Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
10817 Entscheidungen insgesamt
Online seit Mai
IBRRS 2024, 1721VK Bund, Beschluss vom 28.03.2024 - VK 2-25/24
1. Gibt der Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung vor, dass bei Angebotsabgabe diejenigen Leistungen offenzulegen sind, bei denen ein Nachunternehmen eingesetzt werden soll, weicht ein Angebot mit der Formulierung "gegebenenfalls Untervergabe" von den Vergabeunterlagen ab, weil offenbleibt, ob und unter welchen Voraussetzungen Nachunternehmen eingesetzt werden.
2. Eine leistungsbezogene Unterlage fehlt, wenn sie entweder körperlich nicht vorhanden ist oder so schwere äußere Mängel aufweist, dass sie für den vorgesehenen Zweck unbrauchbar ist.
3. Eine Unterlage fehlt nicht, wenn sie körperlich vorhanden und auch vollständig ist, ihr Inhalt aber nicht den Erklärungs- oder Beweiswert hat, den er nach den Vorgaben des Auftraggebers haben sollte.
4. Legt der Bieter ein Zertifikat vor, das nicht auf der vom Auftraggeber geforderten, sondern auf einer anderen Grundlage ausgestellt worden ist, ist das eingereichte Zertifikat vollständig, so dass eine Nachforderung nicht in Betracht kommt.
IBRRS 2024, 1697
VK Westfalen, Beschluss vom 17.05.2024 - VK 3-9/24
1. Ein unzureichendes Vorabinformationsschreiben nach § 134 GWB begründet regelmäßig keinen Schaden nach § 160 Abs. 2 Satz 2 GWB, da allein die Rüge einer fehlerhaften oder unvollständigen Vorabinformation bei im Übrigen rechtmäßig durchgeführtem Vergabeverfahren den Bieter nicht näher an den Zuschlag bringt. Ist ein Vorabinformationsschreiben nach § 134 GWB fehlerhaft, unvollständig oder verspätet, ist der Bieter ausreichend über § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB geschützt.*)
2. Zuschlagskriterien und deren Gewichtung müssen in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen aufgeführt werden, § 127 Abs. 5 GWB. Das gilt Zuschlagsunterkriterien. Zuschlagsunterkriterien stellen nur eine weitere Untergliederung eines Zuschlags(haupt)kriteriums dar: Während der öffentliche Auftraggeber durch ein Zuschlags(haupt)kriterium die Anforderung an die Qualität einer zu vergebenden Leistung gliedert, präzisiert das Zuschlagsunterkriterium ein Zuschlags(haupt)kriterium selbst und mit diesem ebenfalls die Leistung. Die weitergehende Differenzierung ermöglicht dem öffentlichen Auftraggeber, eine nachvollziehbarere Auswahlentscheidung treffen zu können. Die Bieter erhalten demgegenüber eine inhaltliche Richtung und Orientierungshilfe, um ihr Angebot erstellen zu können. In Abgrenzung zur bloßen Subsumtion unter die Anforderung der Leistungsbeschreibung kennzeichnet sich ein Unterkriterium dadurch, dass dieses nicht nur die Leistung und insbesondere deren Qualität definiert, sondern darüber hinaus unmittelbar Einfluss auf das Wertungsergebnis hat. Jedenfalls dann, wenn bestimmte Aspekte herausgestellt werden, im Rahmen der Bewertung einen konkreten Punktwert von einer definierten Höchstpunktzahl zugewiesen bekommen und letztlich rechnerisch nachvollziehbar in die Gesamtwertung einfließen, hat der öffentliche Auftraggeber ein Unterkriterium gebildet.*)
3. Ein Kausalzusammenhang zwischen der unterbliebenen Bekanntgabe eines Unterkriteriums und dem Inhalt der Angebote besteht, wenn nicht auszuschließen ist, dass die Bekanntgabe der Unterkriterien und deren Gewichtung die Angebote hätte beeinflussen können. An die Darlegung des Kausalzusammenhangs sind keine allzu hohe Anforderungen zu stellen.*)
VolltextIBRRS 2024, 1625
OLG Koblenz, Beschluss vom 08.11.2021 - Verg 5/21
1. Dokumentationsmängel im Vergabevermerk beinhalten in der Regel per se noch keine Rechtsverletzung.
2. Dokumentationspflichten sind kein Selbstzweck. Ein Bieter kann sich auf ihre Verletzung nur dann berufen, wenn sich der Dokumentationsmangel konkret auf seine Rechtsstellung im Vergabeverfahren negativ ausgewirkt hat.
3. Darauf, dass eine Überprüfung der Bieter auf das Vorliegen etwaiger Ausschlussgründe nicht erfolgt ist, können sich Bieter und Bewerber nur dann berufen, wenn bei einem - vorrangig platzierten - Mitbewerber eine Ausschlussvoraussetzung vorliegt.
4. Ein Vergabeverstoß ist in rechtlicher Hinsicht erkennbar, wenn ein durchschnittlich fachkundiger Bieter des angesprochenen Bieterkreises im Sinne eines sorgfältig handelnden Unternehmens, das mit den wichtigsten Regeln der öffentlichen Auftragsvergabe vertraut ist, bei üblicher Sorgfalt und üblichen Kenntnissen den Sachverhalt zumindest als rechtlich problematisch eingestuft und damit erkannt hätte.
VolltextIBRRS 2024, 1647
VK Südbayern, Beschluss vom 29.04.2024 - 3194.Z3-3_01-24-4
1. Ein nur "in Anlehnung an die RPW 2013" ausgestalteter Realisierungswettbewerb, bei dem weder eine eigene veröffentlichte einheitliche Richtlinie noch die RPW 2013 Anwendung finden soll, stellt einen Vergabeverstoß dar.
2. Wenn der Auslober die RPW 2013 als veröffentlichte einheitliche Richtlinie seinem Realisierungswettbewerb zugrunde legen möchte, dann ist ein Abweichen von den Regelungen der RPW nur mit der Zustimmung der Architektenkammer möglich.
3. Soweit der Auslober eigene Richtlinien für die Durchführung von Planungswettbewerben entwickelt hat, dann müssen diese veröffentlicht sein. Eine Mitteilung in der Wettbewerbsbekanntmachung genügt hierfür nicht.
IBRRS 2024, 1642
OLG Stuttgart, Urteil vom 16.05.2024 - 2 U 146/22
Ein nicht zur Irrtumsanfechtung berechtigender Kalkulationsirrtum liegt vor, wenn der Irrtum bei der Kalkulation der Einheitspreise für ein Gebot in einem Vergabeverfahren entstanden ist.*)
IBRRS 2024, 1525
VK Bund, Beschluss vom 29.02.2024 - VK 1-12/24
1. Der öffentliche Auftraggeber kann ein Unternehmen von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat.
2. Der Begriff der mangelhaften Erfüllung ist nicht streng zivilrechtlich zu interpretieren. Er ist vielmehr umfassend im Sinne einer nicht vertragsgerechten Erfüllung zu verstehen und erfasst sowohl vertragliche Haupt- als auch Nebenpflichten.
3. Eine erhebliche Vertragspflichtverletzung liegt vor, wenn die mangelhafte Leistung den öffentlichen Auftraggeber in tatsächlicher und finanzieller Hinsicht deutlich belastet.
4. Eine wesentliche Anforderung ist berührt, wenn es sich um eine wesentliche vertragliche Pflichtverletzung wie ein Lieferungs- oder Leistungsausfall handelt, wobei auch ein Verstoß gegen wesentliche Nebenpflichten in Betracht kommen kann.
5. Als vergleichbare Rechtsfolge kommen beispielsweise ein Rücktritt, eine Ersatzvornahme nach erfolgloser Fristsetzung, eine Minderung der Vergütung, aber auch das Verlangen umfangreicher Nachbesserungen in Betracht. Nicht erforderlich ist, dass die Berechtigung der aus der Vertragspflichtverletzung gezogenen Rechtsfolge gerichtlich bestätigt wurde.
6. Der Auftraggeber hat im Rahmen der von ihm zutreffenden Ermessensentscheidung den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Als Maßstab für die Ausschlussentscheidung ist von einem schwerwiegenden beruflichen Fehlverhalten auszugehen, das die Integrität des Unternehmens infrage stellen und dazu führen kann, dass es - auch wenn er ansonsten über die technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügen würde - als für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags ungeeignet betrachtet wird.
IBRRS 2024, 1517
VK Bund, Beschluss vom 04.03.2024 - VK 1-16/24
1. Ein Angebot ist nicht von der Wertung auszuschließen, wenn der Bieter zwar keine auf ihn lautenden vergleichbaren Referenzen vorgelegt hat, er aber erklärt, dass er alle technischen Aktivitäten einschließlich Mitarbeitern, Ausstattung und nötigem Wissen von seiner Muttergesellschaft übernommen hat. Die angegebenen Referenzen sind ihm in diesem Fall vollständig zuzurechnen, ohne dass es einer Eignungsleihe durch den (ursprünglichen) Referenzgeber bedarf.
2. Bietet ein Bieter nicht das an, was der öffentliche Auftraggeber ausschreibt, sondern weicht das Angebot von den Vorgaben der Vergabeunterlagen ab, ist es zwingend auszuschließen. Eine generalklauselartige Versicherung des Bieters, wonach ""das Angebot alle Anforderungen erfüllt, die in den Vergabeunterlagen und der Bekanntmachung enthalten sind", kann die Abweichung von den Vergabeunterlagen nicht "heilen".
IBRRS 2024, 1507
VK Bund, Beschluss vom 12.04.2024 - VK 1-89/23
1. Im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs werden Teilnahmeanträge, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden sind, bereits in der Wertungsphase des laufenden Vergabeverfahrens von der Wertung ausgeschlossen.
2. Eine Ausschlussentscheidung wegen einer Nichteinhaltung von besonderen Vertragsbedingungen ist nur dann statthaft und geboten, wenn der Auftraggeber konkrete Tatsachen festgestellt hat oder feststellen kann, die den Rückschluss auf die beabsichtigte zukünftige Nichteinhaltung mit der Angebotsabgabe eingegangener Verpflichtungen zulassen.
3. Auf bloße und ins Blaue hinein aufgestellte Behauptungen oder Verdachtsumstände muss und darf der öffentliche Auftraggeber seine Entscheidung nicht stützen.
IBRRS 2024, 1483
VK Bund, Beschluss vom 18.03.2024 - VK 2-19/24
1. Der Nachprüfung durch die Vergabekammern unterliegt nur die Vergabe öffentlicher Aufträge.
2. Öffentliche Aufträge sind entgeltliche Verträge zur Beschaffung von Leistungen, die u. a. die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Dies setzt eine Vereinbarung zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Unternehmen voraus, die auf die Begründung gegenseitiger Leistungspflichten gerichtet ist.
3. Staatliche Zuwendungen, die einem Zuwendungsempfänger zur Bewirtschaftung für Tätigkeiten bewilligt werden, die mit der im haushaltsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgrundsatz wurzelnden Verpflichtung verbunden sind, erhaltene Beträge bei nicht bestimmungsgemäßer Verwendung zurückzuzahlen, sind keine öffentlichen Aufträge.
4. Maßgeblich für die Beurteilung eines Vorgangs als öffentlicher Auftrag oder einer Aufgabenausführung aufgrund haushaltsrechtlicher Bewirtschaftung zur unmittelbaren Gewährleistung öffentlicher Zweckerfüllung ist die funktionale Betrachtungsweise.
5. Nicht die Rechtsform eines Vorgangs entscheidet über die Einordnung als öffentlicher Auftrag, sondern eine gemessen am Zweck des Vergaberechts orientierte Auslegung des Auftragsbegriffs bzw. eine dementsprechende Einordnung des Vorgangs, um die Umgehung des EU-Vergaberechts vermeiden.
VolltextIBRRS 2024, 1474
VG Magdeburg, Urteil vom 25.03.2024 - 3 A 155/21
Ein (fördermittelschädlicher) vorzeitiger Maßnahmebeginn liegt jedenfalls dann vor, wenn die einschlägige Förderrichtlinie eine klare Linie bei Leistungsphase 6 zieht und der Subventionsempfänger darüber informiert wurde, dass er im Rahmen einer Ausschreibung eingeschaltete Ingenieurbüros oder Architekten vor Erhalt der Förderzusage zur Wahrung der Förderfähigkeit nur mit Planungs- und Vorbereitungsleistungen bis einschließlich Leistungsphase 6 beauftragen soll.
VolltextIBRRS 2024, 1412
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.12.2022 - Verg 11/22
1. Sämtliche Eignungskriterien sind in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen. Andere Eignungsanforderungen sind nicht wirksam aufgestellt.
2. Für die Beantwortung der Frage, welche Eignungskriterien gefordert sind, sind neben der Bekanntmachung nur solche Umstände relevant, die bis zur Veröffentlichung gegeben und für die Bieter erkennbar waren. Auf die Vergabeunterlagen kommt es insoweit nicht an. Diese können die Bekanntmachung - sofern sie mit dieser übereinstimmen - allenfalls konkretisieren.
3. Die geforderten Referenzen dienen als Beleg für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit des Bieters. Anhand von Referenzen will der Auftraggeber feststellen, ob der potentielle Auftragnehmer Erfahrungen auf dem Gebiet der nachgefragten Leistung hat und ob er in der Lage sein wird, den Auftrag auch tatsächlich auszuführen. Dafür muss die Referenzleistung der ausgeschriebenen Leistung so weit ähneln, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffnet.
4. Referenzen sind personen- oder unternehmensgebunden. Bietet ein Bieter die Leistung vollständig als eigene an, also ohne sich bezüglich bestimmter Leistungsteile auf einen Nachunternehmer zu berufen, muss er im Rahmen der Referenzen auch alle wesentlichen Leistungsteile selbst erbracht haben.
5. Antragsbefugt zur Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens sind nur solche Unternehmen antragsbefugt, denen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Ein Schaden droht, wenn der Antragsteller im Fall eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens bessere Chancen auf den Zuschlag haben könnte.
6. Ist das Angebot des antragsstellenden Bieters nicht das zweit-, sondern das dritt- oder schlechter platzierte, bedarf die Feststellung einer Verschlechterung der Zuschlagschancen einer über die Vergaberechtswidrigkeit der Auswahl des erstplatzierten Bieters hinausgehender Darlegung.
VolltextOnline seit April
IBRRS 2024, 1425VK Rheinland, Beschluss vom 02.04.2024 - VK 2/24
1. Unklare Formulierungen sind auszulegen, wobei hierfür die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133, 157 BGB) analog anzuwenden sind.*)
2. Gemäß § 122 Abs. 3 GWB kann der Nachweis der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen nach §§ 123 und 124 ganz oder teilweise durch die Teilnahme an Präqualifizierungssystemen erbracht werden.*)
3. Der öffentliche Auftraggeber muss den durch Teilnahme am Präqualifizierungssystem erbrachten Nachweis der Eignung akzeptieren. Er darf diesen nur in begründeten Fällen in Zweifel ziehen.*)
4. Die Präqualifikation durch Eintrag in die Liste des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. ist als gleichwertig mit dem Eintrag in das „Amtliche Verzeichnis präqualifizierter Unternehmen für den Liefer- und Dienstleistungsbereich (AVPQ)“ anzusehen. Bei beiden Präqualifikationen handelt es sich um amtliche Präqualifikationssysteme i.S.v. § 122 Abs. 3 GWB.*)
5. Etwaige Mindestanforderungen, die der öffentliche Auftraggeber für die Eignung der Bieter aufgestellt hat, wie z. B. Anzahl von Referenzen, Höhe von Umsätzen, können nicht automatisch für jeden der vorgesehenen Nachunternehmer gelten, wenn die Nachunternehmer nur Teilleistungen erbringen.*)
6. Dass es sich bei einer detaillierten Kostenschätzung um Informationen handelt, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des öffentlichen Auftraggebers sind, dürfte offenkundig sein.*)
IBRRS 2024, 1410
VK Westfalen, Beschluss vom 16.02.2024 - VK 3-47/23
1. Öffentliche Auftraggeber können unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat.
2. Nicht jede nicht vertragsgerechte Erfüllung ist eine mangelhafte Erfüllung. Sie muss erheblich sein. Erheblich ist die mangelhafte Leistung, wenn sie den öffentlichen Auftraggeber in tatsächlicher und finanzieller Hinsicht deutlich belastet.
3. Neben dem Vorliegen früherer Mängel ist erforderlich, dass die Mängel zu einer vorzeitigen Beendigung, Schadensersatz oder einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt haben.
4. Damit ein Schadensersatzanspruch oder ein anderer aus einer Pflichtverletzung resultierender Anspruch des öffentlichen Auftraggebers mit der vorzeitigen Beendigung eines Vertrags vergleichbar ist, muss der jeweilige Anspruch nicht nur entstanden, sondern auch geltend gemacht worden sein.
5. Wenn ein Unternehmen, bei dem ein Ausschlussgrund vorliegt, keine oder keine ausreichenden Selbstreinigungsmaßnahmen ergriffen hat, darf es bei Vorliegen eines Ausschlussgrunds nach § 124 GWB höchstens drei Jahre ab dem betreffenden Ereignis von der Teilnahme an Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.
IBRRS 2024, 1386
VK Südbayern, Beschluss vom 25.07.2023 - 3194.Z3-3_01-22-59
1. Bei einem öffentlichen Auftrag können mehrere CPV-Referenznummern einschlägig sein und diese müssen nicht zwingend der gleichen Abteilung, Gruppe, Klasse oder Kategorie entstammen.*)
2. Hinsichtlich der Einschlägigkeit des SaubFahrzeugBeschG aufgrund des Vorliegens einer der in Anlage 2 zum SaubFahrzeugBeschG genannten CPV-Referenznummern kommt es darauf an, was objektiv Gegenstand der Leistungsausschreibung ist. Briefdienstleistungen, die die Ausführung des kuvertierten Briefversands sowie postvorbereitende Maßnahmen, wie Frankierung einschließlich die Erstellung und Aufdruck von Klischees umfassen, können sowohl den Briefpostdiensten (CPV-Code 64112000), der Postzustellung (CPV-Code 64121100-1) und der Postbeförderung auf der Straße (CPV-Code 60160000-7) zugeordnet werden.*)
3. Der sachliche Anwendungsbereich des SaubFahrzeugBeschG ist auch bei Dienstleistungsaufträgen eröffnet, wenn nur Teilbereiche des Auftrags den in der Tabelle der Anlage 2 aufgeführten CPV-Referenznummern zugeordnet werden können.*)
4. § 5 Abs. 1 S. 1 SaubFahrzeugBeschG sieht zwar vor, dass öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber bei der Beschaffung von Fahrzeugen und Dienstleistungen die für den jeweiligen Referenzzeitraum nach § 6 festgelegten Mindestziele insgesamt einzuhalten haben (sog. Bundesquote). Damit wurde prinzipiell ein Ermessensspielraum hinsichtlich der Anwendung auf einzelne Beschaffungsvorgänge eröffnet. Dieser ist jedoch gegenwärtig mangels Regelungen vom Bund oder den Bundesländern erheblich eingeschränkt. Bislang wurden noch keine Regelungen zur Einhaltung der Mindestziele geschaffen oder Branchenvereinbarungen abgeschlossen, sodass die einzelnen öffentlichen Auftraggeber und Sektorenauftraggeber bei ihren Beschaffungen im jeweiligen Referenzzeitraum die vorgegebenen Mindestziele einhalten müssen. Ein Ermessensspielraum besteht für den einzelnen öffentlichen Auftraggeber bzw. Sektorenauftraggeber auf der Grundlage der gegenwärtigen Lage nur insoweit, dass dieser entscheiden kann, durch welche konkreten Beschaffungen und Dienstleistungen er die Mindestzielvorgabe einhalten möchte.*)
IBRRS 2024, 1333
KG, Beschluss vom 01.03.2024 - Verg 11/22
1. Eignungskriterien und -nachweise können mittels Link auf einem Formblatt wirksam bekannt gemacht werden (Anschluss an OLG Düsseldorf, IBR 2018, 640).
2. Der öffentliche Auftraggeber ist nicht verpflichtet, Wettbewerbsvorteile, die durch die unterschiedliche Marktstellung der Unternehmen bedingt sind, auszugleichen.
3. Wettbewerbsvorteile, die sich daraus ergeben, dass das Bestandsunternehmen - anders als alle anderen Bieter - auf bestehende Infrastruktur (hier: Werkstattgrundstücke) zurückgreifen kann, bedürfen hingegen eines Wertungsausgleichs.
4. ...
VolltextIBRRS 2024, 1358
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.08.2023 - Verg 3/23
1. Soweit eine Ausschreibung aufgehoben werden kann, wenn die Vergabeunterlagen grundlegend geändert werden müssen, kann dieser Aufhebungsgrund nur auf Tatsachen gestützt werden, die erst nach Versendung der Verdingungsunterlagen eingetreten oder dem Auftraggeber bekannt geworden sind, ohne dass eine vorherige Unkenntnis auf mangelhafter Vorbereitung beruht.
2. Bei der Aufhebungsentscheidung ist die Heranziehung von Gründen, die dem Auftraggeber bekannt waren und/oder mit deren Vorliegen oder Eintritt er bei der Vergabeentscheidung rechnen musste, ausgeschlossen. Auch darf der öffentliche Auftraggeber den Aufhebungsgrund nicht selbst schuldhaft herbeigeführt haben.
3. ...
IBRRS 2024, 1340
VK Rheinland, Beschluss vom 11.05.2023 - VK 9/23
1. Eine fehlende Antragsbefugnis für einen Nachprüfungsantrag kann nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass der Antragsteller, nachdem der Auftraggeber das Vertragsverhältnis außerordentlich kündigte nunmehr seinerseits kündigt, wenn die Kündigung zur Wahrung eigener Interessen des Antragstellers und zur Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile erfolgt.*)
2. Die Darlegungs- und Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands von § 3a EU Abs. 3 Satz 4 VOB/A 2019 trägt der öffentliche Auftraggeber, wobei diese Ausnahmeregelungen sehr eng auszulegen sind und eine sorgfältige Abwägung, Begründung und umfassende Dokumentation erfordern.*)
3. Von Bedeutung ist bei der gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB vorzunehmenden Ermessensentscheidung, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen hat, dass es sich um eine Prognoseentscheidung des Auftraggebers handelt. Dabei hat der Auftraggeber zu prüfen, ob von dem Bieter trotz der zurückliegenden vorzeitigen Beendigung des öffentlichen Auftrags zukünftig eine sorgfältige, ordnungsgemäße und vertragstreue Auftragsausführung zu erwarten ist.*)
4. Eine erhebliche mangelhafte Auftragserfüllung lässt eine solche vertragstreue Aufgabenausführung in der Regel nicht erwarten. Diese liegt vor, wenn der Auftragnehmer in einem zurückliegenden Auftrag eine vertragliche Pflicht verletzt hat, die ihrem Umfang, ihrer Intensität und dem Grad der Vorwerfbarkeit von so schwerem Gewicht war, dass sie den ehemaligen Auftraggeber zur Beendigung, zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen oder zur Geltendmachung vergleichbarer Rechtsfolgen berechtigte. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn es nicht lediglich um kleinere, leicht zu behebende Mängel geht. Die Mängel müssen vielmehr den Auftraggeber in tatsächlicher und finanzieller Hinsicht deutlich belasten.*)
5. Das Beweismaß für die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB liegt zwischen einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit gem. § 287 ZPO und dem Vollbeweis gem. § 286 ZPO .*)
6. Dieser Nachweis verlangt nach Auffassung der Kammer nicht, dass ein ggf. rechtskräftiger Abschluss eines anhängigen Zivilprozesses abgewartet wird oder die Vergabekammer selbst eine umfangreiche und zeitintensive Beweisaufnahme durchführen muss. Das würde dem Beschleunigungsgrundsatz des § 167 GWB zuwiderlaufen.*)
7. Es muss im Rahmen eines Vergabenachprüfungsverfahrens zwar nicht abschließend anhand einer umfangreichen Beweisaufnahme inzident geklärt werden, welche Leistungen der Beteiligten in welchem Stadium des Projekts zutreffend erbracht wurden oder sich als Schlechterfüllung erweisen. Die vorgelegten Unterlagen müssen aber nach Auffassung der Kammer zweifelsfrei schwerwiegende und letztlich nicht überbrückbare Konflikte zwischen den Beteiligten belegen.*)
8. Der Auftraggeber muss vor einem Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB eine dokumentierte Prognoseentscheidung treffen. Darin muss er darlegen, ob von dem fraglichen Bieter unter Berücksichtigung der festgestellten früheren Schlechtleistung im Hinblick auf die Zukunft zu erwarten sei, dass dieser den nunmehr zu vergebenden Auftrag nicht gesetzestreu, ordnungsgemäß und sorgfältig ausführen werde. Eine Heilung der vorgenannten Mängel im Nachprüfungsverfahren ist nicht möglich.*)
VolltextIBRRS 2024, 1334
OLG Brandenburg, Urteil vom 21.03.2024 - 12 U 195/22
1. Ein öffentlicher Auftrag ist im sog. Oberschwellenbereich von Anfang an unwirksam, wenn dem öffentlichen Auftraggeber ein Vergabeverstoß gem. § 134 GWB oder § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB vorzuwerfen ist und dieser Verstoß in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt worden ist, wobei die Geltendmachung in einem Nachprüfungsverfahren nicht später als sechs Monate nach Vertragsschluss erfolgen darf.
2. Im Anwendungsbereich der Unterschwellenvergabeverordnung (UVgO) ist ein Verstoß gegen Vergaberechtsvorschriften nach der Erteilung des Auftrags unbeachtlich.
IBRRS 2024, 1313
VK Westfalen, Beschluss vom 27.10.2023 - VK 3-30/23
1. Sinn und Zweck der Regelung des § 160 GWB ist zu verhindern, dass ein Bieter, der auch bei einem ordnungsgemäß durchgeführten Vergabeverfahren keine Zuschlagschancen hat oder dem kein Schaden droht, kein zuschlaghemmendes Nachprüfungsverfahren einleiten kann (vgl. BT-Drs. 13/9340).*)
2. Besteht nach § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB grundsätzlich eine Pflicht zur Losaufteilung, kann hiervon nach § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB abgesehen werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Diese wirtschaftlichen und technischen Gründe müssen nachvollziehbar dokumentiert sein. Insbesondere dürfte es nicht ausreichen, von der Losvergabe - die den gesetzlichen Regelfall darstellt und daher Vorrang hat - lediglich geradenach apodiktisch mit Gründen der Gewährleistung zu rechtfertigen.*)
3. Welche Mindestanforderungen festgelegt wurden, ist aus der Sicht eines verständigen und fachkundigen Bieters durch Auslegung der Vergabeunterlagen zu ermitteln (vgl. ebenfalls statt vieler: BGH, IBR 2013, 298). Maßgeblicher Bedeutung kommt dabei auch der Leistungsbeschreibung und den weiteren Vergabeunterlagen zu.*)
4. Ausnahmsweise können auch nicht gerügte Vergaberechtsverstöße, die den Antragsteller in seinen Rechten verletzen, durch die Vergabenachprüfungsinstanzen von Amts wegen aufgegriffen werden, wenn es sich insbesondere um solche Verstöße handelt, die schwerwiegend und offenkundig sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss 11.07.2018 - Verg 24/18, IBRRS 2018, 2949 = VPRRS 2018, 0292).*)
5. Bei der Überprüfung, ob und inwieweit die Bewertung der Angebote dem vorgegebenen Benotungssystem entspricht, sind bei der Überprüfung von den Nachprüfungsinstanzen analog § 175 Abs. 2 i. V. m. § 71 Abs. 1 Satz 3 GWB sämtliche in der Vergabedokumentation enthaltenen und der Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers zugrundeliegenden Tatsachen, auch soweit diese wegen ihrer Geheimhaltungsbedürftigkeit der Antragstellerin eines Nachprüfungsverfahrens nicht offenbart werden durften, zu berücksichtigen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.06.2023 - Verg 2/23 (n.v.), und Beschluss vom 16.10.2019 - Verg 6/19, IBR 2020, 415 = VPR 2020, 123).*)
6. Ein Verschulden i.S.v. § 155 Abs. 4 VwGO wird bejaht, wenn der Beteiligte unter Außerachtlassung der erforderlichen und ihm zumutbaren Sorgfalt durch sein Verhalten einen anderen Beteiligten oder das Gericht zu Prozesshandlungen oder Entscheidungen veranlasst hat, die an sich nicht erforderliche Kosten verursacht haben (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.06.2014 - 2 A 104/12, BeckRS 2014, 53820). So hat der obsiegende Auftraggeber etwa auch dann die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn er den Antrag auf Nachprüfung durch eine unzureichende Information provoziert hat (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 26.08.2020 - Verg 5/20, IBRRS 2020, 3325 = VPRRS 2020, 0332; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.05.2020 - 15 Verg 2/20, IBRRS 2020, 1986 = VPRRS 2020, 0222).*)
VolltextIBRRS 2024, 1298
VK Bund, Beschluss vom 26.02.2024 - VK 2-13/24
1. Bei der Teilleistung "Weißmarkierungsarbeiten" handelt es sich um einen eigenständigen fachlichen Markt. Daher ist grundsätzlich ein Fachlos zu bilden.
2. Der Grundsatz der Bildung eines Fachloses besteht nicht ausnahmslos. Eine Gesamtvergabe ist erlaubt, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern.
3. Verzicht auf Fachlose muss "erforderlich" sein. Erforderlichkeit ist nicht erst dann gegeben, wenn ein Losverzicht vollkommen alternativlos ist. Die Erforderlichkeit ist als eine konkrete Ausprägung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu verstehen.
VolltextIBRRS 2024, 1289
OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.03.2024 - 19 Verg 1/23
1. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Schätzung des Auftragswerts ist die Einleitung des Vergabeverfahrens.
2. Die Frage der Ausschreibungs- bzw. Vergabereife beurteilt sich danach, ob die Vergabeunterlagen fertig gestellt und die rechtlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür geschaffen sind, dass mit den ausgeschriebenen Leistungen innerhalb der in den Vergabeunterlagen angegebenen Frist begonnen werden kann.
3. Die Zulässigkeit eines Fortsetzungsfeststellungsantrags verlangt, neben dem Bestehen eines besonderen Feststellungsinteresses, die Zulässigkeit des ursprünglichen Nachprüfungsantrags.
IBRRS 2024, 1275
VK Bund, Beschluss vom 31.01.2024 - VK 1-99/23
1. In einem Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb prüft der öffentliche Auftraggeber die Eignung der am vorgeschalteten Wettbewerb teilnehmenden Unternehmen, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulässt.
2. Mit der positiven Eignungsprüfung wird ein Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, dass der Auftraggeber die Eignung auf gleichbleibender tatsächlicher Grundlage später nicht nochmals abweichend beurteilt.
3. Ein solcher Vertrauenstatbestand kann nur dann und insoweit begründet werden, wie der öffentliche Auftraggeber die Eignung des betreffenden Bewerbers abschließend geprüft hat, also z. B. nicht, wenn noch prüfungsrelevante Unterlagen oder Nachweise fehlen.
4. Wird die Eignung des Bestbieters zu Unrecht bejaht, muss ein Mitbewerber diesen Vergaberechtsverstoß im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb ab der Begründung des Vertrauenstatbestands hinnehmen.
5. Öffentliche Aufträge sind an geeignete Unternehmen zu vergeben. Welche Anforderungen an die Eignung gestellt werden, bestimmt der Auftraggeber durch entsprechende Vorgaben, die in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen sind.
6. Um den Ausschluss eines Bieters mangels Eignung zu rechtfertigen, müssen die betreffenden Eignungsanforderungen eindeutig sein. Unklarheiten oder Mehrdeutigkeiten gehen zu Lasten des Auftraggebers, d. h. unklare oder mehrdeutige Vorgaben können einem Bewerber oder Bieter nicht entgegengehalten werden.
7. "Vergleichbar" ist eine Referenzleistung dann, wenn sie der ausgeschriebenen Leistung so weit ähnelt, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die technische und berufliche Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffnet.
IBRRS 2024, 1219
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.04.2023 - Verg 27/22
1. Der Nachprüfungsantrag ist grundsätzlich nur so lange der statthafte Rechtsbehelf, wie ein Vergabeverfahren noch nicht durch einen wirksamen Zuschlag abgeschlossen ist.
2. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur, wenn der Zuschlag ohne Einhaltung der Informations- und Wartepflicht vergeben wurde oder im Fall einer Vergabe ohne vorherige EU-weite Bekanntmachung, ohne dass dies aufgrund Gesetzes gestattet war.
3. Auch für einen Fortsetzungsfeststellungsantrag ist nur dann Raum, wenn sich ein Nachprüfungsverfahren nach seiner Einleitung erledigt hat. Ein in einem nach wirksamer Zuschlagserteilung eingeleitetem Nachprüfungsverfahren gestellter isolierter Feststellungsantrag ist unzulässig.
VolltextIBRRS 2024, 1211
VK Bund, Beschluss vom 21.02.2024 - VK 2-5/24
1. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten ist nicht schematisch, sondern nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Entscheidend ist, ob der jeweilige Beteiligte auch selbst in der Lage gewesen wäre, den Sachverhalt zu erfassen und das Gebotene zur zweckentsprechenden Rechtswahrung sinnvoll vor der Vergabekammer vorzubringen.
2. Der öffentliche Auftraggeber hat das materielle Vergaberecht zu beherrschen, so dass vom Auftraggeber grundsätzlich erwartet werden kann, dass er auch selbst in der Lage ist, das Nachprüfungsverfahren ohne anwaltlichen Beistand zu führen.
3. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts kann hingegen geboten sein, wenn sich im Nachprüfungsverfahren nicht einfach gelagerte Rechtsfragen stellen, insbesondere solcher verfahrensrechtlicher Natur oder solcher Art, die auf einer höheren Rechtsebene als der der Vergabeordnungen zu entscheiden sind.
4. Auch wenn das Nachprüfungsverfahren Pilotcharakter hat, ist eine Anwaltsbeauftragung nicht notwendig, wenn es in der Sache ausschließlich um die Frage der Losaufteilung geht.
IBRRS 2024, 1201
VK Westfalen, Beschluss vom 03.07.2023 - VK 1-19/23
1. Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 15.10.2010 - Verg 10/10, IBRRS 2010, 3175 = VPRRS 2010, 0272; Beschluss vom 03.08.2011 - Verg 6/11, IBRRS 2011, 3512 = VPRRS 2011, 0295; Beschluss vom 21.10.2015 - Verg 28/14 m.w.N, IBRRS 2015, 2918 = VPRRS 2015, 0355) hat wiederholt geurteilt, dass für die Antragsbefugnis allein das Vorhandensein eines Vergaberechtsverstoßes nicht ausreicht, sondern darüber hinaus muss der Bieter durch diesen Vergaberechtsverstoß auch tatsächlich in seinen Rechten gem. § 168 Abs. 1 GWB verletzt sein.*)
2. In der Rechtsprechung sind insoweit Aufgreifschwellen anerkannt, bei deren Erreichen eine Verpflichtung des Auftraggebers angenommen wird, in eine nähere Prüfung der Preisbildung des fraglichen Angebots einzutreten (BGH, IBR 2017, 209 = VPR 2017, 42), wobei der Senat in der Regel bei einem Preisabstand von 20 % zum nächstteureren Angebot eine solche Aufgreifschwelle annimmt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.08.2019 - Verg 56/18, NZBau 2020, 249 = IBR 2020, 151 = VPR 2020, 69; Beschluss vom 02.05.2018 - Verg 3/18, IBRRS 2019, 0362 = VPRRS 2019, 0029; Beschluss vom 25.04.2012 - Verg 61/11, IBR 2012, 530 = VPRRS 2012, 0205).*)
VolltextIBRRS 2024, 1116
VK Westfalen, Beschluss vom 21.02.2024 - VK 3-42/23
1. Obwohl ein Durchschnittsbieter, der an der Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung teilnimmt, um das nicht eindeutig festgelegte Auftragsvolumen nach § 21 Abs. 1 Satz 2 VgV und die damit verbundenen Ungewissheiten bei der Kalkulation wissen muss, ist für ihn nach einer zumindest laienhaft rechtlichen Bewertung nicht erkennbar im Sinne des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 3 GWB, dass die fehlende Angabe der Höchstmenge in rechtlicher Hinsicht einen Vergaberechtsverstoß darstellt. Die Rechtswidrigkeit ergibt sich erst aus einer Auslegung des Gleichheits- und des Transparenzgrundsatzes und begründet sich mit dem nicht zumutbaren und unüberschaubaren Risiko, das einer nicht begrenzten Rahmenvereinbarung immanent ist (EuGH, IBR 2021, 424 = VPR 2021, 113). Dies gilt jedenfalls deshalb, da ein Durchschnittsbieter den Vergabeverstoß nicht zufällig beim Studium der Vergabeunterlagen auffallen kann, da erst das Fehlen der Information den Vergabeverstoß begründet. Es bedarf mit anderen Worten rechtlicher Beratung und Auswertung der Vergabeunterlagen.*)
2. Ausgehend von Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz muss die Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung sowohl die Angabe der Schätzmenge und/oder des Schätzwerts als auch eine Höchstmenge und/oder einen Höchstwert sowie den Hinweis enthalten, dass die Rahmenvereinbarung ihre Wirkung verliert, wenn diese Menge oder dieser Wert erreicht ist (vgl. EuGH, IBR 2021, 424 = VPR 2021, 113, und hieran anknüpfend OLG Koblenz, IBR 2023, 360 = VPR 2023, 16; a. A. noch die am Wortlaut des § 21 VgV orientierte Rechtsprechung des KG, Beschluss vom 20.03.2020 - Verg 7/19, IBRRS 2020, 3836 = VPRRS 2020, 037, und der VK Bund, IBR 2020, 85 = VPR 2020, 24). Dies ist erforderlich, da der Bieter erst auf Grundlage dieser Schätzung seine Leistungsfähigkeit zur Erfüllung der Verpflichtungen aus der Rahmenvereinbarung beurteilen kann (vgl. EuGH, a.a.O.). Wäre der Höchstwert oder die Höchstmenge der Rahmenvereinbarung nicht angegeben oder die Angabe nicht rechtlich verbindlich, könnten sich öffentliche Auftraggeber zudem über diese Höchstmenge hinwegsetzen (vgl. EuGH, a.a.O.). Dann könnten Zuschlagsempfänger wegen Nichterfüllung der Rahmenvereinbarung vertraglich haftbar gemacht werden, wenn sie die von den öffentlichen Auftraggebern geforderten Mengen nicht leisten könnten, selbst wenn diese Mengen die Höchstmenge in der Bekanntmachung und/oder den Vergabeunterlagen überschreiten (vgl. EuGH, a.a.O.).*)
3. Ohne Angabe der Höchstmenge ist das Vergabeverfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht in den Stand vor Bekanntmachung zurückzuversetzen. Eine Korrektur des Verfahrensfehlers ist nur durch Überarbeitung der Bekanntmachung möglich. Denn bereits aus der Bekanntmachung muss sich für den Bieterkreis die Schätz- und Höchstmenge einer Rahmenvereinbarung ergeben, damit dieser seine Leistungsfähigkeit beurteilen und entscheiden kann, ob er an dem Vergabeverfahren teilnimmt (vgl. EuGH, IBR 2021, 424 = VPR 2021, 113).*)
IBRRS 2024, 0993
VK Südbayern, Beschluss vom 27.02.2024 - 3194.Z3-3_01-23-61
1. Aus dem Verweis in Art. 64 Abs. 6 Unterabs.1 Satz 1 Richtlinie 2014/24/EU auf die Anforderungen des Art. 60 der Richtlinie ergibt sich, dass die inhaltlichen Anforderungen an die Eignung und die zu erbringenden Nachweise für jeden Bieter grundsätzlich gleich sein müssen, unabhängig davon, ob dieser präqualifiziert ist oder nicht (Anschluss an OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.06.2022 - Verg 19/22, IBRRS 2022, 1970 = VPRRS 2022, 0149).*)
2. Angesichts der weit verbreiteten Praxis öffentlicher Auftraggeber, bei präqualifizierten Bietern den Nachweis ihrer Eintragung in das Präqualifikationsverzeichnis als hinreichenden Nachweis ihrer Eignung genügen zu lassen, muss ein präqualifizierter Bieter nicht erkennen, dass er zum Nachweis seiner Eignung vergleichbare Nachweise wie ein nicht-präqualifizierter Bieter einreichen muss.*)
3. Dies gilt insbesondere dann, wenn in der Auftragsbekanntmachung hinsichtlich der Mindestanforderungen an die Eignung auf das Formblatt 124 verlinkt wird, das ausdrücklich als "Eigenerklärung zur Eignung für nicht nicht-präqualifizierte Bieter" überschrieben ist und in den Bewerbungsbedingungen (Formblatt 212) ausdrücklich davon die Rede ist, dass präqualifizierte Unternehmen den Nachweis der Eignung für die zu vergebende Leistung durch den Eintrag ins Präqualifikationsverzeichnis führen (Abgrenzung zu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.06.2022 - Verg 19/22, IBRRS 2022, 1970 = VPRRS 2022, 0149).*)
4. Werden in einem Vergabeverfahren mehrere Fachgewerke zusammengefasst vergeben, darf nicht unklar bleiben, welche Leistungsbereiche die Präqualifikation eines Bieters umfassen muss und wie sich die Nachweisführung in jenen Fällen gestalten soll, in denen ein Bieter nur für einen Teil der einschlägigen Leistungsbereiche präqualifiziert ist.*)
IBRRS 2024, 0976
OLG Schleswig, Beschluss vom 28.03.2024 - 54 Verg 2/23
1. Der Bieter muss sich festlegen, welches Angebot er abgeben will. Die Zulassung von Alternativangeboten oder Angeboten, die unter eine Bedingung gestellt werden, ist vergaberechtswidrig.
2. Die Abgabe eines nicht zugelassenen Nebenangebots führt nur zum Ausschluss des Nebenangebots.
3. Eine Änderung der Vergabeunterlagen ist unzulässig. Eine solche Änderung liegt vor, wenn der Bieter manipulativ in die Vergabeunterlagen eingreift, indem er ein von den Vorgaben abweichendes Angebot macht, das bei einem Wegdenken der Abweichungen unvollständig bleibt.
4. Ein Ausschluss eines Angebots unter rein formalen Gesichtspunkten kommt nicht in Betracht. Etwaige Unklarheiten sind im Wege der Aufklärung zu beseitigen.
5. Ein manipulativer Eingriff in die Vergabeunterlagen durch den Bieter liegt vor, wenn er sein Angebot nicht auf die anzubietende Typenanzahl (hier: von Fahrzeugen) beschränkt, sondern unter Erweiterung des Kalkulationsblatts bzw. unter Hinzufügung einer zweiten Seite eine höhere Typenanzahl als gefordert anbietet.
6. Das Verfahren über die Nachforderung von Unterlagen ist, wie das gesamte Vergabeverfahren, zu dokumentieren. Verstöße gegen die Dokumentationspflicht kann ein Bieter als Rechtsverstöße rügen, wenn er durch sie benachteiligt wird.
7. Eine unterlassene Dokumentation kann geheilt werden. Das gilt allerdings nicht, wenn die Gefahr einer Manipulation der nachgereichten Dokumentation nicht ausgeschlossen werden kann.
8. Um sicherzustellen, dass die Aufhebung der Ausschreibung nicht zur Diskriminierung einzelner Bieter missbraucht werden kann, ist eine Aufhebung nur in engen Grenzen zulässig. Die Annahme eines Aufhebungsgrunds setzt voraus, dass ein Umstand nachträglich eingetreten ist oder dem Auftraggeber anfänglich nicht bekannt sein konnte und der Auftraggeber diesen Umstand nicht zu vertreten hat.
IBRRS 2024, 0922
BayObLG, Beschluss vom 26.03.2024 - Verg 12/23
1. Die Gebührenfestsetzung der Vergabekammer kann auch nach Rücknahme des Vergabenachprüfungsantrags isoliert mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden.
2. Die Vergabekammer bestimmt die Gebührenhöhe unter Berücksichtigung ihres Aufwands und der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache. Dabei ist dem Kostendeckungs- und dem Äquivalenzprinzip Rechnung zu tragen. Dem kann im Ausgangspunkt durch Anwendung der von den Vergabekammern des Bundes entwickelten Gebührentabelle Rechnung getragen werden.
3. Maßgeblich ist der Bruttoauftragswert gemäß dem Angebot des Antragstellers. Hat der Antragsteller kein Angebot abgegeben, kann der Wert des Verfahrensgegenstands auf Grundlage einer verantwortlichen Einschätzung des Auftraggebers bemessen werden.
4. Verlängerungsoptionen sind bei der Streitwertfestsetzung auch bei einer potenziellen Laufzeit von mehr als 48 Monaten zu berücksichtigen. Dafür ist - je nach Wahrscheinlichkeit der Ausübung - ein Abschlag vorzunehmen, der im Regelfall 50 Prozent beträgt.
VolltextIBRRS 2024, 0934
VK Bund, Beschluss vom 26.02.2024 - VK 2-11/24
1. Bei der Teilleistung "passive Schutzeinrichtung" handelt es sich um einen eigenständigen fachlichen Markt. Daher ist grundsätzlich ein Fachlos zu bilden.
2. Der Grundsatz der Fachlosvergabe besteht nicht ausnahmslos. Eine Gesamtvergabe ist erlaubt, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern.
3. Das Gebot der Losvergabe wiegt besonders schwer, wenn es um eine Fachlosvergabe geht. Denn bei Verzicht hierauf sind die interessierten Fachunternehmen weitgehend ausgeschlossen von einer eigenständigen Teilnahme am Vergabewettbewerb.
4. Die Möglichkeit, bei einer Gesamtvergabe nicht eigenständig am Vergabewettbewerb teilnehmen zu können, wird abgemildert, wenn der Auftrag rein wirtschaftlich betrachtet in jedem Fall bei den Fachunternehmen ankommt.
VolltextIBRRS 2024, 0967
OLG Schleswig, Beschluss vom 28.03.2024 - 54 Verg 9/23
1. Ob der Rechtsweg zu der Vergabekammer eröffnet ist, ist von Amts wegen zu prüfen. Eine unterlassene Rüge einer nationalen Ausschreibung statt einer unionsweiten Ausschreibung führt insoweit nicht zur Präklusion.*)
2. Wird ein Auftrag national statt unionsweit ausgeschrieben, kann ein drohender Schaden eines Bieters wegen eines weiteren Vergabefehlers nicht aus dem Grund ausgeschlossen werden, dass er wegen der fehlerhaften Ausschreibung den Zuschlag ohnehin nicht erhalten könnte, wenn er die unionsweite Ausschreibung weder erreichen kann noch will.*)
3. Die Natur eines Vertrags, mit dem Leistungen beschafft werden sollen, die verschiedenen Vertragsarten zugehören, richtet sich nach der Hauptleistung. Diese ist wertend unter Berücksichtigung aller Umstände zu bestimmen.*)
4. Ein Auftrag zur Erstellung eines Systems aus Sensoren zur Parkraumüberwachung und zur Überwachung von Besucherströmen ist kein Bauauftrag.*)
VolltextIBRRS 2024, 0917
VK Bund, Beschluss vom 21.02.2024 - VK 2-9/24
1. Bei der Teilleistung "passive Schutzeinrichtung" handelt es sich um einen eigenständigen fachlichen Markt. Daher ist grundsätzlich ein Fachlos zu bilden.
2. Der Grundsatz der Fachlosvergabe besteht nicht ausnahmslos. Eine Gesamtvergabe ist erlaubt, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern.
3. Erhöhte Unfallgefahren im Baustellenbereich, volkswirtschaftliche Nachteile infolge von Zeitverlust durch Staugeschehen und ökologische Nachteile durch vermehrte staubedingte Emissionen können eine Gesamtvergabe rechtfertigen.
Online seit März
IBRRS 2024, 0915VK Bund, Beschluss vom 29.02.2024 - VK 2-17/24
1. Bei der Teilleistung "Verkehrssicherung" handelt es sich um einen eigenständigen fachlichen Markt. Daher ist grundsätzlich ein Fachlos zu bilden.
2. Der Grundsatz der Fachlosvergabe besteht nicht ausnahmslos. Eine Gesamtvergabe ist erlaubt, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern.
3. Erhöhte Unfallgefahren im Baustellenbereich, volkswirtschaftliche Nachteile infolge von Zeitverlust durch Staugeschehen und ökologische Nachteile durch vermehrte staubedingte Emissionen können eine Gesamtvergabe rechtfertigen.
VolltextIBRRS 2024, 0905
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.01.2022 - Verg 30/21
1. Nur wesentliche Änderungen eines öffentlichen Auftrags während der Vertragslaufzeit erfordern ein neues Vergabeverfahren.
2. Eine Änderung eines öffentlichen Auftrags ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens ist jedenfalls dann zulässig, wenn sich der Gesamtcharakter des Auftrags, der Wert der Änderungen die jeweiligen Schwellenwerte nicht übersteigt und bei Bauaufträgen nicht mehr als 15% des ursprünglichen Auftragswerts beträgt.
3. Die Auftragsänderung darf auch nicht zu einer Veränderung des Gesamtcharakters des Auftrags führen. Eine Veränderung des Gesamtcharakters liegt vor, wenn die zu beschaffenden Bauleistungen durch andersartige Leistungen ersetzt werden oder sich die Art der Beschaffung grundlegend ändert.
IBRRS 2024, 0900
VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 29.09.2023 - VK-SH 13/23
Der Umstand, dass eine Körperschaft des öffentlichen Rechts einen (Bau-)Auftrag europaweit öffentlich ausgeschrieben hat, führt nicht zur Eröffnung des Rechtswegs zu den Vergabenachprüfungsinstanzen, wenn die ausschreibende Stelle - wie etwa eine Handwerkskammer - kein öffentlicher Auftraggeber i. S. des § 98 GWB ist.
VolltextIBRRS 2024, 0891
VK Bund, Beschluss vom 16.02.2024 - VK 2-7/24
Sind für die Kalkulation des Stundenverrechnungssatzes nach den Vergabeunterlagen die "zum 01.01.2023 geltenden Sozialversicherungsbeiträge" anzusetzen, ist das Angebot eines Bieters, das nicht die korrekten Sozialversicherungsbeiträge enthält, weil die entsprechenden Spalten mit 0,00 % ausgefüllt wurden, zwingend vom Vergabeverfahren auszuschließen.
VolltextIBRRS 2024, 0818
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 24.10.2023 - 3 VK 5/23
1. Für eine Konzession ist ein Beschaffungsbezug erforderlich. Ein ausschreibungspflichtiger Beschaffungsvorgang liegt nur vor, wenn die Gegenleistung den öffentlichen Auftraggeber bei der Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben unterstützt. Der Private erbringt die Dienstleistung anstelle der öffentlichen Hand unter ihrer Aufsicht.
2. Bei reinen Miet- und Pachtverträgen beschafft die öffentliche Hand nichts, sondern bietet selbst eine Leistung an und verwertet eigenes Vermögen.
VolltextIBRRS 2024, 0803
VK Bund, Beschluss vom 07.12.2023 - VK 2-82/23
1. Eine Wertungsmethode, nach der das Angebot mit der höchsten Punktzahl fünf Punkte und das Angebot mit der niedrigsten Punktzahl null Punkte erhält, ist vergaberechtswidrig, weil generell nicht auszuschließen ist, dass das für die Zuschlagserteilung maßgebende beste Preis-Leistungs-Verhältnis jedenfalls dann nicht korrekt ermittelt werden kann, wenn nur zwei Angebote vorliegen.
2. Erkennbare Vergaberechgerechtsverstöße sind zu rügen. Erkennbar sind solche Verstöße, die von einem durchschnittlichen Unternehmen des angesprochenen, mithin fachkundigen, Bieterkreises bei üblicher Sorgfalt und üblichen Kenntnissen erkannt werden können.
3. Einer üblichen Sorgfalt und üblichen Kenntnissen entspricht es jedenfalls, dass ein Bieter die für die Kalkulation seines Angebots relevanten Vorgaben der Vergabeunterlagen zur Kenntnis nimmt und aufmerksam aufarbeitet. Dazu gehört die Befassung mit den für die Zuschlagserteilung relevanten Vorgaben.
4. Dass Wertungskriterien hinreichend bestimmt und diskriminierungsfrei sein müssen, damit Angebote vergleichbar sind und kalkuliert werden können, ist ein durchschnittlichen Bietern allgemein bekannter vergaberechtlicher Grundsatz.
5. Geht es im Vergabenachprüfungsverfahren um die korrekte Anwendung der vom Auftraggeber vorgegebenen Wertzungskriterien und damit um Fragen der Anwendung des Vergaberechts, die zum originären Aufgabenkreis des Auftraggebers als Vergabestelle gehören, ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht notwendig.
VolltextIBRRS 2024, 0794
VK Bund, Beschluss vom 14.12.2023 - VK 2-94/23
Eine Sicherheitsüberprüfung nach dem SÜG kann unabhängig von einer konkreten Zuschlagserteilung erst im Hinblick auf den infolge Zuschlags konkretisierten Auftragnehmer bzw. dessen Personal erfolgen, nicht aber für alle am Vergabeverfahren beteiligten Bieter.
VolltextIBRRS 2024, 0768
VK Bund, Beschluss vom 02.02.2024 - VK 2-98/23
1. Muss eine der drei geforderten Referenzen eine Leistungserbringung gegenüber einem öffentlichen Auftraggeber betreffen und benennt der Bieter keine Referenz, die auf den ersten Blick und zweifelsfrei keine Referenz eines öffentlichen Auftraggebers darstellt, muss die Vergabestelle die Auftraggebereigenschaft der als Referenz benannten Stelle prüfen und dies dokumentieren.
2. Bei der Wertung der Angebote nach "Schulnoten" ist der Wertungsprozess eingehend und angemessen zu dokumentieren.
IBRRS 2024, 0762
VK Thüringen, Beschluss vom 02.06.2023 - 4003-407-2022-E-008-SLF
1. Die Wertung der Angebote hat anhand der mit der Bekanntmachung und in den Vergabeunterlagen bekannt gegebenen Zuschlagskriterien, Unterkriterien und Gewichtungsregeln bzw. Bewertungsgrundsätze und Bewertungsmethoden zu erfolgen.
2. Bei der Bewertung von Einzelpositionen bzw. der Vergabe von Punkten/Noten besitzt der Auftraggeber einen weiten Beurteilungsspielraum. Das bedeutet, dass die Bewertungen letztlich nicht einer absoluten Richtigkeitskontrolle zugänglich sind. Die Wertungsentscheidungen müssen jedoch willkürfrei in Anwendung der mitgeteilten Zuschlags- und Unterkriterien getroffen werden.
3. Ein Bieter ist nicht dazu verpflichtet, nach erhobener Rüge eine Stillhaltefrist bis zur Einreichung des Nachprüfungsantrags einzuhalten. Das gilt auch in den Fällen, in denen noch kein unmittelbarer Zuschlag droht und der Auftraggeber noch Zeit hat, sich mit der Rüge auseinander zu setzen und ihr gegebenenfalls abzuhelfen.
VolltextIBRRS 2024, 0753
VK Thüringen, Beschluss vom 07.02.2023 - 4003-398-2022-E-005-GTH
1. Beabsichtigt der Auftraggeber, das antragstellende Unternehmen auszuschließen, und hat er über den Ausschluss eines weiteren Unternehmens noch nicht entschieden, ist das Vergabeverfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht des Auftraggebers mindestens in den Stand vor Prüfung und Wertung zurückzuversetzen.*)
2. Lassen die Vergabeunterlagen bei Umlaufzeiten keine Toleranzen zu, führt jede Überschreitung zum Ausschluss.*)
3. Allein die Teilnahme an einem Vergabeverfahren durch Abgabe eines Angebots ändert nichts an dem Nachweis der Verfügbarkeit, sodass ein Unternehmen sich auch in einem parallelen Verfahren auf die gleichen Mittel und Kapazitäten berufen kann.*)
IBRRS 2024, 0746
VK Thüringen, Beschluss vom 10.05.2023 - 4002-812-2023-E-003-SM
1. Offenkundige Rechen- oder Schreibfehler, die schon ihrem Erklärungsinhalt nach keine inhaltlichen Änderungen der Vergabeunterlagen darstellen, sind keine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen.
2. Bei offenkundigen und marginalen Eintragungsfehler kann der öffentliche Auftraggeber, soweit das möglich ist, die notwendigen Berichtigungen selbst vornehmen.
IBRRS 2024, 0740
OLG Schleswig, Beschluss vom 08.02.2024 - 54 Verg 7/23
1. Eine Handwerkskammer ist zwar eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, aber kein öffentlicher Auftraggeber i.S.d. § 99 Nr. 2 GWB, da sie keiner qualifizierten staatlichen Einflussnahmemöglichkeit unterliegt.
2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung der "überwiegenden Subventionierung" i.S.v. § 99 Nr. 4 GWB ist der Zeitpunkt der Ausschreibung. Auf spätere Auszahlungen kommt es nicht an.
VolltextIBRRS 2024, 0733
VK Thüringen, Beschluss vom 01.11.2023 - 4003-418-2023-E-001-SHK
Ein Bieter, der auf einem wirtschaftlich aussichtslosen Rang liegt, hat keine Antragsbefugnis, weil er selbst mit begründeten Einwendungen gegen den Zuschlagsprätendanten nicht erreichen wird, dass er selbst eine aussichtsreiche Chance auf den Zuschlag erhalten würde.
VolltextIBRRS 2024, 0721
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 07.04.2022 - 3 VK 1/22
Wird die Leistung vom Auftraggeber nicht eindeutig beschrieben, führen Verstöße gegen interpretierbare, missverständliche oder mehrdeutige Angaben nicht zum Angebotsausschluss. Dies gilt auch, wenn die Bewertung des Preises mit Formularen erfolgt, deren Text nicht so zueinander passt, dass die Übertragung von einem Formular in das nächste zweifelsfrei nachzuvollziehen ist.
VolltextOnline seit Februar
IBRRS 2024, 0709VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 19.05.2022 - 3 VK 3/22
1. An die Rüge eines Bieters in einem Vergabeverfahren sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt, dass der Bieter deutlich macht, dass er in einem bestimmten Sachverhalt einen Vergaberechtsverstoß sieht und Abhilfe erwartet.
2. Die Rüge eines Bieters ist an keine bestimmte Form gebunden. Die Vorschriften über die sog. "eVergabe" beziehen sich nur auf das Vergabeverfahren. Als Teil des Rechtsmittelverfahrens ist die Rüge nicht dem Vergabeverfahren zuzurechnen.
3. Eine über den Messangerdienst "WhatsApp" versendete Nachricht kann die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rüge erfüllen.
VolltextIBRRS 2024, 0703
BayObLG, Beschluss vom 21.02.2024 - Verg 5/23
Nach der Kündigung des ursprünglichen Auftragnehmers sind noch offene Restleistungen erneut öffentlich auszuschreiben. Eine Direktvergabe ist nicht zulässig.
IBRRS 2024, 0702
VK Südbayern, Beschluss vom 28.02.2023 - 3194.Z3-3_01-22-41
Nach der Kündigung des ursprünglichen Auftragnehmers sind noch offene Restleistungen erneut öffentlich auszuschreiben. Eine Direktvergabe ist nicht zulässig.
VolltextIBRRS 2024, 0698
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 23.06.2022 - 3 VK 4/22
1. Für die Beantwortung der Frage der Angemessenheit eines Angebots ist entscheidend, ob der betreffende Bieter zum angebotenen Preis voraussichtlich ordnungsgemäß und vertragsgerecht wird leisten können. Dies ist eine Prognoseentscheidung.
2. Bei einer Überprüfung wird dem betroffenen Bieter im Wege eines Aufklärungsverlangens Gelegenheit gegeben, die Seriosität seiner Kalkulation zu erläutern. Diese Erläuterungen können sich auch darauf beziehen, ob der betreffende Bieter versuchen könnte, durch möglichst viele Nachträge Kompensation zu erhalten.
3. Erläutert ein Bieter seine Einheitspreise für die Verlegungen von Stromleitungen damit, dass nach der Ausschreibung von vorhandenen Kabeltrassen auszugehen und seine technologischen Abläufe würden das Verlegen von bis zu vier Leitungen gleichzeitig ermöglichen, muss der Auftraggeber diese Argumentation prüfen und den Der Sachverhalt vollständig zu Ende ermitteln.
Volltext