Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Aktuelle Urteile zum Öffentlichen Bau- & Umweltrecht
Online seit heute
IBRRS 2025, 1332
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.05.2025 - 10 A 1575/23
1. Technisch-rechnerisch ermittelte Immissionswerte sind für die Beurteilung, ob Lärmbelästigungen von Stellplätzen und Garagen in rückwärtigen Grundstücksbereichen die Grenze des Zumutbaren überschreiten, nicht ausschlaggebend. Denn die Frage, wann die Benutzung von Garagen oder Stellplätzen die Umgebung unzumutbar stört, lässt sich nicht abstrakt und generell nach festen Merkmalen beurteilen.
2. Vielmehr kommt es entscheidend auf die konkrete Situation an, in der sich die Belästigungen auswirken. Dementsprechend ist von Bedeutung, an welchem Standort die Garagen oder Stellplätze angeordnet werden sollen und in welcher Lage sich dieser Standort zu dem Grundstück, dem Wohnhaus und gegebenenfalls gegenüber den Wohn- und Aufenthaltsbereichen der betroffenen Nachbarn befindet.

IBRRS 2025, 1198

VG Würzburg, Urteil vom 27.02.2025 - 5 K 24.1108
1. Ein Nachbar kann sich im Plangebiet gegen die Zulässigkeit einer gebietswidrigen Nutzung wenden, auch wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird. Der Abwehranspruch wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst.
2. Die gesicherte Erschließung eines Bauvorhabens keine drittschützende Regelung. Allerdings kann in Fällen, in denen die Umsetzung der Baugenehmigung die unmittelbar gegenständliche Inanspruchnahme eines Nachbargrundstücks zur Folge hat, also "automatisch" zivilrechtlich den Anspruch auf Einräumung eines Notwegerechts am Grundstück des klagenden Nachbarn auslöst, ein nachbarschützender Abwehranspruch abgeleitet werden.
3. Ob der Plangeber eine Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung auch zum Schutze des Nachbarn trifft oder ausschließlich objektiv-rechtlich ausgestaltet, darf er regelmäßig selbst und ohne Bindung an das Eigentumsrecht des Nachbarn entscheiden. Nachbarschützende Wirkung entfaltet eine Festsetzung daher nur bei einem entsprechenden Willen des Plangebers (hier verneint für die Geschossflächenzahl).

Online seit gestern
IBRRS 2025, 1232
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.04.2025 - 10 A 1795/22
1. Ob und wie lange Flächen nach Abriss der einst auf ihnen vorhandenen Baukörper noch dem Bebauungszusammenhang i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zuzurechnen sind, entscheidet sich nach der Verkehrsauffassung im jeweiligen Einzelfall. Dabei kann ein funktionaler Zusammenhang der Baukörper zu ihrer Umgebung Berücksichtigung finden.
2. Ein vorhandener Bebauungszusammenhang kann im Einzelfall auch bei einer überschaubaren Zeitspanne zwischen Abriss eines Baukörpers und Bauantragstellung entfallen.

Online seit 16. Mai
IBRRS 2025, 0937
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.01.2025 - 10 S 39.24
1. Der Gebietserhaltungsanspruch in einem festgesetzten wie auch in einem faktischen Baugebiet beschränkt sich auf Umstände, die sich auf die Art der baulichen Nutzung beziehen.
2. Eine isolierte Rüge des Verstoßes gegen das zulässige Maß der baulichen Nutzung genügt im unbeplanten Innenbereich nicht, weil dieses bauplanungsrechtliche Merkmal grundsätzlich keine nachbarschützende Wirkung entfaltet.
3. Eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots ist erst dann anzunehmen, wenn dargelegt wird, aufgrund welcher besonderen Umstände im konkreten Einzelfall das Bauvorhaben trotz Beachtung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen des Nachbarn keine Rücksicht nimmt.
4. Einen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, dass der einzelne einen Anspruch darauf hat, vor jeglicher Wertminderung - bzw. hier vor jeglichem Nachteil - bewahrt zu werden, gibt es nicht.

IBRRS 2025, 1293

BayObLG, Urteil vom 07.05.2025 - 102 ZRR 98/24
Bayerisches Landesnachbarrecht: Zu Inhalt, Einschränkbarkeit und Adressaten der fensterrechtlichen Ansprüche aus Art. 43 AGBGB.*)

Online seit 15. Mai
IBRRS 2025, 1109
VGH Bayern, Beschluss vom 01.04.2025 - 2 CS 25.488
1. Bei einem inmitten eines Wohngebietes gelegenen Vorhaben ist als Bereich gegenseitiger Prägung in der Regel das Straßengeviert und die gegenüberliegende Straßenseite maßgeblich, wobei bei der Bestimmung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung eines Grundstücks zudem der Umkreis der zu beachtenden vorhandenen Bebauung in der Regel enger zu begrenzen ist als bei der Art der Nutzung.
2. Bei bei der Frage des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung muss kumulierend auf die absolute Größe der Gebäude nach Grundfläche, Geschosszahl und Höhe abgestellt werden und nicht nur auf einzelne Maßbestimmungsfaktoren.
3. Ein Vorhaben fügt sich dann nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, wenn es die Gefahr heraufbeschwört, dass der gegebene Zustand in negativer Richtung in Bewegung gebracht wird. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn der von der Bebauung bisher eingehaltene Rahmen überschritten wird, ohne dass dies durch irgendeine Besonderheit begründet wäre, durch die sich das Baugrundstück von den Nachbargrundstücken unterscheidet.

IBRRS 2025, 1251

VG Berlin, Urteil vom 18.03.2025 - 8 K 40/23
In öffentlich-rechtlichen Verträgen kann eine über § 16 Abs. 1 WoBindG, § 11a WoG Bln hinausgehende Nachwirkungsfrist vereinbart werden.*)

Online seit 14. Mai
IBRRS 2025, 1197
OVG Thüringen, Beschluss vom 06.02.2025 - 1 ZKO 534/22
1. Die Errichtung eines Schwimmbeckens in einem Garten im Außenbereich ist sowohl nach der ThürBO 2014 (BauO TH 2014) als auch nach der ThürBO 2024 (BauO TH 2014) genehmigungspflichtig.*)
2. Ein Schwimmbecken i. S. v. § 60 Abs. 1 Nr. 10 lit. a) ThürBO 2014 (BauO TH 2014) (§ 63 Abs. 1 Nr. 10 lit. a) ThürBO 2024 (BauO TH 2024)) ist kein Wasserbehälter i.S.v. § 60 Abs. 1 Nr. 6 lit. f) ThürBO 2014 (BauO TH 2014) (§ 63 Abs. 1 Nr. 6 lit. f) ThürBO 2024 (BauO TH 2014)).*)
3. Der Gesetzgeber stellt insoweit auf den Zweck des Beckens ab. Die Vorschrift des § 60 Abs. 1 Nr. 10 lit. a) ThürBO 2014 (BauO TH 2014) (§ 63 Abs. 1 Nr. 10 lit. a) ThürBO 2024 (BauO TH 2024)) ist für Schwimmbecken lex specialis.*)

Online seit 13. Mai
IBRRS 2025, 1184
VG Neustadt, Beschluss vom 22.01.2025 - 4 L 1464/24
1. Ein Antrag nach § 123 Abs 1 S 2 VwGO, der darauf gerichtet ist, die Behörde vorläufig zu verpflichten, eine bereits erlassene Nutzungsuntersagung zu widerrufen, ist unstatthaft, wenn diese Verfügung noch durch Rechtsmittel anfechtbar ist, deren aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs 5 S 1 Alt 2 VwGO wiederhergestellt werden kann.*)
2. Ein Getränkemarkt, der die Getränke überwiegend offen im Hof umschlägt, seine Umsätze zu mindestens 50% aus Geschäften mit Kunden und Kundinnen aus dem weiteren Einzugsbereich erzielt und der bei realitätsnaher Betrachtung mit Kraftfahrzeugen angefahren wird, ist weder als zur Deckung des täglichen Bedarfs der Bewohner des Gebiets dienender Laden im Sinne des § 3 Abs 3 Nr 1 BauNVO noch als der Versorgung des Gebiets dienender Laden im Sinne des § 4 Abs 2 Nr 2 BauNVO oder sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb nach § 4 Abs 3 Nr 2 BauNVO zu qualifizieren und daher im faktischen reinen und allgemeinen Wohngebiet nach der Art der baulichen Nutzung unzulässig.*)
3. Wer die tatsächliche Gewalt über das baurechtswidrig genutzte Objekt inne hat, ist in der Regel vorrangig als verantwortliche Person im Sinne des § 81 S 1 LBauO (BauO RP) i.V.m. § 54 Abs 2 S 3 LBauO (BauO RP) in Anspruch zu nehmen, sodass weitere Ausführungen zur Störerauswahl in diesem Fall entbehrlich sind (Anschluss an: VG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 11. Juli 2023, 2 B 15/23).*)

Online seit 12. Mai
IBRRS 2025, 1182
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.02.2025 - 2 M 108/24
1. § 6 Abs. 1 Satz 3 BauO-SA ist auch dann anwendbar, wenn nicht die Frage eines seitlichen, sondern eines - aus der maßgeblichen Sicht des Baugrundstücks - rückwärtigen Grenzanbaus im Streit steht (Beschluss des Senats vom 01.09.2021 - 2 M 70/21 -, IBRRS 2021, 2845).*)
2. Aus dem allgemeinen planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot kann sich zwar das Erfordernis eines Grenzabstandes trotz planungsrechtlich zulässigem Grenzanbau ergeben. Maßgeblich ist insoweit aber die tatsächlich vorhandene Bebauung.*)
3. Bei der Frage der Zulässigkeit einer Hinterlandbebauung ist die nähere Umgebung i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht zwangsläufig auf das Straßengeviert beschränkt, in dem das Vorhaben verwirklicht werden soll; vielmehr kann im Einzelfall auch von einer Bebauung jenseits des Gevierts ein Einfluss auf das Vorhabengrundstück ausgehen, d. h. diese den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägen und beeinflussen Eine solche Auswirkung auf die Bebauung eines angrenzenden Gevierts ist allerdings zu verneinen, wenn es bei wertender Betrachtung an vergleichbaren Verhältnissen fehlt.*)
4. Bei der Bestimmung der maßgeblichen Bebauung Im Rahmen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB kann ein abgerissenes Gebäude insbesondere dann nachwirken, wenn der Abriss des Altbestands im tatsächlichen Zusammenhang mit einer beabsichtigten Wiederbebauung steht.*)
5. Die Merkmale, nach denen sich ein Vorhaben i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen muss, sind jeweils unabhängig voneinander zu prüfen. Fügt sich ein Vorhaben seiner Art nach ein, so kommt es im Rahmen der Prüfung, ob es sich auch hinsichtlich der übrigen Merkmale des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einfügt, nicht mehr erneut auf seine Art an, also darauf, welches Maß von anderen baulichen Anlagen gleicher Art in der näheren Umgebung bereits verwirklicht ist.*)

Online seit 9. Mai
IBRRS 2025, 1166
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.03.2025 - 5 S 584/24
Der in § 11 Abs. 4 LBO-BW genannte Begriff der "für Anschläge bestimmte Werbeanlagen" umfasst auch (unbeleuchtete) Werbetafeln für großformatige Fremdwerbung und reduziert den Anwendungsbereich nicht auf etwa nur solche Anlagen, die das örtliche Informationsbedürfnis der Bewohner befriedigen und der besonderen Funktion dieser vorwiegend zum Wohnen dienenden Gebiete entsprächen (im Anschluss an VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.10.2022 - 8 S 2135/21 -, IBRRS 2022, 3230).*)

Online seit 8. Mai
IBRRS 2025, 0978
VGH Bayern, Beschluss vom 21.03.2025 - 1 ZB 24.1837
1. Ob eine Veränderung der für ein Vorhaben charakteristischen Merkmale die Identität von genehmigten und errichteten Vorhaben aufhebt, hängt vom Umfang der Abweichungen und von der Bewertung ihrer Erheblichkeit im jeweiligen Einzelfall ab. Es kommt dabei entscheidend darauf an, ob durch die Änderung Belange, die bei der ursprünglichen Genehmigung des Vorhabens zu berücksichtigt waren, neuerlich oder andere Belange erstmals so erheblich berührt werden, dass sich die Zulässigkeitsfrage neu gestellt (hier bejaht für Umnutzung eines Sägewerks zu fünf Ferienwohnungen).
2. Die Anreihung von Gebäuden entlang einer öffentlichen Verkehrsfläche reicht für eine organische Siedlungsstruktur nicht aus, sondern eine bandartige Bebauung oder eine verglichen mit einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil weniger dichte Bebauung können gerade Merkmale einer Splittersiedlung sein.

Online seit 7. Mai
IBRRS 2025, 1170
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.02.2025 - 10 D 102/22
1. Wird in einer Festsetzung in einem Bebauungsplan auf eine bestimme Fassung einer DIN-Vorschrift Bezug genommen, müssen sich die Planbetroffenen von deren Inhalt verlässlich Kenntnis verschaffen können. Dafür reicht es nicht, dass eine andere Fassung der DIN-Vorschrift bei der Verwaltungsstelle, bei der der Bebauungsplan eingesehen werden kann, bereit gehalten wird.*)
2. Eine Festsetzung in einem Bebauungsplan ist unbestimmt, wenn angesichts der Angabe unterschiedlicher Fassungen einer DIN-Vorschrift in der Planurkunde unklar bleibt, auf welche Fassung diese Festsetzung Bezug nimmt.*)

Online seit 6. Mai
IBRRS 2025, 1034
OVG Niedersachsen, Urteil vom 13.03.2025 - 1 KN 82/23
1. Der in § 6a Abs. 1 BauNVO niedergelegten Zweckbestimmung des Urbanen Gebiets sind auch im Wege der Auslegung keine Tatbestandsmerkmale zu entnehmen, die auf das Erfordernis eines urbanen Charakters des festgesetzten Gebiets (etwa hinsichtlich Gemeindegröße, Verdichtung des Gebiets, Vorhandenseins von Einzelhandel und Gastronomie) hinauslaufen.*)
2. Zur Abwägungserheblichkeit des Interesses am Erhalt eines bereits reduzierten Freiraums in den rückwärtigen Grundstücksbereichen.*)

Online seit 5. Mai
IBRRS 2025, 1140
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.04.2025 - 3 S 318/25
Die aus einer gegenüber einem Mieter erlassenen Duldungsverfügung folgende Pflicht, die Durchsetzung der gegenüber einem Grundstückseigentümer ausgesprochenen baurechtlichen Nutzungsuntersagung hinzunehmen, gestaltet die zivilrechtliche Lage. Die Abwehransprüche des Mieters aus dem Mietvertrag und aus dem Besitz nach § 862 Abs. 1 BGB sind ausgeschlossen und dem Vermieter ist die Erfüllung der nach § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB bestehenden Pflicht zur Gebrauchsüberlassung gem. § 275 Abs. 1 BGB unmöglich.*)

Online seit 2. Mai
IBRRS 2025, 1078
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27.09.2024 - 22 D 48/24
1. Ein Planungskonzept nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, das - entgegen der von der Rechtsprechung geforderten Unterscheidung zwischen harten und weichen Tabuzonen sowie von sich nach deren Abzug ergebenden Potenzialflächen - die planerische Darstellung von großflächigen Tabubereichen innerhalb von Potenzialflächen und auch nachfolgend innerhalb einer Konzentrationszone vorsieht, ist abwägungsfehlerhaft.*)
2. Ein vom Plangeber errechneter Abstandsmittelwert, der ohne nähere Begründung nicht zwischen den Baugebietstypen der Baunutzungsverordnung (hier v. a. WR, WA und MI, MD) differenziert, ist als weiches Tabukriterium nicht hinreichend städtebaulich legitimiert.*)
3. Die beabsichtigte Verhinderung einer übermäßigen Umfassung von einzelnen Ortslagen im Rahmen der Abwägung der einzelnen Potenzialflächen ist jedenfalls dann abwägungsfehlerhaft, wenn sich der Plangeber nicht mit den städtebaulichen Aspekten, die hierdurch berührt sein sollen, im Einzelnen hinreichend auseinandersetzt und die für das gesamte Gemeindegebiet zur Anwendung gebrachten Kriterien der "Einkreisung" erkennbar nicht sachgerecht sind.*)
4. Die mit Blick auf die Neuregelung in § 249 Abs. 1 BauGB geschaffene Überleitungsvorschrift des § 245e Abs. 1 Satz 1 BauGB, wonach die Rechtswirkungen eines Flächennutzungsplans nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB für Windenergievorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB nur dann fortgelten, wenn der Plan bis zum 1.2.2024 wirksam geworden ist, lässt keinen Raum für ein ergänzendes Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB.*)

Online seit 30. April
IBRRS 2025, 0936
VG Köln, Beschluss vom 31.01.2025 - 2 L 2386/24
1. Die Bauaufsichtsbehörde ist - auch bei beschränktem Prüfungsumfang im vereinfachten Genehmigungsverfahren - grundsätzlich befugt, Brandschutzbelange zu prüfen, wenn sie Rechtsverstöße erkennt, die außerhalb ihrer obligatorischen Prüfungspflicht liegen. Sie ist hierzu sogar verpflichtet, wenn die Gefährdung hochwertiger Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit von Menschen droht oder brandschutzrechtlich relevante Maßnahmen alleiniger Genehmigungsgegenstand sind.
2. Werden die Vorschriften des Abstandflächenrechts eingehalten, so bedeutet dies in aller Regel, dass das Bauvorhaben damit zugleich unter denjenigen Gesichtspunkten, welche Regelungsziele der Abstandsvorschriften sind (Vermeidung von Licht-, Luft- und Sonnenentzug, Unterbindung einer erdrückenden Wirkung des Baukörpers sowie Wahrung eines ausreichenden Sozialabstands), jedenfalls aus tatsächlichen Gründen auch nicht gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme verstößt.

Online seit 29. April
IBRRS 2025, 1082
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.03.2025 - 3 S 97/25
1. Eine Verletzung der Soll-Verpflichtung zu Kennzeichnungen nach § 9 Abs. 5 BauGB begründet nicht die Unwirksamkeit eines Bebauungsplans. Denn solche Kennzeichnungen haben keine Regelungswirkung, sondern nur eine Hinweisfunktion (Bestätigung der Rspr., vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 04.05.1972 - II 199/72 -, DÖV 1972, 821 <822>).*)
2. Ein Unterlassen von Kennzeichnungen nach § 9 Abs. 5 BauGB kann auf einen Abwägungsfehler hindeuten, wenn der Plangeber entgegen § 2 Abs. 3, § 1 Abs. 7 BauGB nicht erkannt und ermittelt hat, ob besondere bauliche Vorkehrungen oder Sicherungsmaßnahmen i.S.v. § 9 Abs. 5 BauGB angezeigt sein können.*)

Online seit 28. April
IBRRS 2025, 0934
VG Schleswig, Urteil vom 20.03.2025 - 8 A 66/22
1. Die Vorschrift, nach der ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt, ist nicht auf die Weiterleitung von Bauvorlagen von Gemeinden an die Bauaufsichtsbehörden anwendbar.
2. Der Bebauungszusammenhang endet am Ortsrand nicht im Bereich von Grundstücksgrenzen oder am Ende einer (mehr oder weniger breit befestigten) Fahrstraße, sondern mit den "letzten" tatsächlich vorhandenen (maßstabbildenden) Gebäuden. Die sich daran anschließenden selbständigen Flächen gehören zum Außenbereich. Ein Grundstück am Rande eines Ortsteils liegt daher in aller Regel nicht innerhalb des Bebauungszusammenhanges.
3. Das Außenbereichsvorhaben bereits dann unzulässig, wenn ein in § 35 Abs. 3 BauGB (beispielhaft) genannter Belang beeinträchtigt wird. Es bedarf weder mehrerer kumulierender Belange noch findet eine Abwägung, Saldierung oder Kompensation eines "beeinträchtigten" Belanges gegen andere (eventuell) "begünstigte" Belange statt.

Online seit 25. April
IBRRS 2025, 1042
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.09.2024 - 10 D 183/22
1. Für die Annahme eines Siedlungsbereichs, innerhalb dessen eine Maßnahme der Innenentwicklung i.S.v. § 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB nur zulässig ist, reicht eine lockere Zusammengehörigkeit aus; auf das Vorliegen eines Bebauungszusammenhangs kommt es nicht an.*)
2. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine einheitliche Freifläche innerhalb der Ortslage dem Siedlungsbereich zuordnen ist, ist auf die gesamte tatsächlich vorhandene Freifläche abzustellen und nicht nur auf deren von dem Bebauungsplan umfassten Teil.*)

Online seit 24. April
IBRRS 2025, 1043
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.01.2025 - 7 A 501/24
1. Der Gebietsgewährleistungsanspruch begründet regelmäßig kein Abwehrrecht gegen Mehrfamilienhäuser in einem bisher durch Einfamilienhausbebauung geprägten Gebiet.
2. Grundstückseigentümer haben es in bebauten innerstädtischen Wohngebieten grundsätzlich hinzunehmen, dass Grundstücke innerhalb des Rahmens baulich genutzt werden, den das Bauplanungsrecht und das Bauordnungsrecht vorgeben, und dass es dadurch auch zu Einsichtnahmemöglichkeiten kommt, die in bebauten Gebieten üblich sind. Vielmehr entspricht es in bebauten Gebieten dem Regelfall, dass aus den Fenstern - und auch von den Balkonen - eines Wohnhauses Blicke auf Nachbargrundstücke geworfen werden können.

Online seit 23. April
IBRRS 2025, 1041
VG München, Beschluss vom 25.03.2025 - 1 S 25.446
1. In Anbetracht der Dringlichkeit der Unterbringung von Flüchtlingen sind an die vorzunehmende Subsidiaritätsprüfung keine übersteigerten Anforderungen zu stellen. Der Bedarfsdeckung kommt ein höheres Gewicht zu als einer erschöpfenden Subsidiaritätsprüfung.
2. Bei einer befristeten Baugenehmigung (hier: für den Neubau einer Containeranlage zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden) ist für den Fristbeginn auf den Zeitpunkt der Genehmigungserteilung abzustellen und nicht etwa auf den Baubeginn oder die Nutzungsaufnahme.
3. Beschränkt sich die Bescheidsbegründung im Wesentlichen auf die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts, kann sich aus dem Gesamtzusammenhang gleichwohl ergeben, dass ein (geringer) Ermessensspielraum ausgenutzt und eine ausreichende Ermessensentscheidung getroffen wurde.
4. Die Erschließung eines Vorhabengrundstücks ist auch dann gesichert, wenn Abwasserleitungen widerrechtlich über ein fremdes Grundstück führen.

Online seit 22. April
IBRRS 2025, 1040
VG München, Beschluss vom 26.03.2025 - 8 SN 25.1296
1. Ein Nachbar hat zwar keinen materiellen Anspruch darauf, dass der Bauantragsteller einwandfreie und vollständige Bauvorlagen einreicht. Nachbarrechte können aber dann verletzt sein, wenn infolge der Unbestimmtheit der Bauvorlagen der Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und deshalb nicht ausgeschlossen werden kann, dass das genehmigte Vorhaben gegen nachbarschützendes Recht verstößt.
2. Festsetzungen zu den überbaubaren Grundstücksflächen vermitteln in der Regel keinen Drittschutz. Etwas anderes kann bei einem entsprechenden Willen des Plangebers gelten.
3. Eine erdrückende, das Rücksichtnahmegebot verletzende Wirkung scheidet regelmäßig aus, wenn der geplante Baukörper nicht erheblich höher ist als der des klagenden Nachbarn.
4. Bei Abweichungen von drittschützenden Vorschriften kann der Nachbar die objektive Rechtswidrigkeit einer erteilten Abweichung rügen.
