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IBR 12/2022 - Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

im Bauvertragsrecht ist auf die das allgemeine Zivilrecht betreffende Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 06.10.2022 hinzuweisen, die die Frage betrifft, wann eine E-Mail als eingegangen gilt. Das ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten und höchstrichterlich bislang nicht entschieden. Zum Teil wird angenommen, dass eine E-Mail dem Empfänger unmittelbar in dem Zeitpunkt zugeht, in dem sie abrufbereit in seinem elektronischen Postfach eingegangen ist (vgl. OLG München, Dokument öffnen IBR 2012, 594). Nach anderer Ansicht geht eine E-Mail dem Empfänger, wenn ein Abruf im geschäftlichen Verkehr erwartet werden kann, an dem Tag zu, an dem sie abrufbereit im Postfach liegt. Maßgeblich ist danach, wann der Absender mit einer Kenntnisnahme der E-Mail nach dem üblichen Geschäftsablauf rechnen kann. Insoweit wird angenommen, dass ein Abruf der E-Mails spätestens bis zum Ende der Geschäftszeit zu erwarten ist (vgl. LG Nürnberg-Fürth, NJW-RR 2002, 1721). Die Beantwortung dieser Frage ist nicht akademischer Natur, sondern höchst praxisrelevant. Denn an eine abgegebene Erklärung, wie etwa ein Angebot oder eine Kündigung, ist der Versender grundsätzlich gebunden. Allerdings wird sie nicht wirksam, wenn dem Empfänger vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BGB).

In dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu Grunde liegenden Sachverhalt hatte der Absender per E-Mail um 09:19 Uhr dem Empfänger ein Vergleichsangebot unterbreitet und ca. 40 Minuten später in einer zweiten E-Mail erklärt, die E-Mail von 09:19 Uhr müsse unberücksichtigt bleiben. Dieser Widerruf war verspätet. Wenngleich der Streitfall keinen Anlass gibt, die Rechtsfrage umfassend zu entscheiden, gilt eine E-Mail im unternehmerischen Geschäftsverkehr jedenfalls dann als zugegangen, wenn sie innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung gestellt wird. Denn damit ist die E-Mail so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass er sie unter gewöhnlichen Umständen zur Kenntnis nehmen kann. Dass die E-Mail tatsächlich abgerufen und zur Kenntnis genommen wird, ist für den Zugang nicht erforderlich (Dokument öffnen S. 607).

Im Recht der Architekten und Ingenieure weist das OLG Köln darauf hin, dass eine Bauzeitverlängerung zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage des Architektenvertrags führen kann, woraus sich ein Anspruch des Architekten auf eine Honoraranpassung ergeben kann (Dokument öffnen S. 632). Darüber hinaus hat das Gericht entschieden, dass der Architekt zur Kündigung des Architektenvertrags aus wichtigem Grund berechtigt ist, wenn der Auftraggeber trotz Mahnung mit Fristsetzung und Ablehnungsandrohung einen erheblichen Teil des geschuldeten Honorars nicht entrichtet oder sich weigert, das vereinbarte Honorar oder angemessene Abschlagszahlungen zu zahlen.

Das gilt auch dann, wenn die Rechtslage aus Sicht des Auftraggebers als schwierig zu beurteilen ist. In einem solchen Fall tragen regelmäßig und erkennbar beide Parteien das Risiko, dass sich die eigene Rechtsauffassung im Rechtsstreit als unzutreffend erweist, und haben in gleichem Maße die Möglichkeit, sich wegen dieser Risiken beraten zu lassen und zwischen verschiedenen Verhaltensmöglichkeiten unter Würdigung der bestehenden Risiken zu wählen (Dokument öffnen S. 633).

Im Vergaberecht ist das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13.09.2022 hervorzuheben, das gleich in zweifacher Hinsicht praxisrelevant ist:

Zunächst hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein Angebot nicht den geforderten Preis enthält und gem. § 13 Abs. 1 Nr. 3, § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2016 auszuschließen ist, wenn der Bieter die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses falsch versteht und daher einen deutlich höheren Preis für eine Leistung angibt, die nach dem Leistungsverzeichnis gar nicht zu erbringen ist. Eine Preisangabe für eine nicht zu erbringende Leistung ist nicht der geforderte Preis (Dokument öffnen S. 643).

Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil die Frage, ob der öffentliche Auftraggeber auch die Preiskalkulation der vorgesehenen Nachunternehmer eines Bieters aufklären darf (siehe OLG Düsseldorf, Dokument öffnen IBR 2021, 535), dahingehend beantwortet, dass eine solche Aufklärung jedenfalls dann verlangt werden kann, wenn zu klären ist, ob das Angebot des Bieters den Vorgaben im Leistungsverzeichnis entspricht (Dokument öffnen S. 644).

In der Rubrik Prozessuales hat der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 05.10.2022 zur grundsätzlichen Bedeutung der „Europarechtswidrigkeit der HOAI“ erhebliche Auswirkungen auf noch zahlreiche bei ihm eingelegte Nichtzulassungsbeschwerden. Dem Bundesgerichtshof zufolge kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht (mehr) auf den Vorwurf der „Europarechtswidrigkeit der HOAI“ und damit auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützt werden. Denn die insoweit entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch das Urteil des EuGH vom 18.01.2022 (Dokument öffnen IBR 2022, 74) sowie die auf dieser Grundlage ergangenen Urteile des VII. Senats vom 02.06.2022 (Dokument öffnen IBR 2022, 408; Dokument öffnen IBR 2022, 409, und Dokument öffnen IBR 2022, 466) entschieden und damit geklärt (Dokument öffnen S. 658).

Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.

Mit den besten Grüßen
Ihr
Dr. Stephan Bolz
Rechtsanwalt
Verleger und Schriftleiter der IBR

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