Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Hervorzuhebende Urteile zum Sachverständigenrecht
Folgende wichtige Entscheidungen wurden ab dem 29.11.2022 im Volltext bei ibr-online eingestellt
Online seit gestern
IBRRS 2024, 0909OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.11.2022 - 13 W 43/22
1. Der gerichtlich beauftragte Sachverständige handelt nicht im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrags. Seine Vergütung bezieht sich nicht auf ein Werk, sondern auf seine Tätigkeit als Gehilfe des Gerichts.
2. Sachliche Richtigkeit und Überzeugungskraft eines Sachverständigengutachtens sind kein Maßstab für die Vergütung der Tätigkeit des Sachverständigen. Es kommt lediglich darauf an, dass diese Leistung überhaupt erbracht worden ist, nicht aber darauf, wie das Gericht oder die Parteien das Gutachten inhaltlich beurteilen.
3. Der Vergütungsanspruch des Sachverständigen ist ausnahmsweise zu versagen, wenn das Gutachten wegen objektiv feststellbarer Mängel unverwertbar ist und das Gutachten deshalb im Prozess auch tatsächlich unberücksichtigt bleibt.
VolltextOnline seit 18. März
IBRRS 2024, 0836OLG Dresden, Beschluss vom 23.02.2024 - 4 W 26/24
Lücken oder Unzulänglichkeiten in dessen schriftlichen Gutachten oder Bedenken gegen dessen Sachkunde können regelmäßig die Unparteilichkeit des Sachverständigen nicht in Frage stellen und rechtfertigen die Besorgnis der Befangenheit nicht.*)
VolltextOnline seit 13. Februar
IBRRS 2024, 0564BGH, Urteil vom 05.12.2023 - VI ZR 34/22
1. Gemäß § 412 Abs. 2 ZPO kann das Gericht die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist. In diesem Fall darf ungeachtet des Wortlauts des § 412 Abs. 2 ZPO ("kann") das Gutachten des abgelehnten Sachverständigen grundsätzlich nicht mehr verwertet werden.*)
2. Die erfolgreiche Ablehnung des Sachverständigen steht der Verwertbarkeit seines Gutachtens jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Partei, die sich auf die Befangenheit des Sachverständigen beruft, den Ablehnungsgrund in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert hat und gleichzeitig kein Anlass zu der Besorgnis besteht, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung seiner bisherigen Gutachten beeinträchtigt gewesen ist (Anschluss an BGH, IBR 2007, 530).*)
VolltextOnline seit 8. Februar
IBRRS 2024, 0504OLG Dresden, Beschluss vom 11.12.2023 - 4 W 772/23
Die Bewertung des Vortrags einer Partei als "Unsinn" durch einen gerichtlichen Sachverständigen rechtfertigt nur dann die Besorgnis der Befangenheit, wenn auch im Gesamtkontext der Begutachtung für eine verständige Partei die Schlussfolgerung naheliegt, dass dieser aufgrund einer vorgefassten Meinung von vorneherein nicht bereit ist, ihr Vorbringen überhaupt in Erwägung zu ziehen.*)
VolltextOnline seit 1. Februar
IBRRS 2024, 0428LSG Hamburg, Beschluss vom 24.11.2023 - L 3 VE 9/23 B D
1. Ein Gerichtssachverständiger hat auch dann Anspruch auf Vergütung, wenn er das Gutachten aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht fertigstellen konnte. Vergütungsfähig sind sämtliche Vorbereitungsarbeiten und alle erbrachten Teilleistungen. Ein weitergehender Entschädigungsanspruch besteht nicht.
2. Ein Sachverständiger muss in der Lage sein, das geforderte Gutachten auf seinem Fachgebiet zu erstatten. Ein Literaturstudium, das ihn erst in die Lage versetzt, das Gutachten zu erstellen, wird grundsätzlich nicht vergütet.
VolltextOnline seit 31. Januar
IBRRS 2024, 0419OLG Köln, Beschluss vom 13.12.2023 - 11 W 23/23
Nimmt ein Sachverständiger an einer sog. Expertenbefragung des Privatgutachters einer Partei zur Ermittlung des merkantilen Minderwerts teil, kann dies in einem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren, in welchem er als Gerichtsgutachter bestellt ist, aus Sicht der Gegenpartei die Besorgnis der Befangenheit begründen.*)
Online seit 2023
IBRRS 2023, 2670OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.08.2022 - 15 U 83/19
1. Die Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen i.S.d. § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO kann gegeben sein, wenn der Sachverständige seinen Gutachtenauftrag überschreitet und zudem das sonstige Verhalten des Sachverständigen eine parteiliche Tendenz zu Gunsten oder zu Lasten einer Partei erkennen lässt. Maßgeblich sind stets die Umstände des jeweiligen Einzelfalls.*)
2. Überschreitet der Sachverständige (...) seinen Gutachtenauftrag (...) und verwendet er darüber hinaus gegenüber einer Partei bzw. deren Prozessbevollmächtigten in seinem schriftlichen Gutachten an mehreren Stellen Formulierungen, die für sich genommen und/oder in der Gesamtschau überflüssig, unangemessen, unsachlich und abwertend sind, kann dies die Befürchtung wecken, der Sachverständige trete der Partei nicht unparteilich und neutral gegenüber.*)
VolltextIBRRS 2023, 2594
OLG Celle, Beschluss vom 07.08.2023 - 14 W 24/23
Die eigenmächtige Ausdehnung des Beweisbeschlusses auf bis dahin im Prozess nicht aufgeworfene Fragen rechtfertigt die Ablehnung des gerichtlich bestellten Sachverständigen insbesondere dann, wenn sich der Sachverständige dabei gleichsam in die Position des Gerichts begibt und einseitig begünstigende Ausführungen macht (hier zu Gunsten der klagenden Partei).*)
VolltextIBRRS 2023, 2434
OLG Bamberg, Urteil vom 20.04.2023 - 12 U 27/22
1. Die Vorschrift des § 6 Abs. 2 Satz 2 Sachverständigenverordnung Wasser (VPSW) stellt ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB dar.
2. Private Sachverständige in der Wasserwirtschaft dürfen keine Gutachten erstellen, Abnahmen durchführen oder Bescheinigungen ausstellen, wenn sie am Verkauf, an der Planung, Herstellung, Errichtung, dem Betrieb oder an der Wartung der Anlage beteiligt waren oder ein Unternehmen, bei dem sie tätig sind, daran mitgewirkt hat oder beteiligt war.
3. Zur Höhe des Schadensersatzanspruchs gegen einen privaten Sachverständigen, der gegen § 6 Abs. 2 VPSW verstößt.
VolltextIBRRS 2023, 2058
LG Potsdam, Beschluss vom 28.04.2023 - 6 OH 11/21
1. Den gerichtlich bestellten Sachverständigen trifft eine Kostenbeobachtungspflicht. Er hat rechtzeitig darauf hinzuweisen, wenn voraussichtlich Kosten erwachsen, die erkennbar einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen. Er muss im Verlauf der Begutachtung auftretende kostenträchtige Umstände anzeigen und eine Kostenvorschussanforderung veranlassen.
2. Der Sachverständige hat seine Kostenbeobachtungspflicht nicht verletzt, wenn seine in Rechnung gestellte Gesamtvergütung den gedeckten Kostenvorschuss nicht erheblich übersteigt.
3. Eine erhebliche Übersteigung des angeforderten Kostenvorschusses liegt in der Regel vor, wenn die Kosten den eingezahlten Kostenvorschuss um 20% bis 25% übersteigen. Unterhalb dieser Schwelle besteht keine relevante Anzeigepflicht, so dass eine Kürzung der Sachverständigenvergütung erst oberhalb dieser Grenze in Betracht kommt.
VolltextIBRRS 2023, 1953
OLG Köln, Beschluss vom 12.06.2023 - 5 W 16/23
1. Geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Sachverständigen zu rechtfertigen, sind nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, dieser stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber.
2. Wird der Sachverständige zur mündlichen Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens geladen, um Fragen der Prozessbeteiligten zu beantworten, ist die Beantwortung einer das Beweisthema überschreitenden Frage nicht geeignet, aus der Sicht eines verständigen Prozessbeteiligten Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen zu begründen.
VolltextIBRRS 2023, 1804
OLG Dresden, Beschluss vom 05.06.2023 - 4 W 316/23
Die Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen folgt nicht daraus, dass dieser nicht von sich aus mitteilt, dass er zwischenzeitlich in den Ruhestand getreten ist. Hieraus gegebenenfalls resultierende Bedenken gegen den Inhalt des Gutachtens sind im Instanzenzug geltend zu machen.
VolltextIBRRS 2023, 1570
OLG München, Beschluss vom 05.05.2023 - 31 W 259/23
1. Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen können auch dadurch begründet sein, wenn seine Feststellungen über die durch den Beweisbeschluss vorgegebenen Beweisfragen hinausgehen und vom Auftrag nicht erfasste Fragen beantworten.
2. Hiervon ist regelmäßig auszugehen, wenn der Sachverständige bei der Gutachtenerstellung eigenmächtig über die ihm durch den Beweisbeschluss und den Gutachtenauftrag gezogenen Grenzen hinausgeht und sich daraus eine parteiliche Tendenz zu Gunsten oder zu Lasten einer Partei ergibt oder aber den Prozessbeteiligten in unzulässiger Weise den von ihm für richtig gehaltenen Weg zur Entscheidung des Rechtsstreits weist.
3. Nicht jede Überschreitung des Gutachtenauftrags rechtfertigt bereits die Besorgnis der Befangenheit. Vielmehr ist insoweit eine Entscheidung nach Lage des Einzelfalls zu treffen.
VolltextIBRRS 2023, 1409
OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.05.2023 - 17 W 41/22
Erhebliche Gründe, die eine Verlängerung der Frist zur Stellungnahme gem. § 224 Abs. 2 ZPO rechtfertigen sollen, sind grundsätzlich in der Antragsschrift glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung hat schriftlich zu erfolgen. Eine darüberhinausgehende Beweisaufnahme kommt nicht in Betracht (hier: Befangenheitsgesuch innerhalb der Frist nach § 411 Abs. 4 ZPO).*)
VolltextIBRRS 2022, 3788
OLG Frankfurt, Urteil vom 04.03.2022 - 21 U 44/20
Ein Maßstab für eine vertraglich nicht näher ausgestaltete technische Abnahme ergibt sich aus § 641a BGB a.F. Danach sind primär gerügte Mängel zu überprüfen. Im Übrigen obliegt es dem Sachverständigen lediglich, sichtbare Mängel zu beanstanden, d. h. solche Mängel, die beim Ortstermin im Rahmen einer Sichtabnahme vergleichbarer Werke erkennbar sind.
VolltextIBRRS 2023, 1031
LG Regensburg, Urteil vom 23.01.2023 - 2 HK O 808/22
1. Ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger soll Werbung für seine Tätigkeit als Sachverständiger von sonstigen gewerblichen und Berufstätigkeiten trennen.
2. Der Verbraucher darf erwarten, dass der Sachverständige auch tatsächlich seiner Bezeichnung entsprechend bestellt ist bzw. seine Bezeichnung auch nur entsprechend seiner Bestellung führt.
3. Durch die Nichtangabe des Bestellungsgebiets wird beim Verbrauch der irrige Eindruck erweckt, dass der Sachverständige für sämtliche Tätigkeitsgebiete, die er anspricht, auch öffentlich bestellt und vereidigt ist. Ist das tatsächlich nicht der Fall, liegt eine irreführende Werbung vor.
VolltextIBRRS 2023, 0963
OLG Brandenburg, Beschluss vom 07.03.2023 - 10 W 3/23
Ergibt sich aus dem Inhalt des Beweisbeschlusses auch für die Parteien, dass dem beauftragten Sachverständigen für einen Teil des Auftrags die erforderliche Sachkunde fehlt und ihn Gericht und Parteien dennoch weiterarbeiten lassen, liegt keine schuldhafte Verletzung der Hinweispflicht vor; vielmehr müssen sich die Beteiligten so behandeln lassen, als ob sie mit den Kenntnissen, den Fähigkeiten und der Arbeitsweise des Sachverständigen einverstanden sind.
VolltextIBRRS 2023, 0921
LG Darmstadt, Beschluss vom 16.12.2022 - 13 OH 101/16
Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn die Art und Weise der Abarbeitung des Gutachtenauftrags insbesondere angesichts der Dauer der Bearbeitung und des schlussendlich vorgelegten Ergebnisses objektiv schlechthin unvertretbar erscheint und subjektiv den Anschein einer auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung erwecken kann, wenn sich die verzögerte Bearbeitung so sehr von dem normalerweise üblichen Verfahren entfernt hat, dass diese den Schluss nahelegt, dem Sachverständigen sei das nachvollziehbare Interesse einer Partei an der Auseinandersetzung mit ihren Einwänden und einer zeitnahen Beendigung des Verfahrens gleichgültig.*)
VolltextIBRRS 2023, 0890
OLG Brandenburg, Beschluss vom 22.11.2022 - 2 W 21/22
1. Sachverständige erhalten als Vergütung ein Honorar für ihre Leistungen. Hierzu gehören grundsätzlich noch nicht Aufwände zur Prüfung, ob er zu ihrer Erbringung überhaupt in der Lage ist oder ob mögliche Ablehnungsgründe bestehen können.
2. Eine Ausnahme wird für den Fall anerkannt, dass ein Sachverständiger sich für diese Prüfung intensiv mit den Gerichtsakten beschäftigt und dafür erhebliche Zeit aufwendet; die Grenze wird hier bei einer Stunde gesehen.
3. Die für die Vorprüfung aufgewandte Zeit kann jedenfalls nur dann ein erstattungsfähiges Honorar des Sachverständigen begründen, wenn sie "erforderlich" war. Daran fehlt es, wenn schon aus dem Beweisbeschluss oder der Klageschrift ohne Schwierigkeiten erkennbar ist, dass die Beweisfrage außerhalb seines Fachgebiets liegt.
VolltextIBRRS 2023, 0785
OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.06.2022 - 3 W 26/22
Gehören sowohl der gerichtlich bestellte Sachverständige als auch der Geschäftsführer einer der Parteien oder eines Streithelfers einem aus nur wenigen Mitgliedern bestehenden Arbeitskreis eines Verbandes an, der gerade zu derjenigen Materie ins Leben gerufen wurde, die der Sachverständige im Streitfall begutachten soll, so ist diese längerfristige fachliche Verbundenheit aus Sicht der anderen Partei geeignet, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu wecken.*)
VolltextIBRRS 2023, 0314
LSG Thüringen, Beschluss vom 16.12.2022 - L 1 JVEG 550/22
1. Der Sachverständige muss seinen Vergütungsanspruch innerhalb der Frist von drei Monaten vollständig beziffern.*)
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG muss eine aus sich heraus verständliche Darstellung der Umstände enthalten, auf welche Weise und durch wessen Verschulden die Drei-Monats-Frist versäumt wurde.*)
VolltextOnline seit 2022
IBRRS 2022, 3491LG Fulda, Beschluss vom 22.11.2022 - 4 OH 13/22
Zur Beurteilung komplexer bautechnischer Fragestellungen, die eine besondere Sachkunde des Sachverständigen erfordern, ist nach § 13 Abs. 2 Satz 2 JVEG eine Erhöhung des Regelstundensatzes auf 155 Euro netto möglich.
VolltextIBRRS 2022, 3546
OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.10.2022 - 12 W 32/22
1. Der Sachverständige wird nur in Höhe des Auslagenvorschusses vergütet, wenn die Vergütung den angeforderten Auslagenvorschuss erheblich übersteigt und der Sachverständige nicht rechtzeitig auf diesen Umstand hingewiesen hat.
2. Eine erhebliche Überschreitung ist regelmäßig bei einer Differenz von mehr als 20% gegeben. Darauf, ob die Partei bei einem rechtzeitigen Hinweis in Kenntnis der durch die Begutachtung entstehenden Kosten vom Beweisantritt Abstand genommen hätte, kommt es nicht an.
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