Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
IBR 11/2017 - Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
im Bauvertragsrecht hat der Auftragnehmer dem Auftraggeber seine Leistung frei von Sachmängeln zu verschaffen. Die Leistung ist frei von Sachmängeln, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat. Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung kann beispielsweise die Farbe eines Anstrichs sowie die Farbstabilität für einen bestimmten Zeitraum sein. Ob die Bauvertragsparteien eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben und wenn ja, welche Beschaffenheit vereinbart wurde, ist nicht immer eindeutig, zumal eine Beschaffenheitsvereinbarung auch durch schlüssiges Verhalten getroffen werden kann. Erforderlichenfalls muss der Bauvertrag insoweit ausgelegt werden. Dabei ist – wie der Bundesgerichtshof am 31.08.2017 entschieden hat – auch die berechtigte Erwartung des Auftraggebers an die Werkleistung von Bedeutung. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs darf ein nicht fachkundiger Auftraggeber, der Malerarbeiten in der Produktionshalle einer Großbäckerei in Auftrag gegeben hat, erwarten, dass der nach der Besichtigung einer Probefläche festgelegte Weißanstrich nicht bereits nach weniger als einem Jahr mehr als nur unwesentlich vergilbt ( S. 613). Sollte eine gewisse Farbstabilität über einen längeren Zeitraum hinweg nicht möglich sein, muss der Auftragnehmer den Auftraggeber entsprechend aufklären.
Wird vom Auftraggeber bzw. dessen Architekten planerisch ein ungeeignetes System vorgegeben und kommt es vor Abnahme zu planungsbedingten Baumängeln, ist dem Auftragnehmer die Mängelbeseitigung unmöglich, wenn ihm keine neue Planung vorgelegt wird. In diesem Fall entfällt die Verpflichtung zur Mängelbeseitigung. Darauf weist das OLG München hin ( S. 615).
Im Recht der Architekten und Ingenieure stellt sich immer wieder die Frage, ob zwischen Auftraggeber und Architekten ein Architektenvertrag zu Stande gekommen ist, wenn der Architekt bereits gewisse Planungsleistungen erbracht hat, oder ob es sich noch um nicht vergütungspflichtige Akquisitionsleistungen handelt. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass die Akquisitionsphase spätestens dann beendet ist, wenn der Auftraggeber die vom Architekten erbrachten (Planungs-)Leistungen verwertet (siehe z. B. OLG Brandenburg, IBR 2016, 704). Von einer Verwertung kann dem OLG Koblenz zufolge jedoch nicht ausgegangen werden, wenn die Planung als Kalkulationsgrundlage für die ins Auge gefassten Baumaßnahmen genutzt wird ( S. 626).
Um einer Ausdehnung der unentgeltlichen Akquise zu Lasten der Architekten entgegenzuwirken, hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts in § 650p Abs. 2 BGB eine „Zielfindungsphase“ (Leistungsphase 0) vorgesehen. Die Regelung lautet:
„Soweit wesentliche Planungs- und Überwachungsziele noch nicht vereinbart sind, hat der Unternehmer zunächst eine Planungsgrundlage zur Ermittlung dieser Ziele zu erstellen. Er legt dem Besteller die Planungsgrundlage zusammen mit einer Kosteneinschätzung für das Vorhaben zur Zustimmung vor.“
Nach Vorlage von Planungsgrundlage und Kosteneinschätzung kann der Auftraggeber gem. § 650r Abs. 1 Satz 1 BGB kündigen. Wird der Vertrag gekündigt, ist der Unternehmer nach § 650r Abs. 3 BGB berechtigt, die Vergütung zu verlangen, die auf die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen entfällt.
Ob sich das gesetzgeberische Ziel mit diesen Vorschriften erreichen lässt, bleibt abzuwarten. Denn § 650r Abs. 3 BGB erfordert einen Vertragsschluss. Die Akquisitionsbemühungen des Architekten gehen dem aber voraus und sollen den Auftraggeber erst zum Abschluss eines Architektenvertrags bewegen.
Im Vergaberecht steht dem Auftraggeber für die Deckung seines Beschaffungsbedarfs ein bestimmtes Budget zur Verfügung. Allerdings ist vielfach nicht voraussehbar, ob dieses Budget für die bevorzugten Ausführungsvarianten ausreicht. Dieser Umstand begründet ein berechtigtes Bedürfnis des Auftraggebers an der Ausschreibung von Alternativpositionen. Sie sind im Leistungsverzeichnis deutlich als solche zu kennzeichnen und in den Vergabeunterlagen sind die Kriterien bekannt zu geben, die für ihre Inanspruchnahme maßgeblich sind. Das hat das OLG Düsseldorf im Zusammenhang mit der Beschaffung von drei Zollbooten am 14.09.2917 entschieden ( S. 647). Im Bauvergaberecht besteht diese Möglichkeit allerdings nicht.
In der Rubrik Prozessuales ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30.05.2017 hervorzuheben. Der Bundesgerichtshof weist darin erneut darauf hin, dass es für die Frage, ob die Ladung eines Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung des von ihm erstatteten Gutachtens geboten ist, nicht darauf ankommt, ob das Gericht noch Erläuterungsbedarf sieht oder ob ein solcher von einer Partei nachvollziehbar dargetan worden ist. Jede Partei hat einen Anspruch darauf, dass sie dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält, zur mündlichen Beantwortung vorlegen kann ( S. 660). Eine Sachverständigenanhörung geht also immer.
Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.
Mit besten Grüßen
Ihr
Stephan Bolz
Rechtsanwalt
Verleger und Schriftleiter der IBR