Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
IBR 12/2018 - Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
im Bauvertragsrecht stellt sich für den Auftragnehmer mitunter die Frage, ob er seine Leistungen einstellen kann, wenn der Auftraggeber im VOB-Vertrag eine geänderte oder zusätzliche Leistung nur „dem Grunde nach“ beauftragt hat und es zu keiner Einigung über die Höhe der dafür zu zahlenden Nachtragsvergütung gekommen ist. Denn mit dem Verlangen bzw. der Anordnung der geänderten oder zusätzlichen Leistung durch den Auftraggeber nach § 1 Abs. 3, 4 VOB/B entsteht der Vergütungsanspruch des Auftragnehmers nach § 2 Abs. 5, 6 VOB/B gewissermaßen automatisch (BGH, Urteil vom 27.11.2003 – VII ZR 346/01, IBRRS 2004, 83), ohne dass es hierzu einer Einigung der Parteien oder gar des Abschlusses einer schriftlichen Nachtragsvereinbarung bedarf. Die Höhe der Vergütung bestimmt sich dann – zumindest nach (noch) herrschender Meinung – nach dem Grundsatz „Guter Preis bleibt guter Preis und schlechter Preis bleibt schlechter Preis“ (a. A. KG, IBR 2018, 490). Im Streitfall kann ein (baubetrieblicher) Sachverständiger die Nachtragshöhe auf Basis der Urkalkulation des Auftragnehmers ermitteln. Der Auftragnehmer ist deshalb nach (teilweiser) Ausführung der Nachtragsleistung dazu berechtigt, hierfür eine Abschlagszahlung zu verlangen. Geht er diesen Weg nicht, sondern versucht er, über die Einreichung von Nachtragsangeboten eine Einigung über die Vergütungshöhe herbeizuführen, darf sich der Auftraggeber nach Ansicht des OLG Düsseldorf aufgrund seiner Kooperationspflicht nicht völlig passiv verhalten. In einem solchen Fall ist es dem Auftragnehmer nicht zuzumuten, Anordnungen des Auftraggebers zu befolgen, ohne Klarheit über die ihm dafür zustehende Vergütung zu erhalten ( S. 673).
Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass der Auftragnehmer seine Arbeiten gem. § 16 Abs. 5 Nr. 4 VOB/B einstellen kann, wenn er den anderen Weg wählt und eine Abschlagsrechnung stellt. Voraussetzung ist, dass der Auftragnehmer die Nachtragsleistung vertragsgemäß ausgeführt hat, sie prüfbar abgerechnet wurde, der Auftraggeber die Abschlagsrechnung nicht binnen 21 Tagen bezahlt hat und eine ihm gesetzte angemessene Frist erfolglos verstrichen ist. Zudem darf die Leistung des Auftragnehmers keine Mängel aufweisen. Andernfalls steht dem Auftraggeber ein Zurückbehaltungsrecht zu und er gerät nicht in Zahlungsverzug (siehe Rodemann, in: ibr-online-Kommentar VOB/B, Stand: 14.11.2018, § 16 Rz. 29 f.). Das gilt selbst dann, wenn er von den Mängeln gar keine Kenntnis hat (BGH, IBR 1993, 365).
Im Recht der Architekten und Ingenieure ist auf eine Entscheidung des OLG München hinzuweisen, die eine Streitigkeit über das – ansonsten eher aus dem Bauvertragsrecht bekannte – arglistige Verschweigen von Mängeln betrifft (siehe z. B. OLG Karlsruhe, IBR 2018, 621). Verschweigt der Auftragnehmer einen Mangel arglistig, verjähren die Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers nicht in fünf Jahren ab Abnahme, sondern in 10 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an. Das gilt aber nicht nur für den ausführenden Unternehmer. Auch ein Architekt muss dem OLG München zufolge auf seine unzureichende Bauüberwachung hinweisen. Hat er nur Stichproben gemacht, obwohl er die Arbeiten hätte intensiv überwachen müssen, handelt er arglistig, wenn er den Auftraggeber hierüber nicht informiert ( S. 688).
Im Vergaberecht trifft den öffentlichen Auftraggeber eine umfassende Dokumentationspflicht. Er hat das Vergabeverfahren von Beginn an fortlaufend - soweit dies für die Begründung von Entscheidungen auf jeder Stufe des Vergabeverfahrens erforderlich ist - zu dokumentieren (u. a. gern.§ 20 VOB/A 2016 oder§ 8 VgV). Formelhafte Begründungen genügen dabei nicht. Vielmehr muss die Dokumentation z. B. erkennen lassen, dass der einer konkreten Benotung zu Grunde gelegte Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt und nicht durch sachfremde Erwägungen beeinflusst wurde. Nach Ansicht der VK Brandenburg lässt sich ohne eine umfassende Dokumentation nicht feststellen, ob die Angebotswertung ordnungsgemäß erfolgt ist, so dass das Vergabeverfahren ab dem Zeitpunkt, in dem die Dokumentation unzureichend ist, fehlerhaft und deshalb in diesem Umfang zu wiederholen ist ( S. 703).
Im Bereich des Prozessrechts ist auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.09.2018 hinzuweisen, die sich mit der Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Sachverständigengutachtens befasst, das der beklagte Auftraggeber zur Abwehr eines sog. Bauzeitennachtrags eingeholt hat. Nach Ansicht des VII. Senats können unabhängig von der Darlegungs- und Beweislast solche Kosten nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO erstattungsfähig sein, wenn umfangreiche Gutachten, die der Auftraggeber mangels eigener Sachkunde nicht nachvollziehen kann, die Grundlage der Klage des Auftragnehmers bilden ( S. 719).
Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.
Mit den besten Grüßen
Ihr
Dr. Stephan Bolz
Rechtsanwalt
Verleger und Schriftleiter der IBR