Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
IBR 09/2021 - Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
im Bauvertragsrecht sorgt die Vereinbarung einer Pauschalsumme als Vergütung der Leistung leider immer wieder für Streitigkeiten zwischen den Parteien. Das ist wohl darauf zurückzuführen, dass bisweilen unterschiedliche Vorstellungen darüber bestehen, welche Rechtsfolgen mit dem Abschluss eines Pauschal(preis)vertrags verbunden sind, und namentlich der Auftraggeber der Meinung ist, mit dem Pauschalpreis sei er auf der „sicheren Seite“ und vor Nachtragsforderungen des Auftragnehmers geschützt. Eine Ursache hierfür könnte der Umstand sein, dass der Begriff pauschal nicht nur im Zusammenhang mit der Vergütung, sondern auch mit der Beschreibung der Leistung verwendet wird bzw. wurde. So ist etwa in der unter „Wasserhaltung I“ bekannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09.04.1992 ( IBR 1992, 349) die Formulierung zu finden, dass die Wasserhaltung – in einem ansonsten detaillierten Leistungsverzeichnis – „pauschal“ beschrieben war und der Auftragnehmer hierfür „pauschal“ 9.000 DM angeboten hat. Die Position des Leistungsverzeichnisses lautete also „1 psch. Wasserhaltung 9.000 DM“. Die Teilleistung Wasserhaltung war mit anderen Worten funktional, also über den zu erreichenden Erfolg beschrieben, und der Auftragnehmer hatte in die entsprechende Spalte des Leistungsverzeichnisses einen Einheitspreis von 9.000 DM eingetragen, der aufgrund des Vordersatzes „1“ unveränderlich, mithin „pauschal“ war. Deshalb hatte der Auftragnehmer sämtliche Leistungen zu der vereinbarten Vergütung auszuführen, die zur Erreichung des Leistungsziels (Wassererhaltung) erforderlich waren, auch wenn hiermit ein (deutlich) höherer Aufwand verbunden war, als von ihm kalkuliert.
Dieses Beispiel zeigt, dass, wann immer das Wort pauschal verwendet wird, genau hinzuschauen ist, was damit überhaupt gemeint ist: die Leistungs- oder die Vergütungsseite? Wird (nur) ein Pauschalpreis vereinbart und ist die Leistung detailliert beschrieben, hat der Auftragnehmer zu der vereinbarten Vergütung auch nur die beschriebenen Leistungen auszuführen (vgl. BGH, IBR 1998, 528). Das folgt u. a. aus § 2 Abs. 1 VOB/B, wonach durch die vereinbarten Preise – damit sind auch Pauschalpreise gemeint – nur die im Vertrag beschriebenen Leistungen abgegolten werden. Der Pauschalpreis ist die Gegenleistung für die Leistung und eben kein Bestandteil der Leistungsbeschreibung, so dass durch eine Pauschalvergütung keine erweiterten Leistungspflichten des Auftragnehmers begründet werden. Nach Ausführung der Leistung wird lediglich kein Aufmaß für die Feststellung des exakten Leistungsumfangs genommen, weshalb der Auftragnehmer das Mehr- und der Auftraggeber das Mindermengenrisiko trägt. Deshalb kann – entgegen der Ansicht des OLG Köln ( S. 452) – kein Grundsatz dahingehend aufgestellt werden, dass der Auftraggeber grundsätzlich davon ausgehen kann, dass sämtliche Bau- und Nebenleistungen, die zur Erreichung der vereinbarten Bauleistung notwendig sind, vom Pauschalfestpreis umfasst sind, wenn die Parteien eines Bauvertrags einen Pauschalfestpreis vereinbart haben.
Im Recht der Bausicherheiten scheitert die Inanspruchnahme einer Bürgschaft vielfach daran, dass die zwischen den Bauvertragsparteien vereinbarte Sicherungsabrede gegen die Vorschriften des AGB-Rechts (§§ 305 ff. BGB) verstößt und unwirksam ist (z. B. BGH, IBR 2020, 522). Der Schutz des AGB-Rechts greift aber erst ein, wenn die – in der Regel vom Auftraggeber gestellte – Sicherungsabrede für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert ist (§ 305 Abs. 1 BGB). Vertragsbedingungen sind für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert, wenn sie für eine mindestens dreimalige Verwendung in Verträgen geschaffen sind. Nicht erforderlich ist, dass die betreffenden Klauseln absolut identisch sind. Vielmehr reicht die Absicht aus, inhalts-, nicht unbedingt wortgleiche Klauseln mehrfach zu verwenden, so das KG ( S. 462).
Im Recht der Architekten und Ingenieure ist das Urteil des OLG Nürnberg vom 16.06.2021 besonders hervorzuheben. Das Gericht weist darauf hin, dass ein mit der Erstellung der Genehmigungsplanung beauftragter Architekt eine (dauerhaft) genehmigungsfähige Planung schuldet, er also auch über Kenntnisse im öffentlichen Baurecht verfügen muss (s. BGH, IBR 2001, 678; IBR 1999, 376; OLG Stuttgart, IBR 2004, 1001 – nur online). Der Architekt trägt deshalb grundsätzlich das Genehmigungsrisiko (OLG Hamburg, IBR 2017, 567). Wünscht der Auftraggeber eine Ausführung, die möglicherweise von der Baubehörde nicht genehmigt wird, können die Parteien eines Architektenvertrags zwar vereinbaren, dass und in welchen Punkten der Auftraggeber dieses Risiko übernimmt. Von einer solchen Vereinbarung kann aber nur in Ausnahmefällen ausgegangen werden, etwa wenn sich der Auftraggeber bewusst über die Vorschriften des öffentlichen Baurechts hinwegsetzen oder diese bis an die Grenze des Möglichen „ausreizen“ will ( S. 472).
Im Vergaberecht birgt die Angebotslegung durch verbundene Unternehmen nach der Rechtsprechung allein im Hinblick auf die zwischen ihnen durch die Konzernverbundenheit vorhandenen möglichen Schnittstellen und Berührungspunkte eine objektiv erhöhte Gefahr von Verstößen gegen den Geheimhaltungswettbewerb durch abgestimmtes Verhalten. Ein solches Verhalten wird vermutet, wenn ein Bieter die Möglichkeit hat, ein Angebot in Kenntnis der Bedingungen des Konkurrenzangebots zu erstellen. Diese Vermutung (umfassend) zu widerlegen, obliegt den betreffenden Unternehmen (z. B. OLG Düsseldorf, IBR 2011, 600; VK Rheinland, IBR 2021, 477 – in diesem Heft). Nach Ansicht des BayObLG kann ein Verstoß gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs allerdings nur dann einen Ausschluss rechtfertigen, wenn er eine kartellrechtliche Norm verletzt, was nicht in Betracht kommt, wenn die handelnden Unternehmen unter das sog. Konzernprivileg des Kartellrechts fallen. Es hat mit Beschluss vom 24.06.2021 zur Klärung dieser Schnittstelle zwischen Kartell- und Vergaberecht den EuGH angerufen ( S. 476).
Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.
Mit den besten Grüßen
Ihr
Dr. Stephan Bolz
Rechtsanwalt
Verleger und Schriftleiter der IBR