Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Hervorzuhebende Urteile zum Öffentlichen Bau- & Umweltrecht
In den letzten 30 Tagen wurden folgende wichtige Entscheidungen im Volltext bei ibr-online eingestellt
Online seit 10. Juli
IBRRS 2025, 1766
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 15.05.2025 - 4 LA 57/23
1. Ob an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts ernstliche Zweifel bestehen, wird allein anhand der Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung sowie der vom Rechtsmittelführer zur Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes vorgetragenen Gesichtspunkte beurteilt; vom Rechtsmittelführer nicht genannte Umstände können nur dann berücksichtigt werden, wenn die Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils offensichtlich ist.*)
2. Dem Darlegungserfordernis ist nicht Genüge getan, wenn der Zulassungsantragsteller sich darauf beschränkt, die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung allgemein oder unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens anzuzweifeln.*)
3. Eine durch die Verschattungswirkung eines unter den Schutz einer Baumsschutzsatzung fallenden Baumes befürchtete Ertragsminderung einer auf einem Dach eines Wohngebäudes zu errichtenden Photovoltaikanlage stellt keine "wesentliche Beschränkung" der nach baurechtlichen Vorschriften zulässigen Nutzung des Grundstücks dar. Art. 14 GG verleiht kein Recht auf die optimale und erträglichste Grundstücksnutzung.*)
4. Den in § 2 Satz 2 EEG 2023 festgelegten Belangen der erneuerbaren Energien könne andere öffentliche Interessen entgegenstehen, wenn sie mit einem dem Art. 20a GG vergleichbaren verfassungsrechtlichen Rang gesetzlich verankert bzw. gesetzlich geschützt sind. Ein öffentliches Interesse besteht auch für den Baumschutz, der als Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen selbst in Art. 20a GG verankert ist.*)

Online seit 9. Juli
IBRRS 2025, 1740
VG Düsseldorf, Urteil vom 24.04.2024 - 4 K 1421/23
1. Der Schattenwurf von Bäumen auf Photovoltaikanlagen ist im Geltungsbereich einer Baumschutzsatzung als typische Belastung hinzunehmen.
2. Ohne gesetzliche Solarpflicht ergibt sich allein aus § 2 EEG kein öffentliches Interesse an der Beseitigung von Bäumen zu Gunsten einer Photovoltaikanlage.

Online seit 8. Juli
IBRRS 2025, 1727
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.08.2024 - 1 A 10604/23
Das gem. § 2 EEG überragende öffentliche Interesse an der Errichtung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien ist als vorrangiger Belang des Gemeinwohls in die nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 DSchG-RP durchzuführende Abwägung einzustellen mit der Folge, dass er durch den öffentlichen Belang des Denkmalschutzes nur ausnahmsweise aufgrund atypischer Umstände überwunden werden kann.*)

IBRRS 2025, 0928

BGH, Urteil vom 28.03.2025 - V ZR 185/23
1. Dem Begriff der Hecke im Sinne der Landesnachbargesetze (hier: § 39 Abs. 1 NachbG-HE) ist eine Höhenbegrenzung nicht immanent. Entscheidend für die Einordnung als Hecke ist vielmehr, ob die Anpflanzungen im Einzelfall nach dem äußeren Erscheinungsbild bei einer natürlichen Betrachtungsweise einen geschlossenen Eindruck als Einheit mit einem Dichtschluss sowie einer Höhen- und Seitenbegrenzung vermitteln.*)
2. Wird eine Hecke auf einem Grundstück gepflanzt, das höher liegt als das Nachbargrundstück, ist die nach den Landesnachbargesetzen zulässige Heckenhöhe grundsätzlich von der Stelle aus zu messen, an der die Anpflanzungen aus dem Boden austreten. Erfolgt hingegen im zeitlichen Zusammenhang mit der Anpflanzung eine (künstliche) Erhöhung des Grundstücksniveaus im Bereich der Grundstücksgrenze, ist davon abweichend das ursprüngliche Geländeniveau maßgeblich (Abgrenzung von Senat, Urteil vom 02.06.2017 - V ZR 230/16, IMR 2017, 373 = NJW-RR 2017, 1427).*)

Online seit 2. Juli
IBRRS 2025, 1672
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27.11.2024 - 10 A 2281/23
1. In die nach § 9 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 DSchG-NW vorzunehmende Abwägung ist gem. § 2 Satz 2 EEG das Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien gegenüber den Belangen des Denkmalschutzes als regelmäßig vorrangiger Belang einzustellen.*)
2. Das in § 2 Satz 1 EEG verankerte überragende öffentliche Interesse an der Errichtung von Einrichtungen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien kann nur ausnahmsweise überwunden werden. Ob ein Ausnahmefall vorliegt, in dem die Belange des Denkmalschutzes überwiegen, beurteilt sich ausgehend von den Gründen der Unterschutzstellung anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls.*)
3. Für den Erlass von § 2 Satz 2 EEG fehlte dem Bund nicht die Gesetzgebungskompetenz. Er hat diese nicht dadurch überschritten, dass die Abwägungsdirektive auch für denkmalrechtliche Abwägungsentscheidungen gilt, obgleich die Gesetzgebungskompetenz für das Denkmalrecht den Ländern zusteht.*)
4. § 9 Abs. 3 Satz 2 DSchG-NW rechtfertigt keine von § 2 Satz 2 EEG abweichende Gewichtung von Klimaschutz und erneuerbaren Energien einerseits sowie Denkmalschutz andererseits in der Abwägung nach § 9 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 DSchG-NW.*)

Online seit 30. Juni
IBRRS 2025, 1647
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 07.05.2025 - 1 LA 156/24
1. Bei der Beurteilung, ob eine "glänzende" und damit wegen ihrer potentiellen Störwirkung nach einer örtlichen Bauvorschrift unzulässige Dachpfannen verwendet worden ist, ist eine durchschnittliche Empfindlichkeit zugrunde zu legen.*)
2. Die Zumutbarkeit von Lichtemissionen im Rahmen des Rücksichtnahmegebots beurteilt sich nach dem Grad der Schutzwürdigkeit und der Schutzbedürftigkeit der betroffenen Innen- und Außenwohnbereiche des Nachbarn, wobei das Maß der Schutzbedürftigkeit im Einzelfall auch davon abhängen kann, ob der Nachbar ohne größeren Aufwand im Rahmen des Ortsüblichen und Sozialadäquaten zumutbare Abschirmmaßnahmen ergreifen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Eigenschutz gegen Lichtemissionen, anders als der Schutz vor Lärm oder Gerüchen, ohne Einbußen für die Wohnqualität häufig durch herkömmliche Maßnahmen wie Vorhänge oder Jalousien innerhalb der Gebäude und Hecken oder Rankgerüste in den Außenwohnbereichen bewerkstelligt werden kann.*)
3. Ausgangspunkt der Beurteilung der Zumutbarkeit ist hierbei, dass selbst die Verwendung glasierter Dachziegel verbreitet und im Grundsatz nicht zu beanstanden ist. Die damit verbundenen Lichtreflexionen mögen gelegentlich als lästig empfunden werden, überschreiten jedoch im Regelfall nicht die Schwelle zur Rücksichtslosigkeit (vgl. Senatsbeschluss vom 18.07.2014 - 1 LA 168/13, IBRRS 2014, 2122).*)

Online seit 27. Juni
IBRRS 2025, 1646
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 06.06.2025 - 2 M 48/25
1. Sind die landesrechtlichen Abstandsvorschriften eingehalten, gibt es darüber hinaus in der Regel keinen Schutz vor Einsichtsmöglichkeiten in bestehende Wohn- oder Ruhebereiche; etwas anderes kann dann gelten, wenn die Verhältnisse derart beengt sind, dass den Nachbarn praktisch keine Privatsphäre mehr verbleibt. Dieser Maßstab gilt auch für Grundstücke, die an der Grenze zum Außenbereich liegen.*)
2. In Sachsen-Anhalt ist - vorbehaltlich einer abweichenden Festsetzung der zuständigen Wasserbehörde - nur im bauplanungsrechtlichen Außenbereich ein Gewässerrandstreifen normiert (vgl. Urteil des Senats vom 02.02.2016 - 2 K 7/14, BeckRS 2016, 47608).*)
3. Nach sachsen-anhaltischem Landesrecht darf eine Baugenehmigung auch dann erteilt werden, wenn eine für das Vorhaben erforderliche wasserrechtliche Genehmigung noch nicht vorliegt (Beschluss des Senats vom 26.07.2021 - 2 M 52/21 m.w.N., BeckRS 2021, 25532).*)
4. Wendet sich ein Nachbar gegen die Errichtung eines Ein- oder Zweifamilienhauses mit den dabei üblicherweise für ihn einhergehenden Nachteilen, insbesondere auch den durch das Vorhaben geschaffenen Einsichtnahmemöglichkeiten, ist regelmäßig der untere Bereich des Streitwertrahmens in der Empfehlung des Streitwertkatalogs (2013) in den Blick zu nehmen.*)
5. Beantragt ein Nachbar neben der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage hilfsweise, der Bauaufsichtsbehörde aufzugeben, gegenüber dem Bauherrn eine Baustilllegungsanordnung zu erlassen, führt dies zur Erhöhung des Streitwerts.*)

Online seit 26. Juni
IBRRS 2025, 1652
BVerwG, Beschluss vom 21.05.2025 - 4 B 23.24
1. Es ist Sache des (irrevisiblen) Landesrechts, wie bei Erlass einer Abbruch- und Rückbauanordnung das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben ist und wo die Grenzen des Ermessens liegen.
2. Schutzgut des öffentlichen Belangs der natürlichen Eigenart der Landschaft ist nicht das Landschaftsbild, sondern (nur) die funktionelle Bestimmung des Außenbereichs, also die Erhaltung der "naturgegebenen" Bodennutzung. Ausgehend davon kann eine Beeinträchtigung des Belangs der natürlichen Eigenart der Landschaft und ihres Erholungswerts nicht maßgeblich anhand der Größe des umbauten Raums eines Vorhabens bestimmt werden.

IBRRS 2025, 1055

LG Frankfurt/Main, Urteil vom 07.04.2025 - 2-04 O 66/24
Ein Amtshaftungsanspruch ist begründet, wenn die Bauaufsicht widerrechtlich die Nutzungsaufnahme eines Bauvorhabens vor dessen Fertigstellung untersagt.

Online seit 17. Juni
IBRRS 2025, 1044
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.01.2025 - 7 A 1367/22
1. Für die Prüfung eines nachbarrechtlichen Aufhebungsanspruchs ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung maßgeblich. Nachträgliche Änderungen sind nur insoweit zu berücksichtigen, als sie für den Bauherrn günstig sind.
2. Ein Anfechtungsbegehren wegen Nichteinhaltung der Abstandsflächen kann rechtsmissbräuchlich ein, wenn die Abstandsfläche etwa nur um wenige Millimeter verkürzt ist, es dem Bauherrn also möglich ist, durch geringfügige Veränderungen das Vorhaben so abzuwandeln, dass es vom Nachbarn hingenommen werden muss, ohne dass hierdurch ein faktisch wahrnehmbarer Vorteil für den Nachbarn entsteht (hier verneint).
3. Das Anfechtungsbegehren kann außerdem rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Baubehörde die angefochtene Baugenehmigung unmittelbar unter Zulassung einer Abweichung von § 6 BauO-NW erneut erteilen müsste (hier verneint).

Online seit 16. Juni
IBRRS 2025, 1500
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.06.2025 - 7 B 295/25
1. Eine auf die formelle Illegalität gegründete Nutzungsuntersagung stellt sich grundsätzlich selbst dann als verhältnismäßig dar, wenn das Vorhaben genehmigungsfähig ist. Das gilt auch für den Fall, dass ein entsprechender Bauantrag unverzüglich nach Kenntnis der Genehmigungspflichtigkeit des Vorhabens gestellt worden ist.
2. Etwas anders kann ausnahmsweise gelten, wenn dieser - nach Auffassung der Baugenehmigungsbehörde - offensichtlich genehmigungsfähig ist und der Erteilung der Baugenehmigung auch sonst keine Hindernisse entgegenstehen.
