Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Aktuelle Urteile in allen Sachgebieten
Online seit 7. Mai
IBRRS 2025, 1085
LG Darmstadt, Urteil vom 14.03.2025 - 19 O 271/23
1. Die Verzugspauschale aus § 288 Abs. 5 BGB fällt auch dann mehrfach an, wenn eine Forderungsmehrheit einheitlich verfolgt wird.*)
2. Bei periodisch entstehenden Forderungen wie dem Mietzins entsteht die Verzugspauschale mit jeder einzelnen Forderung neu.
3. Es stellt kein wesentliches Merkmal eines "echten" Mietvertrags dar, auf welche Weise der Mietzins bezahlt wird. Sei es in bar, durch Überweisung oder durch Verrechnung oder gar nicht.
4. Beruht die fehlende Nutzbarkeit der Mietsache auf dem Verhalten des Mieters, so entbindet ihn dies nicht von der Pflicht, die Miete zu zahlen.
5. Wer sich auf das Vorliegen eines Scheingeschäfts beruft, trägt die Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass die Erklärungen nur zum Schein abgegeben worden sind.
6. Das Gericht kann sich die Überzeugung vom Vorliegen bestimmter Tatsachen auch aufgrund von Indizien oder Hilfstatsachen bilden. Dabei darf sich das Gericht allerdings nur auf solche Indizien stützen, die unstreitig oder bewiesen, also sicher festgestellt sind.

IBRRS 2025, 1208

OLG Frankfurt, Urteil vom 04.11.2024 - 13 U 148/23
1. Regelungen des Rechts der Bruchteilseigentümer sind durch Beschlussfassung möglich und diese haben grundsätzlich keinen besonderen Formvorschriften zu genügen.
2. Jeder Teilhaber ist aber - wenn er nicht gerade unerreichbar ist und die Beschlussfassung einen Aufschub nicht duldet - vor dem Beschluss wenigstens zu hören.
3. Wird in einer Versammlung beschlossen, so müssen alle Teilhaber im Rahmen des praktisch Möglichen und Zumutbaren Gelegenheit zur Teilnahme erhalten.
4. Soll nur eine vorläufige Regelung beschlossen werden, so muss der Beschluss insbesondere Angaben zu dem Zeitraum, für den die Regelung gelten soll, enthalten.
5. Eingriffe in ein Bruchteilseigentum können nach § 1004 Abs. 1 BGB abgewehrt werden.
6. In der Regel begründet die vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr, an deren Widerlegung durch den Störer hohe Anforderungen zu stellen sind.

IBRRS 2025, 1211

BGH, Beschluss vom 24.04.2025 - III ZB 12/24
1. Der Rechtsanwalt hat die vom Justizserver generierten Eingangsbestätigungen für die von ihm übermittelten fristgebundenen Schriftsätze abzurufen und zu kontrollieren und damit den Übermittlungsvorgang insgesamt abzuschließen. Allerdings bleibt es seiner eigenen Arbeitsorganisation überlassen, wann er dies tut, sofern er nicht wiederum durch die Wahl dieses Zeitpunkts die anwaltliche Sorgfalt verletzt.
2. Der Rechtsanwalt hat auch bei der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen per beA Verzögerungen beispielsweise durch eine Vielzahl vor Mitternacht eingehender und vom System zu verarbeitender Nachrichten, Software-Updates oder Schwankungen bei der Internetverbindung ausreichend einzukalkulieren (hier bejaht für einen "Sicherheitszuschlag" von 55 Minuten).
3. Eine Fehlfunktion technischer Einrichtungen entlastet den Rechtsanwalt nur dann, wenn die Störung plötzlich und unerwartet aufgetreten ist und weder durch regelmäßige Wartungen der Geräte hätte verhindert werden können noch auf einem Bedienfehler beruht. Dies ist substantiiert und nachvollziehbar vorzutragen und glaubhaft zu machen, wobei außer der Art des Defekts und der Maßnahmen zu seiner Behebung auch dargelegt werden muss, dass die Fristwahrung nicht auf anderem Wege - also im elektronischen Rechtsverkehr durch eine zulässige Ersatzeinreichung etwa per Telefax - möglich war.

IBRRS 2025, 1174

KG, Beschluss vom 16.04.2025 - 2 UH 12/25
1. Negative Kompetenzkonflikte zwischen Spruchkörpern eines Gerichts - vorliegend der Kammer für Handelssachen und der Insolvenzkammer - sind analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO durch das im Rechtszug übergeordnete Gericht zu entscheiden.*)
2. Klagen über Haftungsansprüche aus § 64 Satz 1 GmbHG a.F. bzw. § 15b InsO aufgrund von Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife stellen eine Handelssache gem. § 95 Abs. 1 Nr. 4a GVG dar, für die die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen begründet ist.*)
3. Ein Verweisungsbeschluss, der objektiv willkürlich ist, d. h. bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist, entfaltet ausnahmsweise keine Bindungswirkung gem. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO, § 102 Satz 2 GVG.*)

IBRRS 2025, 1206

LG Frankfurt/Main, Beschluss vom 17.03.2025 - 2-13 T 7/25
Der Streitwert einer einstweiligen Verfügung, mit der ein Beschluss ausgesetzt wird, der eine Auftragserteilung zum Gegenstand hat, ist mit mindestens 50% des Werts der Hauptsache festzusetzen, da im Regelfall mit der Aussetzung das Angebot hinfällig wird.*)

Online seit 6. Mai
IBRRS 2025, 1178
KG, Urteil vom 09.09.2022 - 21 U 1015/20
1. Beruft sich der Auftragnehmer darauf, dass der in einem Bauvertrag vereinbarte Leistungsumfang nach Vertragsschluss einvernehmlich reduziert worden sei, muss er eine solche (mündliche) Abrede darlegen und beweisen. Insoweit kommt der Vertragsurkunde die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit zu.
2. Derjenige, der sich zu seinen Gunsten auf das Vorliegen von AGB beruft, muss darlegen und beweisen, dass die Vertragsbedingungen von seinem Vertragspartner gestellt worden sind. Eine Inhaltskontrolle findet nur zu Lasten des Verwenders statt.
3. Die Bestimmung in einem Architektenvertrag, wonach es für den Beginn der Gewährleistungsfrist u.a. auf die "Schlussabnahme durch die Baubehörde" ankomme, ist sowohl in AGB als auch in einer Individualvereinbarung dahin auszulegen, dass der Zeitpunkt der Schlussabnahmebegehung gemeint ist und nicht der Zeitpunkt, zu dem die Bauaufsichtsbehörde keine Beanstandungen mehr hinsichtlich der Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften erhebt.
4. Die bloße, auf einer Verletzung der Bauüberwachungspflicht des Architekten beruhende Unkenntnis von Baumängeln löst keine sog. Sekundärhaftung aus. Die Sekundärhaftung kann vielmehr nur an die Verletzung der bestehenden Pflicht des Architekten anknüpfen, die Ursache bereits erkannter Mängel zu suchen und seinem Auftraggeber mitzuteilen.
IBRRS 2025, 1201

EuGH, Urteil vom 20.03.2025 - Rs. C-728/22
1. Die Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die Konzessionsvergabe ist dahin auszulegen, dass sie in zeitlicher Hinsicht auf Konzessionsverträge im Sinne ihres Art. 5 Abs. 1 Buchst. b anwendbar ist, die vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2014/23 vergeben, aber durch Gesetzesbestimmungen verlängert wurden, mit denen zulasten der betreffenden Konzessionsnehmer im Gegenzug erstens eine Verpflichtung zur Zahlung einer monatlichen Gebühr eingeführt wurde, die anschließend erhöht wurde, zweitens den betreffenden Konzessionsnehmern die Verlegung ihrer Räumlichkeiten untersagt wurde sowie drittens eine Verpflichtung zulasten der betreffenden Konzessionsnehmer eingeführt wurde, diesen Verlängerungen zuzustimmen, um an jedwedem zukünftigen Verfahren zur Neuvergabe dieser Konzessionen teilnehmen zu dürfen, sofern diese Gesetzesbestimmungen selbst nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2014/23 in Kraft getreten sind. In einer solchen Situation sind die Art. 49 und 56 AEUV dahin auszulegen, dass sie keine Anwendung finden.*)
2. Art. 43 der Richtlinie 2014/23 ist dahin auszulegen, dass er einer Befugnis des nationalen Gesetzgebers entgegensteht, durch Gesetzesbestimmungen, die nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2014/23 in Kraft getreten sind, einseitig die Laufzeit von Dienstleistungskonzessionen zu verlängern und dabei im Gegenzug erstens eine pauschal festgesetzte Gebühr zu erhöhen, die von allen betroffenen Konzessionsnehmern umsatzunabhängig geschuldet wird, zweitens ein Verbot der Verlegung ihrer Räumlichkeiten aufrechtzuerhalten sowie drittens eine Verpflichtung beizubehalten, nach der diese Konzessionsnehmer diesen Verlängerungen zustimmen müssen, um an jedwedem zukünftigen Verfahren zur Neuvergabe dieser Konzessionen teilnehmen zu dürfen, sofern diese Änderungen, in ihrer Gesamtheit betrachtet, nicht die Anwendungsvoraussetzungen von Art. 43 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2014/23 erfüllen.*)
3. Die Art. 5 und 43 der Richtlinie 2014/23 sind dahin auszulegen, dass sie einer Auslegung oder Anwendung innerstaatlicher gesetzlicher Vorschriften oder einer auf diesen Vorschriften beruhenden Anwendungspraxis nicht entgegenstehen, die dem öffentlichen Auftraggeber die Befugnis nimmt, auf Antrag eines Konzessionsnehmers, wenn Ereignisse, die den Parteien nicht zurechenbar sowie unvorhersehbar sind, sich wesentlich auf das Betriebsrisiko der Konzession auswirken, ein Verwaltungsverfahren zur Änderung der Ausführungsbedingungen der betreffenden Konzession einzuleiten, solange diese Voraussetzungen gegeben sind und dies erforderlich ist, um gegebenenfalls die ursprünglichen Ausführungsbedingungen dieser Konzession wiederherzustellen.*)

IBRRS 2025, 1034

OVG Niedersachsen, Urteil vom 13.03.2025 - 1 KN 82/23
1. Der in § 6a Abs. 1 BauNVO niedergelegten Zweckbestimmung des Urbanen Gebiets sind auch im Wege der Auslegung keine Tatbestandsmerkmale zu entnehmen, die auf das Erfordernis eines urbanen Charakters des festgesetzten Gebiets (etwa hinsichtlich Gemeindegröße, Verdichtung des Gebiets, Vorhandenseins von Einzelhandel und Gastronomie) hinauslaufen.*)
2. Zur Abwägungserheblichkeit des Interesses am Erhalt eines bereits reduzierten Freiraums in den rückwärtigen Grundstücksbereichen.*)

IBRRS 2025, 1200

LG München I, Urteil vom 25.10.2024 - 14 S 2770/24
1. Auch eine teilrechtsfähige (Außen-)GbR kann sich in entsprechender Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf den Eigenbedarf eines ihrer Gesellschafter oder dessen Angehörigen berufen.
2. Die Veräußerung i.S.v. § 577a Abs. 1 BGB erfasst alle rechtsgeschäftlich veranlassten Eigentumswechsel an dem gebildeten Wohnungseigentum und somit auch die Einbringung in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
3. Fristauslösend ist die erste Veräußerung, wobei der Zeitpunkt der Vollendung des Eigentumserwerbs maßgeblich ist.

IBRRS 2025, 1191

AG Fürstenfeldbruck, Urteil vom 14.03.2025 - 2 C 842/24
1. Lässt der Mieter den Vermieter trotz mehrfacher Abmahnungen nicht in die Wohnung, obwohl ein von der WEG beschlossener Fensteraustausch ansteht und ein Wasserschaden vorliegt, kann der Vermieter fristlos kündigen.
2. Allein das Alter des Mieters spricht nicht für eine Räumungsunfähigkeit des Mieters und einen Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses.
3. Der Umstand, dass infolge einer Herzinsuffizienz täglich Medikamente eingenommen werden müssen bedingt auch nicht ohne nähere Angaben eine Umzugsunfähigkeit.

IBRRS 2025, 1188

OVG Niedersachsen, Beschluss vom 28.04.2025 - 4 LA 12/23
1. Wie das herkömmliche papiergebundene Empfangsbekenntnis erbringt auch das von einem Rechtsanwalt elektronisch abgegebene Empfangsbekenntnis gegenüber dem Gericht den vollen Beweis für die Entgegennahme des Dokuments als zugestellt und für den Zeitpunkt dieser Entgegennahme.*)
2. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der in einem elektronisch abgegebene Empfangsbekenntnis enthaltenen Angaben ist zwar zulässig, setzt aber voraus, dass die Richtigkeit der Angaben im Empfangsbekenntnis nicht nur erschüttert, sondern vollständig entkräftet werden und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Angaben richtig sein können. Der Gegenbeweis ist nicht schon geführt, wenn lediglich die Möglichkeit der Unrichtigkeit besteht.*)

IBRRS 2025, 1173

OLG Hamm, Urteil vom 15.04.2025 - 4 U 77/24
Das Berufungsgericht kann im Falle eines unzulässigen Teilurteils, den im ersten Rechtszug anhängig gebliebenen Teil des Rechtsstreits - jedenfalls bei Sachdienlichkeit - auch ohne einen darauf gerichteten Antrag an sich ziehen und darüber mitentscheiden, soweit es erforderlich ist, um den Verfahrensfehler zu beseitigen.*)

IBRRS 2025, 1205

LG Hagen, Beschluss vom 12.09.2024 - 6 OH 3/17
Selbst in einem seit fast 10 Jahren laufenden selbständigen Beweisverfahren kann der gerichtliche Sachverständige, der unklare und widersprüchliche Angaben liefert, entpflichtet werden.
