Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Hervorzuhebende Urteile in allen Sachgebieten
Folgende wichtige Entscheidungen wurden ab dem 25.11.2024 im Volltext bei ibr-online eingestellt
Online seit heute
IBRRS 2024, 3529OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.12.2022 - 23 U 161/21
1. Eine Aufforderung zur Mangelbeseitigung ist nicht erforderlich, wenn sich dem Auftragnehmer aufdrängen muss, was im Rahmen der Mangelbeseitigung von ihm erwartet wird.
2. Stellt ein vom Auftragnehmer beauftragter Privatsachverständiger weitere Mängel fest, muss sich der Auftragnehmer an diesen Mangelfeststellungen festhalten lassen. Einer gesonderte Aufforderung zur Mangelbeseitigung seitens des Auftraggebers bedarf es in einem solchen Fall nicht.
3. Etwaige Zweifel daran, ob der Auftraggeber die Beseitigung der "neuen" Mängel zulässt, kann der Auftragnehmer durch eine schlichte Nachfrage ausräumen.
VolltextOnline seit gestern
IBRRS 2024, 3484BGH, Beschluss vom 13.11.2024 - IV ZR 212/23
1. Leistungsbegrenzungen bleiben zunächst grundsätzlich der freien unternehmerischen Entscheidung des Versicherers überlassen, soweit er nicht mit der Beschreibung der Hauptleistung beim Versicherungsnehmer falsche Vorstellungen weckt. Eine Gefährdung des Vertragszwecks liegt erst dann vor, wenn die Einschränkung den Vertrag seinem Gegenstand nach aushöhlt und in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos macht.
2. Der Tatrichter kann, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht, auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag.
3. Im Rahmen der Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann es im Falle ihrer Verwendung für verschiedene Arten von Geschäften oder gegenüber verschiedenen Verkehrskreisen, deren Interessen, Verhältnisse und Schutzbedürfnisse generell unterschiedlich gelagert sind, geboten sein, die Abwägung in den durch die am Sachgegenstand orientierte typische Interessenlage gebildeten Vertrags- oder Fallgruppen vorzunehmen, was zu gruppentypisch unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Voraussetzung für die Unterteilung der Klauselgegner in unterschiedliche Fallgruppen ist aber eine hinreichend deutliche, aussagekräftige Abgrenzbarkeit der Unterschiede.
VolltextIBRRS 2024, 3511
BAG, Urteil vom 16.10.2024 - 4 AZR 254/23
1. Ein Wiedereinsetzungsantrag muss die Angabe und Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten. Hierzu gehört eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus der sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumung beruht. Lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben dürfen noch nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden.
2. Besteht nach den von der Partei glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit, dass die Fristversäumung von der Partei oder ihrem Prozessbevollmächtigten verschuldet war, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht.
3. Der Rechtsirrtum einer Prozessbevollmächtigten ist regelmäßig nicht unverschuldet. Eine Rechtsanwältin muss die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich anzuwenden sind. Eine irrige Auslegung des Verfahrensrechts kann als Entschuldigungsgrund nur dann in Betracht kommen, wenn die Prozessbevollmächtigte die volle, von einer Rechtsanwältin zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen. Ist die Rechtslage zweifelhaft, muss die bevollmächtigte Rechtsanwältin den sicheren Weg wählen.
4. Die Sorgfaltspflichten, die vor Inkrafttreten der Pflicht zur elektronischen Übermittlung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestanden, gelten auch bei der elektronischen Übersendung mittels beA.
5. Stellt der Versender fest, dass eine Übermittlung über das beA aus technischen Gründen vorübergehend unmöglich ist, und ist ihm eine Ersatzeinreichung möglich und zumutbar, kann er sich nicht darauf beschränken, bis zum Fristablauf weitere Übermittlungsversuche zu unternehmen. Er hat vielmehr sicherzustellen, dass der Schriftsatz fristgerecht nach den allgemeinen Vorschriften beim Gericht eingeht.
6. Eine Rechtsanwältin, die eine Frist bis zum letzten Tag ausschöpft, hat wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen (hier Zumutbarkeit bejaht für Einwurf in den Nachtbriefkasten eines nur drei Kilometer vom Kanzleisitz entfernten Landesarbeitsgerichts).
VolltextOnline seit 3. Dezember
IBRRS 2024, 3506OLG Köln, Urteil vom 18.09.2024 - 11 U 104/23
1. Die Leistung des Auftragnehmers ist mangelfrei, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit aufweist, den anerkannten Regeln der Technik entspricht und funktionstauglich ist.
2. Eine Sandtrainierbahn ist mangelhaft, wenn das zur Ableitung von Niederschlagswassers erforderliche Gefälle zwar zunächst ordnungsgemäß hergestellt war, aber nicht gesichert ist, dass es dauerhaft funktionstauglich ist und zur Ableitung des Wassers geeignet bleibt, weil die hierfür erforderliche Pflege aufgrund der Örtlichkeiten nicht möglich ist.
3. Als Sowieso-Kosten sind nur solche Kosten anzusetzen, um die die Arbeiten des Auftragnehmers teurer geworden wären, wenn von vornherein eine mangelfreie Ausführung beauftragt worden wäre.
4. Die Darlegungs- und Beweislast für Sowieso-Kosten liegt beim Auftragnehmer. Die Feststellung der erforderlichen Kosten und die Ermittlung eventueller Sowieso-Kosten kann vom Gericht geschätzt werden.
VolltextIBRRS 2024, 3375
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.10.2024 - 5 S 154/23
Auch bauplanungsrechtlich als selbständige Hauptnutzung einzustufende Werbeanlagen zum Zwecke der Fremdwerbung können nach § 25 Abs. 5 Satz 2 BauNVO auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen zugelassen werden, wenn sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind.*)
VolltextIBRRS 2024, 3508
EuGH, Urteil vom 25.01.2024 - Rs. C-810/21
1. Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG (...) über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sind (...) dahin auszulegen, dass sie einer gerichtlichen Auslegung des nationalen Rechts entgegenstehen, wonach im Anschluss an die Nichtigerklärung einer missbräuchlichen Vertragsklausel, mit der dem Verbraucher die Kosten des Abschlusses eines Hypothekendarlehensvertrags auferlegt werden, der Anspruch auf Erstattung solcher Kosten einer Verjährungsfrist von zehn Jahren unterliegt, die ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, zu dem sich die Wirkungen dieser Klausel erschöpft haben, weil die letzte Zahlung der Kosten geleistet wurde, ohne dass es insoweit als relevant angesehen würde, dass der Verbraucher von der rechtlichen Würdigung dieses Sachverhalts Kenntnis hat. Ob die Anwendungsmodalitäten einer Verjährungsfrist mit den oben genannten Bestimmungen vereinbar sind, ist unter Berücksichtigung dieser Modalitäten in ihrer Gesamtheit zu beurteilen.*)
2. Die Richtlinie 93/13 ist dahin auszulegen, dass sie einer gerichtlichen Auslegung des nationalen Rechts entgegensteht, wonach zur Bestimmung des Beginns der Verjährungsfrist für den Anspruch des Verbrauchers auf Erstattung von aufgrund einer missbräuchlichen Vertragsklausel rechtsgrundlos gezahlten Beträgen das Bestehen einer gefestigten nationalen Rechtsprechung zur Nichtigkeit derartiger Klauseln als Nachweis dafür angesehen werden kann, dass die Voraussetzung der Kenntnis des betroffenen Verbrauchers von der Missbräuchlichkeit dieser Klausel und den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen erfüllt ist.*)
VolltextOnline seit 2. Dezember
IBRRS 2024, 3392OLG Schleswig, Urteil vom 11.09.2024 - 12 U 156/22
1. Verlangt der Auftragnehmer die Stellung einer Bauhandwerkersicherheit (§ 650f Abs. 1 BGB), hat er grundsätzlich die Höhe der vom Auftraggeber geforderten Sicherheit anzugeben.
2. Dessen ungeachtet ist das Verlangen einer Bauhandwerkersicherheit ohne Angabe der Höhe jedenfalls dann wirksam, wenn es dem Auftraggeber auch ohne Anknüpfungspunkte möglich ist, die Höhe festzustellen, sie also bestimmbar ist.
3. Auch wenn der Auftragnehmer in einer Baubesprechung erklärt, dass er den Auftrag nicht mehr ausführen wird und er danach zu mehreren Baubesprechungen nicht mehr erscheint, liegt darin keine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung. Denn an eine solche Erfüllungsverweigerung sind strenge Anforderungen zu stellen.
4. Erklärt der Auftraggeber die Kündigung des Bauvertrags aus wichtigem Grund, ohne dass ein solcher Kündigungsgrund vorliegt, ist seine Kündigung in eine sog. freie Kündigung umzudeuten.
VolltextIBRRS 2024, 3491
BVerwG, Beschluss vom 26.09.2024 - 4 C 3.23
1. Von Vorhaben nach § 34 Abs. 1, 2 BauGB dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein. Das gilt für alle Vorhaben, die im unbeplanten Innenbereich verwirklicht werden sollen. Es kommt nicht darauf an, ob sie sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen und insoweit zulässig sind.
2. Die Vorschrift des § 34 Abs. 3 BauGB versteht sich als abschließende Regelung. Für einen Abwehranspruch der Nachbargemeinde nach Maßgabe der „Weichenstellungsrechtsprechung“ ist bei Vorhaben im unbeplanten Innenbereich kein Raum.
3. Schädliche Auswirkungen i.S.v. § 34 Abs. 3 BauGB sind dann zu erwarten, wenn das Vorhaben die Funktionsfähigkeit zentraler Versorgungsbereiche der Standortgemeinde so nachhaltig stört, dass sie ihren Versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht mehr substantiell wahrnehmen können.
VolltextIBRRS 2024, 3448
OLG Schleswig, Beschluss vom 22.10.2024 - 7 U 40/24
Die Übernahme der Protokollführung durch den Sachverständigen selbst ist in der ZPO nicht vorgesehen und könnte deshalb verfahrensfehlerhaft sein. Der Einwand einer unzulässigen Protokollierung im zweiten Rechtszug ist aber rechtsmissbräuchlich, wenn alle Beteiligten im erstinstanzlichen Termin damit einverstanden waren.*)
VolltextOnline seit 29. November
IBRRS 2024, 2417BGH, Beschluss vom 23.07.2024 - VIII ZB 39/24
1. Trotz Räumungsvergleichs und Verzichts auf Vollstreckungsschutz kann der Schuldner - soweit zulässig - gem. § 794a ZPO die Verlängerung der Räumungsfrist beantragen.
2. Gegen eine in diesem Zusammenhang ablehnende Entscheidung kann der Schuldner Rechtsbeschwerde einlegen und den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Aussetzung der Räumung beantragen.
3. Im Rahmen der Entscheidung über die Verlängerung der Räumungsfrist sind die Interessen des Gläubigers und des Schuldners gegenüberzustellen, wobei auch die Interessen der in der Wohnung lebenden Kinder des Schuldners zu berücksichtigen sind.
VolltextOnline seit 28. November
IBRRS 2024, 3449OLG Dresden, Urteil vom 13.12.2023 - 13 U 378/23
1. Ein Schadensersatzanspruch des Auftragnehmers aus § 6 Abs. 6 VOB/B wegen einer Bauzeitverlängerung setzt u. a. dass die Bauablaufstörung adäquat-kausal durch hindernde Umstände verursacht wurde, die auf der Verletzung einer Vertragspflicht des Auftraggebers beruht.
2. Ob und welche Mitwirkungshandlungen des Auftraggebers gegenüber dem Auftragnehmer bestehen, ist nach der jeweiligen vertraglichen Gestaltung zu beurteilen. Geht es um Fristüberschreitungen, bedarf der Vertrag der Auslegung, ob der Auftraggeber die Verpflichtung übernommen hat, das Bauwerk zu den vereinbarten Fristen als für die Auftragnehmerleistung geeignet zur Verfügung zu stellen.
3. Allein die Vereinbarung von Vertragsfristen reicht hierfür nicht aus. Vereinbaren die Parteien eines Bauvertrags verbindliche Ausführungsfristen, ist diese Regelung im Zweifel so auszulegen, dass sie nur für den Auftragnehmer Vertragspflichten begründet, nicht hingegen für den Auftraggeber. Für diesen ist die fristgemäße Kooperation nur eine Obliegenheit.
4. Auch bei sonstigen zur Erfüllung eines Bauvertrags erforderlichen Mitwirkungshandlungen handelt es sich regelmäßig nur um Obliegenheiten des Auftraggebers, sofern sich aus dem Gesetz oder dem Vertrag nichts anderes ergibt.
5. Soweit der Auftraggeber im Rahmen dieser Mitwirkungshandlungen dem Auftragnehmer zuverlässige Pläne und Unterlagen zur Verfügung zu stellen hat, handelt es sich um eine Obliegenheit, die allerdings durch die vertragliche Vereinbarung zu einer Leistungspflicht erhoben werden kann.
6. Aus der Regelung des § 3 Abs. 1 VOB/B ergibt sich die Pflicht des Auftraggebers, die für die Ausführung nötigen Unterlagen dem Auftragnehmer rechtzeitig zu übergeben.
VolltextIBRRS 2024, 3402
VGH Bayern, Beschluss vom 20.09.2024 - 1 CS 24.1020
1. Beruft sich ein betroffener Eigentümer gegenüber einer bauordnungsrechtlichen Eingriffsmaßnahme als ihm zugutekommende Einwendung auf Bestandsschutz so trägt dieser hierfür die Darlegungslast sowie die materielle Beweislast und damit das Risiko der Nichterweislichkeit.
2. Für sich gesehen genehmigungsfreie Teile eines Vorhabens werden von der Baugenehmigungspflicht erfasst, wenn sie unselbständige Teile eines genehmigungspflichtigen Gesamtvorhabens sind und mit diesem eine Einheit bilden.
VolltextIBRRS 2024, 3458
AG Brandenburg, Urteil vom 25.11.2024 - 30 C 194/24
Ein Vermieter einer Wohngemeinschaft kann gegenüber einem Mieter dieser Wohngemeinschaft grundsätzlich kein „Hausverbot“ aussprechen und hierdurch eigenmächtig diesen Mieter am Zutritt zu den angemieteten Wohnräumen hindern (§§ 535, 546, 854, 859, 861, 862, 903, 985, 986, 1004 BGB).*)
VolltextIBRRS 2024, 2924
BGH, Urteil vom 27.09.2024 - V ZR 48/23
Das dingliche Vorkaufsrecht genießt jedenfalls dann Vorrang vor dem Vorkaufsrecht des Mieters, wenn es von dem Eigentümer zu Gunsten eines Familienangehörigen i.S.v. § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB bestellt wurde.
VolltextIBRRS 2024, 3401
LG Berlin II, Beschluss vom 24.10.2024 - 67 S 86/23
1. Die Richterablehnung kann grundsätzlich nicht auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden. Eine Ausnahme ist dann geboten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen Grundsätzen entfernen, dass sie aus der Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken.
2. Ein Ablehnungsgrund kann sich auch aus einer Gesamtschau des Verhaltens des abgelehnten Richters aus der Perspektive des ablehnenden Beteiligten ergeben, insbesondere, wenn der Eindruck entstanden ist, das Gericht nehme wesentliche Einwendungen des Beteiligten nicht oder nicht ausreichend zur Kenntnis.
3. Für die Besorgnis der Befangenheit ist nicht die Feststellung eines einzelnen Verfahrensverstoßes entscheidend. Vielmehr können sich bei vernünftiger Betrachtungsweise schon aus einer Gesamtschau verschiedener Umstände des Verfahrens aus der Perspektive des Antragstellers Zweifel an der Unbefangenheit des Richters ergeben. Diese können sich auch aus der Verfahrensführung oder einem Urteil im Vorprozess ergeben.
4. Ein Richter ist befangen, wenn er die Revisionszulassung mit Beschluss nach § 522 ZPO ablehnt, ohne dass er sich mit den diesbezüglichen Ausführungen des Klägers erkennbar auseinandergesetzt hätte und auch ohne dass dies aus der Entscheidung heraus erklärlich wäre. Dies gilt erst recht, wenn die nicht erklärliche Nicht-Zulassung der Revision zum wiederholten Male erfolgte, nachdem eine vom abgelehnten Richter gefällte Endentscheidung ohne Revisionszulassung vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben und zurückverwiesen wurde.
VolltextOnline seit 27. November
IBRRS 2024, 3437OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.03.2023 - 5 U 39/21
1. Ein Gebäude oder eine Wohnung ist dann als bezugsfertig anzusehen, wenn der Bau so weit fortgeschritten ist, dass den zukünftigen Bewohnern zugemutet werden kann, das Gebäude oder die Wohnung zu beziehen. Dies ist nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen.
2. Üblicherweise muss für die Bezugsfertigkeit beim schlüsselfertigen Bau eines Hauses - mit Ausnahme der Außenanlage - das gesamte Gebäude fertiggestellt sein und zu dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch auch genutzt werden können. Die Zumutbarkeit der Nutzung setzt insbesondere voraus, dass eine funktionsfähige Heizungsanlage vorhanden, die Kalt- und Warmwasserversorgung sichergestellt ist und sämtliche Sanitäreinrichtungen vorhanden sind. Etwaige Mängel stehen der Bezugsfertigkeit des Objekts nicht entgegen, wenn sie die Sicherheit und die Gesundheit der Nutzer nicht beeinträchtigen.
3. Das Fehlen eines eigenständigen Anschlusses eines Townhouses an das Fernwärmnetz und das öffentliche Kanalnetz stehen der Bezugsfertigkeit des Objektes nicht entgegen.
4. Bei einer gemeinsamen Fernwärmeversorgungsanlage und einem gemeinsamen Entwässerungssystem ist von einer Bruchteilsgemeinschaft in Bezug auf die Nutzung der jeweiligen Ver- und Entsorgungsanlagen auszugehen.
VolltextIBRRS 2024, 3409
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.08.2024 - 15 Verg 8/24
Ein Angebot kann nicht wegen Abweichung von den Vergabeunterlagen ausgeschlossen werden, wenn der öffentliche Auftraggeber in zulässiger Weise ein Leitfabrikat vorgibt und das vom Bieter angebotene Fabrikat den Gleichwertigkeitsanforderungen genügt.
VolltextIBRRS 2024, 3445
LG Frankfurt/Main, Urteil vom 21.11.2024 - 2-13 S 624/23
Ist ein Eigentümer rechtskräftig zur Zahlung eine Sonderumlage verurteilt worden, kann er dem nicht mit der Vollstreckungsabwehrklage entgegenhalten, dass der Beschluss über eine Erhaltungsmaßnahme, deren Finanzierung die Sonderumlage diente, nach Abschluss des Zahlungsklageverfahrens rechtskräftig für ungültig erklärt wurde.*)
VolltextIBRRS 2024, 3442
BGH, Urteil vom 25.10.2024 - V ZR 17/24
In wohnungseigentumsrechtlichen Beschlussanfechtungsverfahren trifft den Kläger die Obliegenheit, bei Verzögerungen der Klagezustellung spätestens innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Monatsfrist zur Erhebung der Anfechtungsklage bei Gericht den Sachstand zu erfragen, selbst wenn er alle für eine ordnungsgemäße Klagezustellung von ihm geforderten Mitwirkungshandlungen erbracht, insbesondere den Gerichtskostenvorschuss ordnungsgemäß gezahlt hat. Erfüllt der Kläger diese Obliegenheit nicht, beginnt der ihm im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 167 ZPO ("demnächst") zuzurechnende Zeitraum einer Zustellungsverzögerung.*)
VolltextIBRRS 2024, 3363
BGH, Urteil vom 23.10.2024 - IV ZR 205/22
1. Eine Berufungsbegründung muss auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen in erster Instanz zu verweisen. Eine Verweis auf den gesamten erstinstanzlichen Sach- und Rechtsvortrag genügt den Anforderungen an den Inhalt einer Berufungsbegründung daher nicht.
2. Eine allgemeine Bezugnahme, durch die es dem Berufungsgericht überlassen bleibt, die gesamten erstinstanzlichen Ausführungen auf ihre Relevanz für das Berufungsverfahren zu überprüfen, liegt nicht vor, wenn der Berufungskläger ausdrücklich auf einen bestimmten Schriftsatz aus der ersten Instanz verweist.
VolltextOnline seit 26. November
IBRRS 2024, 3440BGH, Urteil vom 20.09.2024 - V ZR 123/23
1. Unter den während der Corona-Pandemie zeitweise geltenden landesrechtlichen Vorgaben von "2G" durfte eine Eigentümerversammlung stattfinden. Der Verwalter musste die für die Versammlung geltenden infektionsschutzrechtlichen Vorgaben beachten und durfte dementsprechend in der Ladung auf die Notwendigkeit der Einhaltung der "2G"-Regelung hinweisen. Die Abhaltung einer Eigentümerversammlung war auch dann ermessensgerecht, wenn einzelne Wohnungseigentümer mitteilten, die Vorgaben der "2G"-Regelung nicht zu erfüllen und deshalb an der Teilnahme gehindert zu sein.*)
2. Der Verwalter muss, wenn ein Grundlagenbeschluss nach § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG gefasst worden ist, nicht bereits in der Ladung zur Eigentümerversammlung auf die Möglichkeit der Online-Teilnahme hinweisen und die dafür notwendigen technischen Details mitteilen.*)
3. Ein Wohnungseigentümer, dem die Online-Teilnahme an der Eigentümerversammlung durch Beschluss gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG gestattet ist, muss aktiv von seinem Recht auf Online-Teilnahme Gebrauch machen. Der Verwalter kann dieses Verlangen abwarten und muss die Online-Teilnahme auch dann nicht von sich aus (vorsorglich) anbieten, wenn ein Wohnungseigentümer ihm mitteilt, dass er an der Versammlung nicht physisch teilnehmen kann.*)
VolltextIBRRS 2024, 3439
BGH, Urteil vom 11.10.2024 - V ZR 22/24
Eine bauliche Veränderung (hier: Gedenkstein) gestaltet die Wohnanlage nicht grundlegend um, wenn sie mit einer in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen spezifischen Vorgabe für die Nutzung und Gestaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (hier: Ziergarten) vereinbar ist.*)
VolltextIBRRS 2024, 3432
BGH, Urteil vom 07.11.2024 - IX ZR 179/23
Steht dem Besteller aufgrund von Voraus- oder Abschlagszahlungen aus einem Werkvertrag eine Insolvenzforderung zu, kann er die den Unternehmer treffende nebenvertragliche Pflicht, seine Leistungen in einer Schlussrechnung abzurechnen, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers im Insolvenzverfahren nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. In diesem Fall hat der Gläubiger seine Forderung auf Rückzahlung eines etwaigen Überschusses im Wege der Schätzung zur Tabelle anzumelden.*)
VolltextIBRRS 2024, 3365
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 04.09.2024 - 1 MN 14/24
1. Auch wenn die Gemeinde von der Möglichkeit des § 12 Abs. 3a BauGB Gebrauch macht und die Konkretisierung des Vorhabens im Wesentlichen dem Durchführungsvertrag vorbehält, wird dieser weder Bestandteil des Satzungsrechts noch ist er aus anderen Gründen öffentlich auszulegen.*)
2. Ist der Vollzug eines Bebauungsplans mit dem Verlust von Wald verbunden und sieht der Plan eine den Anforderungen des § 8 Abs. 4 NWaldLG entsprechende Ersatzaufforstung vor, ist insoweit regelmäßig auch den Anforderungen des § 1a Abs. 3 BauGB genügt.*)
VolltextIBRRS 2024, 3426
LG Darmstadt, Urteil vom 28.05.2024 - 8 S 7/23
1. Eine Mieterhöhung genügt den formellen Anforderungen, wenn der Mieter - gegebenenfalls unter Zuziehung juristisch oder bautechnisch sachkundiger Personen - den Grund und den Umfang der Mieterhöhung anhand der Erläuterung als plausibel nachvollziehen kann.
2. Im Rahmen der Berechnung erforderlich sind die Angabe der Gesamtkosten, eine etwaige Kürzung durch Drittmittel, bei mehreren Wohnungen der Verteilungsschlüssel, der auf die Wohnung des Mieters entfallende Betrag und der konkrete monatliche Erhöhungsbetrag. Dabei müssen die Modernisierungskosten nachvollziehbar von einer gleichzeitig durchgeführten Instandhaltung getrennt werden.
3. Dienen Maßnahmen sowohl der Modernisierung als auch der Instandhaltung, dann muss der ersparte Instandsetzungsaufwand, wie er sich nach Meinung des Vermieters darstellt, konkret oder zumindest in Form einer nachvollziehbaren Quote von den Gesamtkosten in Abzug gebracht werden.
4. Im Rahmen der Erläuterung des angewandten Verteilerschlüssels reicht es aus, die für den gewählten Verteilerschlüssel maßgeblichen Parameter (z. B. zu Grunde gelegte Flächen in Quadratmetern) anzugeben.
5. Die Erklärung darf nicht vor Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen abgegeben werden. Allerdings können bei tatsächlich trennbaren Maßnahmen für die jeweils abgeschlossene(n) Maßnahme(n) Mieterhöhungserklärungen abgegeben werden.
6. Die Ankündigung verschiedener Modernisierungsmaßnahmen in einem einheitlichen Schreiben machen diese nicht zu einer einheitlichen Maßnahme.
7. Zwar sieht das BGB für Erklärungen in Textform eine normierte Mindestgröße von Text oder Zahlen nicht vor. Allerdings liegt es in der Natur der Sache, dass der Zweck der Textform, nämlich dem Adressaten eine verkörperte Möglichkeit zu verschaffen, den Inhalt bei Bedarf zur Kenntnis zu nehmen, nur erreicht werden kann, wenn der Text für einen Durchschnittskunden mühelos lesbar ist.
8. Ist das Mieterhöhungsverlangen (teilweise) in einer Schriftgröße unterhalb der Größe 6 abgefasst und sind einzelne Zahlen selbst mit - nicht geschuldeter - besonderer Anstrengung nicht mehr lesbar, entspricht es nicht den formellen Anforderungen.
VolltextIBRRS 2024, 3425
AG Köln, Urteil vom 19.03.2024 - 204 C 100/23
Nach der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes kann mit der Anfechtung der Jahresabrechnungen nur noch die Falschberechnung der Vor- und Nachschüsse beanstandet werden.
VolltextOnline seit 25. November
IBRRS 2024, 3420OLG Brandenburg, Urteil vom 07.11.2024 - 12 U 162/23
1. Die Leistung des Auftragnehmers ist mangelhaft, wenn sie die bauordnungsrechtlichen Vorschriften nicht einhält (hier: Fehlen notwendiger Verwendbarkeitsnachweise für tragende Holzbauteile). Es entlastet den Auftragnehmer nicht, dass eine bestandskräftige Baugenehmigung vorliegt. Die Anforderungen an die Prüfungs- und Hinweispflicht sind zwar insoweit eingeschränkt, aber nicht völlig aufgehoben.
2. Der Auftragnehmer haftet trotz eines Planungsfehlers des Architekten gesamtschuldnerisch auf die gesamten Mängelbeseitigungskosten, wenn der Schaden sowohl durch einen Planungsfehler als auch durch einen Ausführungsfehler entstanden ist. Eine solche Konstellation liegt vor, wenn der Ausführungsfehler auch ohne den Planungsmangel und umgekehrt selbstständig zum vollen eingetretenen Schaden beigetragen hat.
VolltextIBRRS 2024, 3413
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.08.2024 - Verg 6/24
1. Ist eine Fachlosbildung (hier: Fahrbahnrückhaltesystem, Verkehrssicherung und Weißmarkierung) möglich, weil für diese Leistungen ein eigener Markt besteht, kommt eine Gesamtvergabe nur ausnahmsweise in Betracht. Der gesetzliche Regelfall ist die losweise Vergabe, sie ist grundsätzlich vorrangig.
2. Der öffentliche Auftraggeber hat sich daher, wenn ihm eine Ausnahme von dem Grundsatz der losweisen Vergabe aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen erforderlich erscheint, mit dem Gebot einer Fachlosvergabe und den dagegensprechenden Gründen intensiv auseinanderzusetzen. Er hat eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange vorzunehmen, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden Gründen nicht nur anerkennenswert sein, sondern überwiegen müssen.
3. Technische Gründe sind solche, die eine Integration aller Leistungsschritte in einer Hand zur Erreichung des vom Auftraggeber angestrebten Qualitätsniveaus notwendig machen (hier verneint).
4. Wirtschaftliche Gründe liegen vor, wenn eine Aufteilung in Lose mit wirtschaftlich nachteiligen Folgen für den Auftraggeber verbunden ist, die über das übliche in Kauf zu nehmende Maß hinausgehen (hier verneint).
5. Bei seiner Entscheidung hat der öffentliche Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum. Der Kontrolle durch die Nachprüfungsinstanzen unterliegt insofern allein, ob die Entscheidung auf vollständiger und zutreffender Sachverhaltsermittlung und nicht auf einer Fehlbeurteilung, namentlich auf Willkür, beruht. Dabei müssen die für eine Gesamtlosvergabe angeführten Gründe auf den konkreten Auftrag bezogen und tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sein.
6. Eine nachträgliche Heilung von Dokumentationsmängeln ist nur dann möglich, wenn die Vergabestelle ihre Erwägungen im Laufe des Nachprüfungsverfahrens lediglich ergänzt und präzisiert.
IBRRS 2024, 3423
LG Mönchengladbach, Urteil vom 22.10.2024 - 4 S 95/23
Die Verwendung einer verbotswidrigen Preisanpassungsklausel betrifft selbst bei rechtskräftiger gerichtlicher Feststellung nur zukünftig fällig werdende Beträge und hat auf bereits fällige und rechtshängige Mietforderungen keine Auswirkungen. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Regelung zu § 8 PreisklG und der Gesetzesmaterialien ist für eine einschränkende Auslegung der Norm kein Raum.*)
VolltextIBRRS 2024, 3385
AG Bottrop, Urteil vom 23.09.2024 - 12 C 44/24
1. Eine nachhaltige Störung des Hausfriedens liegt insbesondere dann vor, wenn eine Vertragspartei Straftaten begeht; hierunter fällt insbesondere der Straftatbestand der Bedrohung.
2. Hierbei muss die Straftat einen Bezug zum Mietverhältnis haben; der Bezug zum Mietverhältnis besteht nicht nur, wenn sich die Straftat gegen den Vertragspartner als Opfer richtet, sondern auch, wenn von ihr Dritte, dem Vertragspartner persönlich nahestehende Personen oder solche Personen betroffen sind, die Berührung mit der Vertragsdurchführung haben.
3. Droht der Mieter der Tochter des Vermieters, diese zu erschießen, rechtfertigt dies eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung.
4. Die fristlose Kündigung wäre auch gerechtfertigt, wenn es sich nicht um die Tochter des Vermieters, sondern "lediglich" um eine Mitmieterin handeln würde.
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