliegeplatzes stellt eine Grundstücksmiete gem. § 578 Abs. 1 BGB dar. Es ist unerheblich, wenn der gemietete Grundstücksteil mit Wasser bedeckt ist.*)
3. Eine erstmals in zweiter Instanz erklärte Kündigung als Gestaltungsrecht ist grundsätzlich unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen.*)
4. Die obsiegende Partei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, wenn sie die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für ihr Obsiegen bereits selbst während des ersten Rechtszuges hätte schaffen können.*)
5. Die Nutzung eines Bootes zu Wohnzwecken begründet keinen Wohnraummietvertrag über den Liegeplatz, sondern stellt einen Grundstücksmietvertrag i.S.d. § 578 Abs. 1 BGB dar.

IBRRS 2025, 1707

AG München, Urteil vom 27.03.2025 - 1293 C 13987/24 WEG
1. Eine Anfechtungsklage kann nicht mit einer Beschlussersetzungsklage verbunden werden. Sollte ein Beschluss für ungültig erklärt werden, muss zunächst wieder eine Eigentümerversammlung mit der Thematik befasst werden.
2. Der Bestimmtheitsgrundsatz verbietet es nicht, dass ein Beschluss nur durch ein Dokument, auf das er Bezug nimmt, ausgelegt werden kann. In diesem Fall muss das Dokument, auf das Bezug genommen wird, mit hinreichender Sicherheit bestimmbar sein. Dass das in einem Beschluss in Bezug genommene Dokument dem Versammlungsprotokoll als Anlage beigefügt wird, ist zwar wünschenswert, aber nicht zwingend erforderlich (ebenso BGH, Urteil vom 08.04.2016 - V ZR 104/15, IMR 2106, 334).
3. Das Ermessen der Wohnungseigentümer bei der Auswahl von zu treffenden Maßnahmen bezüglich einer Wohnungstür ist nicht auf "null" reduziert, wenn nur die kostenintensivere Maßnahme das derzeitige Schalldämmmaß der Wohnungstür gewährleistet. Damit kann auch die Wahl des kostengünstigeren Alternativangebots, das das derzeitige Schalldämmmaß nicht ausdrücklich garantiert, der ordnungsmäßigen Verwaltung entsprechen.

IBRRS 2025, 1748

OLG Köln, Urteil vom 23.05.2025 - 6 U 61/24
1. Bei Schutzrechtsverletzungen erfolgt die Schadensberechnung, indem ein Lizenzvertrag zu angemessenen Bedingungen als Lizenzanalogie fingiert wird.
2. Der Betreiber einer Bilddatenbank haftet für die bei ihm eingestellten Fotos, wenn er sich Verwertungsrechte einräumen lässt und diese dann lizensiert.

IBRRS 2025, 1650

VGH Bayern, Beschluss vom 02.05.2025 - 4 ZB 24.704
1. Der örtliche Normgeber darf beim Erlass einer Zweitwohnungssteuersatzung generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen.
2. Da das Innehaben einer Wohnung auch für Zwecke der privaten Lebensführung bereits dann anzunehmen ist, wenn sich der Eigentümer der betreffenden Räumlichkeiten die Möglichkeit der Eigennutzung offenhält, kann die steuererhebende Gemeinde in einem solchen Fall grds. vom Vorliegen einer Zweitwohnung ausgehen, solange keine besonderen Umstände ersichtlich sind, die diese tatsächliche Vermutung erschüttern.
3. Wegen des Grundsatzes "keine Gleichheit im Unrecht" können sich aus einem etwaigen satzungswidrigen Vollzugsmangel keine subjektiven Rechte eines Steuerpflichtigen in Bezug auf seine Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer ergeben.
4. Da es bei der Prüfung, ob eine zeitweise nicht genutzte Wohnung eine reine Kapitalanlage darstellt, auf eine umfassende Würdigung aller objektiven Umstände des Einzelfalls ankommt, kann auch die Frage, "wie ein sehr lange vorliegender Leerstand definiert wird und wann ausweislich dieser Definition das Hauptkriterium bei der Frage der Kapitalanlage als erfüllt anzusehen ist", keiner allgemeingültigen Klärung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugeführt werden.

IBRRS 2025, 1892

BGH, Beschluss vom 09.07.2025 - IV ZB 15/25
Ist eine Partei deshalb verhindert, die Frist zur Berufungsbegründung einzuhalten, weil das Berufungsgericht die Anforderungen an eine erstmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist überspannt und daher die nachgesuchte Fristverlängerung rechtswidrig versagt, läuft die Frist von einem Monat, um Wiedereinsetzung zu beantragen und die Berufungsbegründung einzureichen, ab Zugang des die Fristverlängerung ablehnenden Beschlusses.

IBRRS 2025, 1814

OLG Brandenburg, Beschluss vom 26.05.2025 - 5 W 100/23
1. Bei einer Klage auf Unterlassung einer Besitzstörung richtet sich der Streitwert nach § 3 ZPO.
2. Trägt der Kläger vor, ihm sei von dem Beklagten gestattet worden, auf dessen Grundstück ein Wochenendhaus zu errichten, das er entsprechend für sich und seine Familie rund fünf Wochen im Jahr nutze, so ist das mit der Klage geltend gemachte Interesse an der Gewährung des Zutritts und an der Wiedereinräumung des Besitzes analog § 41 Abs. 5 GKG zu bewerten. Maßgeblich ist, welchen Schaden der Kläger durch die Vorenthaltung des Besitzes erlitten hat bzw. geltend macht, nicht hingegen der Grundstückswert.

Online seit 22. Juli
IBRRS 2025, 1835
OLG München, Beschluss vom 04.07.2025 - 19 U 3738/24
1. Die Tätigkeit eines Energieeffizienz-Experten im Rahmen der KfW-Förderung ("Energieberater") stellt regelmäßig eine entgeltliche Geschäftsbesorgung dar, auf die das Dienstvertragsrecht anwendbar ist.
2. Eine Leistungspflicht zur Überwachung der Fristen des Fördermittelverfahrens ergibt sich aus einem Energieberatungsvertrag grundsätzlich nicht.
3. Hinweispflichten hinsichtlich eines Fristablaufs bestehen jedenfalls dann nicht, wenn der Auftraggeber das Fördermittelverfahren selbst abwickelt und die Förderzusagen mit den darin enthaltenen Fristen dem Energieberater nicht übermittelt wurden.
4. Im Zweifel hat der Energieberater mit seinen Leistungen alsbald zu beginnen und sie in angemessener Zeit zügig zu Ende zu führen. Dabei ist die für deren Herstellung notwendige Zeit in Rechnung zu stellen. Mit Ablauf der angemessenen Fertigstellungsfrist tritt Fälligkeit ein.

IBRRS 2025, 1808

OVG Niedersachsen, Urteil vom 30.06.2025 - 12 KS 55/24
Im Inkraftreten des § 45b BNatSchG noch des § 6 WindBG liegen keine Gründe dafür, ein bestandskräftig abgeschlossenes Genehmigungsverfahren für WEA mit dem Ziel wiederaufzugreifen, artenschutzrechtlich begründete Betriebsbeschränkungen aufzuheben.*)

IBRRS 2025, 1797

AG Charlottenburg, Beschluss vom 17.04.2025 - 73 C 6/24
1. Leitungen für Abwasser sind regelmäßig Gemeinschaftseigentum, auch wenn sie sich im Bereich des Sondereigentums befinden, bis zur ersten für die Handhabung durch den Sondereigentümer vorgesehenen Absperrmöglichkeit von der Abzweigung der Hauptleitung an.
2. Gibt es diese Absperrmöglichkeit bei der Abwasserleitung nicht, ist regelmäßig die gesamte Abwasserleitung, unabhängig von abweichenden Regelungen in der Gemeinschaftsordnung, Gemeinschaftseigentum.
3. Außerdem liegt Gemeinschaftseigentum auch dann vor, wenn die Leitung nicht ohne Eingriff in das Gemeinschaftseigentum verlegt werden kann.
4. Befinden sich die in Stand zu setzenden Abwasserleitungen im Bereich des Gemeinschaftseigentums, trifft die Instandsetzungslast, einschließlich Kostenlast hierfür den Verband.

IBRRS 2025, 1695

OLG Brandenburg, Urteil vom 24.04.2025 - 5 U 36/24
1. Die Vereinbarung eines Mitbenutzungsrechts zugunsten eines Dritten stellt nicht ohne Weiteres einen Vertrag zugunsten Dritter dar.
2. Ein Vertrag zu Lasten Dritter ist unzulässig; zulässig sind nur Belastungen Dritter, die sich nur als Einschränkung seiner Begünstigung oder lediglich einen Reflex darstellen.
3. Eine im Zusammenhang mit der Einräumung eines Nutzungsrechts für einen Dritten geregelte Pflicht zur Beteiligung an den Kosten des Grundbesitzes ist keine bloße Einschränkung der Begünstigung oder bloßer Reflex sondern ein unwirksamer Vertrag zu Lasten Dritter.

IBRRS 2025, 1875

OLG Frankfurt, Urteil vom 25.06.2025 - 9 U 52/23
1. Der Exporteur von persönlicher Schutzausrüstung in die EU muss sich ein arglistiges Verhalten des von ihm mit der Prüfung der Einhaltung der Voraussetzungen der Verordnung (EU) 2016/425 und der Anbringung eines CE-Kennzeichens betrauten Prüfinstituts gem. § 278 BGB zurechnen lassen.*)
2. Die Beauftragung und Ausstellung von "Voluntary Certificates", die keinen anderen Zweck haben können, als die Einhaltung der Voraussetzungen der Verordnung (EU) 2016/425 und der Anbringung eines CE-Kennzeichens im Rechtsverkehr vorzutäuschen, erfüllt den Tatbestand eines arglistigen Verhaltens i.S.d. § 377 Abs. 5 HGB.*)

IBRRS 2025, 1874

BayObLG, Beschluss vom 10.07.2025 - 101 SchH 73/25
1. Hat eine Partei den Schiedsrichter nicht innerhalb eines Monats nach Empfang einer entsprechenden Aufforderung durch die andere Partei bestellt oder können sich die beiden Schiedsrichter nicht binnen eines Monats nach ihrer Bestellung über den dritten Schiedsrichter einigen, so ist der Schiedsrichter auf Antrag einer Partei durch das Gericht zu bestellen.
2. Die einmonatige Benennungsfrist wird wirksam in Gang gesetzt, wenn die Aufforderung zugleich die Person des für die eigene Partei gewählten Schiedsrichters und den Gegenstand, über den eine Entscheidung des Schiedsgerichts herbeigeführt werden soll, konkret bezeichnet.
3. Der säumigen Partei bleibt es trotz Ablaufs der Monatsfrist unbenommen, einen geeigneten Schiedsrichter zur Bestellung durch das Gericht vorzuschlagen.
4. Der Abschluss einer Schiedsvereinbarung zwischen Unternehmen ist durch den Austausch elektronischer Dokumente wirksam möglich.

IBRRS 2025, 1834

OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.06.2025 - 6 W 39/25
1. Ist ein Rechtsstreit nicht anhängig, kann die Partei die Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse hat.
2. Ein rechtliches Interesse ist in Fällen zu verneinen, in denen ein Rechtsverhältnis, ein möglicher Prozessgegner oder ein Anspruch nicht ersichtlich ist, wobei es sich um eindeutige Fälle handeln muss. Es ist ferner zu verneinen, wenn dem Sachverständigen keine Anschlusstatsachen zu Verfügung stehen und das Beweismittel deshalb offensichtlich ungeeignet ist, einen tauglichen Beweis zu erbringen (hier bejaht).

Online seit 21. Juli
IBRRS 2025, 1778
OLG Karlsruhe, Urteil vom 03.06.2025 - 19 U 144/24
1. Wird ein von dem Besteller gegenüber der Werklohnforderung des Unternehmers für die Errichtung eines Wohnhauses zur Aufrechnung gestellter Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung (nur) wegen Verzögerung einer Leistung geltend gemacht, setzt er nach § 280 Absatz 2 BGB einen Verzug des Unternehmers mit einer Leistungspflicht nach § 286 BGB voraus.*)
2. Die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung im Verzugszeitraum kann nach § 287 ZPO unter Berücksichtigung des mit Hilfe des Mietenspiegels bestimmten fiktiven Mietpreises für das Wohnhaus mit einem Abzug von 30% geschätzt werden, weil der fiktive Mietpreis um alle auf Gewinnerzielung gerichteten und sonstigen, eine erwerbswirtschaftliche Nutzung betreffenden Wertfaktoren zu bereinigen ist.*)
3. Ein zur Aufrechnung gestellter Anspruch des Bestellers auf Erstattung von Bereitstellungszinsen wegen verzögerter Leistung des Unternehmers nach § 280 Absatz 2 BGB setzt den Anfall von Bereitstellungszinsen im Verzugszeitraum voraus.*)
4. Eine Zahlung des Bestellers zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil, die der Unternehmer annimmt, lässt insoweit den Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen entfallen.*)

IBRRS 2025, 1771

OVG Niedersachsen, Beschluss vom 25.06.2025 - 1 ME 57/25
1. Die Frage, ob die Zufahrt eines Nachbarn zu seinem eigenen Grundstück durch eine vorhabenbedingte Erhöhung des fließenden und ruhenden Verkehrs auf einem im Bruchteilseigentum des Nachbarn und des Vorhabenträgers stehenden Zuwegungsgrundstück unzumutbar eingeschränkt wird, ist anhand von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zu beantworten.*)
2. Da nach § 743 Abs. 2 BGB, § 745 Abs. 2 BGB eine die Zufahrt des Nachbarn unzumutbar beeinträchtigende Nutzung der Zufahrt zivilrechtlich unzulässig wäre, wäre sie dem Vorhaben nur zuzurechnen, wenn sie sich als dessen mit hinreichender Sicherheit zu erwartende, von dem Vorhaben geradezu herausgeforderte Folge darstellte.*)

IBRRS 2025, 1844

AG Lichtenberg, Urteil vom 11.02.2025 - 2 C 5114/24
1. Der Berliner Mietspiegel stellt eine taugliche Grundlage für die gerichtliche Schätzung dar.
2. Enthält der Mietspiegel eine Orientierungshilfe, in der bestimmte werterhöhende oder wertmindernde Faktoren für die Einordnung der Wohnung vorgesehen sind, darf der Tatrichter diese sowie die von ihr vorgesehenen Bewertungskriterien als Schätzungsgrundlage heranziehen.
3. "Gute ÖPNV-Anbindung" und die "gute Nahversorgung" sind nicht wohnwerterhöhend zu berücksichtigen.
4. Für die Annahme einer "bevorzugten Citylage" reicht es nicht aus, dass eine Gegend über zahlreiche Geschäfte, Cafés und Bars verfügt, wenn der repräsentative, überregionale Aspekt fehlt.

IBRRS 2025, 1781

AG Heilbronn, Urteil vom 28.01.2025 - 18 C 2632/24 WEG
Erlaubt die Teilungserklärung den Anbau eines Balkons, kann die Gemeinschaft einen solchen Anbau nicht ablehnen, weil der Anbau eine bauliche Veränderung darstellen oder eine Änderung von Lichteinfall und Schattenwurf bewirken würde.

IBRRS 2025, 1876

BGH, Urteil vom 10.07.2025 - III ZR 59/24
1. Eine Klausel, wonach für den Vertrag die unter einer Internetadresse abrufbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelten sollen, kann wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam sein.
2. Das ist der Fall, wenn sie bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung eine dynamische Verweisung darstellt, mit der nicht nur die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unter der Internetadresse hinterlegten Vertragsbedingungen in den Vertrag einbezogen werden sollen, sondern auch alle etwaig geänderten Fassungen, die zukünftig vom Verwender unter der Adresse in das Internet eingestellt werden.

IBRRS 2025, 1873

LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.05.2025 - 19 Sa 16/25
Die Namenswiedergabe bei einer einfachen Signatur gemäß § 46c Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ArbGG setzt voraus, dass der Namenszug so entzifferbar ist, dass sie von den Empfängern des Dokuments ohne Sonderwissen oder Beweisaufnahme der Person zugeordnet werden kann, die den Schriftsatz verantwortet. Dies gilt auch im Fall einer Einzelkanzlei.*)

IBRRS 2025, 1860

BVerwG, Beschluss vom 31.01.2025 - 7 B 19.24
1. Ein Befangenheitsgrund kann in einer nahen verwandtschaftlichen Beziehung des Richters zu einem Mitglied der als Prozessbevollmächtigte auftretenden Rechtsanwaltskanzlei liegen.
2. Erforderlich ist, dass die nahe Verwandtschaft den Richter dazu bewegen könnte, allein wegen des Arbeitsverhältnisses des nahen Verwandten der den Prozessbeteiligten vertretenden Rechtsanwaltskanzlei entweder (unbewusst) solidarisch oder - umgekehrt - besonders kritisch zu begegnen (hier verneint).

IBRRS 2025, 1843

OLG München, Beschluss vom 02.06.2025 - 32 W 702/25 WEG
Wenn eine Wohnungseigentümergemeinschaft nicht auf künftige Leistung von Vorschüssen, sondern auf Feststellung der Pflicht zur Leistung der Vorschüsse klagt, ist bei der Bemessung des Streitwertes ein Abschlag von 20% von dem Gesamtbetrag der Vorschüsse zu machen.*)

Online seit 18. Juli
IBRRS 2025, 1784
OLG Köln, Urteil vom 11.05.2023 - 7 U 96/22
1. Der Auftragnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die von ihm erbrachten und abgerechneten Leistungen eine zusätzliche Vergütung rechtfertigen (hier: Mehraufwände wegen verlängerter Bauüberwachung).
2. Die schlüssige Darlegung setzt insbesondere eine hinreichende Abgrenzung zwischen der mit dem ursprünglichen Honorar abgegoltenen Hauptvertragsleistung und den Nachtragsleistungen, für die eine zusätzliche Vergütung beansprucht wird, voraus.
3. Ein wegen Überschreitung der 3-Monats-Verkündungsfrist verfahrensfehlerhaft ergangenes Urteil ist nur dann aufzuheben, wenn es auf diesem Fehler beruhen kann (hier verneint).

IBRRS 2025, 1783

OVG Niedersachsen, Urteil vom 23.06.2025 - 1 LC 131/24
1. Ob ein Betrieb i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB vorliegt und welche Betriebsanlagen und -mittel ihm zugehören, richtet sich nicht nach den Prämissen etwaiger für einzelne Anlagen früher erteilter Genehmigungen, sondern nach der tatsächlichen Bewirtschaftungsweise.*)
2. Der so definierte Betrieb, und nicht das zu beurteilende Vorhaben oder ein bestimmter Betriebszweig innerhalb des Gesamtbetriebs, ist Anknüpfungspunkt für die Beurteilung als landwirtschaftlich oder nicht landwirtschaftlich i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1, § 201 BauGB. Der Charakter des Betriebs kann nur einheitlich beurteilt werden, wobei das Vorhandensein relevanter nichtlandwirtschaftlicher Betriebszweige - von der anerkannten Fallgruppe der mitgezogenen Nutzungen (Hofladen, Ferienzimmer etc.) und den im Gesetz ausdrücklich geregelten Fallgruppen der im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs genutzten Biogas- bzw. Solaranlage (§ 35 Abs. 1 Nr. 6, 9 BauGB) abgesehen - die Eigenschaft des Betriebs als landwirtschaftlicher insgesamt entfallen lässt.*)
3. § 245a Abs. 6 Satz 1 BauGB ist nicht analog auf Vorhaben anwendbar, die darauf abzielen, die Anforderungen bestimmter vom Lebensmittelhandel freiwillig definierter Haltungsformen oder die auch die Hähnchenmast erfassenden Vorgaben der VO (EU) 2018/848 an eine ökologische/biologische Produktion zu erfüllen.*)

IBRRS 2025, 1567

AG Paderborn, Urteil vom 12.12.2024 - 52 C 11/24
Befindet sich die im Gemeinschaftseigentum stehende Anlage in zum Sondereigentum gehörenden Räumen, hat der Sondereigentümer es gem. § 14 Abs. 1 Nr. 2 zu dulden, wenn Personen die Heizungsanlage im Auftrag der Eigentümergemeinschaft bei einem Anlass aufsuchen.

IBRRS 2025, 1852

BGH, Beschluss vom 17.06.2025 - VIII ZB 54/24
1. Zu den von einem Rechtsanwalt zu treffenden organisatorischen Vorkehrungen zur Vermeidung möglicher Fristversäumnisse - hier: auf die Eintragung in den Fristenkalender bezogener Erledigungsvermerk in der Handakte und Reihenfolge der Eintragung einer Frist zunächst in den Fristenkalender und dann in die Handakte (im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 19. September 2017 - VI ZB 40/16, Rz. 8, IBRRS 2017, 3582 = IMRRS 2017, 1492 = NJW-RR 2018, 58; vom 29. Juni 2022 - XII ZB 9/22, Rz. 9 f., IBRRS 2022, 2513 = IMRRS 2023, 0446 = FamRZ 2022, 1633 und Beschluss vom 6. Februar 2018 - II ZB 14/17, Rz. 10, IBRRS 2018, 1120, Rn. 10; jeweils mwN) sowie Eintragung einer Vorfrist zur Rechtsmittelbegründungsfrist (im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 21. Juni 2023 - XII ZB 418/22, Rz. 11, IBRRS 2023, 2168 = IMRRS 2023, 0978 = NJW-RR 2023, 1284; vom 24. Oktober 2023 - VI ZB 53/22, Rz. 9, IBRRS 2023, 3460 = IMRRS 2023, 1592 = NJW-RR 2024, 266; jeweils mwN).*)
2. Zum Entfallen der rechtlichen Erheblichkeit eines Anwaltsverschuldens infolge eines späteren, der Partei oder dem Anwalt nicht zuzurechnenden Ereignis (im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 27. Januar 2016 - XII ZB 684/14, Rz. 25 ff., IBRRS 2016, 0564 = IMRRS 2016, 0356 = NJW 2016, 1180; vom 28. Januar 2021 - III ZB 86/19, Rz. 10, IBRRS 2021, 0619 = IMRRS 2021, 023 = NJW-RR 2021, 503; vom 22. November 2022 - XI ZB 13/22, Rz. 15 ff., IBRRS 2022, 3763 = IMRRS 2022, 1660 = NJW 2023, 1224).*)

IBRRS 2025, 1829

OLG Hamm, Beschluss vom 07.04.2025 - 10 U 24/25
1. Der auf der Postzustellungsurkunde aufgebrachte Vermerk des Bediensteten des Postunternehmens hat die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde i. S. des § 418 ZPO (§ 195 Abs. 2 Satz 3 ZPO), begründet also den vollen Beweis der in der Urkunde bezeichneten Tatsachen. Der Beweis kann nur durch Gegenbeweis entkräftet werden (§ 418 Abs. 2 ZPO).*)
2. Eine Partei muss für die Zeit vorübergehender Abwesenheit von der Wohnung wegen einer Auslandsreise grundsätzlich keine besonderen Vorkehrungen hinsichtlich möglicher Zustellungen treffen. Etwas anderes kann anzunehmen sein, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass ein gerichtliches Verfahren gegen sie beginnen wird und während ihrer Abwesenheit Fristen in Lauf gesetzt werden.*)

IBRRS 2025, 1600

LG Stuttgart, Urteil vom 19.03.2025 - 19 S 30/23
1. Übergeht das Gericht einen entscheidungserheblichen Beweisantritt, liegt ein erheblicher Verfahrensverstoß vor.
2. Eine unbillige Benachteiligung eines Wohnungseigentümers setzt voraus, dass die beabsichtigte Maßnahme bei wertender Betrachtung und in Abwägung mit den mit der baulichen Veränderung verfolgten Vorteilen einem verständigen Wohnungseigentümer in zumutbarer Weise nicht abverlangt werden dürfte.
3. Hierbei können insbesondere Lärm und andere Immissionen zu solchen Beeinträchtigungen führen. Dies gilt ebenfalls für Eingriffe in die Statik des Gebäudes, was insbesondere bei Wand- und Deckendurchbrüchen zu prüfen ist, wobei in diesen Fällen negative Auswirkungen auf das Gemeinschaftseigentum ausgeschlossen sein müssen.
4. Wird - von der Möglichkeit der Zurückverweisung Gebrauch gemacht, kann über die Kosten durch das Berufungsgericht nicht entschieden werden, weil der Ausgang des Rechtsstreits noch offen ist.
5. Auch im Fall einer Aufhebung und Zurückverweisung ist ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten, allerdings ohne Abwendungsbefugnis.

Online seit 17. Juli
IBRRS 2025, 1827
OLG Frankfurt, Urteil vom 27.06.2025 - 21 U 19/24
1. Bei der Befristung einer Vertragserfüllungsbürgschaft kann es sich auch dann um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handeln, wenn ein bestimmtes Datum angegeben wird (hier bejaht).
2. Der Bürge, von dem das Bürgschaftsformular stammt, ist im Verhältnis zum Besteller auch dann Verwender, wenn die konkret in Rede stehende Formulierung der Befristung auf Initiative des Unternehmers als Hauptschuldner zurückzuführen ist.
3. Bereits der Umstand, dass eine Klausel nicht abgeändert wird, schließt ein "Aushandeln" und damit die Annahme einer Individualvereinbarung aus.
4. Die Befristung einer Bürgschaft im Rahmen eines VOB/B-Vertrags ist überraschend und benachteiligt den Auftraggeber (hier) zudem unangemessen.

IBRRS 2025, 1847

BVerwG, Beschluss vom 02.06.2025 - 4 B 31.24
1. Einer einzelhandelsbeschränkenden Festsetzung muss nach den konkreten Gegebenheiten im Plangebiet und den hiernach realistischerweise zu erwartenden Entwicklungen ein Förderpotenzial hinsichtlich des normativ vorgegebenen Ziels der Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche zukommen; dies muss in der Begründung des Bebauungsplans dargelegt werden.
2. Unter welchen Voraussetzungen ein auf ein bestehendes Einzelhandels- und Zentrenkonzept aufsattelnder Bebauungsplan mit einem umfassenden (nicht-zentrenrelevante Sortimente einschließenden) Einzelhandelsausschluss dem Abwägungs- und/oder dem Ermittlungs- und Bewertungsgebot genügt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

IBRRS 2025, 1854

AG Charlottenburg, Urteil vom 17.04.2025 - 202 C 245/24
Verfügt die im Bad vorhandene und zum Duschen vorgesehene Badewanne über keinen zusätzlichen Spritzwasserschutz, etwa in Form eines Duschvorhangs oder von Glasabtrennungen, so steht das Fehlen eines Spritzwasserschutzes nach der dem Berliner Mietspiegel 2024 beigefügten Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung – im Gegensatz zu den vorangegangenen Mietspiegeln – ausdrücklich einer gänzlich fehlenden Duschmöglichkeit gleich.

IBRRS 2025, 1566

AG Essen, Urteil vom 19.06.2024 - 196 C 10/24
1. Bei der Bestellung des Verwalters, bei der die Eigentümer eine Prognose darüber anstellen müssen, ob der Bestellte das ihm anvertraute Amt ordnungsgemäß ausüben wird, haben die Eigentümer einen Beurteilungsspielraum. Dieser ist erst überschritten, wenn es objektiv nicht mehr vertretbar erscheint, dass sie den Verwalter ungeachtet der gegen ihn sprechenden Umstände bestellen.
2. Ein Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung liegt vor, wenn ein wichtiger Grund in der Person des Kandidaten gegen seine Bestellung zum Verwalter spricht.

IBRRS 2025, 1872

OLG München, Beschluss vom 08.07.2025 - 31 Wx 239/21
1. Fotos, die im Anhang eines schriftlichen Gutachtens enthalten sind, gelten als Teil des schriftlichen Gutachtens und unterliegen der Vergütung nach § 7 Abs. 2 JVEG.
2. Im Festsetzungsverfahren erfolgt eine Prüfung der gesamten Ansprüche, einschließlich des geltend gemachten Zeitaufwands.
3. Solange die Festsetzung des Gerichts unterhalb des geforderten Gesamtbetrags verbleibt, können einzelne festzusetzende Positionen ausgetauscht und verändert werden. An die Höhe der Einzelsätze, den Stundensatz oder die Höhe der Vergütung im Antrag ist das Gericht nicht gebunden.

IBRRS 2025, 1833

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.04.2025 - 24 U 166/23
1. Das Dienstvertragsrecht kennt keine Schlechtleistung. Einem anwaltlichen Gebührenanspruch kann jedoch ein Schadensersatzanspruch in Höhe des Honorars, mit dem der Mandant belastet werden soll, entgegenstehen.*)
2. Auch im Prozesskostenhilfeverfahren hat der Rechtsanwalt das Gebot des "sichersten Weges" zu beachten. Wird dem Mandanten durch eine unzureichende Beratung des Rechtsanwalts trotz Bedürftigkeit die Prozesskostenhilfe verweigert, dann ist der Rechtsanwalt darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass der Kostenschaden auch durch einen anderen Umstand (Reserveursache) herbeigeführt worden wäre.*)
3. Ein Rechtsanwalt muss sich nach ordnungsgemäßer Aufklärung über die Vor- und Nachteile vor dem Abschluss eines Vergleichs der Zustimmung des Mandanten versichern. Dies gilt auch im Falle eines ausdrücklichen gerichtlichen Vergleichsvorschlags. Eine daraus resultierende Pflichtverletzung ist indes nicht kausal für einen eingetretenen Schaden, wenn sich der Vergleichsschluss unter den gegebenen Umständen als sachgerecht und interessengerechte Handlungsalternative darstellt.*)
4. Die heimliche Aufzeichnung eines Gesprächs ohne Zustimmung und Kenntnis des Gesprächspartners kann einen Vertrauensverlust begründen, der die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen vermag.*)

IBRRS 2025, 1828

OLG Frankfurt, Urteil vom 28.05.2025 - 4 EK 13/24
1. Verzögerungen durch vertretbare Entscheidungen, welche auf der Grundlage eines Bewertungs- und Abwägungsprozesses getroffen werden, der je nach Gewichtung einzelner Kriterien unterschiedlich ausfallen kann, sind unter Berücksichtigung der richterlichen Unabhängigkeit nicht unangemessen im Sinne von § 198 GVG.*)
2. Dies gilt auch betreffend einen im Beschwerdeverfahren später aufgehobenen Aussetzungsbeschluss. Maßgeblich ist daher die Frage, ob die Aussetzung im konkreten Fall unvertretbar war (entgegen Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 20.9.2017 - L 6 SF 10/16 EK U).*)

IBRRS 2025, 1841

OLG München, Beschluss vom 02.06.2025 - 32 W 643/25 WEG
Das wirtschaftliche Interesse eines Wohnungseigentümers, dessen Klage auf Beseitigung einer baulichen Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums abgewiesen worden ist, ist grundsätzlich nach dem Wertverlust, den sein Wohnungseigentum durch die bauliche Veränderung erleidet, zu bemessen.*)

Online seit 16. Juli
IBRRS 2025, 1831
KG, Urteil vom 04.07.2025 - 21 U 129/23
1. Trägt ein Bauunternehmer im Rahmen seiner Sicherungsklage aus § 650f BGB selbst schlüssig vor, den Bauvertrag gem. § 643 BGB bzw. § 9 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B beendet zu haben, ist die Bemessungsgrundlage seines Sicherungsanspruchs die Kündigungsvergütung aus § 645 Abs. 1 BGB.*)
2. Hat ein Unternehmer einen Werkvertrag wirksam gem. § 643 BGB beendet und ist er aus diesem Grund gezwungen, einem Nachunternehmer ohne wichtigen Grund zu kündigen und gem. § 648 BGB auch für nicht erbrachte Leistungen zu vergüten, handelt es sich hierbei um eine Auslage des Unternehmers, die der Besteller gemäß § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB zu erstatten hat.*)
3. Beansprucht ein Unternehmer die Kündigungsvergütung gem. § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB und hat die daneben erstattungsfähigen Auslagen dem Besteller schon vorprozessual zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung gestellt, ist dies angesichts des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 28.11.2024 (IBR 2025, 60) in einem zivilrechtlichen Rechtsstreit nicht zu beanstanden.*)
4. Ein gekündigter Bauunternehmer hat eine Leistung nur dann erbracht, wenn sie sich physisch auf dem Baugrundstück verkörpert.*)
5. Der von der großen Kündigungsvergütung gem. § 648 BGB abzuziehende anderweitige Erwerb, den der Unternehmer mit seinen Arbeitskräften erzielt (AWE), kann nach der Formel AWE = T x A berechnet werden.*)
6. Der Faktor T ist die Summe der Arbeitsstunden, in denen der Unternehmer seine Arbeitskräfte anstelle für den gekündigten Vertrag für einen anderen Auftrag einsetzen konnte. Trägt der Unternehmer nichts Abweichendes vor, ist T mit der Gesamtdauer in Stunden der kündigungsbedingt entfallenen Arbeitslast gleichzusetzen.*)
IBRRS 2025, 1836

EuGH, Urteil vom 03.07.2025 - Rs. C-534/23
1. Ein Bieter darf in sein Angebot keine Hyperlinks zu Unterlagen aufnehmen, die auf einer auch nach Ablauf der Angebotsfrist unter seiner Kontrolle stehenden Website zugänglich sind und die daher nach Ablauf der Angebotsfrist technisch geändert werden könnten.
2. Die Methode des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses erfordert einen objektiven Vergleich des relativen Werts der Angebote.
3. Vom öffentlichen Auftraggeber kann nicht verlangt werden, dass er einem Bieter, dessen Angebot nicht ausgewählt wurde, zum einen neben den Gründen für die Ablehnung des Angebots eine detaillierte Zusammenfassung, in der jedes Detail seines Angebots im Hinblick auf dessen Bewertung berücksichtigt wurde, und zum anderen im Rahmen der Mitteilung der Merkmale und Vorteile des ausgewählten Angebots eine detaillierte vergleichende Analyse des ausgewählten Angebots und des Angebots des abgelehnten Bieters übermittelt.

IBRRS 2025, 1720

VGH Bayern, Beschluss vom 06.06.2025 - 1 ZB 23.1783
1. "Ortsteil" ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist.
2. Wird eine Bebauung durch eine Bundesstraße getrennt, kann dies der Annahme eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils entgegenstehen (hier bejaht).
3. Für die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich kommt es allein auf die tatsächlich vorhandene Bebauung an. Dass die Gemeinde und die Baugenehmigungsbehörde die Fläche bisher als dem Innenbereich zugehörig haben, bindet das Gericht nicht.
4. Ob eine dem Außenbereich wesensfremde und damit die Eigenart der Landschaft beeinträchtigende Bebauung anzunehmen ist, hängt weder vom Ausmaß der auf einer bislang unbebauten Fläche geplanten Bebauung noch von den von ihr ausgehenden Lärmimmissionen ab.

IBRRS 2025, 1097

BGH, Urteil vom 09.04.2025 - VIII ZR 145/24
1. Eine rechtzeitige Schonfristzahlung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB heilt nur die fristlose Kündigung, nicht jedoch eine ordentliche Kündigung, die auf denselben Zahlungsrückstand gestützt ist.
2. Die Regelung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB ist weder unmittelbar noch analog auf eine ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB anwendbar.

IBRRS 2025, 1819

LG Konstanz, Urteil vom 28.03.2024 - 3 O 43/23
1. Eine Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft in der Form, dass einzelne Teilhaber "ausgeschlossen" werden, ist nicht möglich.
2. Wollen die übrigen Teilhaber die Gemeinschaft fortsetzen, so bestehen nur zwei Möglichkeiten: Entweder der "ausscheidende" Teilhaber erklärt sich freiwillig bereit, seinen Anteil auf die übrigen Teilhaber anteilmäßig zu übertragen, oder die übrigen Teilhaber ersteigern aufgrund einer entsprechenden Verabredung im Aufhebungsverfahren den Gegenstand gemeinsam.
3. Ist der Gegenstand in Natur teilbar, so können die zur Fortsetzung bereiten Teilhaber die Gemeinschaft hinsichtlich der bei der Teilung nach § 752 BGB auf sie entfallenden realen Teile fortsetzen; das bedarf aber entsprechender schuldrechtlicher und dinglicher Vereinbarungen zwischen ihnen.

IBRRS 2025, 1826

OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.07.2026 - 30 W 92/25
1. Die bloße Anzeige der Verteidigungsbereitschaft stellt keinen Sachantrag in Sinne von VV RVG Nr. 3101 Nr. 1 dar. Sie führt daher nur zur Entstehung einer 0,8-fachen Verfahrensgebühr, die sich aus dem Wert der Hauptsache berechnet.*)
2. Der Kostenantrag nach § 269 Abs. 3, 4 ZPO stellt einen Sachantrag im Sinne von VV RVG Nr. 3101 Nr. 1 dar. Dieser lässt die 1,3-fache Verfahrensgebühr nach VV RVG Nr. 3100 entstehen. Diese Gebühr berechnet sich aus dem Wert der bis zur Klagerücknahme angefallenen Kosten.*)
3. Beide Verfahrensgebühren entstehen nebeneinander und sind unter Beachtung der Begrenzung nach § 15 Abs. 3 RVG zu addieren.*)

IBRRS 2025, 1807

KG, Beschluss vom 09.04.2025 - 21 U 108/22
1. Die Auferlegung einer besonderen Verzögerungsgebühr gemäß § 38 GKG kommt auch dann in Betracht, wenn nach Erlass eines Versäumnisurteils aufgrund des Einspruchs der säumigen Partei ein neuer Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt werden muss.*)
2. Da die Verzögerungsgebühr Strafcharakter hat und eine Sanktion für ein prozesswidriges Verhalten einer Partei oder ihres Vertreters darstellt, kann sie nicht verhängt werden, wenn die Partei oder ihr Vertreter zwar das Verfahren verzögert, sich dabei aber prozessordnungsgemäß verhält.*)
3. Ein Verstoß gegen die Prozessförderungspflicht kann vorliegen, wenn eine Partei den Termin zur mündlichen Verhandlung mutwillig nicht wahrnimmt.*)
4. Ein nach § 38 GKG sanktionsfähiges Verhalten kann vorliegen, wenn eine Partei zur Terminsstunde feststellt, dass ihr die Einwahldaten für eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung gemäß § 128a ZPO nicht vorliegen und sie den Termin einfach verstreichen lässt.*)
5. Die Verzögerungsgebühr nach § 38 GKG dient ihrem Sinn und Zweck nach in erster Linie dazu, den Mehraufwand des Gerichts abzugelten, der aufgrund des Fehlverhaltens einer Partei oder eines Vertreters ausgelöst wird.*)

IBRRS 2025, 1838

OLG München, Beschluss vom 30.05.2025 - 32 W 201/25 WEG
1. Der Streitwert der Anfechtung eines Grundlagenbeschlusses über Erhaltungsmaßnahmen richtet sich grundsätzlich nach den Gesamtkosten der Maßnahme als Gesamtinteresse i.S.v. § 49 Satz 1 GKG. Das Einzelinteresse des Klägers i.S.v. § 49 Satz 2 GKG richtet sich nach der anteiligen Kostenlast des Klägers.*)
2. Wenn es bei der Anfechtung eines Beschlusses über Erhaltungsmaßnahmen nur um den erforderlichen Aufwand oder die richtige Auswahl unter Sanierungsvarianten geht, richtet sich das Gesamtinteresse nur nach der bloßen Kostendifferenz.*)
3. In Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist das Interesse nur mit einem Bruchteil des Hauptsachewertes zu beziffern. Dabei ist in der Regel der Ansatz von 1/3 des Hauptsachewertes angemessen.*)

Online seit 15. Juli
IBRRS 2025, 1782
OLG Köln, Urteil vom 09.07.2025 - 11 U 59/24
1. Die Angabe einer Honorarsumme in einem Zuschlagsschreiben genügt für sich genommen nicht zur Begründung einer Pauschalhonorarvereinbarung.
2. Sieht der geschlossene Vertrag eine Honorarermittlung nach der HOAI vor und darüber hinaus, dass die vereinbarten Leistungen nach der "Kostenschätzung" abzurechnen sind, ergibt die Auslegung (hier), dass damit nicht die im Vergabeverfahren vom Auftraggeber vorgelegte "Kostenschätzung", sondern die von Architekten im Zuge der Leistungsphase 2 zu erstellende Kostenschätzung gemeint ist.

IBRRS 2025, 1714

VG Regensburg, Beschluss vom 11.06.2025 - 7 S 25.1158
1. Ob eine Anlage oder Einrichtung eine gebäudeähnliche Wirkung hat, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung des Zwecks des Abstandsflächenrechts, vor allem eine ausreichende Belichtung und Belüftung des Baugrundstücks und der Nachbargrundstücke zu gewährleisten, zu entscheiden (hier verneint für Gerätehaus aus Metall mit einer Firsthöhe von 1,45 m).
2. Vorschriften der landesrechtlichen Garagen- und Stellplatzverordnungen, die eine Mindestlänge von Zu- und Abfahrten zwischen Garagen und öffentlichen Verkehrsflächenfestlegen, sind nicht nachbarschützend.
3. Gleiches gilt für bauordnungsrechtliche Regelungen, nach denen die (Gesamt-)Grenzbebauung entlang aller Nachbargrenzen 15 Meter nicht überschreiten darf ("Längenbegrenzung").
4. Grundstückseigentümer haben keinen Rechtsanspruch darauf, dass Nachbarn ihre baulichen Anlagen so situieren, dass eine Ausfahrt aus dem eigenen Grundstück mit möglichst freier Sicht gegeben ist.

IBRRS 2025, 1541

AG Brandenburg, Urteil vom 05.06.2025 - 30 C 17/24
1. Nach Zugang einer Erklärung über die Erhöhung der Vorauszahlungen kann auch ein gewerblicher Mieter Klage auf Feststellung erheben, dass er den erhöhten Betrag nicht schuldet.
2. Ein gesetzliches Recht zur einseitigen Änderung von Vorauszahlungen der Betriebskosten besteht bei einen Gewerberaummietverhältnis zwar nicht; ein solches kann aber vereinbart werden - und zwar auch in Vermieter-AGB.
3. Betriebskostenvorauszahlungen dürfen auch bei Geschäftsraummietverträgen nur in angemessener Höhe vereinbart werden.
4. Eine Klausel in gewerblichen Mietverträgen hinsichtlich der Erhöhung der Betriebskosten ist grundsätzlich nur insoweit wirksam, als dass der Vermieter auf der Grundlage einer Betriebskostenabrechnung über den letzten Abrechnungszeitraum eine Erhöhung der vereinbarten Betriebskostenvorauszahlung auch tatsächlich verlangen kann.
5. Eine Vereinbarung über eine Erhöhung der Betriebskosten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann nicht rückwirkend, sondern nur für künftige Vorauszahlungen geltend gemacht werden.
6. Ein Vermieter hat grundsätzlich die Möglichkeit der Aufrechnung von Betriebskostenguthaben des Mieters mit rückständigen Mieten.
7. Vorprozessuale Rechtsanwaltskosten sind als Verzögerungsschaden nur ersatzfähig, wenn der Schuldner vor der anwaltlichen Tätigkeit gemahnt und damit erfolgreich in Verzug gesetzt wurde.

IBRRS 2025, 1815

AG Bielefeld, Urteil vom 25.01.2024 - 5 C 24/23
Die Anwesenheit Dritter in der Wohnungseigentümerversammlung ist ausnahmsweise im Individualinteresse zulässig, dann nämlich, wenn der einzelne Wohnungseigentümer im Einzelfall ein berechtigtes Interesse an der Hinzuziehung eines Beraters oder eines Beistands hat, das gewichtiger ist als das Interesse der anderen Wohnungseigentümer, die Wohnungseigentümerversammlung auf den Kreis der Wohnungseigentümer zu beschränken. Ein überwiegendes Interesse eines Eigentümers an Begleitung kann sich etwa aus einem in seiner Person liegenden beachtlichen Grund (z.B. hohes Lebensalter oder Krankheit) ergeben.

IBRRS 2025, 1663

OLG Oldenburg, Beschluss vom 11.06.2025 - 12 W 68/25
1. Für eine Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit kommt es darauf an, ob bei einer Gesamtbetrachtung des Einzelfalles vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus genügend objektive Gründe vorliegen, die vernünftigerweise geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erwecken.
2. Teilt gerichtlich beauftragte Sachverständige mit, es sei "unumgänglich", dass er den am Verfahren nicht beteiligten Hersteller der streitgegenständlichen technischen Anlage, mit dem er gute Zusammenarbeit unterhalte, zur Beurteilung einschalte, ob diese "einen Mangel hat oder falsch eingebaut wurde", sowie um auszuloten, ob es Möglichkeiten gebe, diese Anlage nach technischer Veränderung zu belassen, kann dies aus der Perspektive des Bestellers berechtigte Zweifel an der unparteiischen Begutachtung auslösen.

IBRRS 2025, 1820

BGH, Beschluss vom 24.06.2025 - VI ZB 19/23
Die Überwachungspflicht des Rechtsanwalts, dem die Handakten zwecks Fertigung der Berufungsschrift vorgelegt werden, beschränkt sich nicht nur auf die Prüfung, ob die Berufungsfrist zutreffend notiert ist, sondern erstreckt sich auch auf die ordnungsgemäße Notierung der Berufungsbegründungsfrist (st. Rspr. vgl. nur BGH, IBR 2017, 712).*)

IBRRS 2025, 1802

BGH, Beschluss vom 03.06.2025 - VIII ZA 17/24
Der mit der Anhörungsrüge geltend gemachte Umstand, dass das Gericht sich in der angegriffenen Entscheidung nicht zu sämtlichen von einer Partei vorgebrachten Punkten ausdrücklich geäußert hat, rechtfertigt nicht den Vorwurf der Gehörsverletzung. Die Gerichte sind zwar verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des Parteivortrags in den Gründen der Entscheidung auch ausdrücklich zu bescheiden.
