Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Hervorzuhebende Urteile zum Recht am Bau
In den letzten 30 Tagen wurden folgende wichtige Entscheidungen im Volltext bei ibr-online eingestellt
Online seit 27. Juni
IBRRS 2025, 1623
OLG München, Urteil vom 14.06.2023 - 20 U 8406/21 Bau
1. Eine Vertragsbedingung, wonach der Auftraggeber den Vertrag mit dem Auftragnehmer (hier: Nachunternehmer) bei Nichtbeachtung seiner Verpflichtung zur Zahlung der Gesamtversicherungsbeiträge und der gesetzlichen Unfallversicherung sowie bei Nichtbeachtung der Bestimmungen zur Zahlung des Mindestlohns und der Regelungen zur Abführung der Urlaubskassenbeiträge ohne Abmahnung oder Fristsetzung aus wichtigem Grund kündigen kann, ist wirksam.
2. Der Leistungsbeschrieb, wonach die Entsorgung von Bodenmaterial nach Festlegungen des "Bayerischen Eckpunktepapiers in der aktuellen Fassung" erfolgen soll, ist dahingehend auszulegen, dass es auf die im Zeitpunkt der tatsächlichen Entsorgung - und nicht bei Angebotsabgabe - aktuelle Fassung ankommt.
3. Der Auftragnehmer kann für eine im Leistungsverzeichnis nicht vorgesehene Handschachtung eine (Stundenlohn-)Vergütung auch ohne Auftrag verlangen, wenn die Leistungen für die Erfüllung des Vertrags notwendig waren, dem mutmaßlichen Willen des Auftraggebers entsprachen und ihm unverzüglich angezeigt wurden. Der Umstand, dass entgegen den vertraglichen Vereinbarungen weder Regiezettel erstellt noch abgezeichnet wurden, hindert das Bestehen des Anspruchs nicht.
4. Der Umstand, dass sich die Bauzeit erheblich verlängert hat, genügt nicht, um einen Annahmeverzug des Auftraggebers festzustellen. Für einen Entschädigungsanspruch muss der Auftragnehmer vielmehr vortragen, welche konkrete Pflicht oder Obliegenheit der Auftraggeber wann verletzt hat und wie der Bauablauf hierdurch in welchem Zeitraum gestört wurde und es hierdurch zu einer Verzögerung kam.
5. Der Entschädigungsanspruch für eine unproduktive Bereithaltung von Produktionsmitteln ist nicht mit dem vereinbarten Preis für Regieleistungen gleichzusetzen. Vielmehr ist vom Auftragnehmer der Anteil der Vorhaltekosten anhand seiner Kalkulation oder sonst nachvollziehbarer Grundlagen zur Preisermittlungen darzulegen.
6. Für die Bemessung neuer Einheitspreise bei Mehrmengen sind die tatsächlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge maßgeblich.

Online seit 25. Juni
IBRRS 2025, 1636
OLG Frankfurt, Urteil vom 06.10.2023 - 29 U 143/21
1. Wegen unwesentlicher Mängel, die die Entgegennahme der Leistung insgesamt als im Wesentlichen vertragsgemäß nicht hindern, darf der Auftraggeber die Abnahme nicht verweigern. Die unberechtigte Abnahmeverweigerung führt zum Eintritt der Abnahmewirkungen.
2. Übernimmt ein Auftraggeber als Bauträger das vom Auftragnehmer fertiggestellte Bauvorhaben und bietet er es anschließend am Markt an, bringt er hiermit die stillschweigende Billigung der ausgeführten Leistung im Sinne der Abnahme zum Ausdruck.
3. Wenn auch ein Prüfvermerk eines Architekten den Auftraggeber nicht ohne weiteres rechtlich entlastet und der Architekt auch nicht ohne Zustimmung des Auftraggebers ohne weiteres die Befugnis hat, diesen rechtsgeschäftlich (im Sinne einer Vertragsänderung) zu vertreten, kann gleichwohl eine Verpflichtung des Auftraggebers nach den Grundsätzen über die Duldungs- und Anscheinsvollmacht entstehen.
4. Die widerspruchslose Entgegennahme eines Baustellenprotokolls gilt selbst dann als Einverständnis mit dessen Inhalt, wenn sich hieraus ergänzende oder klarstellende Bestimmungen ergeben, und auch dann, wenn für den Empfänger bei den Vertragsverhandlungen ein vollmachtloser Vertreter aufgetreten ist.
5. Der Auftraggeber kann sich gegenüber dem Vergütungsverlangen nach einer Kündigung nicht auf Mängel berufen, die er beseitigen ließ, ohne dem Auftragnehmer nach der Kündigung Gelegenheit zur Mängelbeseitigung zu geben.
6. Widersprechende Gutachten allein zwingen das Gericht noch nicht zur Einholung eines weiteren Gutachtens.

IBRRS 2025, 1642

LAG Hessen, Urteil vom 31.01.2025 - 10 SLa 564/24
1. Der Weg hin zur Arbeit und zurück stellt für den Arbeitnehmer im Grundsatz keine fremdnützige Tätigkeit dar und ist nicht nach § 611a Abs. 2 BGB zu vergüten.*)
2. Die Arbeit beginnt grundsätzlich nicht schon mit Betreten des Betriebsgeländes, sondern erst dann, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit bestimmungsgemäß aufnimmt. Daran ändert sich nichts dadurch, dass das Betriebsgelände - im vorliegenden Fall ein Flughafen - über eine große räumliche Ausdehnung verfügt und der Arbeitnehmer auf dem Weg zu der konkreten Arbeitsstelle eine Vielzahl von Vorgaben durch den Arbeitgeber, wie das Passieren von Kontrollpunkten, Nutzung eines vom Arbeitgeber betriebenen Shuttleservice etc., befolgen muss.*)
3. Die Pflicht zum Tragen einer auffälligen Warnweste mit dem Aufdruck des Arbeitgebers auf dem sicherheitsrelevanten Bereich des Flughafens ändert nichts an dem Umstand, dass das Zurücklegen des Wegs hin zur konkreten Arbeitsstelle und zurück keine fremdnützige Tätigkeit darstellt.*)

Online seit 20. Juni
IBRRS 2025, 0009
OLG München, Beschluss vom 23.03.2022 - 28 U 3227/21 Bau
1. Erklärt sich der Hersteller von Dachfolien infolge eines Produktrückrufs gegenüber dem Bauherrn dazu bereit, im Fall einer erforderlichen Sanierung des betroffenen Daches eine Abdichtungsbahn mit gültigem bauaufsichtlichem Prüfzeugnis zu verlegen bzw. verlegen zu lassen, handelt es sich um einen Werkvertrag, der darauf gerichtet ist, die Funktionsfähigkeit einer Sache wiederherzustellen (Reparaturvertrag).
2. Ein Gesamtschuldverhältnis besteht auch zwischen mehreren - hier im Haupt- und Nachunternehmerverhältnis stehenden - Unternehmern, soweit sie wegen desselben Mangels haften.
3. Dem Auftraggeber steht ein Vorschussanspruch vor Abnahme grundsätzlich nicht zu, sodass ein Abrechnungsverhältnis von Werklohn und Vorschuss vor der Abnahme nicht entstehen kann. Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn der Auftraggeber zum Ausdruck bringt, dass er in keinem Fall auf einen möglichen Nacherfüllungsanspruch zurückkommen wird.

Online seit 17. Juni
IBRRS 2025, 1537
OLG Brandenburg, Urteil vom 26.05.2025 - 2 U 2/25
1. Bei einem gemischten Vertrag über die Lieferung von Pflastersteinen, Entsorgung von Betonschutt und die Vermietung von Baumaschinen sind die verschiedenen Gewährleistungsregelungen zu kombinieren mit der Folge, dass bei Leistungsstörungen jeweils die Regeln des Vertragstyps heranzuziehen sind, für den die betreffende Leistung charakteristisch ist (hier: Kaufrecht für Mängel der gelieferten Pflastersteine).
2. Pflastersteine müssen sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignen, andernfalls sind sie auch dann mangelhaft, wenn sie der vereinbarten Beschaffenheit entsprechen.
3. Der Käufer hat über den Anspruch auf Ersatzlieferung hinaus auch einen Vorschussanspruch auf die erforderlichen Kosten für den Ausbau der mangelhaften und den Einbau der bestimmungsgemäß verlegten Pflastersteine.
4. Bei absoluter Unverhältnismäßigkeit der Ein- und Ausbaukosten kann der Verkäufer seine Kostenbeteiligung auf einen angemessenen Betrag beschränken. Dies gilt jedoch grundsätzlich nur für ästhetische Beeinträchtigungen und nicht - wie hier - für funktionale Einschränkungen.

Online seit 13. Juni
IBRRS 2025, 1429
OLG Celle, Urteil vom 08.01.2025 - 14 U 49/24
1. Auch im Bereich der Daseinsvorsorge (hier städtische Entwässerung) kann eine Haftung des Staates bestehen, wenn der übertragene hoheitliche Charakter der Aufgabe im Vordergrund steht, ein enger Zusammenhang zwischen der Maßnahme und der schädigenden Handlung vorliegt und das private Unternehmen lediglich als "Werkzeug" oder "verlängerter Arm" der öffentlichen Hand agiert, ohne dass diese auf die Fachkunde des Unternehmers zurückgreift, weil ihre eigenen Fachleute den detaillierten Bauablauf vorgegeben haben, diesen überwachen und alle anfallenden Entscheidungen treffen (hier bejaht für Arbeiten an einem städtischen Entwässerungskanal).*)
2. Das bauausführende Unternehmen handelt in einem solchen Fall als Verwaltungshelferin in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes. Damit ist eine Überleitung der Haftung auf die beauftragende öffentlich-rechtliche Körperschaft verbunden.*)
3. Eine Klage gegen das bauausführende Unternehmen ist dann als unzulässig abzuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 11.07.2018 - IV ZR 243/17, Rz. 32, IBRRS 2018, 2508), weil die nach § 51 Abs. 1 ZPO erforderliche Prozessführungsbefugnis der Beklagten nicht gegeben ist (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2005 - VIII ZR 301/03, Rz. 7, IBRRS 2005, 2101).*)

Online seit 11. Juni
IBRRS 2025, 1427
KG, Beschluss vom 19.02.2025 - 21 U 186/24
1. Der mit Erdarbeiten beauftragte Auftragnehmer ist verpflichtet, sich über die Tragfähigkeit eines Tiefgaragendachs zu informieren, bevor er auf diesem Hohlkörper einen Minibagger einsetzt und dort zusätzlich beträchtlichen Erdaushub aufschüttet.
2. Das Verkehrsschild "Feuerwehrzufahrt freihalten" trifft keine Aussage dazu, auf welche Belastung eine Zufahrt ausgelegt ist.

Online seit 10. Juni
IBRRS 2025, 1475
OLG Celle, Urteil vom 14.05.2025 - 14 U 238/24
1. § 650c Abs. 3 BGB ist - ebenso wie § 650d BGB - auf Bauverträge anwendbar, in die die VOB/B einbezogen ist. Will der Unternehmer nach § 650c Abs. 3 BGB vorgehen, müssen aber auch im VOB/B-Vertrag die Voraussetzungen des § 650b BGB gegeben sein (Anschluss an OLG München, IBR 2024, 223.*)
2. Das Vorliegen eines Nachtragsangebotes nach § 650b Abs. 1 S. 2 BGB setzt - über die Voraussetzungen der §§ 145 ff. BGB hinaus - voraus, dass der Besteller durch dieses in die Lage versetzt wird, die auf ihn im Falle einer Beauftragung zukommenden Zusatzkosten wenigstens annähernd abzuschätzen. Das Angebot muss zeitlich vor der Anordnung nach § 650b Abs. 2 BGB in hinreichend bestimmter Form vorliegen, da es der Unternehmer andernfalls in der Hand hätte, durch ein nachträgliches Angebot die Höhe seiner Abschlagszahlungen nach § 650c Abs. 3 BGB selbst festzulegen.*)
3. Leistungsänderungen, die sich nicht auf die bautechnische Leistung (den sog. Bauinhalt), sondern lediglich auf die Bauumstände, insbesondere die Bauzeit, beziehen, werden von § 650b Abs. 1 S. 1 BGB nicht erfasst.*)
4. Der gesetzlich vermutete Verfügungsgrund des § 650d BGB entfällt wegen Selbstwiderlegung, wenn der Antragssteller von der Möglichkeit der Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes unangemessen lange keinen Gebrauch macht. Wie lange ein Antragssteller mit dem Verfügungsantrag zuwarten darf, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab.*)
5. Die Dringlichkeitsvermutung des § 650d BGB ist auf Streitigkeiten über Anordnungen nach § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B und die Berechnung von Nachtragsvergütungen nach § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B sowie über auf andere Anspruchsgrundlagen als § 650c BGB gestützte Vergütungsansprüche nicht anwendbar.*)
Online seit 6. Juni
IBRRS 2025, 1399
OLG Frankfurt, Urteil vom 23.05.2025 - 29 U 38/24
1. Ein für den Verbraucher widerruflicher Außer-Geschäftsraum-Vertrag liegt auch dann vor, wenn der Vertrag zwischen dem Verbraucher-Auftraggeber und dem bauausführenden Unternehmer unter Einschaltung eines Architekten als Verhandungsgehilfen geschlossen wurde.
2. Ein Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem bauausführenden Unternehmer (nur) über Innenputz-, Maler- und Trockenbauarbeiten stellt keinen Verbraucherbauvertrag dar.

Online seit 4. Juni
IBRRS 2025, 1433
KG, Urteil vom 27.05.2025 - 21 U 193/24
1. Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch ist gegeben, wenn von einem Grundstück rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Nachbar nicht dulden muss und aus besonderen Gründen auch nicht unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen.
2. Hiervon ist auszugehen, wenn flüssiger Beton während des Transports auf ein fremdes Grundstück fällt, da der Nachbar eine solche Gefahr in aller Regel nicht erkennen und die Einwirkungen auf sein Grundstück daher nicht rechtzeitig abwehren kann.
3. Die Störereigenschaft folgt nicht allein aus dem Eigentum oder Besitz an dem Grundstück, von dem die Einwirkung ausgeht. Erforderlich ist vielmehr, dass die Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers zurückgeht. Dies ist bei einem der Bebauung des Grundstücks des Störers dienenden Betontransports über das beeinträchtigte Grundstück hinweg zu bejahen.

Online seit 2. Juni
IBRRS 2025, 0996
OLG Köln, Beschluss vom 15.03.2023 - 19 U 75/22
1. Die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs setzt eine vorherige Abnahme des Werks voraus.
2. Einer konkludenten Abnahme steht entgegen, wenn der Auftragnehmer auf einen Rapportvordruck Bezug nimmt, der eine ausdrückliche und vom Auftraggeber zu unterzeichnende Abnahmeerklärung vorsieht, und eine dementsprechende Erklärung des Auftraggebers unterbleibt.
