Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
10817 Entscheidungen insgesamt
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IBRRS 2023, 3489VK Bund, Beschluss vom 06.09.2023 - VK 1-57/23
1. Der öffentliche Auftraggeber darf im offenen Verfahren von den Bietern nur Aufklärung über das Angebot oder deren Eignung verlangen. Verhandlungen, insbesondere über Änderungen der Angebote oder Preise, sind nicht zulässig.
2. Der öffentliche Auftraggeber kann einen Bieter auffordern, fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen, insbesondere Eigenerklärungen, Angaben, Bescheinigungen oder sonstige Nachweise, nachzureichen, zu vervollständigen oder zu korrigieren, oder fehlende oder unvollständige leistungsbezogene Unterlagen nachzureichen oder zu vervollständigen.
3. Fehlende Erklärungen für den Fall des Einsatzes von Unterauftragnehmern dürfen ebenfalls nachgefordert werden.
4. Der Auftraggeber kann sich vorbehalten, vor der Zuschlagserteilung an den bestplatzierten Bieter einen Test für die beschriebenen Dienstleistungen durchzuführen. Er kann sich zudem vorbehalten, den Bieter vom weiteren Verfahren auszuschließen, sollte das Testergebnis hinter den Soll-Vorgaben zurückbleiben.
VolltextIBRRS 2023, 3471
VK Bund, Beschluss vom 06.11.2023 - VK 1-77/23
1. Die Verwendung der "Medianmethode" gewährleistet keinen wirksamen Wettbewerb der Angebote, so dass die Gefahr einer willkürlichen Erteilung des Zuschlags besteht.
2. Soweit Bewerber oder Bieter während der Teilnahme-/Angebotsfrist Fragen zu den Vergabeunterlagen stellen oder zusätzliche Informationen und Auskünfte beantragen, hat der Auftraggeber diese zu beantworten. Zudem ist er verpflichtet, die zusätzlichen Informationen auch allen anderen Verfahrensteilnehmern und interessierten Unternehmen zur Verfügung zu stellen.
IBRRS 2023, 3454
EuGH, Urteil vom 07.12.2023 - Rs. C-441/22
1. Art. 72 Abs. 1 Buchst. e und Abs. 4 Buchst. a und b der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG in der durch die Delegierte Verordnung (EU) 2017/2365 der Kommission vom 18.12.2017 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass, um eine Änderung eines Vertrags über einen öffentlichen Auftrag als "wesentlich" im Sinne dieser Bestimmung einzustufen, die Vertragsparteien keine schriftliche Vereinbarung unterzeichnet haben müssen, deren Gegenstand diese Änderung ist, wenn sich ein übereinstimmender Wille, die betreffende Änderung vorzunehmen, auch aus u. a. anderen schriftlichen Äußerungen dieser Parteien ableiten lässt.*)
2. Art. 72 Abs. 1 Buchst. c Ziff. i der Richtlinie 2014/24 in der durch die Delegierte Verordnung 2017/2365 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Sorgfalt, die der öffentliche Auftraggeber an den Tag gelegt haben muss, um sich auf diese Bestimmung berufen zu können, u. a. erfordert, dass der öffentliche Auftraggeber bei der Vorbereitung des betreffenden öffentlichen Auftrags die Risiken berücksichtigt hat, die sich für die Einhaltung der Frist für die Ausführung dieses Auftrags aus den gewöhnlichen Wetterbedingungen sowie aus den vorab bekannt gegebenen, während eines Zeitraums, der in den der Auftragsausführung fällt, geltenden gesetzlichen Verboten der Durchführung von Bauleistungen ergeben; dabei können derartige Wetterbedingungen und gesetzliche Verbote, wenn sie nicht in den das Vergabeverfahren regelnden Unterlagen vorgesehen waren, die Ausführung von Arbeiten, die die in diesen Unterlagen und dem ursprünglichen Vertrag über einen öffentlichen Auftrag festgelegte Frist überschreitet, nicht rechtfertigen.*)
VolltextIBRRS 2023, 3453
EuGH, Urteil vom 07.12.2023 - Rs. C-443/22
1. Art. 72 Abs. 1 Buchst. e und Abs. 4 Buchst. a und b der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG in der durch die Delegierte Verordnung (EU) 2017/2365 der Kommission vom 18.12.2017 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass, um eine Änderung eines Vertrags über einen öffentlichen Auftrag als "wesentlich" im Sinne dieser Bestimmung einzustufen, die Vertragsparteien keine schriftliche Vereinbarung unterzeichnet haben müssen, deren Gegenstand diese Änderung ist, wenn sich ein übereinstimmender Wille, die betreffende Änderung vorzunehmen, auch aus u. a. anderen schriftlichen Äußerungen dieser Parteien ableiten lässt.*)
2. Art. 72 Abs. 1 Buchst. c Ziff. i der Richtlinie 2014/24 in der durch die Delegierte Verordnung 2017/2365 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Sorgfalt, die der öffentliche Auftraggeber an den Tag gelegt haben muss, um sich auf diese Bestimmung berufen zu können, u. a. erfordert, dass der öffentliche Auftraggeber bei der Vorbereitung des betreffenden öffentlichen Auftrags die Risiken berücksichtigt hat, die sich für die Einhaltung der Frist für die Ausführung dieses Auftrags aus den gewöhnlichen Wetterbedingungen sowie aus den vorab bekannt gegebenen, während eines Zeitraums, der in den der Auftragsausführung fällt, geltenden gesetzlichen Verboten der Durchführung von Bauleistungen ergeben; dabei können derartige Wetterbedingungen und gesetzliche Verbote, wenn sie nicht in den das Vergabeverfahren regelnden Unterlagen vorgesehen waren, die Ausführung von Arbeiten, die die in diesen Unterlagen und dem ursprünglichen Vertrag über einen öffentlichen Auftrag festgelegte Frist überschreitet, nicht rechtfertigen.*)
VolltextIBRRS 2023, 3416
OLG Schleswig, Beschluss vom 27.11.2023 - 54 Verg 4/23
1. Der öffentliche Auftraggeber muss eine Preisprüfung durchführen und in diesem Rahmen vom betreffenden Bieter Aufklärung verlangen, wenn der Angebotspreis ungewöhnlich niedrig erscheint.
2. Kann der öffentliche Auftraggeber nach der Prüfung gem. § 60 Abs. 1, 2 VgV die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten nicht zufriedenstellend aufklären, darf er den Zuschlag auf dieses Angebot ablehnen.
3. Die Vorschriften über die Aufklärungspflicht nach § 60 Abs. 1 VgV, die Vorgaben über die Vornahme der Prüfung nach Maßgabe von § 60 Abs. 2 VgV und die Beachtung der Vorschriften gem. § 60 Abs. 3 VgV sind drittschützend.
IBRRS 2023, 3401
OLG Schleswig, Beschluss vom 24.11.2023 - 54 Verg 6/23
1. Eine Handwerkskammer ist zwar eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, aber kein öffentlicher Auftraggeber, weil sie keiner qualifizierten staatlichen Einflussnahmemöglichkeit unterliegt. Die bloße Rechtsaufsicht, Rechtmäßigkeits- oder Rechnungshofkontrolle ist mangels entsprechender Einflussmöglichkeiten nicht ausreichend.
2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung der "überwiegenden Subventionierung" i.S.v. § 99 Nr. 4 GWB ist der Zeitpunkt der Ausschreibung. Entscheidend ist, in welcher Höhe der Auftraggeber mit Fördermitteln bei seiner Gesamtkalkulation gerechnet hat.
IBRRS 2023, 3386
VK Nordbayern, Beschluss vom 22.08.2023 - RMF-SG21-3194-8-17
1. Der Betrieb eines Fahrradverleihsystem stellt keine Sektorentätigkeit. Ein Fahrradverleihsystem ist keine netzgebundene Verkehrsleistung. Sektorenhilfstätigkeiten sind nur solche Leistungen, die ohne die Sektorentätigkeit nicht erbracht werden.
2. Weicht ein Angebot von den Anforderungen der Leistungsbeschreibung ab, ist es zwingend vom Vergabeverfahren auszuschließen. Insofern genügt es nicht, wenn der betreffende Bieter bestätigt, sämtliche Bedingungen der Leistungsbeschreibung einzuhalten.
VolltextIBRRS 2023, 3376
VG Halle, Beschluss vom 13.10.2023 - 3 A 256/21
1. Ergeht ein Bewilligungsbescheid unter der Auflage der Einhaltung des Vergaberechts und hat der Zuwendungsempfänger vor der Auftragserteilung bestimmte auf die Nachunternehmer lautenden Nachweise und Erklärungen vorzulegen, liegt ein Vergaberechtsverstoß vor, wenn einzelne Nachunternehmer die Erklärungen trotz Nachforderung nicht vollständig beigebracht haben.
2. Keine Nachunternehmerleistungen sind solche Teilleistungen, die sich auf reine Hilfsfunktionen beschränken, wie z. B. Speditionsleistungen, Gerätemiete, überwiegend auch Baustoff- und Bauteillieferungen.
3. Planungs- und Vermessungsleistungen sind spezifische Bauleistungen, die - insbesondere, wenn sie als gesonderter Titel des Auftrags verzeichnet sind - im Wege eines Unterauftrags vergeben werden können.
4. Grundsätzlich zwingen haushaltsrechtlichen Gründe bei Vorliegen von Widerrufsgründen im Regelfall zum Widerruf einer Subvention, sofern nicht außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen. Fehlt es an derartigen Umständen, bedarf es keiner besonderen Ermessenserwägungen.
5. Für die Frage des Umfangs des Widerrufs hat sich der Zuwendungsgeber an den Leitlinien für die Festsetzung von Finanzkorrekturen, die bei Verstößen gegen die Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge auf von der EU finanzierte Aufgaben anzuwenden sind, zu orientieren.
6. Beträgt der Korrektursatz 25%, wenn die Eignungskriterien (oder technischen Spezifikationen) nach Öffnung der Angebote geändert oder nicht korrekt angewendet wurden, kann sich der Zuwendungsgeber hierauf stützen. Dass die vom Vergabeverstoß betroffenen Teilleistungen im Verhältnis zum Gesamtauftragswert nicht erheblich ins Gewicht fallen, spielt keine Rolle.
IBRRS 2023, 3367
BayObLG, Beschluss vom 06.06.2023 - Verg 8/23
Sowohl die Eignungsprüfung als auch die Preisprüfung gehören zu den originären Aufgaben der Vergabestelle, so dass es zur Beantwortung der damit verbundenen typischen Fragestellungen und zur Rechtsverteidigung im Nachprüfungsverfahren nicht ohne Weiteres eines anwaltlichen Beistands bedarf.
IBRRS 2023, 3366
OLG Köln, Urteil vom 25.10.2023 - 16 U 130/22
1. Zu den Anforderungen an eine durch den Auftraggeber erklärte Kündigung aus wichtigem Grund, wenn der mit der Gestaltung von Außenanlagen beauftragte Auftragnehmer unter Berufung auf eine ungeklärte Kampfmittelfreiheit der Baustelle die Ausführung der Arbeiten verweigert.*)
2. Für den (hier: öffentlichen) Auftraggeber bestehen hohe Anforderungen hinsichtlich der Durchführung von Erkundigungsmaßnahmen, wenn sich beim Baugrund Anhaltspunkte für eine Kampfmittelbelastung ergeben. Verdachtsflächen sind auf Kampfmittelbelastung zu untersuchen, zu bewerten und gegebenenfalls zu räumen. Auf entsprechende Maßnahmen kann verzichtet werden, wenn in dem betroffenen Bereich der Luftkrieg stattgefunden hat und die geschuldeten Arbeiten in einem Bereich bis 0,8 m unterhalb der Geländeoberkante 1945 oder in nach dem Krieg erfolgten Aufschüttungen stattfinden und erschütterungsarm durchgeführt werden sollen.*)
3. Der Auftraggeber, der das Vergaberecht zu beachten hat, muss schon bei der Ausschreibung gem. § 7 Abs. 1 Nr. 6 VOB/A 2019 die wesentlichen Bodenverhältnisse beschreiben. Aus § 8a Abs. 3 Satz 1 VOB/A 2019, ATV DIN 18299 Abschnitt 0.1.17 folgt, dass die Leistungsbeschreibung grundsätzlich eine Bestätigung enthalten muss, aus der sich ergibt, dass die im jeweiligen Bundesland geltenden Anforderungen zu Erkundigungs- und Räumungspflichten erfüllt wurden. Das Fehlen dieser Bestätigung berechtigt den Auftragnehmer nicht schlechthin zur Leistungsverweigerung, soweit die Kampfmittelfreiheit durch andere Umstände hinreichend nachgewiesen wird.*)
4. In Nordrhein-Westfalen steht der zuständigen Ordnungsbehörde die maßgebliche Entscheidungskompetenz zu, ob und welche Untersuchungsmaßnahmen im Einzelfall erfolgen.*)
5. Wenn ein Auftraggeber seiner Pflicht zur Klärung der Kampfmittelfreiheit des Baugeländes nahezu vollständig nachgekommen ist (hier: mindestens 85 % des zu bearbeitenden Bereichs), verletzt der Auftragnehmer seine bauvertragliche Kooperationspflicht, wenn er seine Leistung vollständig verweigert, obwohl ihm Arbeiten in wesentlichen Teilbereichen gefahrlos möglich wären.*)
IBRRS 2023, 3307
EuGH, Urteil vom 23.11.2023 - Rs. C-480/22
1. Art. 57 Abs. 3 der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser , Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG ist dahin auszulegen, dass eine zentrale Beschaffung im Rahmen der gemeinsamen Auftragsvergabe durch Auftraggeber aus verschiedenen Mitgliedstaaten von einer zentralen Beschaffungsstelle "mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat" durchgeführt wird, wenn der Auftraggeber seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Sitzes der zentralen Beschaffungsstelle hat, gegebenenfalls auch unabhängig vom Sitz einer dritten Stelle, die den Auftraggeber oder die zentrale Beschaffungsstelle beherrscht.*)
2. Art. 57 Abs. 3 der Richtlinie 2014/25 ist im Licht der Erwägungsgründe 78 und 82 dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass sich die in dieser Bestimmung verankerte Kollisionsnorm, wonach die zentralen Beschaffungstätigkeiten einer zentralen Beschaffungsstelle gemäß den nationalen Bestimmungen des Mitgliedstaats, in dem diese zentrale Beschaffungsstelle ihren Sitz hat, erfolgen, auf Nachprüfungsverfahren im Sinne der Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25.02.1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser , Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor in der Fassung der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die Konzessionsvergabe erstreckt, die diese Tätigkeiten betreffen, soweit diese zentrale Beschaffungsstelle das Vergabeverfahren durchgeführt hat.*)
VolltextIBRRS 2023, 3303
OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.09.2023 - 11 Verg 2/23
1. Öffentliche Aufträge dürfen nur an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben werden. Der Auftraggeber hat die Eignung anhand von bekannt gemachten Eignungskriterien zu prüfen.
2. Die im Vorhinein bekannt gemachten Eignungskriterien sind der Maßstab für die Eignungsprüfung. Kern der Eignungsprüfung ist die Feststellung, ob die bekannt gemachten Eignungskriterien erfüllt wurden.
3. In Bezug auf die technische und berufliche Eignung aufgestellte Regelungen müssen hinreichend transparent sein (hier verneint). Der Auftraggeber verletzt die Bestimmungen über das Vergabeverfahren, wenn er die Referenzen eines Bieters aufgrund einer intransparenten Bestimmung in den Ausschreibungskriterien als ausreichenden Eignungsnachweis akzeptiert.
4. Das Verständnis eines durchschnittlich erfahrenen Bieters von Referenzanforderungen basiert auf der Annahme, dass sich die Vergabestelle vergaberechtskonform verhält. Die Bieter dürfen die Vergabeunterlagen im Zweifel so verstehen, dass sie vergaberechtlichen Anforderungen entsprechen.
IBRRS 2023, 3295
VK Bund, Beschluss vom 19.10.2023 - VK 2-78/23
1. Der öffentliche Auftraggeber kann sich in der Aufforderung zur Angebotsabgabe die Anforderung des Formblatts 223 nach Angebotsabgabe vorbehalten. Dass eine Aufgliederung der Einheitspreise ausdrücklich auch in Bezug auf diejenigen Teilleistungen vorzunehmen ist, für deren Ausführung Nachunternehmer vorgesehen sind, macht die Anforderung nicht unverhältnismäßig und damit nicht unwirksam.
2. Wird ein nachgefordertes Formblatt in weiten Teilen nicht ausgefüllt, fehlen die geforderten Angaben bzw. Erklärungen. Ein Fehlen ist auch im Fall von nicht vollständig vorgenommenen Eintragungen gegeben.
3. Die Möglichkeit der Nachforderung besteht nur in Bezug auf Unterlagen, die mit dem Angebot einzureichen sind.
IBRRS 2023, 3250
VK Westfalen, Beschluss vom 15.08.2023 - VK 3-18/23
1. Es ist - sowohl nach § 53 Abs. 7 VgV als auch nach § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A 2019 - unzulässig, Änderungen an den Vergabeunterlagen vorzunehmen. Sofern mit einem Angebot Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen werden, ist es nach § 57 Abs. 1 Nr. 7 VgV respektive § 16 EU Nr. 2 VOB/A 2019 zwingend auszuschließen.*)
2. Ein Angebotsausschluss wegen Änderungen der Vergabeunterlagen kommt nur in Betracht, wenn die Vergabeunterlagen klar und eindeutig sind. Unklarheiten gehen dabei immer zu Lasten des Auftraggebers.*)
3. In diesem Sinne nicht mehr eindeutig sind Vergabeunterlagen dann, wenn auch nach Auslegungsbemühungen durch fachkundige Unternehmen mehrere Auslegungsmöglichkeiten verbleiben.*)
IBRRS 2023, 3249
VG Magdeburg, Urteil vom 13.09.2022 - 4 A 214/20
1. Die gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis über den Zinsanspruch nach § 49a Abs. 4 VwVfG erlangt die Behörde grundsätzlich erst mit Erhalt der entsprechenden Zwischenverwendungsnachweise.*)
2. Hinsichtlich der Zinshöhe nach § 49a Abs. 3 Satz 1 VwVfG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts zur Zinshöhe nach § 233a AO i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO a.F. (BVerfG, Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14 -, NJW 2021, 3309) sind auf die Regelung in § 49a Abs. 3 Satz 1 VwVfG nicht übertragbar.*)
3. Auf der Rechtsfolgenseite eröffnet § 49a Abs. 4 Satz 1 VwVfG dem Fördermittelgeber ein Ermessen zur Frage, „ob“ Zinsen zu erheben sind. Dabei handelt es sich um ein intendiertes Ermessens.*)
VolltextIBRRS 2023, 3243
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.05.2023 - 1 VK 9/23
1. Ein Vergabenachprüfungsantrag ist unzulässig, soweit der antragstellende Bieter den geltend gemachten Vergaberechtsverstoß erkannt und vor Einreichen des Nachprüfungsantrag nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gegenüber dem Auftraggeber gerügt hat.
2. Maßstab für die Erkennbarkeit eines Vergaberechtverstoßes ist die Erkenntnismöglichkeit eines durchschnittlichen Bieters. Erkennbar sind somit Vergaberechtsverstöße, die von einem Durchschnittsbieter bei üblicher Sorgfalt und den üblichen Kenntnissen erkannt werden.
3. Bei einer EU-weiten Ausschreibung seitens einer öffentlichen Vergabestelle entsteht zunächst der Rechtsschein, dass dieses Verfahren vergaberechtmäßig abgelaufen ist. Vom Bieter kann keine bessere Rechtskenntnis verlangt werden, als sie die Vergabestelle durch ihr Handeln nach außen für sich beansprucht.
4. Mehr als vergaberechtliche Grundkenntnisse sind vom Bieter nicht zu erwarten, Verstöße müssten vielmehr auf den ersten Blick erkennbar sein. Das bloße Lesen der Vergabeunterlagen löst keinen Fristbeginn aus, sofern der Vergaberechtsverstoß nicht bereits aus dieser Lektüre offensichtlich ist.
5. Ein Bieter ist nicht dazu verpflichtet, externen Rechtsrat einholen und das Vorliegen von Vergabefehlern prüfen lassen oder selbst sonstige Nachforschungen anstellen.
6. Es ist einem Bieter nicht verwehrt, knapp zu kalkulieren und einen negativen Preis anzubieten. Das Verbot, Angebote mit negativen Einheitspreisen einzureichen, ist vergaberechtlich unzulässig. Die Kalkulationsfreiheit der Bieter wird dadurch unangemessen eingeschränkt.
7. Dass das Verbot negativer Einheitspreise gegen Vergaberecht verstößt, erschließt sich einem durchschnittlichen Bieter nicht ohne Weiteres. Es bedarf einer objektiven Erkennbarkeit. Ein subjektiver Maßstab ist nicht anzulegen.
VolltextIBRRS 2023, 3229
VK Niedersachsen, Beschluss vom 01.03.2023 - VgK-3/2023
1. Ein öffentlicher Auftraggeber ist verpflichtet, vor der Erteilung des Zuschlags in einem Verfahren über die Vergabe öffentlicher Aufträge eine Abfrage bei der zuständigen Registerbehörde vorzunehmen. Die erforderliche Abfrage zum Wettbewerbsregister kann noch im Zuge des Vergabenachprüfungsverfahrens erfolgen.
2. Der öffentliche Auftraggeber hat ein berechtigtes Interesse, die aufwändige Prüfung der Einhaltung von DIN-Normen aus dem Vergabeverfahren auszulagern und stattdessen die Vorlage von bereits im Vorfeld erlangten Prüfergebnissen in Form von Zertifikaten zu verlangen, die durch akkreditierte Zertifizierungsunternehmen nach entsprechender Prüfung ausgestellt werden.
3. Zweck einer geforderten verlangten Zertifizierung ist es, dem öffentlichen Auftraggeber eigene aufwändige Ermittlungen zu ersparen. Bezieht sich das Zertifikat auf das benannte Unternehmen oder auf den benannten Standort oder die Betriebsstätte des Unternehmens, hat der öffentliche Auftraggeber keinen Anlass, die Eignung des benannten Unternehmens für die zertifizierten Dienstleistungen im Wege der Aufklärung zu hinterfragen.
4. Bei der Prüfung der Angemessenheit des angebotenen Preises handelt es sich um eine Plausibilitätsprüfung, die sich auf die Frage der Angemessenheit des Gesamtpreises des niedrigsten Angebotes richtet. Der öffentliche Auftraggeber ist nicht per se gehindert, den Zuschlag auf ein Unterkostenangebot (unauskömmliches Angebot) zu erteilen.
5. Die Frage, ab welchem Preisabstand der Auftraggeber Anlass zu Zweifeln an der Angemessenheit des Preises haben muss, hängt vom Einzelfall, insbesondere vom Auftragsgegenstand und von der Marktsituation ab. Bei Liefer- und Dienstleistungen kann sich der Auftraggeber an einer 20%-Schwelle orientieren.
6. Eine Teilschwärzung von Passagen des schriftsätzlichen Vortrags durch die Verfahrensbeteiligten ist in dem Rahmen zulässig, der auch aus wichtigen Gründen des Geheimschutzes oder zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen im Rahmen der Akteneinsicht zulässig und geboten ist.
IBRRS 2023, 3200
VK Lüneburg, Beschluss vom 05.09.2023 - VgK-20/2023
1. Zuschlagskriterien müssen so festgelegt und bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet wird, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden kann und eine wirksame Überprüfung möglich ist, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen.
2. Werden die Angebote nicht alleine nach ihrem Preis und/oder den Kosten bewertet, stehen dem Auftraggeber verschiedene Bewertungsmethoden für die Ermittlung des besten Preis-Leistung-Verhältnisses bzw. Kosten-Leistungs-Verhältnisses und damit wirtschaftlichsten Angebots zur Verfügung. Das Vergaberecht schreibt keine bestimmte Methode vor.
3. Es unterfällt dem Beurteilungsspielraum des öffentlichen Auftraggebers, wie er die Bewertung organisiert und strukturiert. Das gewählte System muss allerdings vor allem in sich widerspruchsfrei und rechnerisch richtig umgesetzt sein.
4. Die "Einfache Richtwertmethode" ist ebenso wie die erweiterte Richtwertmethode eine übliche Wertungsmethode für Beschaffungen im IT-Bereich.
IBRRS 2023, 3142
VK Lüneburg, Beschluss vom 08.05.2023 - VgK-8/2023
1. Der öffentliche Auftraggeber ist verpflichtet, die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses unverzüglich in Textform zu informieren.
2. Den unterliegenden Bietern muss der früheste Zeitpunkt genannt werden, ab wann sie mit dem Vertragsschluss mit dem erfolgreichen Bieter rechnen müssen.
3. Der öffentliche Auftraggeber kann die gesetzliche Frist bewusst verlängern, so dass er an die verlängerte Frist zumindest dann gebunden ist, wenn er sie den Informationsadressaten mitgeteilt und damit einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat.
IBRRS 2023, 3141
VK Lüneburg, Beschluss vom 28.04.2023 - VgK-9/2023
1. Der öffentliche Auftraggeber ist dazu verpflichtet, die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses unverzüglich in Textform zu informieren.
2. Ein Vertrag darf erst 15 Tage nach Absendung der Informationen geschlossen werden. Die Frist verkürzt sich bei elektronischer Versendung auf 10 Kalendertage und beginnt am Tag nach der Absendung der Information durch den Auftraggeber.
3. Wird die Leistung in Losen ausgeschrieben, hat der Auftraggeber in allen Losen nicht nur eine Bieterinformation an den Zuschlagsprädestinenten, sondern auch an alle unterlegenen Bieter zu übersenden.
IBRRS 2023, 3149
BVerwG, Beschluss vom 21.09.2023 - 3 B 44.22
§ 107 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 GWB kann richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass nach Bundes- oder Landesrecht anerkannte Zivil- oder Katastrophenschutzorganisationen nur dann unter den Begriff der Hilfsorganisation fallen, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für die Anerkennung als gemeinnützige Organisation oder Vereinigung im Sinne des Art. 10 Buchst. h der Richtlinie 2014/24/EU vorliegen müssen.*)
VolltextIBRRS 2023, 3136
BSG, Urteil vom 17.05.2023 - B 8 SO 12/22 R
1. Vergabepflichtige öffentliche Aufträge und Konzessionen setzen als zentrales Kriterium eine Auswahlentscheidung des öffentlichen Auftraggebers voraus.
2. Eine Auswahlentscheidung liegt nicht vor, wenn eine öffentliche Einrichtung Waren auf dem Markt erwerben will, wobei sie während der gesamten Laufzeit dieses Systems mit jedem Wirtschaftsteilnehmer, der sich verpflichtet, die betreffenden Waren zu im Vorhinein festgelegten Bedingungen zu liefern, einen Vertrag schließt, ohne eine Auswahl unter den interessierten Wirtschaftsteilnehmern vorzunehmen.
3. Für die dem eigentlichen Vergabeverfahren vorgelagerte Frage, ob die Durchführung eines Vergabeverfahrens für Eingliederungshilfeleistungen überhaupt rechtmäßig ist, ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten zulässig.
VolltextIBRRS 2023, 3109
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.06.2023 - Verg 29/22
Dem EuGH wird zur Auslegung der Richtlinie 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art. 72 Abs. 1 c Richtlinie 2014/24/EU dahingehend auszulegen, dass in seinen Anwendungsbereich auch solche öffentlichen Aufträge fallen, die zuvor außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2014/24/EU an eine In-House-Einrichtung vergeben worden sind, jedoch die Voraussetzungen der In-House-Vergabe im Zeitpunkt der Vertragsänderung nicht mehr vorliegen?
VolltextIBRRS 2023, 3098
VK Berlin, Beschluss vom 13.04.2022 - VK B 1-30/21
1. Allein die Tatsache, dass bestimmte Module der angebotenen Leistung nicht bepreist bzw. mit einem Preis von 0,00 Euro versehen werden, führt weder zwangsläufig zur Annahme der fehlenden Auskömmlichkeit noch eröffnet es eine Vermutung, dass der Bieter nicht in der Lage sein wird, den Auftrag ordnungsgemäß durchzuführen.
2. Im Zusammenhang mit der Beschaffung einer Software beschreibt der Begriff „Ableiten“ einen Vorgang, in dem die Daten eines bestimmten Datenformats ohne Zwischenstufe in das zu beschaffende Tool importiert werden.
3. Weder der Begriff des Ableitens noch die Anforderung einer Schnittstelle erfordern notwendigerweise eine automatisierte Schnittstelle.
VolltextIBRRS 2023, 3092
VK Bund, Beschluss vom 25.09.2023 - VK 2-72/23
1. Bei einer Preisumrechnungsformel, bei der das Angebot mit dem höchsten Preis 0 Punkte erhält, ist generell nicht auszuschließen, dass das für die Zuschlagserteilung maßgebende beste Preis-Leistungs-Verhältnis nicht korrekt ermittelt werden kann. Eine derartige Preisumrechnungsformel ist deshalb vergaberechtswidrig.
2. Haben die Bieter zwingend auch Wartungsleistungen anzubieten, müssen die Preise für die Wartung in die Wertung der Angebote einbezogen werden.
3. Leidet das Vergabeverfahren an grundlegenden Fehlern, die eine vergaberechtskonforme Zuschlagserteilung ausschließen, erfolgt die Aufhebung des Verfahrens aus einem sachlichen Grund und ist wirksam.
IBRRS 2023, 3079
OVG Bremen, Beschluss vom 27.10.2023 - 1 B 146/23
Zu einem Auswahlverfahren zur Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für das Einbringen von E-Scootern in den Straßenraum zum Verleih.*)
VolltextIBRRS 2023, 3051
VK Westfalen, Beschluss vom 19.07.2023 - VK 3-15/23
1. Ein Verstoß gegen § 134 GWB kann nachträglich geheilt werden.*)
2. Dem Auftraggeber steht bei der Bewertung von Konzepten ein Beurteilungsspielraum zu, der von den Nachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüft werden kann.*)
3. Nach Auffassung des BGH (IBR 2017, 387 = VPR 2017, 121) ist die Prüfung der Benotung eines Angebots als solche wie auch in Relation zu den übrigen Angeboten, insbesondere des Zuschlagsprätendenten, zu untersuchen.*)
4. Die Bewertungsnote muss plausibel vergeben worden sein.*)
5. Soweit der Sachverhalt umfassend ermittelt wurde und keine willkürlichen, nicht nachvollziehbaren Gesichtspunkte in den Wertungsprozess einbezogen wurden, erfolgt keine Korrektur durch eine Nachprüfungsinstanz.*)
6. Bei der Überprüfung der Bewertung berücksichtigt die jeweilige Nachprüfungsinstanz sämtliche in der Vergabedokumentation enthaltenen und der Entscheidung der Antragsgegnerin zu Grunde liegenden Tatsachen, auch soweit diese wegen ihrer Geheimhaltungsbedürftigkeit der Antragstellerin nicht offenbart werden durften.*)
7. Für die Antragsbefugnis ist allein das Vorhandensein eines Vergaberechtsverstoßes nicht ausreichend, sondern darüber hinaus muss der Bieter durch diesen Vergaberechtsverstoß auch tatsächlich in seinen Rechten gem. § 168 Abs. 1 GWB verletzt sein. Er muss damit die Chance auf den Zuschlag verlieren.*)
IBRRS 2023, 3026
VK Westfalen, Beschluss vom 27.10.2023 - VK 1-31/23
1. Gegen die Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung wird nicht nur dann verstoßen, wenn ein Leitfabrikat offen in der Leistungsbeschreibung genannt wird, sondern auch dann, wenn durch die Vielzahl der Vorgaben verdeckt ein bestimmtes Produkt vorgegeben wird und nur mit diesem die Anforderungen der Leistungsbeschreibung erfüllt werden können.
2. Der öffentliche Auftraggeber verstößt gegen das Gebot der produktneutralen Ausschreibung, wenn er bei der Vergabe von Bodenverlege- und Bodenbelagsarbeiten in einer Sporthalle im Leistungsverzeichnis eine Nutzschichtdicke von mindestens 1,0 mm fordert, ohne hierfür einen Sachgrund nachvollziehbar darzulegen.
IBRRS 2023, 3011
VK Südbayern, Beschluss vom 26.06.2023 - 3194.Z3-3_01-23-9
1. Auch ein Auftraggeber, der Leistungen der Daseinsvorsorge zu erbringen hat, die nicht unterbrochen werden dürfen, darf keine Direktvergabe der Interimsleistungen nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV an einen Wirtschaftsteilnehmer durchführen, wenn er die Dringlichkeit durch den Versuch, während eines laufenden Nachprüfungsverfahrens vollendete Tatsachen zu schaffen, selbst aktiv herbeigeführt hat.*)
2. Im Falle der bestandskräftigen Feststellung der Nichtigkeit eines unter Verstoß gegen die Verpflichtung zur Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union geschlossenen Vertrags durch die Nachprüfungsinstanzen darf ein öffentlicher Auftraggeber die rechtswidrig beschafften Lieferungen nicht einfach behalten oder benutzen, sondern hat den Vertrag rückabzuwickeln.*)
3. Eine Direktvergabe von Interimsleistungen darf nicht dazu führen, dass die Rückabwicklungsverpflichtung aus einem bestandskräftigen Beschluss der Vergabekammer nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB, in dem die Nichtigkeit des geschlossenen Vertrags festgestellt wurde, umgangen und der obsiegende Antragsteller faktisch rechtsschutzlos gestellt wird.*)
IBRRS 2023, 2934
EuGH, Urteil vom 19.10.2023 - Rs. C-186/22
1. Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates in der durch die Verordnung (EU) 2016/2338 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.12.2016 geänderten Fassung ist wie folgt auszulegen: Die Verordnung gilt für einen gemischten öffentlichen Dienstleistungsauftrag über multimodale Personenverkehrsdienste, die die Beförderung mit Straßen , Standseil- und Seilschwebebahnen umfassen, auch dann nicht, wenn es sich bei den Verkehrsdiensten, deren Verwaltung vergeben wird, überwiegend um Schienenverkehrsdienste handelt.*)
2. Art. 107 Abs. 1 AEUV ist wie folgt auszulegen: Die einem internen Betreiber im Rahmen der Direktvergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags über Personenverkehrsdienste von einer zuständigen örtlichen Behörde gewährte Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen, die auf der Grundlage der Verwaltungskosten berechnet worden ist, die zum einen unter Berücksichtigung der historischen Kosten des vom scheidenden Betreiber erbrachten Dienstes und zum anderen in Bezug auf die Kosten oder Gebühren bestimmt werden, die mit der früheren Vergabe in Zusammenhang stehen oder sich jedenfalls auf marktübliche Parameter beziehen, die für die Gesamtheit der Betreiber des Sektors gelten, stellt keine "staatliche Beihilfe" im Sinne dieser Bestimmung dar, sofern auf diese Weise Kosten ermittelt werden, die denen entsprechen, die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen, das so angemessen mit den erforderlichen Mitteln ausgestattet ist, dass es den gestellten gemeinwirtschaftlichen Anforderungen genügen kann, bei der Erfüllung der betreffenden Verpflichtungen gehabt hätte.*)
VolltextIBRRS 2023, 2922
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08.09.2023 - 4 A 2549/20
1. Bei grundsätzlich förderfähigen Projekten, mit denen bereits vor Bewilligung von Fördermitteln begonnen wurde, entspricht es der Wahrscheinlichkeit, dass die zu fördernde Maßnahme auch ohne Förderung durchgeführt würde und es deshalb im Einzelfall keiner Förderung bedarf.*)
2. Wird in der Verwaltungspraxis einer Bewilligungsbehörde grundsätzlich bereits der Abschluss eines der Ausführung zuzurechnenden Lieferungs- oder Leistungsvertrags als Vorhabenbeginn gewertet, so kann es bei Vertragsschlüssen, die nur einen so geringen (förderschädlichen) Umfang haben, dass ihretwegen bei wirtschaftlicher Betrachtung ausnahmsweise nicht mit der ungeförderten Durchführung gerechnet werden kann, generell ermessensgerecht sein, trotz Abschlusses eines derartigen Vertrags (Teil-)Förderungen zu gewähren.*)
3. Ausgehend von der förderrechtlichen Praxis, wonach zudem bei Baumaßnahmen insbesondere die Planung nicht als Beginn des Vorhabens gilt, erscheint eine (Teil-)Förderung von noch nicht ausgeschriebenen und beauftragten Bauvorhaben, über die bereits ein Ingenieur-Honorarvertrag auf der Grundlage von § 43 HOAI 2013 im Wesentlichen, aber nicht ausschließlich über Planungsleistungen abgeschlossen worden ist, sachgerecht und willkürfrei. Sie steht auch im Einklang mit dem förderrechtlichen Subsidiaritätsprinzip und dem haushaltsrechtlichen Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit.*)
4. Hat ein Fördermittelgeber nach seiner Verwaltungspraxis die Förderfähigkeit einer Maßnahme regelmäßig nicht vollständig versagt, wenn ihm bekannt war, dass der jeweilige Antragsteller vorzeitig einen Ingenieurvertrag auch über die HOAI-Leistungsphasen 1 bis 6 sowie mindestens eine der Phasen 7 bis 9 abgeschlossen hatte, erfolgt eine dieser Verwaltungspraxis entsprechende Bewilligung nicht rechtswidrig.*)
5. Die Vorschriften der Haushaltsordnungen über die Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans entfalten lediglich Bindungswirkung im Verhältnis der - den Haushaltsplan aufstellenden und den Haushaltsplan ausführenden - Staatsorgane zueinander und regeln nicht das Verhältnis zum Zuwendungsempfänger (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 22.08.1986 - 3 B 47.85, NVwZ 1987, 55).*)
6. Das Verbot vorzeitigen Maßnahmebeginns ist nicht Gegenstand der Bestimmungen der §§ 23, 44 LHO-NW, sondern lediglich eine verwaltungspraktisch sinnvolle und im Haushaltsrecht übliche Richtlinienbestimmung auf der Ebene unterhalb des Gesetzesrechts, mit der die allgemeineren Vorgaben der §§ 23, 44 LHO-NW für die Ermessenspraxis konkretisiert und handhabbar gemacht werden sollen.*)
IBRRS 2023, 2913
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.02.2023 - 4 A 2549/20
1. Für die Rechtmäßigkeit der Bewilligung einer Zuwendung ist entscheidend, wie die zuständige Behörde die maßgebliche Förderrichtlinie im entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses des Zuwendungsbescheids in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den allgemeinen Gleichheitssatz gebunden ist. Das gilt auch für Kommunen.
2. Eine (interne) Verwaltungsvorschrift ist nicht wie eine Rechtsnorm, sondern gemäß der von ihrem Urheber gebilligten oder doch geduldeten tatsächlichen Verwaltungspraxis auszulegen.
3. Förderrichtlinien sind keine Rechtssätze. Sie sind dazu bestimmt, für die Verteilung der Fördermittel Maßstäbe zu setzen, und sollen auf diese Weise die Ausübung des Ermessens durch die Bewilligungsbehörden steuern. Deshalb bewirken sie zunächst nur eine interne rechtliche Bindung des Verwaltungsermessens.
4. Der Verstoß gegen eine Verwaltungsvorschrift macht eine Ermessensausübung nicht rechtswidrig, die bloße Beachtung nicht rechtmäßig.
5. ...
VolltextIBRRS 2023, 2892
VK Bund, Beschluss vom 29.09.2023 - VK 2-66/23
1. Die Entscheidung, wer im Fall der Rücknahme oder der anderweitigen Erledigung die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, erfolgt nach billigem Ermessen. Steht fest, wie das Nachprüfungsverfahren ohne die Erledigung ausgegangen wäre, entspricht es billigem Ermessen, die Kostenentscheidung auch im Rahmen des Kostenbeschlusses nach Erledigung der Hauptsache zu übernehmen.
2. Ein Vergleich der Beteiligten über die Verfahrenskosten nach übereinstimmender Erledigungserklärung prägt das billige Ermessen nicht, wenn der gebührenbefreite Auftraggeber die Verfahrenskosten vergleichsweise übernimmt.
3. Das Vergaberecht richtet sich vorrangig an öffentliche Auftraggeber, nicht an die Bieterunternehmen. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten ist für ein Bieterunternehmen deshalb jedenfalls dann notwendig, wenn das Nachprüfungsverfahren ein besonders komplexes Themengebiet zum Gegenstand hat, das neben dem Vergaberecht auch prozessuale Fragestellungen sowie solche des Zivilrechts umfasst.
VolltextIBRRS 2023, 2865
EuGH, Urteil vom 20.04.2023 - Rs. C-329/21
1. Art. 7 der Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 07.03.2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste in der durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein Auswahlverfahren zur Zuteilung von Frequenznutzungsrechten und die Zuteilungsentscheidung, zu der dieses Verfahren führt, der Förderung und Entwicklung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs unter Beachtung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit dienen; der Umstand, dass ein solches Verfahren eine Phase umfasst, in der geprüft wird, ob etwaige Bewerbungen den einschlägigen Ausschreibungsbedingungen entsprechen, diesem Ziel nicht entgegensteht, sofern dieses Verfahren insgesamt den in Art. 7 vorgesehenen Anforderungen und Bedingungen entspricht.*)
2. ...
VolltextIBRRS 2023, 2852
EuG, Urteil vom 05.10.2022 - Rs. T-761/20
1. Die EU-Richtlinien zur Vergabe öffentlicher Bau , Liefer- und Dienstleistungsaufträge sind auch auf die von der Unionsverwaltung vergebenen öffentlichen Aufträge anwendbar.
2. Die Europäische Zentralbank (EZB) kann Bewerber oder Bieter, die versuchen, unzulässigen Einfluss auf den Entscheidungsfindungsprozess im Vergabeverfahren zu nehmen, jederzeit von der Teilnahme ausschließen.
3. Der Versuch, Einfluss auf den Entscheidungsfindungsprozess im Vergabeverfahren zu nehmen, ist „unzulässig“, wenn er im Widerspruch zum geltenden Recht steht.
4. Als Entscheidungsfindung ist die gesamte Phase zu verstehen, in der der öffentliche Auftraggeber die im Rahmen einer Ausschreibung von den verschiedenen Bewerbern oder Bietern eingereichten Angebote prüft, um seine Entscheidungen über den Ausschluss, die Auswahl oder den Zuschlag vorzubereiten.
VolltextIBRRS 2023, 2851
VK Rheinland, Beschluss vom 11.08.2023 - VK 20/23
1. Vergabeunterlagen müssen klar und verständlich sein. Erforderlichenfalls müssen sie ausgelegt werden. Dabei sind die Vergabeunterlagen in einer Gesamtschau als inhaltlich zusammenhängende Einheit in den Blick zu nehmen.*)
2. Die Eignungskriterien dienen der Feststellung, ob das bietende Unternehmen in der Lage ist, die ausgeschriebene Leistung z. B. mit seiner personellen und sachlichen Ausstattung oder vorhandenen Erfahrung zuverlässig zu erbringen.*)
3. An der Leistungsfähigkeit eines Unternehmens haben die Betriebsorganisation und die Struktur des Unternehmens maßgeblichen Anteil.*)
IBRRS 2023, 2832
VK Bund, Beschluss vom 18.09.2023 - VK 2-68/23
1. Ein öffentlicher Auftraggeber kann ein Unternehmen von der Teilnahme am Vergabeverfahren ausschließen, wenn eine Wettbewerbsverzerrung daraus resultiert, dass das Unternehmen bereits in die Vorbereitung des Vergabeverfahrens einbezogen war und die Wettbewerbsverzerrung nicht durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen beseitigt werden kann.
2. Hat ein Unternehmen oder dessen Nachunternehmer an der Erstellung der Vergabeunterlagen mitgewirkt, rechtfertigt dieser Umstand für sich genommen nicht den Ausschluss vom Vergabeverfahren. Gleichwohl ist von einem wettbewerbsverzerrenden Informationsvorsprung auszugehen, dessen Ausgleich im Einzelfall vergaberechtlichen Grundsätzen genügen muss.
3. Die bloße Offenlegung der von dem vorbefassten Unternehmen erstellten Vergabeunterlagen genügt nicht, um einen strukturellen Erkenntnisvorteil auszugleichen.
IBRRS 2023, 2821
VG München, Urteil vom 28.03.2023 - 7 E 23.117
1. Der Betreiber einer öffentlichen Einrichtung darf zwar aufgrund seines weiten Spielraums bei Bestimmung und Ausübung seines Gestaltungswillens die Kriterien für die Zulassung grundsätzlich auch während eines Bewerbungsverfahrens ändern. Voraussetzung ist allerdings, dass hierbei rechtsstaatliche Grundsätze eine transparente und einheitliche Verfahrensgestaltung und der Vertrauensschutz beachtet werden
2. Auch der konkrete Auswahlvorgang muss den Erfordernissen der Transparenz und Nachvollziehbarkeit genügen. Eine Vollzugspraxis, in deren Rahmen zu beachtende Auswahlkriterien intern ergänzt oder modifiziert werden, ist mit dem Transparenzverbot unvereinbar.
3. Die Heranziehung des Merkmals "bekannt und bewährt" ist als Bestandteil eines sachlich gerechtfertigten Verteilungsmaßstabs grundsätzlich zulässig und kann einen tragfähigen und sachlich nachvollziehbaren Grund für die Änderung der Zulassungskriterien darstellen. Es mangelt bei der Änderung der Zulassungskriterien jedoch an der erforderlichen Transparenz, wenn der Betreiber der öffentlichen Einrichtung es versäumt hat, den Bewerbern vor der Auswahlentscheidung die geänderten Zulassungskriterien bekannt zu geben.
VolltextIBRRS 2023, 2785
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.09.2022 - Verg 40/21
1. Bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags sind mittelständische Interessen vornehmlich durch Teilung der Aufträge in Fach- und Teillose angemessen zu berücksichtigen, um möglichst zahlreichen Unternehmen eine Teilnahme am Vergabeverfahren zu erlauben.
2. Kann die benötigte Leistung auch in Form einer Losvergabe erbracht werden, hat die Teil- und/oder Fachlosvergabe die Regel zu sein, während eine Gesamt- oder zusammenfassende Vergabe nur in Ausnahmefällen stattfinden darf, weil wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern.
3. Kommt eine Ausnahme vom Grundsatz der Teil- und/oder Fachlosvergabe aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen in Betracht, hat sich der Auftraggeber in besonderer Weise mit dem Gebot einer Fachlosvergabe und dagegensprechenden Gründen umfassend auseinanderzusetzen.
4. Handelt es sich um ein immer noch von früheren Monopolstrukturen geprägtes Marktsegment, ist bei der Abwägung auch zu berücksichtigen, dass Wettbewerb in diesen Bereichen im Zweifel nur im Wege der Bildung von Losen gefördert werden kann. Dies gilt erst recht, wenn zugleich Qualitätskriterien einen hohen Einfluss auf die Zuschlagsentscheidung haben, weil auch dies namentlich dem ressourcenstarken früheren Inhaber eines Monopols mehr als anderen Bewerbern entgegenkommt.
IBRRS 2023, 2781
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.12.2022 - Verg 37/22
1. Über die Notwendigkeit eines Verfahrensbeteiligten, einen Rechtsanwalt zuzuziehen, ist nicht schematisch, sondern auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalls zu entscheiden (st. Rspr., z. B. OLG Düsseldorf, IBR 2021, 196 = VPR 2021, 76).
2. Die Frage, ob ein Bauauftrag in Teil- und Fachlose aufgeteilt werden muss oder ob hiervon aufgrund wirtschaftlicher oder technischer Gründe ausnahmsweise abgesehen werden kann, gehört zum Kern des originären Aufgabenbereichs der Bundesautobahn GmbH des Bundes.
3. Muss allein ein technisch (hochkomplexer) Sachverhalt vorgetragen werden, stellen sich keine schwierigen Rechtsfragen.
IBRRS 2023, 2776
VK Bund, Beschluss vom 15.09.2023 - VK 2-70/23
1. Die Entscheidung, wer im Fall der Rücknahme oder der anderweitigen Erledigung die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, erfolgt nach billigem Ermessen. In der Regel entspricht es billigem Ermessen, dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wenn er sich durch die Rücknahme seines Nachprüfungsantrags in die Position des Unterlegenen begeben hat.
2. Im Rahmen der Billigkeitserwägungen sind die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrag ebenfalls zu berücksichtigen, wenn belastbare Einschätzungen der Erfolgsaussichten getroffen werden können.
3. Die wirtschaftliche Bedeutung des Gegenstands eines Nachprüfungsverfahrens ergibt sich aus dem Wert des zur Vergabe vorgesehenen Auftrages. Dabei ist der Wert des Verfahrensgegenstandes grundsätzlich nach dem Interesse des jeweiligen Antragstellers am Ausgang des Verfahrens zu bemessen, d. h. regelmäßig ist auf seine Angebotssumme einschließlich Umsatzsteuer abzustellen.
4. Bei Rahmenvereinbarungen wird der Auftragswert auf der Grundlage der Höchstmenge berechnet. Anders als bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen – bei denen ein Abschlag bezüglich Optionen angesichts der Unsicherheit der Ausübung der Option vorzunehmen ist – kommt bei Rahmenvereinbarungen kein entsprechender Abzug in Betracht.
VolltextIBRRS 2023, 2733
VK Südbayern, Beschluss vom 29.06.2023 - 3194.Z3-3_01-23-3
1. Bei der Prüfung der Voraussetzung des § 135 Abs. 3 GWB haben die Nachprüfungsinstanzen zu würdigen, ob der öffentliche Auftraggeber bei seiner Entscheidung, den Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union zu vergeben, sorgfältig gehandelt hat und ob er der Ansicht sein durfte, dass die für die Wahl der Verfahrensart aufgestellten Voraussetzungen tatsächlich erfüllt waren (EuGH, IBR 2015, 83 = VPR 2015, 5).*)
2. Dies setzt voraus, dass der öffentliche Auftraggeber den seiner Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt sorgfältig, nämlich vollständig und zutreffend, ermittelt hat und die von ihm hieraus gezogenen tatsächlichen und rechtlichen Schlussfolgerungen zumindest vertretbar sind (OLG Düsseldorf, IBR 2017, 690 = VPR 2018, 38).*)
3. Die Rechtsfolge des § 135 Abs. 3 GWB tritt jedenfalls dann nicht ein, wenn die "Ansicht" des Auftraggebers, die Auftragsvergabe sei ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union zulässig, auf einer unvertretbaren und vollkommen praxisfernen Rechtsauffassung beruht.*)
IBRRS 2023, 2717
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 01.02.2022 - 1 VK 9/21
1. Für das Verständnis und die Auslegung der Vergabeunterlagen ist der objektive Empfängerhorizont des durchschnittlichen (europäischen) Bieters maßgeblich. Abzustellen ist auf einen verständigen und sachkundigen Bieter, der mit Beschaffungsleistungen der ausgeschriebenen Art vertraut ist.
2. In erster Linie kommt es auf den Wortlaut zum Beispiel des Leistungsbeschriebs einer einzelnen Position an. Diese speziellen Angaben sind in Verbindung mit den anderen Angaben in der Leistungsbeschreibung und den anderen Vertragsunterlagen unter Einbeziehung der technischen Normen und des Stands der Technik als sinnvolles Ganzes auszulegen.
3. Es gibt grundsätzlich keine Hierarchie der Vergabeunterlagen. Zur Leistungsbeschreibung gehören sowohl die Vorbemerkungen als auch die einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses.
4. Kommt es demnach auf die Vergabeunterlagen in ihrer Gänze an, können keine Bedenken bestehen, anderen Teilen der Leistungsbeschreibungen die Informationen zu entnehmen, die zum Verständnis der gewollten Leistung beitragen.
5. ...
VolltextIBRRS 2023, 2720
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 05.01.2022 - 1 VK 6/21
1. Der öffentliche Auftraggeber kann Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben, wenn äußerst dringliche, zwingende Gründe im Zusammenhang mit unvorhersehbaren Ereignissen es nicht zulassen, die Mindestfristen einzuhalten, die für das offene und das nichtoffene Verfahren sowie für das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb vorgeschrieben sind. Das "Großereignis" Corona-Pandemie ist ein unvorhersehbares Ereignis in diesem Sinn.
2. Äußerst dringliche Gründe liegen vor, wenn der Grad der Dringlichkeit so hoch ist, dass selbst die auf ein zulässiges Maß verkürzten Teilnahme- und Angebotsfristen zu lang sind, um den Beschaffungsbedarf zu decken.
3. In den Bereichen der Daseinsvorsorge und der Gefahrenabwehr kann die Dringlichkeit für eine gewisse Zeit auch dann gegeben sein kann, wenn sie im Übrigen auf vom Auftraggeber zu vertretenden Umständen beruht.
VolltextIBRRS 2023, 2723
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.08.2023 - 15 Verg 4/23
1. Auch ein negativer Preis ist ein Preis, der grundsätzlich zulässig ist.
2. Der Auftraggeber kann den Ausschluss eines Angebots mit negativen Preisen nicht darauf stützen, dass er in der Ausschreibung die HVA B-StB EU-Teilnahmebedingungen 8 - 19 zum Gegenstand der Vergabeunterlagen gemacht und damit bestimmt hat, dass Hauptangebote mit negativen Einheitspreisen von der Wertung ausgeschlossen werden, soweit negative Einheitspreise nicht ausdrücklich zugelassen sind.
3. Ein fachkundiger Durchschnittsbieter mit üblichen Vergaberechtskenntnissen muss nicht erkennen, dass das Verbot negativer Preise einen Vergaberechtsverstoß darstellt.
IBRRS 2023, 2681
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 13.01.2022 - 2 VK 5/21
1. Der Zuschlag ist auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Ist für den Zuschlag nicht (lediglich) die Abgabe des wirtschaftlichsten Angebots erforderlich, sondern ist zusätzlich ist Voraussetzung für die Auftragsvergabe, dass sich der Zuschlagsbieter zwingend der Verpflichtung zur Zahlung eines Transaktionsentgelts an einen Dritten unterwirft, wird eine vergaberechtlich nicht zulässige zusätzliche Anforderung gestellt.
2. Nach dem Wegfall des Verbots ungewöhnlicher Wagnisse (§ 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A 2006) können Vertragsklauseln nur noch unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit einer für den Bieter oder Auftragnehmer kaufmännisch vernünftigen Kalkulation beanstandet werden
3. Der öffentliche Auftraggeber ist zu einer Minimierung der Kalkulationsrisiken nur verpflichtet, wenn die anderenfalls bei den Bietern verbleibenden Risiken von diesen nicht mehr zumutbar zu tragen sind.
4. Die Festlegung des Mindestentgelts ist inhaltlich am ehesten einem im Vertrag vorgegebenen Mindestrabatt, der eine Kalkulationsvorgabe darstellt, vergleichbar. Eine solche Preisvorgabe ist dem Auftraggeber grundsätzlich nicht verwehrt.
VolltextIBRRS 2023, 2669
EuGH, Urteil vom 21.09.2023 - Rs. C-510/22
Art. 106 Abs. 1 AEUV i.V.m. Art. 102 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die dem Inhaber einer Exklusivlizenz zur Nutzung von Mineralwasserquellen die Möglichkeit einräumt, ohne wettbewerbliches Vergabeverfahren die mehrfache Verlängerung seiner Lizenz für jeweils fünf Jahre zu erlangen, wenn diese Regelung dazu führt, dass der Lizenzinhaber durch die bloße Ausübung der ihm übertragenen Vorzugsrechte seine beherrschende Stellung auf einem wesentlichen Teil des Binnenmarkts missbräuchlich ausnutzt oder wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der er einen solchen Missbrauch begeht, was vom vorlegenden Gericht auf der Grundlage der ihm vorliegenden tatsächlichen und rechtlichen Angaben zu beurteilen ist.*)
VolltextIBRRS 2023, 2647
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 27.09.2021 - 3 VK 11/21
1. Ein Angebot ist zwingend auszuschließen, wenn es nicht den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses entspricht.
2. Ein von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses abweichendes Angebot muss allenfalls dann nicht ausgeschlossen werden, wenn es sich um ein zulässiges Nebenangebot handelt.
3. Sind nach der Aufforderung zur Angebotsabgabe Nebenangebote nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zugelassen, ist die Abgabe eines sog. isolierten Nebenangebots zwar grundsätzlich möglich, kann aber (wie hier) in den Vergabeunterlagen für nicht zulässig erklärt werden.
VolltextIBRRS 2023, 2639
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29.11.2021 - 2 VK 4/21
1. Nur das körperliche Fehlen von geforderten oder nachgeforderten Unterlagen im Angebot führt zum Angebotsausschluss. Inhaltlich unzureichende Unterlagen sind nicht mit fehlenden Unterlagen gleichzusetzen.
2. Eine zum Ausschluss des Angebots führende Änderung an den Vergabeunterlagen liegen jedenfalls dann vor, wenn das Angebot von den Leistungsvorgaben in der Ausschreibung abweicht.
3. Gibt der Auftraggeber ein Leitfabrikat mit dem Zusatz "oder vergleichbar" an, ist das Gebot der produktneutralen Ausschreibung grundsätzlich gewahrt.
4. Eine Rüge ist nur dann hinreichend substanziiert, wenn das rügende Unternehmen tatsächliche Anhaltspunkte dafür darlegt, die seinen Verdacht hervorgerufen haben, dass es zu einem Vergaberechtsfehler gekommen ist.
VolltextIBRRS 2023, 2620
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 09.02.2022 - 3 VK 15/21
1. Der öffentliche Auftraggeber darf "produktscharf" ausschreiben, wenn nur das definierte Produkt seinen Bedarf deckt.
2. Eine "produktscharfe" Ausschreibung setzt kumulativ voraus, dass die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist, vom Auftraggeber hierfür nachvollziehbare, objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, solche Gründe tatsächlich vorhanden sind und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.
3. An das Vorliegen des sachlichen Grunds sind keine überhöhten Anforderungen zu stellen. Der Auftragsbezug bzw. die sachliche Rechtfertigung durch den Auftragsgegenstand müssen vorliegen sowie darüber hinaus die Überlegungen "objektiv", d. h. durch Dritte nachvollziehbar sein.
4. An die Begründung einer produktspezifischen Ausschreibung und ihre Dokumentation sind hohe Anforderungen zu stellen. Aus der Dokumentation müssen sich das Vorhandensein sachlicher Gründe und die daran anknüpfende Entscheidung des Auftraggebers für einen unbefangenen Dritten nachvollziehbar erschließen. Die Darlegungs- und Beweislast für eine zulässige Ausnahme trifft den Auftraggeber.
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